Lord Nechris
Guest
So, nun geht es weiter!
Viel Spass beim
so long
Nechris
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Sturm auf Lut Gholein
--- Teil 1 ---
Ein milder Wind durchstreifte die Palmenwipfel und lies die großen Blätter leicht rascheln. Von ferne hörte man das Meer am Strand branden und langsam rollten sich die Wellen auf dem feinen Sand aus. Die letzten Strahlen der Sonne strichen noch einmal über die Palmenwipfel, dann wurde es dunkel. Die letzten Möwen drehten bei und hielten auf ihr heimisches Nest am Strande zu, um dort in aller Ruhe den nächsten Tag zu erwarten. Obwohl die Nacht bereits begonnen hatte und es tief im Dezember war, hielten die tropischen Temperaturen hier jedoch an, schließlich handelte es sich hierbei um Philios, die größte Amazoneninsel in der warmen Strömung südlich des Zwillingsmeeres. Nun erreichten auch die letzten Möwen ihr heimisches Nest und eigentlich sollte nun Ruhe einkehren, doch etwas entfernt vom Strand, in einer kleinen Amazonenkolonie, brannte in vielen Häusern noch Licht. Es waren Bambushäuser mit Dächern aus Palmenblättern und sie schmiegten sich eng an den Wald an, so das ein Unwissender sie nicht sofort erkannt hätte. Obwohl nun schon seit vielen Jahren Frieden in Sanktuario herrschte, hatten die Amazonen nie aufgehört, ihre Schutzzauber zu wirken. Es war nun dreiundzwanzig Jahre her, dass sich das letzte Heer der Menschen im Schatten des Berges Arreat vereinte und dem letzten der Übel trotzte. Unter großen Opfern war es ihnen damals gelungen, Harrogath zu halten und Baal ein für alle mal von dieser Welt zu verdammen. Hadriel, der Erzengel, nahm damals den Seelenstein an sich und brachte ihn in die Höllenschmiede, wo er für immer zerstört werden sollte, und seit diesem Zeitpunkt war Friede über das Land eingekehrt.
In einem kleinen Haus, nah der Waldgrenze, hörte man das aufgeregte Rufen und Schreien eines jungen Mädchens. Im Haus stand eine glückliches Ehepaar zusammen mit drei Kindern um eine kleine Palme. Einige rote Kugeln hingen an ihr und auf ihrer Spitze funkelte ein weißer Stern aus reinem Licht, solche, wie sie die Zann Esu immer zu Weihnachten verkaufen. Unter dem Baum lag eine Vielzahl von Geschenken, verpackt in getrockneten Palmenblättern. Fröhlich stand die Familie da und sang ein Weihnachtslied, als plötzlich das kleine Mädchen zu quengeln anfing.
„Mami! Will rote Schuhe! Nicht blaue!“
Der Gesang hielt inne. Die Mutter stöhnte auf.
„Gweni, wie oft hab ich dir gesagt, das du nicht mit ‚Innere Sicht’ in die Geschenke schauen sollst!“
Gweni schaute etwas verschämt drein. Auch ihr Vater warf ihr einen scharfen Blick zu.
„Aba, Aber ich wollt, wollt doch nur wissen, was ich bekomm!“
Sie senkte ihren Kopf leicht und warf ihrem Vater den Blick eines Unschuldlammes zu. Der Blick des Vaters erweichte und mit einem warmen Lächeln fuhr er der kleinen Amazone durch die Haare.
„Ist schon gut Gweni! Ich denke mal deine Mutter war als Kind auch nicht anders, stimmt’s Zaria?“
Die ältere Amazone blickte etwas verlegen drein.
„Dakard, wie oft hab ich dir gesagt, dass du dich nicht immer von Gweni um den Finger wickeln lassen sollst“, sie knirschte leicht mit den Zähnen, „aber ja, du hast recht, auch ich hab mir meine Geschenke immer vorher angeschaut!“
Sie lachte. Das zweite Mädchen blickte schmollend drein.
