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Kurzgeschichte: Erinnerungen

Takhisis

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6 Mai 2001
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"Großvater, erzähl uns eine Geschichte!"
"Ja bitte, erzähl uns von früher!"
"Von Baal und wie die Helden ihn vernichtet haben"

Der alte Mann sass in einem Pulk von Kindern auf dem Marktplatz. Natürlich war er nicht ihr Großvater, aber er gehörte zu den Ältesten von Harrogath und so verstand er die Anrede eher als Titel. Er lächelte und begann dann, mit kräftiger Stimme, zu erzählen. Er berichtete ihnen von den Helden und wie sie die drei Übel vernichtet hatten. Viele Ernten waren eingefahren worden, seitdem Baal besiegt worden war und er war alt geworden. Das Grauen, dass damals herrschte, vermochte er den Kindern nicht zu erzählen. Er erzählte ihnen Märchen, von mächtigen Helden, strahlenden Paladinen und starken Barbaren. Doch in jeder seiner Geschichte schwang auch etwas Wahrheit mit. Und so überlieferte er der neuen Generation die alte Geschichte, damit sie später ihren eigenen Kindern davon erzählten. Natürlich waren es für sie nur Geschichten. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie es damals gewesen war, als er noch jung und kräftig gewesen war.
Er endete mit seiner Geschichte und die Kinder waren glücklich. Sie wollten mehr hören. Sie wurden nie müde, ganz im Gegensatz zu ihm. Er wurde sehr schnell müde.

"Was ist mit deinen Augen passiert Großvater, waren das die Monster?"
Der alte Mann berührte mit seiner Hand die Binde, die seine blinden Augen verbarg. Der Anblick war zu schrecklich, um ihn den Kindern zuzumuten.
"Ja, das waren die Monster. Aber das ist eine Geschichte, die ich euch erzähle, wenn ihr älter seid. Und nun muss ich mich ausruhen, ich bin schon ganz müde vom Erzählen."
Die Kinder waren sichtlich enttäuscht, er konnte es spüren. Dennoch winkte er mit seiner Hand und die Mütter, die in einiger Entfernung standen und die neusten Gerüchte austauschten, riefen nach ihren Kindern. Sie waren froh, dass der alte Mann ihnen ab und an etwas Ruhe verschaffte, doch sie wussten auch, dass er mit jedem Jahr kürzere Geschichten erzählte und seine anfangs kräftige Stimme schon nach kurzer Zeit heiser zu werden begann. Ja, er war alt geworden. Ächzend stand er auf, stützte sich dabei auf den starken Stock, den einer der Jungen aus der Stadt für ihn geschnitten hatte. Nun, jung war er eigentlich nicht mehr. Er war mittlerweile 20 Jahre alt und würde bald die Schmiede seines Vaters übernehmen. Wie doch die Zeit verging.
Der Alte ging langsam Richtung Taverne und stützte sich dabei schwer auf den Stab. Früher war er gerannt wie ein Hirsch, aber heute. Er hatte sich damit abgefunden, so wie er sich mit dem Verlust seines Augenlichts abgefunden hatte. Er konnte trotzdem sehen, wenn auch nicht mit den Augen. Er sah mit den Händen, mit den Ohren und mit seinem Gefühl. Er überquerte den Marktplatz und trat an den grossen Holztisch, der draussen vor der Taverne stand. Um diese Zeit war sie noch nicht geöffnet, aber der Wirt liess ihn draussen sitzen und seine Frau brachte dem alten Mann Tee. Auch diesen beiden Kindern hatte er einst Geschichten erzählt, nun sass ihr Sohn morgens mit den anderen Kindern bei ihm und lauschte den Erzählungen.
Bregand setzte sich zu dem alten Mann. Jeden Morgen hörte der Jüngling die Geschichte, seit er ein kleiner Junge war. Tag für Tag sass er am Marktplatz und hörte zu. Er hatte mittlerweile Pflichten, er war fast erwachsen, dennoch schaffte er es, allmorgendlich den Erzählungen zu lauschen.

