Kapitel 64 – Letzte Vorbereitungen
Der Meister klatscht in die Hände, über das ganze Gesicht grinsend.
„Na, wer braucht bei so einer mächtigen Waffe denn noch Skelettmagier? Ausgezeichnet ist das! Dann können wir ja fast schon losziehen, nur an nicht magischer Seite fehlt noch ein bisschen was, das holen wir sofort nach...“
Was bitte? Er kann doch jetzt nicht einfach aufhören, weiterzuforschen! Die Skelettmagier sind ein derart wichtiger Zusatz zu unserer Truppe, dass sie fast schon lebenswichtig sind!
Die Explosion kann man nicht gerade als Fernkampf bezeichnen, der Radius ist viel zu gering...und wir brauchen doch so dringend Fernkämpfer!
Er wird seine Gründe haben.
Gründe, Gründe! Faul ist er! Wenn uns das nicht mal wieder in Diablos Küche bringt...
Der Meister frägt nun Deckard etwas.
„Warum hat mein Stab eigentlich nicht geglüht, als ich die Leiche explodieren ließ?“
Na, da hat er doch mal gut aufgepasst – das habe ich mich auch gefragt.
Cain runzelt die Stirn.
„Kann ich ihn mal sehen?“
„Sicher.“
Deckard nimmt den Holzstab mit dem kleinen Tierschädel darauf in die Hände und dreht ihn. Dann nickt er.
„Dieser Stab verbessert Euere Fähigkeit, Skelette zu beleben. und nichts Anderes.“
Des Meisters Augen weiten sich.
„Ach so, und ich habe mich immer gefragt, warum ich mit ihm auch ohne Zauberformel ein Skelett beleben konnte – ein zweites erst, als ich das Runenwort von Akara gelernt habe...als Belohnung für die Säuberung der Höhle des Bösen.“
„Genau. Mit einem solchen Stab kann eigentlich fast Jeder, der Talent für die Nekromantie besitzt, ein Skelett erschaffen.“
Der Meister denkt ein wenig nach.
„Na toll. Eigentlich ist der ja nicht allzu gut, würde ich sagen. Er ist sogar eher...schlecht? Aber ich habe da eine famose Idee.“
Damit wendet er sich von Deckard ab, der ihm ein wenig gekränkt nachsieht – immerhin ist der Meister ohne ein Wort des Dankes verschwunden – und schlendert zu Charsi hinüber.
Diese freut sich natürlich, als sie den Meister sieht, aber jetzt kommt er sofort auf den Punkt.
„Charsi, meine Liebe, du wolltest doch deinen magischen Malus einmal für meine Zwecke verwenden, oder nicht?“
Charsi nickt emphatisch.
„Gerne, General. Solange ich mich nur erkenntlich zeigen kann!“
„Nun, die Gelegenheit wäre gekommen...sieh dir diesen Stab an. Alles, was er kann, ist, ein Skelett zu beschwören, beziehungsweise mit dabei zu helfen, meine Fähigkeit, sie zu kontrollieren, zu steigern.
Aber das ist mir zu wenig! Er soll mich besser unterstützen. Kannst du ihn so verzaubern, dass er einfach mehr als nur Skelette kann? Zum Beispiel so eine Kadaverexplosion wie gerade, wenn die mehr Schaden anrichten würde, das wäre doch was.“
Charsi sieht den Stab bedauernd an.
„General, da kann ich leider nichts machen. Ist ein Gegenstand bereits mit einem Zauber belegt, dann kann ich nichts daran verändern. Und außerdem kenne ich mich mit der Nekromantie überhaupt nicht aus.“
Der Meister verzieht das Gesicht.
„Da kann man nichts machen?“
„Nein. Vielleicht eine magische Rüstung, ein Schwert?“
„Was will ich mit einem Schwert? Kannst du mir einen neuen Stab herstellen?“
Charsi überlegt.
„Nun, wie gesagt, ich weiß eigentlich nichts über dein Fachgebiet. Damit kann ich auch nicht garantieren, welche Zauber der neue Stab beinhalten würde...“
Der Meister wird hellhörig.
„Aber er würde Zauber beinhalten?“
Charsi nickt.
