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[Story] Die glorreichen Sieben

Segan

Guest
Hallo allerseits

Seit dem News-Artikel über den Storycontest geisterte eine vage Idee einer Geschichte in meinem Kopf herum. Allerdings nichts über die NPC's, sondern über die Spielcharaktere selbst. Über Wochen hinweg hab ich mich bemüht, einen Faden zu finden, der mich durch die Geschichte leiten soll. Und ich glaub, ich hab ihn gefunden. :>

Die Idee ist folgende: Die sieben Charakter treffen im Laufe der Geschichte zusammen und wachsen als Gruppe zusammen. Anfangs haben sie noch alle unterschiedliche Ziele und Beweggründe (die ich jetzt noch nicht genau kenne^^). Nach und nach treten die eigenen Ziele in den Hintergrund und die Figuren engagieren sich immer mehr im Kampf gegen die drei Übel. :fight:


Edit: Da Insidias in ihrer unendlichen Güte so nett war, die ersten drei Texte in ihrer Lesetauglichkeit zu prüfen. :D Das Urteil war zwar absolut vernichtend, doch ich habs glücklicherweise überlebt :clown:


Prolog


Schweissgebadet wachte Cain auf. Sein Herz klopfte so heftig, dass es wehtat. Für einen Augenblick wusste er nicht, wo er war. Dann hörte er das Schmatzen. Irgendwo tief unter ihm. Und langsam kam die Erinnerung zurück. Er befand sich in Tristram, gefangen in einem verrosteten Metallkäfig, der irgendwo an einer zusammengebauten Galgenvorrichtung befestigt war und ein paar Meter über dem blutgetränkten Boden schwebte.
Es war tiefste Nacht. Das Schmatzen war immer noch da. Offenbar vergnügten sich ein paar Monster noch an längst verwesten Leichen der Stadtbewohner. Etwas weiter entfernt hörte er das Knacken von Knochengelenken. Skelettkrieger , dachte Cain müde. Überall wimmelt es von Skelettkriegern und anderen Monstern, und Tristram ist zerstört. Er ahnte bereits, was wirklich passiert war. Doch Cain war nicht in der Lage, nachzudenken. Durst und Hunger zermürbten ihn.
Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Warum war er aufgewacht? Dann fiel es ihm schlagartig ein.
In seinem Traum war ihm eine leuchtende Gestalt erschienen. Das Gesicht hatte er nicht sehen können, denn es war im Schatten seines weissen Kopfumhangs verborgen gewesen. Doch deutlich hatte er die silbernen Federflügel erkannt, die mit göttlicher Anmut schwangen. Das Licht seiner heiligen Rüstung hatte Cain geblendet. Dann hatte er eine Stimme gehört; sie war weder männlich noch weiblich gewesen, weder hoch noch tief, weder Mensch noch Tier, aber von solcher Reinheit, dass Cain erzittert war:

Tristram ist gefallen
Lut Gholein ist bedroht
Kurast ist korrumpiert
Die Festung des Wahnsinns
Schwankt
Harrogath, die letzte Festung
Der Sterblicher wird belagert
Und Baal giert
Nach dem Weltenstein

In dunkelster Stunde
Wenn alle Hoffnung
Schwindet
Sieben werden kommen
Tristram zu befreien
Lut Gholein zu erlösen
Kurast zu säubern
Die Hure Andariel
Stirbt mit Qual
Der Wurm Duriel
Krepiert an Schmerzen

Die Drei Grossen Übel
Werden fallen
Einer nach dem Anderen
Der Herr des Hasses
Mephisto
Wird am eigenen Hass
ersticken
Der Herr des Schreckens
Diablo
Verliert seinen Schrecken
Der Herr der Zerstörung
Baal
Wird seine eigene
Zerstörung erwirken

Die glorreichen Sieben
Werden nicht eher ruhen
Bis das Böse
Aus der Welt
Entschwindet

Cain wusste sofort, dass er Zeuge einer göttlichen Prophezeiung war. Und er wusste, wessen leuchtende Gestalt ihm im Traum erschienen war.
Zum ersten Mal, seit Tristram von den Monsterhorden verwüstet wurde, keimte in dem altem Horadrim Deckard Cain ein Hoffnungsschimmer auf.

Der Erzengel Tyrael war zurückgekehrt...
 
Endlich mal eine neue Story:cool:
Den Prolog hast du schon mal super hingekriegt besonders die Prophezeiung von den glorreichen sieben hat mir gefallen, mal was originelles:top:
 
Stimmt der prolog ist nice. Ich warte gespannt auf das nächste update :)
 
Joa, freut mich, dass es euch gefallen hat :) Es gibt jetzt ein Update. Es wird aber nicht viel Text sein, denn im Moment bin ich damit beschäftigt, die anderen Stories mal durchzulesen. Besonders Saqqara find ich einfach klasse, um nicht zu sagen, himmlisch ^^. Da könnt ich noch was lernen. :D



Der blutrote Schrecken...


Es war ein schöner Tag. Die Sonne strahlte sanft auf die welligen Graslandschaften. Das Grün schien in kräftigen Farben. Sanfter Wind wehte. Alyenah genoss ihn. Nachdem sie wochenlang vom Westmarch-Königreich her die geheimen Wälder mit ihren riesigen Baumkronen überquert hatte, war der freie Himmel wie eine Erlösung. Ihr Ziel war das Kloster der Schwestern vom verborgenen Auge, bevor sie den Pass nach Lut Gholein überqueren wollte. Hier wollte sie sich ihre Ausrüstung reparieren lassen und Nahrungsmittel einkaufen. Hoffentlich bieten die Schwestern auch ein paar gute Katare an, dachte Alyenah.
Plötzlich hielt sie inne. Etwas stimmt hier nicht, dachte sie alarmiert. Sie spürte eine üble Präsenz, fast, als ob sich eine riesige Giftwolke über die Ebene erstrecken würde. Dann hörte sie ein irres Kichern und Geifern. Ganz leise, doch für ihre trainierten Assassinen-Sinne so laut wie der Donner. Aufmerksam blickte sie sich um und instinktiv hielt sie ihren Katar kampfbereit in ihrer rechten Hand und ihr kleines Schild in der anderen fest. Ausser einer relativ grossen Felsengruppe entdeckte sie nichts. Sie beschloss, auf einen dieser Felsen zu klettern, um das Gebiet besser überschauen zu können. Als sie sich den Felsen näherte, nahm sie einen beissenden Schwefelgestank wahr. Je näher sie kam, desto stärker wurde der penetrante Geruch. Auch die kichernden und geifernden Laute wurden immer lauter. Hinter den Felsen also, dachte Alyenah. Aber was zum Teufel kann das sein? fragte sie sich. Vorsichtshalber stieg sie nicht auf den Felsen, sonder schlich sich langsam um die Felsgruppe herum. Nachdem sie das eine Ende erreicht hatte, schaute sie, was hinter dem Felsen war. Und blickte geradewegs in eine blutrote Fratze. Aus seinem Mund strömte ein unvorstellbarer Schwefelgeruch, dass Alyenah meinte, sich übergeben zu müssen. Eine Zeitlang standen die beiden einfach nur da und starrten sich gegenseitig an. Die rote Fratze schien genauso überrascht wie Alyenah selbst, allerdings nicht lange. Sie kreischte plötzlich, hüpfte wie wild herum und begann auf einmal, mit seiner lächerlichen Holzaxt auf die Assassine einzudreschen. Alyenah war zu perplex, um diesen Angriff abzuwehren, geschweige denn auszuweichen. Erst als die „lächerliche“ Holzaxt ihren Arm traf, schrie sie auf, mehr aus Überraschung als aus Schmerz. Wütend fegte sie die Axt weg und schwang ihren Katar mit voller Wucht auf den Schädel dieses roten Monsters. Der Hieb spaltete den Schädel, und das kleine Monster fiel um. Alyenah atmete schwer. Mein Gott, was für ein Schock, dachte sie. Jetzt erst merkte sie, dass ihr Arm blutete. Nichts Schlimmes, dachte sie. Aber nun fiel ihr die plötzliche Stille auf, und sie blickte wieder nach vorne. Sie wünschte sich, dass sie es nicht getan hätte, sondern einfach weggelaufen wäre...
 
Macht Lust auf mehr!
Schreib weiter, wenn du Lust hast und nicht, weil du gezwungen wirst!

Schoen geschrieben und alle sieben Charaktere drin, scheint lustig zu werden!
 