„Hätte ich das gemacht, dann hätte ich nur wieder Ärger bekommen, aber wenn das unsere süße, kleine, putzige Gweni macht...“, brummelte sie vor sich hin.
Ihr älterer Bruder kam zu ihr.
„Ach komm, Jelovina, sei doch froh, das ihr das überhaupt machen könnt. Sieh mal, ich bin ein Paladin und das einzige was ich kann, ist dem Geschenk eine Dornenaura geben.“
Jelovina prustete vor Lachen. Ihre beiden Eltern ließen kurz von Gweni ab und blickten zu den beiden älteren Geschwistern hinüber.
„Was ist denn so lustig?“, fragte Dakard.
Jelovina riss sich zusammen und fing sich wieder. Mit einem unterdrückten Lacher antwortete sie:
„Nichts!“
Dakard blickte noch kurz etwas misstrauisch drein, dann wendete er sich wieder seiner jüngsten Tochter zu. Jelovina flüsterte unterdessen noch einmal was ihrem großen Bruder zu:
„Mach das doch, wenn Gweni auspackt!“
Er schüttelte nur denn Kopf.
„Ich will sie doch nicht umbringen!“
„Wen willst du umbringen?“
Zaria horchte auf, doch bevor er etwas darauf erwidern konnte, kam Tel’lion hereingeschneit, im wahrsten Sinne des Wortes. Schwunghaft öffnete sich die Tür und ein kleiner Wirbelsturm fegte durch das Portal. Er blieb in der Mitte des Raumes stehen, nicht ohne Zarias Frisur total zu zerwehen. Langsam legte sich der kleine Tornado und in seinem Auge stand Tel’lion, der alte und gutmütige Druide aus dem Scosglenwald. Sein braunes Haar war leicht zerzaust und zeigte nun auch schon leichte Ansätze von grau und mit einem breiten Grinsen blickte er in den Raum. Seit der Schlacht um Harrogath, waren Dakard, Zaria und Tel’lion gute Freunde geblieben und der Druide war der Patenonkel aller drei Kinder geworden. Da die Druiden Weihnachten nicht feiern, kam der Gute jeden Dezember nach Süden, um ihm bei seinen alten Freunden zu verbringen. Sofort als Gweni ihn sah, kam sie auf ihn zugestürmt.
„Onkel Telon!“
Sie war erst vier und der Druide verzieh es ihr, wenn sie seinen Namen noch nicht richtig aussprechen konnte. Tel’lion nahm sie in den Arm und wirbelte sie ein, zweimal herum, dann waren auch die anderen beiden da. Tel’lion setzte Gweni ab und umarmte Jelovina herzlich. Dann hielt er sie mit beiden Armen ungefähr einen Meter von sich weg und musterte sie von Kopf bis Fuß.
„So, so meine Kleine! Oder sollte ich sagen Große! Du bist ja wieder ein riesiges Stück gewachsen. Wie alt bist du jetzt, vierzehn?“
Sie lächelte verlegen, verlegen aber geschmeichelt.
„Ach, Tel’lion, du weißt doch ganz genau, dass ich erst zwölf bin!“
Gespielt verwundert blickte der Druide drein. Er kratzte sich mit der einen Hand am Hinterkopf.
„Zwölf? Hm... Ja, das stimmt, du bist ja erst zwölf.“
Lachend umarte er sie noch einmal und dann ging er zu ihrem Bruder.
„Gildor, mein Junge, wie geht es dir?“
Freundschaftlich schlug er ihm auf die Schulter. Gildor blickte freudig zurück.