"Wie hast du dein Augenlicht verloren Großvater?"
Der alte Mann hielt inne. 15 Sommer hatte der junge Bregand jetzt erlebt, so viele wie er, als er damals mit seinem schartigen Schwert auszog. Ja, er war alt genug für richtige Geschichten. Der Alte schlürfte einen Schluck Tee und begann dann langsam zu erzählen.


"Wir waren jung, gerade so alt wie du jetzt. Zu jung, um mit den Männern in der Taverne zu sitzen und zu trinken, aber alt genug um ein Schwert zu führen. Baals Diener standen vor den Toren von Harrogath, doch die Männer wichen ihnen nicht zurück. Viele liessen damals ihr Leben in der grossen Schlacht. Und dann kam die Belagerung. Keiner konnte die Stadt verlassen ohne Gefahr zu laufen, getötet zu werden.
Damals waren nicht genug Männer da, die Belagerungsmaschienen zu zerstören. Also suchte man die Knaben im Alter von 14 bis 16 Jahren, kurz vor dem Mannesritual. Man gab uns alte Schwerter und schickte uns in die Wildnis. Ein Trupp von 16 Mann. Immer ein Erwachsener und 15 Knaben. Unser Führer war Wangond. Er war ein hervorragender Schneider aber ein schlechter Soldat. Er hatte mehr Angst dort draussen als wir und er vermochte kaum das Schwert zu schwingen. Doch er war unser einziger Anker dort draussen.
Ja mein Sohn, damals konnte ein Knabe schon mit 5 oder 6 Sommern mit einem Holzschwert Paraden und Angriffe ausführen. Die Kinder trugen Schlachten gegen unsichtbare Monster aus. Kaum waren sie stark genug, bekamen sie ein Kurzschwert in ihre schmächtigen Hände und lernten, damit umzugehen. Mein Vater hatte mich in der Schwertkunst unterwiesen, so wie es sein Vater vor ihm getan hatte, denn er war Zeit seines Lebens Söldner gewesen. Ich fühlte mich den anderen gegenüber im Vorteil und ich hielt mich für einen besseren Anführer als Wangond. Ich war überheblich und trug meine Stolz deutlich zur Schau. Doch so macht man sich keine Freunde unter den Soldaten und bald sass ich allein abseits wenn das Lagerfeuer brannte und Wangond Kriegsgeschichten zum Besten gab von Schlachten, die er selbst nie erlebt hatte.
Wenige Tage nach unserem Aufbruch fanden wir das erste der grossen Katapulte. Wir folgten Wangond über die offene Fläche denn er hatte keinen Gegner gesehen und wähnte es unbewacht. Doch er hatte sich geirrt. Kaum hatten wir die Belagerungsmaschiene erreicht, traten Monster aus ihren Verstecken und umziengelten uns. Statt zu kämpfen und frei zu sterben, ergab sich Wangond und befahl uns, die Waffen niederzulegen. Er legte unser Leben in die Hände dieser Kreaturen und verriet uns alle. Sie brachten uns ins Eishochland, wo wir in Käfigen zu fünf Mann eingesperrt wurden. Die Unholde um uns herum machten sich einen Spass daraus, uns zu quälen und mzu demütigen. Sie bewarfen uns mit Kot und Unrat, lachten über uns. Sie warfen mit Steinen und quietschten vor Freude, wenn einer von uns mit einer blutenden Kopfwunde zusammenbrach. Ich gehörte zu der Gruppe, bei der auch Wangond war. Sie brachten ihn zu einem übel aussehenden Monster, dem Anführer der Gruppe, um ihn zu verhören. Man versprach ihm einen schnellen und schmerzlosen Tod, wenn er ihre Fragen beantworten würde. Und aus Feigheit erzählte er ihnen, was er von den anderen Truppen wusste. Sein Tod war wirklich schnell und schmerzlos, sie schlugen ihm den Kopf ab. Dann wandten sie sich uns zu, um uns zu verhören. Vielleicht wüssten wir ja mehr.
Damals wurde ich mir meiner Verantwortung bewusst. Ja, ich war begabter ind er Kriegsführung als die anderen und mein Vater hatte mich mehr gelehrt, als ihre Väter es konnten. Aber das machte mich nicht besser oder zum Anführer.
Wenn du stärker bist, als ein anderer, hast du die Pflicht, dich seiner anzunehmen. Du musst ihn schützen und ihn lehren, damit er irgendwann so stark ist wie du. Dein Können und dein Wissen musst du an deinen Kameraden weitergeben. Ich sah die Angst in den Gesichtern der anderen. Ich wusste, man würde nach uns suchen, wir brauchten nur Zeit. Ich hatte schreckliche Angst und dennoch stand ich auf. Ich lachte den Anführer aus, verhöhnte ihn, sagte ihm, aus mir würde er nichts rauskriegen. Ich erreichte, was ich wollte, ich wurde als erster zum Verhör geholt. Auch mir wurde ein schneller und schmerzloser Tod versprochen, doch ich spuckte dem Folterknecht nur ins Gesicht.