@Jack: Schön, dass es dir gefällt. :)
Bin mir im Moment am Überlegen, welche Grundzüge ich meinen Charakter geben soll, damit ich daraus Beziehungen flechten kann. Wenn ich damit fertig bin, wird die Geschichte erst richtig erzählt. :read:

Gruss Segan
 
Segan schrieb:
Harrogath, die letzte Festung
Der Sterblicher wird belagert

es müsste heißen, "harrogath, die letzte festung der sterblicheN! wird belagert

Segan schrieb:
Die Hure Andariel
Stirbt mit Qual
Der Wurm Duriel
Krepiert an Schmerzen

ziemlich harte worte von nem erzengel, net? :D

ansonsten nice story, bin schon gespannt ;)
 
@Ash: Ups, den Fehler muss ich noch korrigieren. Und was Tyrael betrifft: ein wenig Ecken und Kanten machen einen Engel doch interessanter, nicht? :D





Erster Kampf mit Monstern



Ein Dutzend von diesen roten Kreaturen stand vor ihr und starrte sie an. Gelber Dampf stieg aus ihren Nasenlöchern, ihre Augen leuchteten in einem mörderischen Rot. Dann klopfte einer von ihnen mit einem Stab auf den Boden, und dessen obere Ende flammte auf. Plötzlich erschien dieselbe Flamme über dem Kadaver des Monster, das Alyenah eben erst getötet hatte. Und die Kreatur stand auf, als ob nichts passiert wäre. Obwohl der Schädel immer noch gespalten war!
Was passiert hier?, dachte sie. Sie war nahe daran, hysterisch zu werden. So etwas wurde einem in ihrem Orden nicht beigebracht.
Das Monster humpelte zu seiner Holzaxt, hob es auf und kreischte. Die anderen Monster stimmten schlagartig in das Gekreische ein. Das Monster mit dem Stab – ein Schamane?, dachte sie – schwang den Stock herum und wie aus dem Nichts flog ein Feuerball auf sie zu. Alyenah blockte rechtzeitig mit ihrem kleinen Rundschild, doch der Schwall von flimmernder Hitze versengte ihre Haut, so dass sie unwillkürlich zurückzuckte. Das war wie ein Signal für die anderen Monster: Sie stürzten sich alle gleichzeitig auf die Assassine zu, ihre „lächerlichen“ Holzäxte in der Hand schwingend. Doch diesmal wartete sie nicht, bis einer von ihnen sie verwunden konnte, sondern schlug dem ersten Angreifer sofort den Kopf ab. Zwei weitere wurden durch einen sauberen Stich ins Herz getötet. Doch nun tauchten drei andere Monster auf und hackten gleichzeitig auf sie ein. Den ersten Gegner parierte sie mit ihrem Katar und stiess ihn zurück; die zweite Attacke folgte unmittelbar nach der ersten, doch geschickt wich sie ihr aus. Gleichzeitig vollführte sie einen Streich von links unten nach rechts oben. Der Getroffene wurde buchstäblich aufgeschlitzt und wegen der Wucht des Hiebes nach hinten geschleudert. Doch der dritte Angreifer traf sie mitten in ihrem rechten Oberschenkel. Die scharfe Holzschneide schnitt sich ins Fleisch, so dass es diesmal wirklich wehtat. Alyenah schrie auf. Doch noch bevor der Gegner zu einem weiteren Schlag ausholen konnte, wirbelte sie herum und traf mit dem anderen ausgestreckten Bein seinen Kopf. Es entstand ein hässliches Knirschen, als ob ein trockener Ast zerbarst, bevor das Monster drei Meter weiter hinten aufschlug und reglos liegen blieb. Schwer atmend blieb Alyenah stehen. Ihr rechtes Bein schmerzte, wo die Wunde heftig blutete. Doch ihr blieb keine Zeit, sich darum zu kümmern, denn urplötzlich flog ein weiterer Feuerball auf sie zu. Gerade noch rechtzeitig sprang sie zur Seite und schlitzte noch im Sprung ein Monster, das ihr zu nahe stand, auf. Der Feuerball schlug an einem Felsen auf und verrauchte wirkungslos.
Hektisch sah sie sich um. Fünf sind noch übrig, stellte sie fest, den Schamanen mit eingerechnet. Und der stand auf einmal direkt vor ihrer Nase. Verflucht, ich hab nicht aufgepasst! Bevor sie reagieren konnte, traf sie ein weiterer Feuerball. Und diesmal mit grausamer Wucht. Die Hitze versengte nicht nur Haut und Haar, sondern drang in ihre Seele ein und setzte ihr Herz in Flammen. Der Schmerz raubte ihre Sinne. Nein, ich werde ohnmächtig! begriff Alyenah. Verzweiflung keimte auf. Sie wollte nicht inmitten dieser Monsterhorde das Bewusstsein verlieren, denn das wäre ihr sicherer Tod.
Doch während sie nach hinten fiel und ihr gleichzeitig schwarz vor Augen wurde, sah sie, wie ein Eiszapfen – Eiszapfen?? – auf den Schamanen zuflog. Als dieser „Eiszapfen“ den Schamanen traf, färbte sich seine Gestalt eisblau , erstarrte – Himmel, ist das wirklich eine Feuersäule aus Eis, die über seinem Kopf schwebt? – und zersplitterte wie zerbrochenes Glas.
Dann schlug die Assassine am Boden auf und verlor das Bewusstsein.
 
Entwickelt sich bisher ja schon recht gut... :rolleyes:
Aber du solltest, nachdem du ein Kapitel fertig hast, dich erst einmal zuruecklehnen und dir dieses noch einmal Korrektur lesen. Ich schaetze, dass du dann einige (Fluechtigkeits-?) Fehler eliminieren kannst.
 
Ist eigentlich gut geworden allerdings find ich das du ein wenig zu viel Tempo mit der Story vorlegst. Fände es besser wenn die Sorc(es ist doch ne Sorc?) erst später dazukommt.

Originally posted by Segan:
Doch während sie nach hinten fiel und ihr gleichzeitig schwarz vor Augen wurde, sah sie, wie ein Eiszapfen – Eiszapfen?? – auf den Schamanen zuflog.

Originally posted by Segan:
Als dieser „Eiszapfen“ den Schamanen traf, färbte sich seine Gestalt eisblau , erstarrte – Himmel, ist das wirklich eine Feuersäule aus Eis, die über seinem Kopf schwebt? – und zersplitterte wie zerbrochenes Glas.

Diese Gedankengänge gefallen mir allerdings wieder sehr gut da sie ne Menge Abwechslung in die Story bringen.
 
@Dark: Du hast recht, ist ein bisschen viel Tempo. Ich werd drauf achten, versprochen!
Und es freut mich, dass es dir gefällt :D

Edit: Da ich kein Doppelpost machen will, editiere ich diesen Posting. Die vorangegangenen Storyteile könnt ihr übrigens zum folgenden Kapitel zählen.




Kapitel 1



Langsam schritt Taelinna das Schlachtfeld durch. Aufmerksam schweifte ihr Blick durch die Szenerie, bis sie an einer dunklen, reglosen Gestalt haften blieb. Beeindruckend, dachte sie. Obwohl die Assassine eindeutig keine Erfahrung mit dem Kampf gegen Monster hatte, war nahezu eine ganze Gruppe von Gefallenen von ihr ausgelöscht worden. Wenn sie den Schamanen zuerst erledigt hätte, sinnierte Taelinna weiter, hätte die Assassine die verbliebenen Monster in aller Ruhe töten können. Denn ohne Anführer waren diese roten Kreaturen nur ein erbärmliches Häufchen.
Die Zauberin änderte ihre Laufrichtung und steuerte nun auf die am Boden liegende Attentäterin zu. Einen Schritt vor ihr blieb Taelinna stehen. Sie konnte den Geruch von versengtem Fleisch riechen. Himmel, dachte sie, die ist ja regelrecht gebraten worden. Sie beugte sich über die Bewusstlose und fing an, sie zu untersuchen. Sieht kritisch aus, überlegte sie, aber nicht allzu schlimm. Das Gesicht war noch heil geblieben und die Haare waren nicht verbrannt, sondern schwelten bloss. Anders sah es mit dem Rest aus: da es keinen nennenswerten Schutz gab (denn Lederkleider, wie die Assassine sie trug, zählten nach Taelinnas Ansicht nicht dazu), war praktisch ihr ganzer Körper verbrannt.
Auf einmal bewegte sich die bewusstlose Attentäterin. Ein leises, qualvolles Stöhnen folgte. Sie ist zäh, dachte Taelinna. Die Verwundete blinzelte.
„Guten Tag“, begann die Zauberin freundlich, „da Ihr ja nun wieder bei Bewusstsein seid, wäre es an der Zeit, sich vorzustellen. Mein Name ist Taelinna.“
Keine Antwort.
„Und im übrigen“, fuhr Taelinna fort, während ihre Lippen unmerklich nach oben zuckten, „verdankt ihr mir Euer Leben. Ihr steht von nun an in meiner Schuld.“
Diesmal öffnete die Assassine ihre Augen. Der Umriss des Gesichtes ihres Gegenübers zeichnete sich im hellen Licht des Himmels überdeutlich ab. Das Gesicht war umrahmt von langem, schwarzem, dichtem Haar, das sanft gewellt abfiel. Die Augen waren von sanften Brauntönen erfüllt, ihre zierliche Nase drückte Sanftmut aus.
Nur der Mund passte nicht zu ihrem schönen Gesicht. Das breite, kecke Grinsen empfand sie als bodenlose Frechheit.
Erbost gab die Assassine zurück: „Einen Teufel schulde ich Euch! Das verdammte Fratzengesicht hätte ich auch so erwischt.“
„Tatsächlich?“, fragte Taelinna, immer noch grinsend. Dann machte sie plötzlich ein bedauerndes Gesicht – für meinen Geschmack ein bisschen zu bedauernd, dachte die Assassine – und meinte: „Nun gut, wenn Ihr glaubt, alleine zurechtzukommen, will ich Euch nicht um die Ohren liegen.“ Sie stand auf, verbeugte sich artig und sprach mit formeller Höflichkeit: „ Es war mir eine Freude, Euch kennen zu lernen, auch wenn ich Euren Namen nicht erfahren habe. Ich wünsche Euch einen Guten Tag und viel Glück auf Eurem Weg.“ Damit drehte sich die Zauberin um und schritt langsam von dannen.