„Gut, Onkel Tel’lion! Ich bin bei den Paladinen aufgenommen worden und hab meine eigene kleine Gruppe“, berichtete er stolz, „sie besteht aus zwei Dutzend junger Paladine und ich darf sie im Bogenschießen unterrichten. Seitdem Lord Andre in den Ruhestand getreten ist, konnte Vater Lord Pedro davon überzeugen, dass die Paladine ihre Fernkampftechniken etwas verfeinern müssten. Ich habe viel von den Künsten meiner Mutter geerbt und somit hat Lord Pedro mich beauftragt, diese Aufgabe zu übernehmen.“
Anerkennend klopfte ihm Tel’lion auf die Schulter.
„Respekt mein Lieber! Gerade mal Neunzehn und schon das erste Kommando! Ich wusste doch, dass aus dir noch was wird!“
„Ja, ja, unsere kleiner Gildor macht sich richtig gut!“
Zaria stand hinter ihrem Jungen und strich ihm liebevoll durch die Haare.
„Hallo Tel’lion, wie geht es dir?“
Sie trat hervor und gab dem Druiden einen Kuss auf die Wange!
„Gut Zaria, gut! In der Heimat ist alles zum besten und in zwei Monaten werde ich wohl zu zweiten Mal Vater!“
Stolz schoss durch sein Gesicht und freudig blickte er die Amazone an.
„Ich glaube, ich bräuchte dann noch ein, zwei Paten. Also wenn ihr Lust hättet?“
„Gerne doch! Es freut mich für dich, das du noch ein zweites Kind bekommst! Ich wollte schon fragen, warum du Tel’liana nicht mitgebracht hast, aber das erklärt es natürlich!“
„Auch ich freu mich schon auf mein neues Patenkind, auch wenn ich mit den Rackern hier schon genug zu tun habe!“, Dakard lächelte und ging auf den Druiden zu. Sie umarmten sich und schlugen sich gegenseitig auf die Schulter.
„Freut mich, dass du kommen konntest, du alter Bär!“
„Werbär, wenn ich bitten darf!“
Sie lachten beide lauthals, doch wurden sie jäh von Gweni unterbrochen. Sie räusperte sich stark und sofort hielten die anderen inne.
„Ich will jetzt meine Geschenke auspacken!“, verkündete sie lautstark und belustigt sah Tel’lion sie an.
„Aber, aber meine Kleine! Was wäre Weihnachten ohne Schnee und ohne Geschenke“, Gweni blickte ihn mit großen Augen an, „oder dachtest du, du bekommst von mir kein Geschenk?“
Er schnipste einmal mit dem Finger und ein weiteres mal öffnete sich die Tür. Ein angenehm kühler Wind wehte etwas Schnee in das Zimmer und mit einem leichten Glockenklingen zogen vier Junge Wölfe einen kleinen Schlitten voll beladen mit Geschenken hinein. Gweni machte große Augen und vergaß sogar völlig, sich ihre Geschenke vorher schon einmal „anzuschauen“ so wie sie es bisher getan hatte, so begeistert war sie von dem, was sich ihr bot. Der Wind lies nach und der Schneefall stoppte und nun standen die Wölfe unter halb der beschneiten Palme und spielten drollig miteinander. Zaria blickte verzückt zu Tel’lion und Dakard nahm eine Hand voll Schnee.
„Der ist ja gar nicht kalt!“, wunderte er sich.
„Mein Geheimnis!“, antwortete ihm der Druide mit einem breiten Schmunzeln.
Trotz der fehlenden Kälte lies sich Jelovina nicht davon abhalten, ihrer kleinen Schwester einen Schneeball an den Kopf zu werfen. Gweni heulte auf und hatte auch schon etwas Schnee gepackt, doch Zaria und Dakard gelang es zu Glück, schlimmeres zu vermeiden. Zu zehnt sangen sie jetzt noch einmal ein Weihnachtslied (die Wölfe heulten auch mit), dann machten sie sich alle daran, ihre Geschenke auszupacken. Natürlich waren Gwenis Schuhe rot. Ihre Fähigkeit waren einfach zu schwach gewesen, um vollständig durch das Papier zu schauen. Den Rest des Abend verbrachte die Kleine jedoch sowieso damit, auf dem Rücken der Wölfe durch die Wohnung zu reiten und möglichst viel Unordnung und Verwirrung zu stiften.