„Ja. Ich weiß, wie man Gegenstände eines bestimmten Typs mit Eigenschaften bestimmter Magierichtungen versieht. Ich weiß aber nicht, wie man auch andere Gegenstände damit ausstattet, und ich kann nicht bestimmen, welche Zauber sie erhalten werden.“
Der Meister grinst.
„Das ist wiederum eher unwichtig. Besser als der hier wird der neue Stab sicher sein. Hier, du kannst den hier haben, wenn ich das Ding entferne, wird er sicher nicht mehr magisch sein, dafür ist das Holz schön hart und kann kaum zerbrechen.“
Damit reißt er einfach den kleinen Tierschädel von der Spitze des Stabes herunter, und wirft ihn achtlos weg.
Ich hebe ihn wieder auf, als er sich wegdreht, und von Charsi wegstapft, die ebenfalls ein wenig gekränkt dreinschaut, dem Meister hinterher. Dann sieht sie auf den Stab in ihren Händen und schüttelt den Kopf, seufzend.
Ich renne schnell dem Meister nach. Verdammt! Muss er sich jetzt durch seine arrogante Art schon wieder bei Allen unbeliebt machen, die ihn vorher unterstützt haben?
Beliebtheit ist unwichtig. Es ist die Macht, auf die es ankommt.
Wer hat dir denn so einen Schwachsinn erzählt?
Mein Meister natürlich.
Ah, haha. Wenn das so weitergeht, wird mein Meister zu deinem. Er soll aber zu dem Jungen werden!
Ach ja, der Junge. Ein furchtbarer Schwächling, zu einem Leben im Elend verdammt, bis er die Macht der Nekromantie entdeckte.
Besser ein schwacher Mensch als ein starker Dreckskerl.
Starken Leuten kann es egal sein, was man über sie denkt.
Weißt du was? Es ist sinnlos, mit dir zu diskutieren. Du hörst mir nicht zu und verstehst mich nicht. Ruhe jetzt.
Der Meister ist jetzt in ein reges Gespräch mit Gheed verstrickt. Gheed ist ein fahrender Händler, der hier, so ich mitbekommen habe, kurz nach der Flucht der Jägerinnen aus dem Kloster angekommen ist, und seine Waren zu unglaublich überhöhten Preisen angeboten hat. Er ist ein schmieriger Typ, mit einer dazu passenden öligen Stimme. Ich mag ihn nicht.
„Zusätzlich zu meinen ausgezeichneten Angeboten im Rüstungsbereich kommt noch meine Sonderoption: Das Glücksspiel. Eine unidentifizierte, garantiert magische Rüstung, für nur einen gering erhöhten Preis? Die Chance auf einen mächtigen, einzigartigen Gegenstand ist gegeben! Oder wie wäre es mit einem Gürtel? Diesem kostbaren, alleine wegen seines Schmuckwertes wertvollen Ring?“
Der Meister scheint unschlüssig.
„Na ja, eigentlich wollte ich ja nur einen besseren Schild als diesen schartigen Beschützer...“
„Ah! Da habe ich etwas für Euch. Hier, ein Beschützer, beachtet das kunstvoll aufgebrachte Gold! Das Muster aus reiner Purpurfarbe! Der perfekt runde Rand!“
Der Meister wird neugierig.
„Aha, und was kann er sonst so? Ich nehme nur noch Magisches.“
Gheed lächelt schlau...oder verschlagen?
„Nun, das würdet Ihr herausfinden, wenn Ihr ihn gekauft habt. Es ist ein Angebot im Rahmen meiner Glücksspielaktion.“
Ich sehe, wie der Meister darüber nachdenkt. Wirklich darüber nachdenkt! Als ob man Gheed trauen könnte, der uns hier einen schlecht bemalten Messingschild als golden aufdrücken will!
Zumal ein Goldschild einfach zu weich wäre für den Kampf.
Echt?
Ja. Frischling.
Hmpf. Aber egal. Charsi hat weit bessere Schilde.
„Ist gekauft.“
WAS?
WAS?