Sekundenlang starrte Alyenah in die Luft, wo eben das Gesicht Taelinnas gewesen war. Dann begriff sie mit Schrecken, dass sie alleine war, verletzt und unfähig, sich zu bewegen.
„Wartet!“ keuchte sie.
Die Zauberin hielt tatsächlich inne. Sie drehte sich um und schaute höflich mit fragendem Gesichtsausdruck zur Assassine herüber.
„Mein Name ist Alyenah“, sagte sie gepresst.
„Sehr erfreut“, gab Taelinna zurück, immer noch höflich.
„Ich könnte...“, ihre Stimme klang noch gepresster, „...ein wenig Hilfe gebrauchen.!“
Taelinna machte ein überraschtes Gesicht.
„Tatsächlich?“, sagte sie wieder, „ich hatte irgendwie den Eindruck, dass meine Hilfe nicht erwünscht wäre.“
Alyenah schloss die Augen. Sie wünschte, ihr Gegenüber würde mit diesem grausamen Spiel aufhören.
„Das....das muss ein Missverständnis sein!“, brachte sie durch die gepressten Zähne hervor.
„Oh, in diesem Fall muss ich mich wohl entschuldigen.“, meinte die Zauberin. Wenigstens konnte die Assassine nicht das unverschämte Grinsen sehen, dass sich auf Taelinnas Gesicht ausbreitete.


Die beiden Frauen wanderten nun schon seit Stunden durch die flache, mit einzelnen Felsgruppen bedeckte Graslandschaft. Alyenah schritt neben der Magierin, welche scheinbar ruhig ihren Weg ging.
Anfangs war Alyenah ziemlich wütend gewesen über die Boshaftigkeit, mit der Taelinna ihr kleines Theater aufgeführt hatte. Auch wenn sie begriff, dass die Zauberkundige sie nur genarrt hatte, fand sie die Situation, in der die beiden miteinander Bekanntschaft geschlossen hatten, keineswegs komisch.

Taelinna ging in die Hocke und beugte sich über die Assassine, während sie eine rote, halbrunde Ampulle aus ihrer Tasche kramte. Sie entstöpselte das Gefäss und raunte der anderen Frau freundlich zu, sie möge doch „Aaaah“ machen.
Alyenah tat nichts dergleichen. Sie starrte die Zauberin nur an. ‚Sie veralbert mich’, dachte sie. Langsam keimte in ihr blanke Wut auf. Erst musste sie sich ihrer Haut unter Einsatz ihres Lebens gegen ein Haufen missgestalteter Kreaturen erwehren. Dann wäre sie beinahe durch einen aberwitzigen Feuerteufel buchstäblich verkohlt worden. Und nun noch eine Zauberin, die sich nicht entblöden mochte, vor einer Verwundeten herumzualbern.
Nun hob Taelinna ihre linke Augenbraue.
„Soll ich Euch jetzt nun helfen oder nicht?“ fragte sie mit gespielt fragendem Ausdruck. In berechnender Manier zog sie ihre Hand mit der Ampulle zurück und suchte scheinbar nach dem Stöpsel. Alyenah sah überdeutlich die Ampulle, die, wie sie selbst wusste, ihre Verletzungen heilen konnte. Im Gesicht der Assassine arbeitete es. Dann schluckte sie hart. Langsam, zögernd und widerwillig machte sie ihren Mund auf und sagte: „Aaah“. Scheinbar überrascht hob die Zauberin den Kopf, sah ihren Gegenüber an, und überlegte – scheinbar – , was sie mit einem aufgesperrten Assassinenmund anfangen solle.
Für diesen einen Augenblick hätte Alyenah ihre Retterin aufschlitzen mögen, hätte sie es vermocht. Doch sie überwand ihren Ärger und hielt tapfer ihren zierlichen Mund aufgesperrt.
Nach einem ewigen Augenblick, so schien es, fühlte sie das kühle Gefäss an ihren Lippen. Gierig saugte sie die Flüssigkeit auf, die aus der Öffnung sprudelte.
Sie fühlte, wie die Schmerzen an ihrem Körper verschwanden. Probeweise versuchte sie, ihren Kopf anzuheben. Es klappte. Dann die Arme. Ein feiner Schmerz durchzuckte sie. Ihr rechtes Bein war immer noch verwundet, doch die Blutung versiegte rasch ob der Wirkung des Heiltrankes. Vorsichtig richtete sie sich auf. Übelkeit durchfuhr sie. Doch sie stemmte sie weiter vor, presste die Zähne zusammen. Schliesslich hatte sie es geschafft. Sie stand nun aufrecht auf ihren zwei Beinen. Die Assassine schloss kurz die Augen und atmete tief aus.
Als sie ihre Augen öffnete, suchte sie den Blick der Magierin. Sie stand da, nur zwei Schritte von ihr entfernt. Ihr Gesicht war ohne jegliche, wenngleich freundliche Bosheit, ohne jeglichen Spott. Schweigen.
Die schwarz gekleidete Kämpferin sah jung aus, ihr ovales Gesicht wirkte fast schon knabenhaft. Funkelnde Augen zierten ihr Gesicht. Ihre kurze, schmale Nase passte perfekt zu ihrem dünnen Mund. Deren Lippen nun vor Wut zusammengepresst waren.
Amüsiert ob dieser Erkenntnsi, verbeugte sich Taelinna kurz und sagte: „Bitte verzeiht mein unhöfliches Benehmen. Aber manchmal neige ich zu etwas ... unnötigem Schalk, selbst in unpassendsten Situationen.“
Die Zauberin sah, wie die Assassine mühsam schluckte. Überdeutlich nahm sie die gespannten Muskeln ihrer Arme wahr. Sie beschloss, mit ihrem Spiel aufzuhören. Die Grenze war erreicht, das spürte sie deutlich.
Überrascht nahm Alyenah war, wie sich die Zauberin von einem Augenblick zum anderen veränderte, wie aus Schalk Ernst wurde. „Scherz beiseite“, fing Taelinna an, „wie fühlt Ihr Euch?“
Unsicher ob dieser eigenartigen Verwandlung deutete sie ein Nicken an. „Ich vermute, Ihr wollt hin zum Kloster der Schwestern vom verborgenen Auge?“, fragte Taelinna. Überrascht nickte Alyenah. „Woher wisst Ihr davon?“, fragte die Assassine nun, plötzliches Misstrauen verspürend. Die Magierin blinzelte. „Gar nicht. Aber wenn Ihr den Weg des Pfades, das zum Kloster führt, beschreitet, liegt die Vermutung nahe, dass ebendieses Kloster das Ziel Eurer Reise ist.“, antwortete Taelinna. Das leuchtete der Assassine ein. Sie entspannte sich. Die Zauberin lächelte wieder: „Da mein Ziel ebenfalls das Kloster ist, können wir das letzte Stück des Weges auch gemeinsam zurücklegen.“
Alyenah zögerte. In ihr war immer noch die Verärgerung, die sie gegenüber der Magierin verspürte. Dennoch nickte sie. „Also gut. Aber wenn Ihr euch noch einmal einen Scherz solcher Art mit mir erlaubt....“ Den letzten Teil der Drohung sprach sie nicht aus. Was auch nicht nötig war, denn Taelinna verstand durchaus. Denn vor ihr stand eine Angehörige eines mächtigen Ordens, die sich der Aufgabe verschrieben hatte, abtrünnige Magier zu verfolgen und zu vernichten. Sie war eine Assassine, eine trainierte, aufs Töten getrimmte Attentäterin.
Die Zauberin nickte nur und ging voran. Nach kurzem Augenblick des Zögerns folgte Alyenah der Magiebegabten. Gemeinsam schritten sie durch die grüne Ebene fort, weg von dem kleinen Schlachtfeld.