Gildor hatte von Tel’lion und seinem Vater einen mächtigen Kreuzritterbogen geschenkt bekommen. Dakard hatte ihn im Verlaufe des Jahres geschnitzt und Tel’lion hatte einige mächtige Druidenzauber über ihn ausgesprochen und somit hatte der junge Paladin nun einen mächtigen Bogen.
„Dieser Bogen ist einer der mächtigsten, der je geschaffen wurde. Seine Pfeile werden sich immer einen Weg durch die Rüstung ihres Feindes bahnen und er wird deine Fähigkeiten im zielen und treffen ungemein verbessern, ob du dich nun bewegst oder ruhst. Dein Vater und ich haben ihn Adlerhorn genannt. Mit ihm bist du flink wie ein Vogel, aber auch so stark, wie ein Bulle mit seinen Hörnern. Möge er dir gute Dienste erweisen, auch wenn ich hoffe, dass du ihn nur zum Vergnügen und nicht zu Kampf einsetzten musst!“
Gildor beschaute staunend dieses mächtige Geschenk. Sprachlos blickte er seinen Vater und Tel’lion an. Dann fasste er sich.
„Danke!“
Dakard und der Druide schlugen ihm freundschaftlich auf die Schulter, dann erklang Zarias helle Stimme.
„Das Essen ist nun fertig! Oder wollt ihr an Weihnachten hungern?“
Sie standen alle auf und gingen zum festlich gedeckten Tisch. Auch Gweni lies kurz von den Wölflingen ab, schließlich aß auch sie ganz gerne. So wurde es noch ein langer und fröhlicher Abend, bis irgendwann spät nachts Gweni mit den Wölflingen unter der Palme einschlief und Zaria sie daraufhin alle zu Bett brachte.
Viel Spass beim
so long
Nechris
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Sturm auf Lut Gholein
--- Teil 1 ---
Ein milder Wind durchstreifte die Palmenwipfel und lies die großen Blätter leicht rascheln. Von ferne hörte man das Meer am Strand branden und langsam rollten sich die Wellen auf dem feinen Sand aus. Die letzten Strahlen der Sonne strichen noch einmal über die Palmenwipfel, dann wurde es dunkel. Die letzten Möwen drehten bei und hielten auf ihr heimisches Nest am Strande zu, um dort in aller Ruhe den nächsten Tag zu erwarten. Obwohl die Nacht bereits begonnen hatte und es tief im Dezember war, hielten die tropischen Temperaturen hier jedoch an, schließlich handelte es sich hierbei um Philios, die größte Amazoneninsel in der warmen Strömung südlich des Zwillingsmeeres. Nun erreichten auch die letzten Möwen ihr heimisches Nest und eigentlich sollte nun Ruhe einkehren, doch etwas entfernt vom Strand, in einer kleinen Amazonenkolonie, brannte in vielen Häusern noch Licht. Es waren Bambushäuser mit Dächern aus Palmenblättern und sie schmiegten sich eng an den Wald an, so das ein Unwissender sie nicht sofort erkannt hätte. Obwohl nun schon seit vielen Jahren Frieden in Sanktuario herrschte, hatten die Amazonen nie aufgehört, ihre Schutzzauber zu wirken. Es war nun dreiundzwanzig Jahre her, dass sich das letzte Heer der Menschen im Schatten des Berges Arreat vereinte und dem letzten der Übel trotzte. Unter großen Opfern war es ihnen damals gelungen, Harrogath zu halten und Baal ein für alle mal von dieser Welt zu verdammen. Hadriel, der Erzengel, nahm damals den Seelenstein an sich und brachte ihn in die Höllenschmiede, wo er für immer zerstört werden sollte, und seit diesem Zeitpunkt war Friede über das Land eingekehrt.