„Ah, eine ausgezeichnete Wahl! Wenn ich um die sechstausend Goldstücke bitten dürfte?“
Sechs...Moment. Sechstausend Goldstücke für so ein nutzloses Ding? Hat der Meister sie nicht mehr Alle?
Sicher hat er einen Plan, was er mit dem Schild anstellen will.
Ach ja, ganz klar.
Der Meister hat immer einen Plan.
Na, den will ich sehen! Viel Gold wechselt den Besitzer (gut, der Meister hat ja jetzt viel, nach dem Sieg über die Gräfin, aber SECHSTAUSEND!), und der Meister trägt den Schild pfeifend zu Deckard, sich sicher, ein gutes Geschäft gemacht zu haben.
Deckard begrüßt ihn.
„Ach, habt Ihr bekommen, was Ihr wolltet?
Oh! Wart ihr etwa auf einer Kurzexpedition nach draußen? Dieses rostige Ding sieht ja aus, als wäre es jahrelang vergraben gewesen!“
Dem Meister fällt die Kinnlade nach unten.
„Das...das ist ein wertvoller Goldschild...“
Deckard lächelt.
„Ein guter Witz, mein Freund, aber leider nicht ganz durchdacht. Gold rostet doch nicht!“
Des Meister Blick huscht nach hinten zu Gheeds Zelt.
„Dieser dreckige...“
Jetzt bin ich aber gespannt, was er macht.
Er könnte uns befehlen, diesen Betrüger das Gesicht neu zu gestalten!
Spinnst du? Bloß, weil der Meister auf Gheeds dummes Geschwätz hereingefallen ist, müssen wir die Sache doch nicht mit Gewalt enden lassen!
Wie soll man diese Peinlichkeit sonst enden lassen?
Vielleicht es einfach darauf beruhen lassen?
Das hat der Meister nie getan, das weißt du aber auch, oder?
Ja. Er ist nachtragend. Aber doch nicht so!
Wir werden sehen...
Deckard hat derweil den Schild aus den Händen des Meisters gepflückt.
„Wollen wir doch einmal sehen, ob dieser „Goldschild“ versteckte magische Fähigkeiten hat.“
Ein Grinsen ziert derweil sein Gesicht. Wenn er von dem Schild aufblicken würde, sähe er, wie der Meister seines in einem unglaublich dummen Ausdruck entgleisen hat lassen. Langsam breitet sich aber Wut aus...
Kurz, bevor der Meister laut losplatzt (er holt schon Luft dazu), schreit Deckard erstaunt auf.
„General, da habt Ihr ja einen echten Glücksfund getan!“
WAS?
WAS?
Schon das zweite Mal doppelt überrascht, nicht wahr? Aber was meint Deckard denn damit?
„Dieser Schild ist ein wirklich einzigartiger Gegenstand, die sogenannte Pelta Lunata! Euere Energie wird ebenso erhöht wie Euere Vitalität, was Euere Lebenskraft steigen lässt wie auch Euer Mana! Zudem wird es euch geradezu traumhaft leicht vorkommen, Angriffe von Gegnern zu blocken.“
Und wieder wandelt sich die Wut des Meisters in etwas Anderes um: Genugtuung.
„Ach, das ist ja wohl mal interessant. Vielen Dank, Deckard, ich glaube, über diese Nachricht wird sich ein gewisser Jemand sehr freuen. Ich wette, wegen den Dellen und dem Rost kann Charsi auch noch was machen.“
Und genauso pfeifend wie auf dem Hinweg kehrt er zu Gheed zurück.
Ich sehe dessen Gesichtsausdruck von der Ferne, als sich der Meister artig bei ihm bedankt; er wird noch dümmer als er vorher in den Zügen des Meisters stand. Diesem trieft Zufriedenheit aus jeder Pore, als er danach zu Charsi zurückkehrt. Gut, das ist natürlich auch eine Art der Rache – doch wie habe ich mir nur gewünscht, dass er endlich einen Dämpfer bekommt in seiner selbstüberschätzenden Arroganz!
Charsi erklärt sich bereit, den Schild bis zum nächsten Morgen zu reparieren, erklärt, dass der Stab bis dahin auch fertig sei, und wir können derweil zu Bett gehen.