Plötzlich schreckte Alyenah aus ihren Gedanken hoch.
„Alyenah?“ Sie drehte ihren Kopf zur Seite und sah zur Zauberin hinüber. Taelinna schaute sie fragend an. Offenbar hatte sie mehrmals ihren Namen gerufen. Unmerklich schüttelte die Assassine ihren Kopf, wie um lästige Gedanken abzuschütteln.
„Was ist?“, gab sie zurück.
„Ich habe mir überlegt...“, setzte die Zauberin an, „...ob wir uns nicht duzen könnten? Der Weg ist weit, und die Höflichkeit zu ermüdend.“ Alyenah zuckte die Schultern.
„Meinetwegen“, murmelte sie. Das Gesicht der Zauberin strahlte nun.
„Da nun also die Frage geklärt ist, möchte noch etwas vorschlagen.“, fuhr sie fort.
„Ist das jetzt nun wieder einer deiner unpassenden Schälke?“ fragte Alyenah unwillig. „Wenn ja, verschon mich bitte damit. Und wenn nicht, komm einfach zur Sache!“ Taelinna liess sich nicht durch den groben Ton irritieren.
„Dein Name ist mit ein bisschen zu lang zum Anreden.“ fuhr sie unbekümmert fort. Irritiert blickte Alyenah drein. „Drum habe ich beschlossen, dich von nun an Alya zu nennen.“, schloss Taelinna feierlich.
Endlose Sekunden des Schweigens. Die Assassine war sich nicht sicher, ob sie das allen Ernstes so meinte. Vielleicht schon.
„Nun ja, klingt nicht schlecht.“ meinte Alya. „Dann aber lass mich für dich auch einen anderen Namen ausdenken, denn deiner ist nicht kürzer als meine.“
„Klar“, erwiderte Taelinna fröhlich, „wie immer du willst.“
Die Aassassine überlegte kurz, dann meinte sie: „Ich nenne dich von nun an Talia.“. Talia wiegte ihren Kopf, schien den Geschmack ihres neuen Namens zu prüfen. Dann nickte sie.
„Gehen wir weiter, Alya?“, fragte sie.
Alya nickte.
„Gehen wir.“
Während sie so über dem Pfad schritten, knüpften sich bereits die erste Banden einer zaghaften Freundschaft.

Während ihrer gemeinsamen Reise erfuhr Alya ein wenig von ihrer neuen Gefährtin. Talia stammte aus den Ländern Khanduras, das Land, das einer Legende zufolge die Heimat des mächtigen Magiers Khandura war. Als einziger Zauberer erlernte Khandura die Kräfte der drei Elemente Feuer, Blitz und Eis zu beherrschen. Mit seinen Kräften schützte Khandura die Grenzen seiner geliebten Heimat vor den sich gewaltsam ausdehnenden Einflüssen der Westmarschener, die sich eben in den Anfängen der Gründung des Lichtordens der Paladine wiederfanden. Nach langen, erbitterten Kämpfen zwischen den Bewohnern der Heimat Khanduras und den neuen Paladinen aus dem Westmarsch gelang es dem Magier, einen magischen Bannkreis zu errichten, welches seine Heimat in eine unbekannte Sphäre der Zwischenwelt hinüberrückte. So oft es der junge Orden auch versuchte, erreichte er nie das Ziel, die westlichen Lande jenseits der Westmarschener Gebirge zu erobern.
„Moment mal“, unterbrach Alya sie stirnrunzelnd.
Talia verstummte. Sie hob fragend die Augenbrauen.
„Wenn Khanduras Land in eine...andere Sphäre gerückt worden ist...“, meinte die Assassine, „was ist dann mit dieser Welt passiert? Ich meine, es kann doch nicht einfach ein ganzes Land verschwinden!“
Die Zauberin nickte. „Du hast völlig recht. Nichts kann einfach so verschwinden.“, stimmte sie zu. „Dadurch aber, dass das Land in eine andere Sphäre verrückt worden ist, ging jeder direkte Zugang verloren. Denn wer den Bannkreis nicht durchdringt, wird über kurz oder lang wieder an den Ausgangspunkt zurückkehren, wo er erstmals in den Einflussbereiches des Bannkreises geriet“, erklärte Talia. Die Augen der kurzhaarigen Assassine wurden gross. „Das heisst ja...“, begann Alya, beendete den Satz aber nicht. Zu verblüffend war die Erklärung der Zauberin gewesen. „Richtig“, nickte Talia, „Wenn ein Reisender den Bannkreis erreicht und weiter läuft, wird er einfach zurück an den Ort geführt, wo er die magische Schranke überschritten hat. Nur in umgekehrter Richtung, ohne dass der Reisende es überhaupt merkt.“, fügte sie hinzu.
„Unglaublich“, murmelte Alya. „Und wie kommt man überhaupt in dieses Gebiet rein?“, fragte sie Talia. Die Zauberin zuckte mit den Schultern. „Es braucht nicht viel“, antwortete sie, „Es kann jeder, der in irgendeiner Weise mit Magie in Berührung steht, den Bannkreis durchdringen. Sei es durch einen Gegenstand oder durch irgendwelche Fähigkeiten, die Bezug auf Magie nimmt.“
Alya nickte begreifend. Schweigend schritt das ungleiche Paar über die sanften Grasebenen. „Und wo liegt deine Heimat, Alya?“, fragte Talia.
Die Assassine stockte im Schritt.
Nur einen winzigen Augenblick.
Die Zauberin merkte es wohl.
Sie begriff, dass sie eine unangenehme Frage gestellt hatte. Talia wollte schon ihre Frage zurückziehen, als die Antwort kam.
„Nirgendwo.“
Es war ein kaum hörbares Murmeln.

