Kapitel 22 – Söldnerstreit
Ein Donnern ertönt. Meine Augen schießen auf. Rasch sehe ich mich um; auf dem Bett liegt der Meister und schnarcht. Der Raum scheint sonst auch in Ordnung zu sein. Da drängt sich ein Gefühl aus meiner Kehle hervor, versucht, mir den Mund aufzureißen. Was...?
Ich gähne herzhaft. Ach so...
Wieder ertönt das Donnern. Der Meister – schläft. Ich seufze und stehe ächzend auf. Was ist das bloß?
Da fliegt die Tür auf. In ihrem Rahmen steht ein wütender Griez. Es scheint, dass er geklopft hat...
„Wach auf, du Sausack!“
Na, na, nicht diesen Ton am frühen Morgen. Ich stelle mich zwischen ihn und den Meister, weil er doch tatsächlich versucht, auf das Bett zuzustürmen. Da schießt seine Faust vor.
Instinktiv hebe ich die Arme und weiche zurück, trotzdem trifft er mich an der Schläfe. Der Meister grunzt, schläft aber immer noch. Kein Wunder, dass ich im Halbschlaf bin.
„Lass – mich - durch!“
Genug, Griez. Ich sehe den nächsten Schlag kommen, ducke mich, und meine Hand schießt vor, um seinen Arm in eisernem Griff zu packen. Er scheint doch ein wenig überrascht; ich nutze den Moment, um seinen anderen Arm auch zu packen. Er tritt. Es ist mehr ein Strampeln, er trifft mein Schienbein nicht richtig. Gut so. Jetzt ist Schluss. Ich wirble ihn herum, er taumelt; ich werfe ihn zu Boden, er fällt nicht ganz um, weil er sich mit dem einen, wieder freien, Arm abstützen konnte. Es gibt ein Gerangel, aber letztlich sitze ich auf ihm, die Hände unter mir, seine Knöchel gepackt. Jetzt schreit und flucht er. Da tritt eine Gestalt in die Tür.
„Was ist denn hier los?“
Da regt sich der Meister, gähnt, streckt sich, blinzelt, als er den Raum sieht, und bleibt mit seinem Blick an der Figur in der Tür hängen.
„Keine Ahnung, Atma...ich bin gerade aufgewacht. Golem, warum sitzt du auf Griez?“
Ich lege den Kopf schief, mehr an Kommunikation geht nicht. Griez aber schreit wieder los.
„Dieses Mördervieh! Diese Ausgeburt der Hölle! Nehmt das verfluchte Ding runter!“
Ich lege sanft meine Finger auf seinen Kopf, was die Klauen vor sein Gesicht hängen lässt. Da wird er still. Atma legt die Hände an die Seite und schnaubt.
„Was auch immer ihr für ein Problem miteinander habt, könnt ihr das nicht wie Männer klären, ihr Kinder? Und damit meine ich nicht mit Fäusten! Und wenn, dann vor der Tür!“
Der Meister schüttelt den Kopf.
„Ich für meinen Teil weiß nicht, was ich für ein Problem mit ihm haben sollte, außer, dass er ein Arschloch ist. Was er für einen Grund hat, in meinem Zimmer zu sein, das soll er mir mal in aller Ruhe sagen.“
Griez fängt wieder an zu fluchen. Ich seufze und warte diesmal. Vielleicht hat er ja was zu sagen. Als er aber nicht besonders konstruktiv bleibt, und anfängt, der Mutter des Meisters fragwürdige Eigenschaften anzudichten, bringe ich ihn mit einem unsanften Klaps zum Schweigen. Der Meister schüttelt den Kopf.
„Lass ihn los, Golem. Aber nur, wenn er verspricht, nicht sofort auf mich loszugehen. Ich möchte eigentlich nur wissen, was du von mir willst, Griez...“
Er holt tief Luft und wird rot. Da schneidet Atmas Stimme dazwischen.
„GENUG jetzt! Ihr unterhaltet euch normal, oder ihr schlagt euch woanders! Griez, jetzt sag ihm doch einfach, was dich so aufregt!“
Griez kocht, aber er stimmt zu, erst einmal sein Anliegen vorzutragen, wobei er diese Absicht nicht in diese Worte fasst. Ich lasse ihn also vorsichtig los, als ich aufstehe, schubst er mich weg.