Die Qual war unvorstellbar. Sie schlugen mich und traten nach mir und immer und immer wieder stellten sie mir die gleichen Fragen. Doch ich biss meine Zähne zusammen und öffnete den Mund nur, um zu schreien. Und ich habe geschrien, das kannst du mir glauben. Ich blutete aus unzähligen kleinen Wunden, mein ganzer Körper schien zerschunden und schmerzend. Doch sie hatten nicht genug. Mit einem heissen Eisen näherten sie sich meinem Gesicht. Sie stellten mich vor die Wahl: Ein paar Informationen für einen schnellen Tod oder der Verlust von Sehkraft, Gehör und Stimme. Ich schwieg.
Der Schmerz, wenn sich heisses Eisen in deine Augäpfel bohrt ist nicht vorstellbar. Ich schrie wie von Sinnen, dann wurde es dunkel. Als ich erwachte, lag ich noch immer auf dem Gerüst. Mein Kopf schmerzte und die leeren Augenhölen brannten wie mit flüssigem Feuer begossen. Als sie bemerkten, dass ich wieder bei Bewusstsein war, machten sie weiter. Sie streuten mir Salz in die Wunden, verlachten mich. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich war nicht mehr in der Lage, ihnen irgendetwas zu sagen. Ich wollte sterben, wollte den Schmerz vergessen. Ich hörte ihre Stimmen, verstand, was sie tun wollten, doch ich war nicht in der Lage, es zu realisieren. Ihr nächstes Ziel war meine Zunge. Sie wollten mich meiner Sprache berauben und so biss ich mit aller Kraft die Zähne zusammen. Doch ich hatte keine Chance. Mit einem spitzen Gegenstand, wahrscheinlich war es ein Pfeil oder ein Messer, bohrten sie mir in die Augenhöhlen und ich schrie. Sie steckten mir ein Stück Holz zwischen die Zähne, so dass ich den Mund nicht mehr zu schliessen vermochte. Gerade, als sie mit einer Zange meine Zunge noch vorn zogen, hörte ich Todesschreie und die Hilferufe der anderen Gefangenen. Meine Peiniger liessen mich los. Kurze Zeit später war alles vorbei. Jemand verband meine Wunden und man flößte mir Heiltränke ein. Ich hörte die Stimme eines Mannes, der nicht fassen konnte, was er dort sah. Und ich hörte die anderen Barbaren, die ihm erzählten, was geschehen war. Dann sagte der Mann etwas, was ich nie vergessen werde: Die grösste Ehre, die einem Krieger zuteil werden kann, ist sich für seine Gefährten aufzuopfern. Ich empfinde Respekt für dich. Hätte ich es noch gekonnt, ich hätte geweint wie ein Weibsbild. Dieser mächtige Krieger, ein Paladin wie ich später erfuhr, hatte Respekt vor mir, einem Knaben dessen einziges Ansinnen gewesen war, vor seinen Gefährten aufzutrumpfen.