Es war schon später Nachmittag. Die Sonne war nicht mehr weit vom Horizont entfernt. Die Dämmerung kommt, dachte Alya. Kurz schaute sie zur Zauberin zurück, die hinter ihr herschritt. Talia schien versunken zu sein. Ihre Augen schienen einen weit entfernten Punkt vor ihr zu fixieren, irgendwo im Nichts der Luft. Schon seit geraumer Weile starrt sie so, stellte die Assassine fest. Irgendwas schien sie zu beschäftigen, aber Alya fragte nicht danach. Es erschien ihr unhöflich.
„Fühlst du es nicht auch?“ Die Stimme klang in die Stille hinein. Überrascht drehte Alya sich um. Talia schien aus der Versenkung erwacht zu sein. Ein Hauch von Besorgnis schien über sie zu schweben.
„Was denn?“, frage Alya. „Etwas liegt in der Luft“, erklärte die Magierin, „und es bereitet mir Unbehagen. Und das Gefühl wird immer stärker, je weiter wir gehen.“
Schweigend stand die Assassine da. Dann blickte sie sich aufmerksam um. Nichts. Nur weite Grasflächen, von fernen Bergen umsäumt. Alya schloss die Augen. Unnatürliche Ruhe erfasste sie. Langsam, ganz sachte weckte sie ihre antrainierten Instinkte, deren Fühler sich nach allen Seiten ausstreckten. Sie lauschte angespannt. Nichts. Keine Regung. Kein Geräusch. Da ist nichts.
Gerade wollte sie den Kopf schütteln und Talia erklären, dass da nichts war. Doch dann stockte sie. Kaum hörbar, selbst für ihre geschulten Sinne, nahm sie etwas wahr.
Kichern.
Geifern.
Schritte.
Gefahr
. Mit einem Mal fühlte sie es. Der Schatten der Bedrohung lastete schwer in der Luft. Sie meinte den ekelhaften Geruch des Schwefels wahrzunehmen.
Alya riss die Augen auf. Jetzt, wo sie die Gefahr fühlte, sah sie es auch. Am Horizont bewegten sich kleine Punkte, hin und her schwirrend.
Und sie kamen näher.
„Alya?“ Sie reagierte nicht. Talia ersparte es sich, sie nochmals anzusprechen. Sie wusste, dass sie etwas wahrgenommen hatte. Und es schien nichts Gutes zu sein. Angespannt blieb die Zauberin stehen, wo sie war. Dann drehte sich die Assassine zu ihr herum. „Wir haben noch nicht darüber gesprochen“, sagte Alya. Verwirrt blinzelte Talia: „Was meinst du?“
Kurz schwieg die Assassine, dann sprach sie: „Diese Kreaturen, die vorhin ich getötet habe. Was war das?“ Unsicher blickte die Zauberin Alya an.
„Ich weiss es nicht genau. Aber...“, Talia stockte, „...sie ähneln irgendwie den Berichten aus der Zeit, als noch der Herr des Schreckens, einer der Drei Grossen Übel über die Erde wandelte. Seltsame Wesen, weder Mensch noch Tier, trieben sich herum und verbreiteten Tod und Schrecken.“
Es fiel Alya sofort auf. Auch sie hatte davon gehört. Von dem Herrn des Schreckens. Dessen Namen die Zauberin nicht erwähnte.
Diablo.
„Aber er wurde längst besiegt.“, entgegnete Alya ruhig. Die Zauberin schwieg. Hilflos zuckte sie die Achseln.
„Ich weiss. Aber...“ Wieder zögerte sie. „Vor ein paar Tagen hörte ich von Durchreisenden, dass sich auf Bauernhöfen seltsame Wesen herumtreiben und die Felder zerstören. Sie verschwinden dann spurlos. Einige wollen auch Zeugen gewesen sein, wie...“, wieder zögerte Talia, „...lebendige Skelette Menschen angriffen.“
„Wir werden sehen, ob das stimmt. Da kommen welche“, meinte Alya mit grimmigem Ausdruck. Erschrocken blickte Talia nach vorne. Und tatsächlich, sie konnte nun die Entgegenkommenden erkennen. Skelette. Und nicht nur Skelette. Auch die kleinen roten Fratzen waren da. Ihnen folgten andere Kreaturen. Grosse, unförmige, pelzige Gestalten mit Riesenhänden. Hagere, menschenähnliche Figuren, deren Häute in Fetzen herabhingen.
Unwillkürlich packte die Zauberin ihren Stab fester. „So viele“, flüsterte sie. „Sie sind zwanzig an der Zahl“, stellte Alya fest.
Sie schauten sich an.
Zunächst zögernd, einen Entschluss zu fassen, sprach Alya schliesslich: „Weglaufen wird nichts bringen, da es immer noch unser Ziel ist, das Kloster zu erreichen. Und eine Flucht nach vorne erscheint mir sinnlos. Ich glaube, dass sie uns nicht so leicht davonkommen lassen werden.“ Talia blickte nach vorne. Die unheimliche Gruppe war näher herangekommen. Hundert Schritte vielleicht. Sie fühlte irgendwie, dass Alya recht hatte. Talia nickte. „Dann kämpfen wir.“
Die Assassine schritt nach vorne. Talia folgte ihr auf Abstand. Als Alya noch ungefähr dreissig Schritte entfernt war, hielt sie an. Achtlos warf sie ihr kleines graues Schild weg und zog einen zweiten Katar aus ihrem linken Halfter hervor. Diesmal lasse ich mich nicht überrumpeln. Sie winkelte ihre Beine leicht ab, schob das linke nach vorne, das rechte leicht zur Seite. Mit ihrer Linken packte sie den Katar fester und winkelte ihren Arm schräg nach vorne ab. Ihre Rechte rückte sie nach hinten, ebenfalls mit abgewinkelten Armen, bereit zuzustossen. Die Klingen glänzten im dämmernden Sonnenlicht. Da stand sie nun, eine Viz-Jaq’taar in Kampfposition.
Ich bin bereit.
Die roten Geschöpfe erreichten die Assassine zuerst. Es waren insgesamt ein halbes Dutzend blutfarbene Leiber, die auf sie zugingen, den Schamanen mit eingeschlossen. Als sie nur noch zwei, drei Schritte von ihr entfernt waren, sprang Alya ohne Vorwarnung nach vorne. Ehe die kleinen Kreaturen begriffen, sprang sie über ihren Köpfen hinweg. Dann berührte ihr rechter Fuss einen kleinen, roten Schädel. Wie ein schwarzer Stein schien die schwarze Gestalt zu fallen. Eine dunkle Stahlfeder, die sich krümmte. Urplötzlich schnellte die Feder nach vorne. Der kleine Rote, dessen Kopf der Assassine als Sprungplatz diente, wurde durch die schiere Wucht des Sprunges nach vorne geworfen und warf vier seiner Artgenossen mit über den Haufen. Alya sprang. Hoch hinaus in die Luft. Im Höhepunkt ihrer Sprungbahn schlug sie einen Salto. Holte Schwung. Und fiel. Schliesslich landete sie.
Lautlos.
Stille breitete sich aus. Talia hatte den Atem angehalten. Wie eine geschmeidige Raubkatze. Die Assassine rührte sich nicht. Sass nur da am Boden. Ihr rechtes Knie am Boden, ihr linkes Bein bis zur Knie aufgerichtet. Der Schamane, der vor ihr stand, fiel auseinander. Ungläubig weiteten sich die Augen der Zauberin. Der Körper des Schamanen war buchstäblich entzweit. Die beiden Hälften fielen zu Boden.
Fassungslos starrten die kleinen Zwerge auf den getrennten Leib ihres Anführers. Sekundenlang. Dann kreischten sie. Wutentbrannt stürmten sie zu fünft auf Alya. Talia reagierte zuerst. Hastig murmelte sie einen Spruch. Ihre Hände leuchteten in einem leichten Blau. Das Leuchten wurde intensiver. Von einem Augenblick zum anderen übertrug sich das Leuchten auf ihren Stab. Das Blau schien dichter zu werden. Talia riss ihren Stab hoch. Wie aus dem Nichts flog nun ein armdicker Eiszapfen los, einen Schweif von Eissplittern hinter sich herziehend. Auf die angreifenden Zwerge zu. Auch Alya reagierte nun. Leicht bückte sie sich nach vorn und spannte ihr rechtes Sprungbein an. Sie preschte vor. Die Arme hielt sie überkreuzt.
Im selben Augenblick, kurz bevor Alya die Zwergengruppe erreichte, schlug das Eisgeschoss mitten in die Gruppe auf. Die roten Kreaturen erstarrten. In diesem Moment beschrieben die Klingen der Katare tödliche Bögen. Nur sachte berührten die Spitzen die erstarrten Leiber. Die roten Wesen zersplitterten wie unter einer Explosion. Tausende von kleinen Scherben flogen herum.
Stille.
Schweisstropfen vermischten sich mit Blut und perlten von ihrem Gesicht ab. Sie fühlte pures Ekel. Der Lebenssaft des roten Schamanen floss wie zäher Schlamm über ihr Antlitz. Alya atmete schwer.
Knacken. Sie hörte es, bevor die Warnung sie erreichte.
„Achtung!“ rief Talia. Wirbelnd drehte sich die Assassine herum. Keinen Augenblick zu früh. Ein Skelettkrieger griff sie an. Pfeifend sauste sein Schwert heran. Alya blockte den Hieb mit überkreuzten Klingen. Blitzschnell hob sie ihr rechtes Bein an und trat wuchtig nach vorne. Die knochige Gestalt des Skelettkriegers zuckte zusammen, als die Wirbel brach. In der nächsten Sekunde fiel das Skelett in sich.
Für einen Moment hielt Alya inne. Erfasste die Situation. Vierzehn sind noch übrig, stellte sie fest. Ein halbes Dutzend Skelette kam auf sie zu. Dicht dahinter folgten genauso viele Gestalten mit herabhängenden Hautfetzen und aufgequollenem Fleisch. Zombies. Hinter den Zombies stampften die seltsamen Pelzkreaturen mit ihren zu kurzen, stämmigen Beinen, überdimensionalen Schultern und Händen. Deren Gesichter schienen sich auf der Brust zu befinden. Eine starre Maske. Plötzlich flog dicht an ihrem Kopf vorbei ein weiterer Eiszapfen. Das Geschoss schlug in der ersten Reihe auf. Der Vormarsch der Skelette kam zum Erliegen. Die Assassine lächelte grimmig. Es wird Zeit für einen Tanz.

Schweiss rann Talia das Gesicht herab. Sie liess einen Kältezauber nach dem anderen los. Doch als sie ihr zweites Geschoss abfeuerte, stockte sie. Sie traute ihren Augen kaum. Die schwarze, zierliche Gestalt der Assassine schien in einen dunklen Wirbel zu fliessen. Die Zauberin versuchte, zu beschreiben, was sie sah. Dann formte sich im Kopf ein Gedanke.
Sie kämpft nicht.
Sie tanzt.
Eine tanzende Raubkatze.

Mechanisch feuerte Talia einen weiteren Eiszauber ab. Die schwarze, wirbelnde Raubkatze berührte ihre Feinde nur leicht. Nur mit ihren Fussspitzen. Nur mit den Klingenspitzen ihrer Schlagdolche. Und doch streckte jede ihrer Berührungen die Gegner zu Boden. Ein weiterer Eiszapfen. Erstarrte Körper zerbrachen. Dann Stille.
Alyas Herz raste. Mit schmerzender Brust pumpte sie Luft. Noch zwei. Der Schweiss strömte über das ganze Gesicht, drang in ihre Augen. Ihre Sicht verschwamm. Ihre Zunge fuhr über die Lippen. Sie schmeckte Salz. Dann klärte sich ihr Blick. Und das Herz zog sich ihr vor Schreck zusammen. Die pelzigen Riesen mit der starren Maske auf der Brust standen vor ihr. Nur zwei, drei Schritte entfernt.
Und zwei, drei Köpfe grösser als Alya.

Fassungslos blickte Talia auf ihren Stab, dann auf die Szene vor ihr und wieder zurück zum Stab. Im Eifer des Gefechtes hatte sie etwas Entscheidendes vergessen.
Wenn du je in Bedrängnis geraten solltest, Schülerin, teile deine Kräfte gut ein. Denn jeder Zauber verbraucht Energie. Und nichts ist schlimmer, als mitten in einem Kampf ohne Energie da zu stehen. Denn dann wird jeder noch so mächtige Spruch wirkungslos bleiben.
Ja, Meisterin.

Sie stand ohne Energie da. Hastig griff sie in ihre Beuteltasche, fieberhaft die Ampulle mit bläulich schimmerndem Inhalt suchend. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, dass nun noch zwei Monster verblieben waren. Alya stand scheinbar regungslos den seltsamen Pelzkreaturen gegenüber. Endlich bekam die Zauberin die blaue Ampulle zu fassen und setzte es eilig an den Lippen. Noch während der blaue Trunk ihre Kehle hinabrieselte, nahm sie aus den Augenwinkeln wahr, wie die Assassine eine der Pelzkreaturen angriff.

Noch in der Angriffsbewegung wusste Alya, dass sie ihren Gegner unterschätzt hatte. Während der Katar zu ihrer Rechten auf die Maske vor ihr zusprang, erschien plötzlich eine riesige Hand, doppelt so gross wie ihr eigener Kopf und schlug flach auf ihre rechte Seite des Körpers. Es knirschte und entsetzt spürte sie, dass sämtliche Rippen zu ihrer Rechten brachen. In hohem Bogen flog der Körper der Assassine davon, bevor er am Boden aufschlug. Der Aufprall nahm ihr die Luft weg. Sie stöhnte vor Schmerz. Die gebrochenen Rippen bohrten sich in die Lungen. Es tat unsagbar weh. Ihr wurde schwarz vor Augen.
„Alya!“ hörte sie Talia noch rufen, ehe sie das Bewusstsein verlor.