In einem kleinen Haus, nah der Waldgrenze, hörte man das aufgeregte Rufen und Schreien eines jungen Mädchens. Im Haus stand eine glückliches Ehepaar zusammen mit drei Kindern um eine kleine Palme. Einige rote Kugeln hingen an ihr und auf ihrer Spitze funkelte ein weißer Stern aus reinem Licht, solche, wie sie die Zann Esu immer zu Weihnachten verkaufen. Unter dem Baum lag eine Vielzahl von Geschenken, verpackt in getrockneten Palmenblättern. Fröhlich stand die Familie da und sang ein Weihnachtslied, als plötzlich das kleine Mädchen zu quengeln anfing.
„Mami! Will rote Schuhe! Nicht blaue!“
Der Gesang hielt inne. Die Mutter stöhnte auf.
„Gweni, wie oft hab ich dir gesagt, das du nicht mit ‚Innere Sicht’ in die Geschenke schauen sollst!“
Gweni schaute etwas verschämt drein. Auch ihr Vater warf ihr einen scharfen Blick zu.
„Aba, Aber ich wollt, wollt doch nur wissen, was ich bekomm!“
Sie senkte ihren Kopf leicht und warf ihrem Vater den Blick eines Unschuldlammes zu. Der Blick des Vaters erweichte und mit einem warmen Lächeln fuhr er der kleinen Amazone durch die Haare.
„Ist schon gut Gweni! Ich denke mal deine Mutter war als Kind auch nicht anders, stimmt’s Zaria?“
Die ältere Amazone blickte etwas verlegen drein.
„Dakard, wie oft hab ich dir gesagt, dass du dich nicht immer von Gweni um den Finger wickeln lassen sollst“, sie knirschte leicht mit den Zähnen, „aber ja, du hast recht, auch ich hab mir meine Geschenke immer vorher angeschaut!“
Sie lachte. Das zweite Mädchen blickte schmollend drein.
„Hätte ich das gemacht, dann hätte ich nur wieder Ärger bekommen, aber wenn das unsere süße, kleine, putzige Gweni macht...“, brummelte sie vor sich hin.
Ihr älterer Bruder kam zu ihr.
„Ach komm, Jelovina, sei doch froh, das ihr das überhaupt machen könnt. Sieh mal, ich bin ein Paladin und das einzige was ich kann, ist dem Geschenk eine Dornenaura geben.“
Jelovina prustete vor Lachen. Ihre beiden Eltern ließen kurz von Gweni ab und blickten zu den beiden älteren Geschwistern hinüber.
„Was ist denn so lustig?“, fragte Dakard.
Jelovina riss sich zusammen und fing sich wieder. Mit einem unterdrückten Lacher antwortete sie:
„Nichts!“
Dakard blickte noch kurz etwas misstrauisch drein, dann wendete er sich wieder seiner jüngsten Tochter zu. Jelovina flüsterte unterdessen noch einmal was ihrem großen Bruder zu:
„Mach das doch, wenn Gweni auspackt!“
Er schüttelte nur denn Kopf.
„Ich will sie doch nicht umbringen!“
„Wen willst du umbringen?“
Zaria horchte auf, doch bevor er etwas darauf erwidern konnte, kam Tel’lion hereingeschneit, im wahrsten Sinne des Wortes. Schwunghaft öffnete sich die Tür und ein kleiner Wirbelsturm fegte durch das Portal. Er blieb in der Mitte des Raumes stehen, nicht ohne Zarias Frisur total zu zerwehen. Langsam legte sich der kleine Tornado und in seinem Auge stand Tel’lion, der alte und gutmütige Druide aus dem Scosglenwald. Sein braunes Haar war leicht zerzaust und zeigte nun auch schon leichte Ansätze von grau und mit einem breiten Grinsen blickte er in den Raum. Seit der Schlacht um Harrogath, waren Dakard, Zaria und Tel’lion gute Freunde geblieben und der Druide war der Patenonkel aller drei Kinder geworden. Da die Druiden Weihnachten nicht feiern, kam der Gute jeden Dezember nach Süden, um ihm bei seinen alten Freunden zu verbringen. Sofort als Gweni ihn sah, kam sie auf ihn zugestürmt.