Als wir zurückkehrten wurde der Paladin freundlich empfangen. Unsere Väter waren da und vermochten ihr Glück nicht zu fassen, ihre Söhne lebend wiederzusehen. Mein Vater erzählte mir später, dass er trotz seines Entsetzens, mich so zu sehen, auch einen Stolz empfunden hatte für mich, den keiner der anderen Väter durch seinen Sohn hatte empfinden können. Ich selber fühlte mich gar nicht stolz. Ich fühlte mich verantwortlich. Wie oft hatte mein Vater mir von Fallen berichtet? Wie konnte es nur sein, dass ich es nicht erkannt hatte? Man machte uns keinen Vorwurf. Man hatte auch die Leiche von Wangind gefunden. Um seine Ehre zu wahren, hatten wir eine stille Übereinkunft. Wir würden keinem erzählen, dass Wangond vor Angst geredet hatte. Und so wurde er in allen Ehren beerdigt. Und dennoch wussten die Menschen, dass er etwas gesagt haben musste, denn sein Körper war nicht zerschunden, nicht eine Wunde hatte er abgesehen von dem fehlenden Kopf, während ich in Akaras Hütte lag, wo mich die Heilerin versorgte. Es gelang ihr, alle Wunden zu heilen, aber meine Augen vermochte selbst sie mir nicht wiederzugeben. Und so lernte ich, auch ohne zu sehen zu leben. Ich konnte nicht kämpfen und als der Paladin später Baal besiegte, war ein anderer meiner Kameraden bei ihm.

Ich habe sehr schmerzvoll gelernt, was Verantwortung ist und wann man sie trägt. Ich habe ebenso schmerzvoll gelernt, wo der Unterschied zwischen falschem und gerechtfertigtem Stolz liegt. Ich bin bis heute nicht stolz darauf, dass ich dem Verhör widerstanden habe, denn es war meine Pflicht als Krieger, so wie es meine Pflicht war, meine Kameraden zu schützen. Aber ich bin stolz darauf, dass ich gelernt habe, ohne Augen zu sehen und ich bin stolz darauf, dass ich noch heute den Kindern Geschichten von früher erzählen kann.

Nund weisst du, wie ich meine Augen verloren habe. Ich hoffe, du wirst niemals solche Erfahrungen machen müssen. Lass dir gesagt sein: Sei bescheiden und wenn du etwas besser kannst als ein anderer, dann hilf ihm, es zu lernen. Hochmut macht dir keine Freunde und falscher Stolz birgt Einsamkeit in sich. Nicht ist wichtiger, als jemanden zu haben, der einem den Rücken deckt, sei es im Kampf oder im Leben."


Bregand sass noch lange an der Taverne, nachdem der alte Mann gegangen war. Dann stand er auf und ging zu einem Haus nahe der Schmiede. Wulfram steckte seinen Kopüf aus dem Fenster, nachdem Bregand geläutet hatte.

"Was ist denn los, dass du so früh hierher kommst?"
"Du wolltest doch lernen, wie man reitet, oder? Ich habe gerade Zeit, wenn du kommst, zeige ich es dir."
 
Whow Takhisis!

Bisher kannte ich nur die doch eher humorvolle Geschichte "Liebes Tagebuch" - und ich bin echt beeindruckt. Grausig und fesselnd!

Danke für eine schlaflose Nacht! :D

:hy: Insidias
 
:top: :top: :top:

Gefällt mir sehr gut. ernsthafter als das Tagebuch, aber trotzdem einfach fesselnd die Geschichte. :)

mfg mike
 
Einfach nur super:top:

Ne kleine Kritik hab ich aber auch:
Wenn die Story in Harrogath spielt wieso liegt die
Hauptfigur dann bei Akara und lässt sich heilen sollte
eigentlich bei Malah sein.
 
Rettung vor Forenlöschung :top:
 
:big eyes: meine fresse war des gut...
 
Fesselnd :top:
Man kann die Schmerzen richtig nachempfinden :cry:

:top: :top: :top:

Tagebuch-Fortführung wäre auch mal klasse :cry: :(
 
Rauf damit, diese Geschichte braucht Leser.
 
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