Verflucht. „Alya!“ Keine Reaktion. Verdammt noch mal. Lass sie nicht sterben. Ihre Gedanken rasten wild. Doch Talia blieb keine Zeit, ihre Gedanken zu ordnen. Die angegriffene Pelzkreatur stapfte auf die bewusstlose Assassine zu.
Was tun?
Kurz entschlossen, packte sie ihren Stab fester. Sie rannte los. Die Zauberin murmelte einen Spruch. Noch bevor die Pelzkreatur die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, erreichte Talia ihre Gefährtin. Das Monster blieb stehen. Scheinbar war es überrascht. Schnell, dachte sie. Mit fliegenden Fingern wühlte sie in ihrer Tasche herum. Die Pelzkreatur überwand die Überraschung. Sie stampfte weiter. Das Monster war nur noch zehn Schritte entfernt. Endlich fand Talia den Heiltrank. Hastig entstöpselte sie die Ampulle.
Acht Schritte.
Behutsam setzte sie das Gefäss an Alyas Lippen.
Sechs Schritte.
Die rote Flüssigkeit rann nur langsam in ihr Mund.
Vier Schritte.
Alya hustete. Spuckte aus.
Zwei Schritte.
Sie würgte.
Dann war die Pelzkreatur da. Sie schwang ihre riesige Hand nach hinten. Verzweifelt riss die Zauberin ihren Stab hoch. Ihr Eiszapfen liess das Monster erstarren, ehe die gewaltige Pranke Talia erreichte. Starr stand es so da, seine dicken Arme nach ihr ausgestreckt. Sie atmete heftig. Und dann, in einem Anfall von Wut, hieb Talia mit ihrem Stab auf die vereiste Gestalt. Das Monster zerbarst in tausend Stücke. Da tauchte das zweite auf. Das Herz wollte der Zauberin aussetzen. Das ist das Ende, dachte sie, während die Pelzkreatur zum Schlag ausholte. Talia schloss die Augen, den Schlag ausharrend, der unweigerlich kommen musste.
Doch es kam nicht.
Nach endlosen Sekunden, in denen nichts passierte, öffnete die Zauberin ihre Augen. Ein fünfzackiges, metallisches Gebilde prangte auf seiner Maske. Blut rinnte an der Maske herab. Das Monster fiel nach hinten.
Verständnislos blickte sie auf gefallene Monster. Wieso hat es sie nicht erwischt? Ihr Blick glitt zu Alya hinüber, die, halb aufgerichtet, ihren linken Arm ausgestreckt hielt. Die Zauberin begriff. Die Assassine hatte ihr das Leben gerettet.
Lächelnd sah Alya ihre Gefährtin an.
„Wie es aussieht, habe ich meine Schuld getilgt“, meinte sie fröhlich.
 
huhu,

das erste Kapitel ist gut. Auch von der länge her - die anderen beiden 'Kapitel' waren mir ehrlich gesagt etwas zu kurz. Ansonsten würde ich dir raten, jemand die Story zum betalesen zu geben, damit nicht ganz so viele Rechtschreib- und Gramatikfehler drin sind. Weiter so

mfg

Gandalf

EDIT: Dass du die updates so schnell schreibst, finde ich eher positiv als negativ. Bleib ruhig bei so einem tempo - obwohl ich bezweifle, dass du es durchhälst, wenn der umfang der Kapitel ansteigt.
 
Mir ist durchaus klar, dass ich das Tempo nicht halten werde. Aber was das Betalesen betrifft, so habe ich (noch) keinen Freiwilligen.
Wenn jemand sich als Betaleser zur Verfügung stellen will, bitte PM an mich. :)

Gruss Segan
 
Huebschhuebsch das Kapitel!
Gefaellt. Will mehr. :D

Als betaleser wuerde ich mich ja melden, aber mir fehlt die Zeit und ausserdem ist unser i-net im moment einfach zu unzuverlaessig. ;(
 
Hast du irgendwie geübt? Finde den Teil viel besser, nur ein wenig zu lang.
Was die Betaleser betrifft schreib doch mal an Reeba oder Insidias:)
 
@Dark: Nein, ich habe nicht geübt. Allerdings dienten mir die Geschichten von Reeba als Vorbild für meinen Schreibstil. Vielleicht sollte es mal in die Sig packen :D

Und danke für den Hinweis mit den Betalesern. Ich schick gleich mal beiden eine PM.

Gruss Segan

Edit: Hab den Titel des Threads geändert, damit er besser zum Thema passt.
Edit2: Ich seh grad, dass ich nur den Titel über mein erstes Posting geändert hab, nicht aber den Thread-Titel. Tja, so kann man sich täuschen :D
Edit3: So, der Titel ist geändert. Thx @Dark für den Hinweis.
 
Ok, hier das nächste Update. Und haltet bitte nicht mit Kommentaren zurück (wenn möglich positive :D), denn sie sind das Lebenselixier eines jeden angehenden FAS-Autoren :D

Und herzlichen Dank an Reeba und Insidias, die sich die Zeit genommen haben, meine Texte zu "betalesen". :hy:



Kapitel 2 - Flucht aus dem Kloster



Langsam begann Cain dem Wahnsinn zu verfallen. Überall Leichen, überall brennende Häuser. Und überall Monster. Der Gestank von Rauch und Verwesung drang in den alten Mann ein. Hinein mischte sich sein eigener Geruch von Kot und Urin. Es war unerträglich. Scham peinigte ihn. Cain wünschte, geistige Umnachtung möge über ihn herfallen, auf dass er diesen Gestank nicht mehr ertragen müsse. Doch sein klarer, scharfsichtiger Geist wehrte sich heftig. Liess nicht zu, dass der letzte überlebende Nachfahre der Horadrim den Verstand verlor. Erschöpft lehnte er sich an die rostigen Gitterstäben. Dann sah er ihn.
Griswold.
Der Schmied von Tristram. Seine stämmige Gestalt befand sich zwischen den brennenden Ruinen. Cain starrte ihn an. Es war tatsächlich Griswold. Und er war es auch wieder nicht. Der Schmied stand da wie ein Fels und schaute zu Cain herauf. Eine Korona von Verderbnis umgab den stämmigen Mann. Ein Abtrünniger. Der alte Mann begann zu zittern. Langsam begriff er, woher die Monster kamen und warum Tristram verwüstet wurde. Cain erinnerte sich, wie der einstige Bezwinger Diablos – nur mit der Kutte bekleidet, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen – ihn angeschaut hatte. Wie ein Mann, der nicht mehr Herr seiner Sinne war.
Die Zeit ist gekommen, diesen Ort zu verlassen. Meine Brüder warten im Osten auf mich. Ihre Ketten binden sie nicht mehr.
Verzweiflung machte sich in ihm breit.


„Aua!“ Schmerzhaft verzog Alya das Gesicht. Ganz gleich, wie behutsam Akaras heilkundige Hände ihre Brust abtasteten, schmerzte doch jede Berührung.
„Ihr habt eine ausgezeichnete Konstitution, junge Frau“, bemerkte Akara. Die erfahrene Magierin fuhr mit Fingerspitzen über den Verband, den sie um die Brust der Assassine gelegt hatte. „Gleichwohl, Euer Körper ist nicht für gewaltsame Konfrontationen gebaut. Am besten bleibt Ihr noch eine Weile liegen.“ Akara richtete sich auf. Sie befanden sich in einem kleinen Zelt, in dem flackernde Kerzen das Dämmerlicht erhellten. Sie entdeckte seltsame, halb in Tücher eingewickelte Gegenstände. Stäbe in allen schimmernden Farbrichtungen und kleine Knochenstäbe mit grossen Federn geschmückt. Auch Kriegsszepter fanden sich unter den Gegenständen.
„Wie lange?“ hörte die Assassine sich selbst fragen.
„Schwer zu sagen“, antwortete Akara, „im Normalfall würde Eure Verletzung in ein oder zwei Wochen verheilen“. Alya blickte zu ihr herauf.
„Im Normalfall?“, hakte sie nach. Milde lächelte die Zauberin.
„Verzeiht bitte meine Unhöflichkeit, junge Frau“, antwortete sie entschuldigend, „Aber wie Ihr sicher erkannt habt, bin ich eine Magierin. Und die Heilkräfte meiner Wundsalben beruhen dementsprechend auf Magie.“ Akara legte eine kurze Pause ein, bevor sie weiterfuhr: „Ihr aber, junge Frau, seid eine Attentäterin. Ihr gehört dem Orden der Viz’Jaq-taar an. Und als solche seid Ihr nahezu immun gegen jeglichen Einfluss von Magie.“ Abermals entstand eine Pause.
„Verstehe“, erwiderte Alya schliesslich. Ihr Auftrag würde sich also um mehrere Wochen verziehen, wenn nicht gar um Monate. Aber es half nichts. Unsicher blickte sie Akara an.
„Dürfte ich dann...“, fragte sie, brach jedoch ab. Die Ältere indes schien zu spüren, was in ihr vorging. Freundlich lächelte sie die Jüngere an.
„Natürlich gewähren wir für die Zeit Eurer Heilung Unterkunft im Lager. Und Ihr könnt Euch frei bewegen, sobald ihr in der Lage dazu seid. Und“, fügte sie hinzu, „vermutlich werdet ihr diesen Ort nicht so schnell verlassen.“ Dann ging sie ohne ein weiteres Wort hinaus.
Die Assassine rätselte noch lange über den letzten Satz, ehe sie sich von der Dämmerung des Zeltes in den Schlaf wiegen liess.