Ich halte mich an der Wand fest, und wir funkeln uns an. Dann bricht er den Blickkontakt, um Atma anzusprechen.
„Dieser [er kennt eine Menge Schimpfwörter, aber langsam wiederholen sie sich] hat es gewagt, ein Mitglied meiner Stadtwache zu bestechen, ihn auf seinen irren Expeditionen in die Wüste in Lebensgefahr zu bringen, und dabei auch noch das Stadttor weit offen gelassen für jeglichen Angriff von Monstern! Ich bin überzeugt, dass er uns noch alle umbringen wird, wenn ich dem nicht ein Ende setze!“
Der Meister sieht ihn aus großen Augen an.
„Das ist Alles?“
Griez geht fast wieder auf ihn los, aber ich hebe wie zufällig meine Klauen.
„Reicht das nicht, du Wahnsinniger?“
Der Meister schüttelt den Kopf.
„Sag mal Griez...was bist du eigentlich?“
Er ist irritiert.
„Kommandant der Stadtwache natürlich!“
„Und aus was besteht diese Stadtwache?“
Jetzt wird er wieder wütend.
„Aus meinen Soldaten natürlich!“
Der Meister verdreht die Augen.
„Und was sind diese Soldaten? Was bist du?“
Griez schreit jetzt.
„Worauf willst du hinaus?“
Der Meister legt die Fingerspitzen aneinander.
„Griez, ihr seid Söldner. Und jetzt möchte ich doch schon mal wissen, was die Definition von Söldner eigentlich ist.“
„Was hat das verdammt noch mal damit zu tun?“
Atma springt ein.
„Söldner sind gut ausgebildete Soldaten, die sich für einen bestimmten Preis zum Kämpfen anheuern lassen.“
Der Meister nickt ihr zu.
„Danke. Und was habe ich jetzt mit deinem Söldneruntergebenen gemacht, außer ihn zu einem bestimmten Preis für Kämpfe angeheuert?“
Griez fällt die Kinnlade herunter.
„Das ist doch was komplett Anderes!“
„Ist es das?“
„Natürlich! Pratham hat einen verdammten Auftrag, und der ist, die Stadt zu schützen! Von dem hast du ihn wegbestochen, meinen Untergebenen! Du hast ihn Befehle verweigern lassen!“
Der Meister schüttelt den Kopf.
„Habe ich das?“
„Bist du so blöd, oder tust du nur so?“
„Griez...wer sagt denn, dass er nicht völlig im Rahmen seiner Befehle gehandelt hat? Lass mich ausreden. Natürlich könnt ihr hinter den Stadtmauern warten, bis Diablo zu Baal vorgedrungen ist und Dämonen das Land überschwemmen. Natürlich könnt ihr dann versuchen, die Stadt zu verteidigen, vielleicht gelingt es euch sogar länger als eine Woche. Aber damit ist weder euch noch dem Rest der Welt geholfen. Was viel wichtiger ist als diese Stadt vor Ort zu schützen, ist die Quelle des Bösen auszuschalten. Die ist Diablo und seine Brüder. Und um das zu schaffen, habe ich einen Mann deiner Stadtwache rekrutiert; einen einzigen. Er handelt komplett nur in Verteidigung der Stadt, denn die beste Defensive ist eine gute Offensive. Findest du nicht auch?“
Griez ist sprachlos.
„So etwas Unverschämtes...“
Ich packe ihn, als er mit geballten Fäusten losrennt.
„Das reicht, Griez. Verschwinde aus meiner Taverne.“
Atma weist ihm die Tür.
„Das hat ein Nachspiel!“
Er dreht sich noch einmal um, bevor er herausgeht.
„Pratham kannst du haben, ich habe ihn herausgeworfen. Werde glücklich mit ihm, aber noch besser: Verrecke in der Wüste. Du wirst schon noch merken, dass es unangenehm ist, mich als Feind zu haben!“
Der Meister will etwas sagen, aber Griez hat schon die Tür zugedonnert. Er seufzt.
„Toller Start in den Tag. Golem, hol meine Sachen, wir ziehen gleich los...“