„Onkel Telon!“
Sie war erst vier und der Druide verzieh es ihr, wenn sie seinen Namen noch nicht richtig aussprechen konnte. Tel’lion nahm sie in den Arm und wirbelte sie ein, zweimal herum, dann waren auch die anderen beiden da. Tel’lion setzte Gweni ab und umarmte Jelovina herzlich. Dann hielt er sie mit beiden Armen ungefähr einen Meter von sich weg und musterte sie von Kopf bis Fuß.
„So, so meine Kleine! Oder sollte ich sagen Große! Du bist ja wieder ein riesiges Stück gewachsen. Wie alt bist du jetzt, vierzehn?“
Sie lächelte verlegen, verlegen aber geschmeichelt.
„Ach, Tel’lion, du weißt doch ganz genau, dass ich erst zwölf bin!“
Gespielt verwundert blickte der Druide drein. Er kratzte sich mit der einen Hand am Hinterkopf.
„Zwölf? Hm... Ja, das stimmt, du bist ja erst zwölf.“
Lachend umarte er sie noch einmal und dann ging er zu ihrem Bruder.
„Gildor, mein Junge, wie geht es dir?“
Freundschaftlich schlug er ihm auf die Schulter. Gildor blickte freudig zurück.
„Gut, Onkel Tel’lion! Ich bin bei den Paladinen aufgenommen worden und hab meine eigene kleine Gruppe“, berichtete er stolz, „sie besteht aus zwei Dutzend junger Paladine und ich darf sie im Bogenschießen unterrichten. Seitdem Lord Andre in den Ruhestand getreten ist, konnte Vater Lord Pedro davon überzeugen, dass die Paladine ihre Fernkampftechniken etwas verfeinern müssten. Ich habe viel von den Künsten meiner Mutter geerbt und somit hat Lord Pedro mich beauftragt, diese Aufgabe zu übernehmen.“
Anerkennend klopfte ihm Tel’lion auf die Schulter.
„Respekt mein Lieber! Gerade mal Neunzehn und schon das erste Kommando! Ich wusste doch, dass aus dir noch was wird!“
„Ja, ja, unsere kleiner Gildor macht sich richtig gut!“
Zaria stand hinter ihrem Jungen und strich ihm liebevoll durch die Haare.
„Hallo Tel’lion, wie geht es dir?“
Sie trat hervor und gab dem Druiden einen Kuss auf die Wange!
„Gut Zaria, gut! In der Heimat ist alles zum besten und in zwei Monaten werde ich wohl zu zweiten Mal Vater!“
Stolz schoss durch sein Gesicht und freudig blickte er die Amazone an.
„Ich glaube, ich bräuchte dann noch ein, zwei Paten. Also wenn ihr Lust hättet?“
„Gerne doch! Es freut mich für dich, das du noch ein zweites Kind bekommst! Ich wollte schon fragen, warum du Tel’liana nicht mitgebracht hast, aber das erklärt es natürlich!“
„Auch ich freu mich schon auf mein neues Patenkind, auch wenn ich mit den Rackern hier schon genug zu tun habe!“, Dakard lächelte und ging auf den Druiden zu. Sie umarmten sich und schlugen sich gegenseitig auf die Schulter.
„Freut mich, dass du kommen konntest, du alter Bär!“
„Werbär, wenn ich bitten darf!“
Sie lachten beide lauthals, doch wurden sie jäh von Gweni unterbrochen. Sie räusperte sich stark und sofort hielten die anderen inne.