Das Lager war gross. Es mass vielleicht hundert Schritt in der Länge und nochmals so viel in seiner Breite. Umzäunt von meterhohen Palisaden wirkte das Lager eher wie eine Festung. Was es vermutlich auch war. Talia trat näher ans Feuer heran. Es war Nacht. Sie befand sich ungefähr in der Mitte der Palisadenfestung. Es wimmelte nur so von Jägerinnen. Sie liefen zwischen den Zelten hin und her. Einige sassen einfach nur auf gewöhnlichen Schemeln und schnitzten an ihren in weiten Teilen Sanktuarios bekannten Jagdbögen herum. Doch die oberflächliche Atmosphäre der Geschäftigkeit konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Lager verlassen wirkte. Das Lager ist zu gross für eine Handvoll Jägerinnen. Aus den Augenwinkeln sah Talia eine Gestalt herantreten. Als sie aufblickte, erkannte sie, dass es ein Mann war, der seltsame Kleidung trug, wie sie Bewohner der Wüste im Süden trugen. Er schien eine Vorliebe für blaue Farbe zu haben. In diesem Augenblick warf er eine Handvoll Holzscheite ins Feuer und es flackerte auf. Der Wüstenmann blickte auf und nickte Talia freundlich zu. Sie erwiderte das Lächeln.
„Ihr stammt aus der Wüste, nicht wahr?“ fragte die Zauberin. Der Angesprochene nickte. Sie streckte ihre Hand aus. „Mein Name ist Taelinna“, stellte die junge Zauberin sich vor. Bedächtig ergriff der Andere ihre Hand.
„Eure Anwesenheit ehrt mich. Mein Name ist Warriv.“ erwiderte er.
„Was führt euch hierher, Warriv?“ erkundigte sich Talia.
„Ich bin ein Händler. Als solcher reise ich zwischen dem Kloster und der Hafenstadt Lut Gholein in der Wüste hin und her. Normalerweise führe ich immer eine Karawane mit, doch ein grosser Teil ging beim Überfall auf das Kloster zugrunde.“ antwortete Warriv. Sein Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an.
„Überfallen?“ Talia erschrak. Die Zauberin begann bereits zu ahnen, wieso mitten auf den weiten Grasebenen ein Lager errichtet worden war. Mit Palisaden als Umzäunung. Sie dienten als Schutz vor Bedrohung. Doch was für eine Bedrohung?
„Wer?“, hakte Talia nach. Traurig schüttelte Warriv den Kopf.
„Ich wünschte, ich wüsste es.“, entgegnete der Wüstenhändler, „ich weiss nur, dass es keine Menschen waren.“
Keine Menschen.
Warriv schritt fort. Die Zauberin blieb zurück. Ich muss wissen, was los ist. Es drängte sie, Akara aufzusuchen. Talia lief ein paar Schritte in die Richtung, wo sie die alte Bekannte vermutete. Prompt stiess sie mit jemanden zusammen. Sie wollte sich schon entschuldigen, als ihr Gegenüber sie anherrschte: „Könnt Ihr nicht aufpassen, wohin Ihr tretet?“ Irritiert vom groben Ton, schaute sie in das Gesicht der Anderen. Es war eine Frau. Harte Linien zogen sich durch ihr Gesicht. Kalte Augen blickten sie an. Die Frau trug ein metallenes Stirnband, in die ein rotes Tuch einfasst war. Das Tuch trug sie als Kopfbedeckung, deren Enden ihr bis zu den Schultern abfielen. Sie trug einen leichten Harnisch, stählerne Armreife und Beinschoner. Der rote Umhang vervollständigte die Erscheinung.
„Verzeiht“, meinte Talia entschuldigend, „ich war mit meinen Gedanken woanders.“ Stirnrunzelnd sah die rote Frau auf die Zauberin herab.
„Euch habe ich noch nie gesehen, Magierin“, sprach sie, „wer seid Ihr?“ Talia stellte sich vor. „Sehr erfreut. Mein Name ist Kaschya.“ erwiderte die Frau ohne jegliche Freundlichkeit, „Ich bin die Anführerin der Jägerinnen hier im Lager.“ Eine kleine Pause entstand. „Im Übrigen muss ich Euch warnen“, fing Kaschya an, „falls Ihr vorhabt, das Kloster zu besuchen oder gar den Pass zu überqueren, vergesst es! Seit Wochen wimmelt es in der Gegend von gefährlichen Kreaturen und das Kloster ist ihre Brutstätte. Im Kampf habe ich bereits siebzig meiner hundert treuen Gefährtinnen verloren.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und schritt energisch davon.
Wie betäubt sah Talia dem Oberhaupt der Jägerinnen nach. Was um alles in der Welt mag im Kloster passiert sein? Dringender denn je musste sie Akara sprechen. Da ertönte eine altvertraute Stimme hinter ihr.
„Hallo, Liebes!“ Talia drehte sich herum. Vor ihr stand Akara, wie die junge Zauberin sie noch in Erinnerung hatte. Eingehüllt in purpurne Samtgewänder und einen kunstvoll verzierten Obsidian-Harnisch, bot die Zauberin, deren Alter ihr nicht anzusehen war, einen prächtigen Anblick.
„Du bist gewachsen, seit wir uns das letzte Mal in Khanduras trafen, Taelinna. Wie alt bist du nun, mein Kind?“, fragte Akara.
„Ich zähle seit dem letzten Winter neunzehn Lebensjahre, Mal’ralena“, antwortete Talia. Mit dem letzten Wort drückte die junge Zauberin ihren Respekt gegenüber Akara aus.
„Nicht so formell, Liebes“, meinte Akara milde lächelnd. Doch übergangslos wurde sie ernst. „Deine Begleiterin hat sich sämtliche Rippen ihrer rechten Seite gebrochen. Es wird mehrere Wochen dauern, bis alles vollständig verheilt ist. Da meine Heilkräfte bei...“, Akara zögerte, sprach aber weiter, „den Mitgliedern der Viz’Jaq-taar versagen, muss sie sich auf ihre körperlichen Regenerationskräfte verlassen.“ Prüfend schaute Akara die junge Zauberin an. „Was ist passiert, Taelinna?“, fragte die Ältere sanft. Die Jüngere zauderte, suchte nach Worten. Dann erzählte sie, wie sie Alya getroffen hatte. Wie sie gegen eine Horde von Monstern gekämpft hatten und wie die Assassine ihr das Leben gerettet hatte.

Die Dämmerung war eingebrochen. Langsam, Schritt für Schritt, half Talia der verwundeten Gefährtin vorwärts. Mit wachsender Bestürzung lauschte sie dem rasselnden Atem Alyas. Von Zeit zu Zeit musste Talia sie stützen, damit sie nicht vor Erschöpfung zusammenbrach. Die Assassine würgte, spuckte Blut. Bei jedem Schritt knirschte es in ihrer Brust. So wanderten sie. Stunde um Stunde schritten sie weiter. Es war tiefste Nacht, als sie das Lager erreichten, das wie aus dem Nichts auftauchte.

Mit ernstem Gesicht lauschte Akara ihren Erzählungen. Als Talia fertig war, schwiegen beide. Langsam nickte Akara.
„Eine Attentäterin mit dem Herz einer Kriegerin...“, weiter sprach sie nicht. Sie blickte zur Jüngeren. „Auch du warst mutig. Mutiger als so mancher Kämpfer es gewesen wäre, Taelinna.“, sagte sie. Dann schwieg sie. Verfiel in brütendes Schweigen.
„Sagt mir doch...“, unterbrach Talia das Schweigen, „was ist geschehen? Woher kommen all diese Kreaturen? Warum habt ihr dieses Lager hier aufgebaut? Was ist im Kloster geschehen?“
Die ältere Magierin schwieg lange. Als sie antwortete, klang ihre Stimme bedrückt: „Die Ereignisse sind nicht weniger rätselhaft für mich als für dich, Taelinna.“ Akara begann zu erzählen.

