Teil 5:
Der Wirt war der erste der reagierte: „Also los… verrammelt die Tür und sämtliche Fensteröffnungen. Du sagtest, davon gibt’s noch mehr dadraussen?“ „Es wimmelt nur so von Ihnen“ „Ok, seht auch oben nach. Ist ein Arzt hier? Kann jemand sich das arme Schwein hier mal ansehen?“ Er zeigte auf den Verletzten am Boden, doch was der Wirt nicht wusste war dass seinen Verwundungen bereits erlegen war.
Wie in Trance machten sich alle Anwesenden an die Arbeit.
Sobald alles verbarrikadiert war und es nichts mehr zu tun gab, drangen die Geschehnisse langsam zu den Köpfen durch. Einige stellten sich an die Fenster und schauten ängstlich durch Ritzen und Sichtspalte heraus. Weiteree fingen an leise vor sich hinzuwimmern. Wiederum andere stritten sich weiter hinten in der Ecke, trauten sich aber nicht wirklich lauter zu werden.
Der Schreinersohn setzte sich erstmal an die Theke und beobachtete den Wirt, der wiederum die tote Kreatur beäugte. Mit dem Fuss stocherte dieser in den Resten des zertrümmerten Schädels herum.
„Sie können also sterben…“ „Scheint so… Was sind dass nur für Viecher?“ Er schüttelte den Kopf , griff ungefragt nach einer offenen Schnapsflache und war bereits im Begriff sich einen einzukippen, hielt aber dann inne und schaute auf den Wirt. Als dieser nickte, füllte er ein grösseres Glas und kippte es sich in einem Zug hinter. Beim Abstellen des Glases viel ihm das Messer auf. Er ging darauf zu und hob es auf. Es wog unglaublich schwer in seinen Händen. Wie diese kleinen Monster sie nur solange hochhalten konnten? Von weitem sah es aus wie ein massiges Fleischermesser, von Nahem aber erkannte er jetzt, dass es eher ein lieblos, grobgeschmiedetes Stück Metallscherbe ist. Schlecht in Form gebracht, dennoch aber mit einem sporadisch geschliffenenen kleinen Handgriff versehen. Trotz seiner Unform und Grobschlächtigkeit war es merkwürdigerweise perfekt ausbalanciert.
Wegen seiner zu grossen Hände konnte er es nicht richtig fassen, doch wusste er genau dass es in kleineren Händen eine erstaunlich effektive Hieb- und Stichwaffe sein muss. Er probierte die Schärfe an der Ecke einer Filzmatte auf der Theke aus… : rasiermesserscharf. Voll Demut legte er es wieder ab.
„Ich… ich dachte es wären Kinder..?!“ hinter ihm kam eine verstörte Frau auf ihn zu. „Ich bin auf eines zugegangen, dass bei einer toten Frau stand. Ich dachte es wäre ihr Kind… ich wollte… ich bin hin und dann… „ Sie schluchzte nur noch.
„Was sind dass nur für Dinger?“ „Ich habe keine Ahnung. Jemand sagte uns, sie kämen aus einem Erdloch nahe des Lagerhauses. Wir waren vom Marktplatz aus auf dem Weg dorthin, zusammen mit einem Gendarm, um nachzusehen, als wir plötzlich von denen angegriffen wurden.“ Er wollte sich noch einen Schnapps genemigen , aber der Wirt nahm jetzt die Flasche an sich und machte sie wieder zu. „Wir sollten jetzt bei klarem Verstand bleiben. Wie sieht es draussen aus? „ Vom Fenster rief einer herüber: “Es ist ruhig, nichts zu sehen. Aber ‚die’ sind noch da… „
Die an der Theke stehenden, gingen zum anderen Fenster und schauten durch die Spalte zwischen den Barrikaden. Ausser den Toten und dem Chaos war aber nichts weiter zu erkennen.
„Ich sehe nichts?“ „Die sind noch da. Schauen Sie, dahinten…“
Er schaute rüber auf die andere Straßenseite. Ein einzelnes „Männchen“ versuchte eine Taube auf einem Dachsimms zu erreichen, rutschte aber jedesmal wieder ab. Er gab erst auf als er eine Ratte bei einem Kanalisationsdeckel entdeckte. Sofort war es auf ihrer Fährte. „Sie attackieren alles was lebt und sich bewegt.“
Die anderen bewegten sich wieder weg von den Fenstern, doch er beobachtete weiterhin tief im Gedanken versunken die Totenstille, die jetzt draußen herrschte. Kurz unterbrochen von einer Krähe die sich auf einen Toten niederlassen wollte. Blitzschnell rasten 5 der Kreaturen mit Messern im Anschlag auf die Krähe zu. Die Krähe hob jedoch rechtzeitig genug ab und sie zogen sich wieder zurück und ihre Unterschlüpfe als die Krähe an Höhe gewann.
„Wie kann man sowas nur aufhalten…?“ murmelte er mehr zu sich selbst.
„Sowas kann man nicht aufhalten…. Solch Höllengebrut. Seht doch, was die dadraussen angerichtet haben!“
Der Wirt schaltete sich ein: „Wir wurden überrascht, darum das Chaos. Ein Angriff der unerwartet kommt ist immer verhehrend“. Es schien als hätte er wohl eine militärische Vergangenheit. „Letztlich sind es schnelle, kindsgroße Gegner, lediglich mit Messern bewaffnet. Sie scheinen mir unstrukturiert und unorganisiert. Ohne wirkliche Führung greifen sie ziel- und planlos an, wie niedere Tiere. Dass allein schon macht sie verwundbar. Gegen vorbereitete, voll ausgerüstete, trainierte Gegner hätten sie nur eine geringe Chance. Eine einfache klassische Phalanx gut gepolsterter und ausgebildeter Soldaten, Schild an Schild… sie hätten keinerlei Angriffsfläche. Ich meine, wir brauchen hier nur auszuharren und zu warten bis die Armee eintrifft und denen ein Ende bereitet.“
Er hörte dem Wirt zu, der immer weiter redete. Die Umstehenden hörten ihm hoffnungsvoll zu und fanden es überzeugend. Unweigerlich musste er jedoch trotzdem an den Gendarm denken, dem er, vollstens auf dessen Ausbildung und Ausrüstung vertrauend ins Unglück folgte.
„Soviel Aufwand für diese kleinen Dreckskerle!“ Eine ganz in schwarz gekleidete Frau nahm einen großen Zug aus einer fast leeren Bourbon-Flasche, warscheinlich nicht ihr erster.
„Ich sag euch was, ihr Pfeiffen. Wir brauchen Feuer!“ Sie rollte das ‚R’ und er wusste nicht ob es am Trinken lag oder daran dass sie aus den östlichen Ländern kommen musste. Warscheinlich beides. Ihr Äusseres und ihre Kleidung liessen aber eher Letzteres vermuten. Mit großen, halbtrunkenen Gebärden und die halbleere Flasche schwingend redete sie weiter: „Feuer reinigt alles. Genau wie in den alten Tagen…“ Sie ging schwankend vorwärts, während sie alle fragend anstarrten. „Phalanx, pah… . Und ihr wollt echte Kerle sein? Ich zeig euch wie man diese Schweine fertig macht. Ich zeigs euch!“
Sie trank den letzten Schluck aus der Flasche und schmiss sie weg. Dann griff sie sich eine neue, trank einen weiteren Schluck und ging mit ihr Richtung Treppe zum oberen Stockwerk.
„Was hat die Alte denn vor?“ Alle schauten ihr weiterhin verwundert nach, nur der Wirt folgte ihr langsam aber aufmerksam.