„Ich will jetzt meine Geschenke auspacken!“, verkündete sie lautstark und belustigt sah Tel’lion sie an.
„Aber, aber meine Kleine! Was wäre Weihnachten ohne Schnee und ohne Geschenke“, Gweni blickte ihn mit großen Augen an, „oder dachtest du, du bekommst von mir kein Geschenk?“
Er schnipste einmal mit dem Finger und ein weiteres mal öffnete sich die Tür. Ein angenehm kühler Wind wehte etwas Schnee in das Zimmer und mit einem leichten Glockenklingen zogen vier Junge Wölfe einen kleinen Schlitten voll beladen mit Geschenken hinein. Gweni machte große Augen und vergaß sogar völlig, sich ihre Geschenke vorher schon einmal „anzuschauen“ so wie sie es bisher getan hatte, so begeistert war sie von dem, was sich ihr bot. Der Wind lies nach und der Schneefall stoppte und nun standen die Wölfe unter halb der beschneiten Palme und spielten drollig miteinander. Zaria blickte verzückt zu Tel’lion und Dakard nahm eine Hand voll Schnee.
„Der ist ja gar nicht kalt!“, wunderte er sich.
„Mein Geheimnis!“, antwortete ihm der Druide mit einem breiten Schmunzeln.
Trotz der fehlenden Kälte lies sich Jelovina nicht davon abhalten, ihrer kleinen Schwester einen Schneeball an den Kopf zu werfen. Gweni heulte auf und hatte auch schon etwas Schnee gepackt, doch Zaria und Dakard gelang es zu Glück, schlimmeres zu vermeiden. Zu zehnt sangen sie jetzt noch einmal ein Weihnachtslied (die Wölfe heulten auch mit), dann machten sie sich alle daran, ihre Geschenke auszupacken. Natürlich waren Gwenis Schuhe rot. Ihre Fähigkeit waren einfach zu schwach gewesen, um vollständig durch das Papier zu schauen. Den Rest des Abend verbrachte die Kleine jedoch sowieso damit, auf dem Rücken der Wölfe durch die Wohnung zu reiten und möglichst viel Unordnung und Verwirrung zu stiften.
Gildor hatte von Tel’lion und seinem Vater einen mächtigen Kreuzritterbogen geschenkt bekommen. Dakard hatte ihn im Verlaufe des Jahres geschnitzt und Tel’lion hatte einige mächtige Druidenzauber über ihn ausgesprochen und somit hatte der junge Paladin nun einen mächtigen Bogen.
„Dieser Bogen ist einer der mächtigsten, der je geschaffen wurde. Seine Pfeile werden sich immer einen Weg durch die Rüstung ihres Feindes bahnen und er wird deine Fähigkeiten im zielen und treffen ungemein verbessern, ob du dich nun bewegst oder ruhst. Dein Vater und ich haben ihn Adlerhorn genannt. Mit ihm bist du flink wie ein Vogel, aber auch so stark, wie ein Bulle mit seinen Hörnern. Möge er dir gute Dienste erweisen, auch wenn ich hoffe, dass du ihn nur zum Vergnügen und nicht zu Kampf einsetzten musst!“
Gildor beschaute staunend dieses mächtige Geschenk. Sprachlos blickte er seinen Vater und Tel’lion an. Dann fasste er sich.
„Danke!“
Dakard und der Druide schlugen ihm freundschaftlich auf die Schulter, dann erklang Zarias helle Stimme.
„Das Essen ist nun fertig! Oder wollt ihr an Weihnachten hungern?“
Sie standen alle auf und gingen zum festlich gedeckten Tisch. Auch Gweni lies kurz von den Wölflingen ab, schließlich aß auch sie ganz gerne. So wurde es noch ein langer und fröhlicher Abend, bis irgendwann spät nachts Gweni mit den Wölflingen unter der Palme einschlief und Zaria sie daraufhin alle zu Bett brachte.