Tiefe Dunkelheit umgab sie. Sie schwamm darin, verschmolz mit der dunklen Masse und ging darin auf. Lautlos glitt sie dahin. Dann störte sie etwas. Sie lauschte. Ein ganz schwaches Echo. Jemand rief sie. Ihr Name fiel nur als Flüstern. Langsam schwamm sie nach oben und sah das Licht am Ende der Dunkelheit. Als sie es erreichte, schlug die Magierin langsam ihre Augen auf. Noch ohne Verständnis blickte sie sich um. Von einem Augenblick auf den anderen kam die Erinnerung zurück. Ihr Name war Akara. Sie war das Oberhaupt des Ordens der Schwestern vom verborgenen Auge. Sie befand sich kniend vor dem Altar in der Kathedrale, welche an den inneren Teil des Klosters anschloss. Sie hatte soeben meditiert, als jemand sie gerufen hatte.
‚Akara’, rief jemand. Die Magierin erkannte die Stimme wieder. Warriv. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Akara erhob sich und drehte sich um. Der Wüstenhändler erschien an den Pforten der Kathedrale. Doch als er sie am Altar erblickte, hielt er inne. „Verzeiht mir bitte, Schwester, wenn ich Euch gestört haben sollte“ sprach Warriv entschuldigend.
„Nein, nein!“ wehrte Akara ab, „tretet nur herein, alter Freund!“ Warriv kam ihr entgegen. „Ich brachte wie die von Euch gewünschten Waren mit, wie wir es abgemacht hatten“, eröffnete Warriv, „Im übrigen gelang es mir, einige seltene Stäbe zu ergattern. Gewiss werden sie Euer Interesse wecken.“
„Ach, Warriv! Was täten wir nur ohne Euch?“, rief Akara und breitete theatralisch ihre Hände aus.
„Meine Karawane lagert gerade am Pass. Die Lieferung habe ich bereits hereinbringen lassen. Vielleicht wollt ihr schon mal einen Blick darauf werfen, Schwester?“ fragte der Wüstenhändler.
„Natürlich“, antwortete Akara, „Gehen wir“.
„Übrigens, Schwester...“, merkte Warriv an, „gibt es in der Nähe ein Mönchskloster?“ Akara runzelte die Stirn.
„Nein.“, erwiderte sie, „Wie kommt Ihr darauf?“ Warriv zuckte mit den Schultern
„Vorhin sah ich einen wandernden Mönch. Ich dachte mir, vielleicht gibt es in der Nähe ein Kloster, mit dem ich Geschäfte machen könnte. Allerdings muss ich gestehen, dass ich selten eine so dunkle Gestalt sah wie diesen Mann. Etwas Düsteres umgab ihn.“
Ein dunkler Wanderer.
„Fürwahr seltsam!“ sagte Akara, „meines Wissens gibt es weit und breit kein Kloster, in dem Mönche ausgebildet würden. Es sei denn...“, fügte sie hinzu, „er käme aus Tristram.“
Dann geschah es.
Die beiden hatten die Kathedrale kaum verlassen, da ging ein Beben durch den Raum. Der Boden rührte sich nicht, auch gab es keine sichtbaren Veränderungen. Doch es schien, als zöge sich ein Ruck auf einer anderen Ebene hindurch. Verwirrt blieb Warriv stehen. „Was...was war das eben?“ fragte er unsicher. Akara antwortete nicht. Ihre Augen starrten weit aufgerissen. Sie kannte das Gefühl. Es war dasselbe, als sie Khanduras betreten hatte. Doch diesmal war das Gefühl ein ungutes.
Eine andere Wirklichkeit überlagerte.
Eine böse Wirklichkeit.
Akara rannte los. Als sie den Wegpunkt erreichte, passierte nichts. Entsetzt blickte auf die verzierte Steinplatte. Das magische Licht war erloschen. Es funktionierte nicht mehr. Eine unheilvolle Ahnung bemächtigte sich ihrer. Sofort lief sie weiter. Warriv hastete ihr hinterher. Die Magierin erreichte die Treppe und nahm zwei, drei Stufen auf einmal. Atemlos rannte sie durch die Korridore des ehemaligen Gefängnisses. Die Jägerinnen blickten sie überrascht an, doch sie lief vorbei. Die anderen Frauen – Schwestern vom Orden des verborgenen Auges – sahen verstört aus. Wieder erschien eine Treppe. Wieder lief sie durch ein Gefängnis. Dann kam die dritte Treppe. Auch das dritte Gefängnis liess sie schnell hinter sich. Nur noch eine Treppe blieb übrig. Dann war sie in der Kaserne. Schwer atmend blieb sie stehen. Die Ahnung verdichtete sich. Hier herrschte Unruhe und Hektik. Die Jägerinnen liefen umher. Akara erkannte, in welche Richtung sie liefen. Sie erblickte Kaschya. Diese entdeckte die Magierin ebenfalls. Die oberste Jägerin stürmte auf sie zu und packte sie grob an ihrem Arm. „Ihr müsst hier weg! Die Monster kommen!“, schrie sie. Ehe Akara etwas sagen konnte, riss Kaschya sie einfach mit und stürmte voran. Irgendwo hinter sich vermeinte sie Schreie zu hören. Die Schreie kamen aus den unteren Gefängnissen. Ihr blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, denn sie versuchte mühsam, mit Kaschya Schritt zu halten, um nicht zu stolpern. Überall strömten Jägerinnen durch die Gänge der Kaserne zusammen. Eine vertraute Gestalt erschien in ihrem Blickfeld. Charsi. Die Schmiedin blickte verwirrt und erschrocken auf die strömenden Massen, die an ihrer Werkstatt vorbeizogen.
„Was...?“, rief Charsi, wurde aber sofort von Kaschya unterbrochen.
„Flieh!“, schrie sie. Als Charsi nicht reagierte, war Kaschya in zwei grossen Schritten bei ihr und packte ihren Arm. Rücksichtslos riss sie die Schmiedin mit sich fort.
„Halt! Warte! Mein Hammer...“, rief Charsi, doch Kaschya hörte nicht hin. Grob zog sie die beiden Frauen weiter. Sie hielt auch dann nicht an, als sie das äussere Kloster erreichten. Akara sah sich in ihrer Ahnung bestätigt.
Die Hölle brach aus.
Die Menschen brannten. Torkelte schreiend herum. Kaschya lief weiter. Als sie den Garten erreichten, registrierte Akara, dass der Brunnen in der Mitte sich rot färbte. Auch schien kein Wegpunkt da zu sein, nur eine kalte, leblose Steinplatte. Sie warf ihren Kopf zurück. Sah auf den Eingang zur Kaserne. Eine tiefe Dunkelheit schien sich darin ausgebreitet zu haben, die jeden Laut im Keim erstickte. So schien es der Magierin. Sie glaubte, fremde, nie gehörte Geräusche wahrzunehmen.
Dann waren sie draussen.


Die ältere Magierin stockte. Talia blickte wie gebannt auf ihre Lippen, die um Worte rangen.
„Und was geschah weiter?“ fragte Talia drängend. Akara zögerte, dann sprach sie weiter.
„Weisst du, das Kloster liegt am Rande des Passes. Wer von Tristram aus den Pass überqueren will, muss zuerst am Wachposten vorbei, der weiter unten in den Katakomben liegt. Er dient als Verbindungsstück zwischen dem unterirdischen Gewölbe und der Strasse hinter der Passhöhe. Und genau von dieser Strasse aus kam das Feuer. Und mit im die fürchterlichen Kreaturen. Die Pfeilgeschosse, die unsere tapferen Jägerinnen auf die monströsen Wesen abfeuerten, zeigten keine Wirkung. Was aber noch schlimmer ist: Aus dem Eingang des Klosters selbst quollen noch widerwärtigere Kreaturen hervor. Als ob das ganze Gebäude voll davon gewesen wäre.
Uns blieb nichts anderes übrig, als zu fliehen. In aller Hast sammelte Kaschya noch die verbliebenen Jägerinnen um sich. Einige Mitreisende aus Warrivs Karawane kamen noch mit. Von meinen Schwestern dagegen...“, Akaras Lippen zitterten, als sie weitersprach, „...überlebte keine.“ Sie atmete aus. „Wir flohen tagelang, bis wir das Blutmoor hinter uns liessen. Schliesslich waren wir erschöpft und ausgelaugt. Kaschya ordnete an, an dieser Stelle, wo der Wegpunkt stand“, Akara zeigte auf die quadratische Steinplatte am Rande des Lagers, „ein Lager aufzubauen.“.
„Wenigstens die alten Palisaden standen noch hier, Überreste aus alten Kriegszeiten.“, fuhr die ältere Magierin fort. „Nun sitzen wir schon seit Wochen hier fest. Hilfe aus umliegenden Städten oder Dörfern ist nicht zu erwarten, weil es schlicht und einfach keine gibt. Höchstens ein paar weitverstreute Bauernhöfe.
Kaschya schickte immer wieder ihre Leute zu zweit oder zu dritt hinaus, um die Lage auszukundschaften. Meistens kamen sie mehr oder weniger unversehrt zurück, doch manchmal...blieben sie einfach verschwunden.“
Ein kalter Wind kam auf.
Talia begann zu zittern. Sie fragte sich, ob es am Wind lag oder an ihr selbst.
 
Hallo Segan,
nun wird's ja höchste Zeit, dass ich mich auch mal melde ;)
Die ersten Kapitel habe ich jetzt auch gelesen - einzig aufgefallen daran ist mir auf die Schnelle nur, dass die Assassine, wie du schreibst, am ganzen Körper verbrannt war... bei sehr großflächigen Verbrennungen ist es da etwas erstaunlich, dass sie noch derart 'munter' ist. Später werden die Verbrennungen auch nicht mehr erwähnt.

Insgesamt bin ich gespannt, wie sich die Geschichte entwickelt.
Ob es noch weitere Gefährten geben wird? Der Titel legt die Vermutung nahe.

Im letzten Kapitel gibt es bei Talias Begegnung mit Akara ein kleines Durcheinander mit den Kursivbefehlen ;)

Weiter so und Gruß,
Reeba
 
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