Der Weg in die Höhle des Löwen wird beschritten werden von einem unglaublich selbstzufriedenen Meister, einer mürrischen Bogenschützin, und einem doppelten Golem. Besser kann es nicht kommen.
Kapitel 65 – Sakrales
Der Meister erhält seinen Stab. Charsi weiß nur, dass sie es geschafft hat, ihm die Eigenschaften „erhöht Lebenskraft und Mana“ aufzuschmieden, mit ihrer üblichen Kunst, blankem Metall Magie zu verleihen. Darum ist der Schädel an der Spitze auch aus Silber. Den vorher an dieser Stelle thronenden, echten kleinen Tierschädel, habe ich vorsorglich in der Truhe verstaut. Der Meister sollte ihn nicht wegwerfen. Er könnte nützlich sein.
Zudem befinden sich noch Zauber auf dem Stab; diese kennt Charsi nicht, darum frägt der Meister Deckard.
Dieser streicht über den Stab.
„Ja, ich spüre es, auch wenn ich es nicht verstehe. Dieser Stab wird Euere Fähigkeit erhöhen, die Skelette zu beherrschen, und das beachtlich.“
Der Meister scheint verwirrt.
„Das Gleiche wie vorher, oder was?“
„Nein. Der vorherige Stab verbesserte die Menge an Skeletten, die Ihr beleben konntet. Dieser Stab verstärkt deren Durchhaltevermögen, und verbessert ihren Angriff!“
Der Meister beginnt zu verstehen; darum fängt er an zu grinsen.
„Qualität statt Quantität?“
„So ist es, mein Freund.“
„Danke, Deckard. Das ist ein wertvolles Gerät. Ich werde es zu nutzen wissen. Und Danke, Charsi!“
Diese grinst ihn aufmunternd an, sie will ja auch nur, dass wir siegen...nichts weiter.
Und so ziehen wir los! Der Meister mit dem Stab (an dem immer noch das Fluchfähnchen flattert), seiner Pelta Lunata, und einem Helm, der ihn kräftiger zuschlagen lässt, was nichts nützt. Die Rüstung von Griswold wird ihn gut schützen, ist aber nicht magisch; seine Lederhandschuhe verringern die Stärke eines Giftangriffs, was gegen Andariel wohl sehr nützlich sein wird. Dank seiner Schärpe kann er viele Treffer einstecken, was, kombiniert mit den Tränken darin, ihm ein langes Leben garantiert (und damit mir!). Ein Geschicklichkeit erhöhendes Amulett sorgt für erhöhte Ausweichschnelligkeit, und damit größerer Chance, überhaupt ein Ausweichen zu schaffen; sein Mana verbessert sich auch durch den Stab, und durch einen Ring, der seinen Widerstand gegen Kälte hebt. Wie auch die Stiefel, die ebenfalls den Widerstand gegen Feuer verbessern; zudem, gleich dem Schild, machen sie den Meister kräftiger.
Kaschya, mit Blutrabes Bogen, der Pfeile zu explosiven macht, und einer kompletten Jägerinnenmontur samt Helm.
Ich, mit Klauen und einem geschickt verformbaren Tonkörper.
Beides setze ich gleich ein, nachdem wir den Wegpunkt benutzt haben, um ins innere Kloster zu gelangen; Dornendämonen setzen uns zu, ihre spitzen, dünnen Stacheln stellen für mich aber kein Hindernis dar. Meine Klauen schon, für sie. Neue Skelette entstehen, die alten zusammengebrochen unter der Befreiung des Schlafes ihres Erschaffers.
Diese Skelette haben Helme auf, mit Hörnern, die spitz von ihnen abstehen. Ihre Knochenklingen sind zweischneidig, und glänzen in der Sonne. Ihre Wirbelsäule wird unterhalb der Rippen durch Verstärkungen geschützt.
Der Meister pfeift anerkennend, als er sie sieht.
„Wunderschön. Wunderschön. Ich wüsste nicht, was diese Krieger töten könnte.“
Die Dämonen wissen es.
Also, die sieben Missgestalteten, die aus der Pforte der Kathedrale quellen, unter der die Katakomben liegen, darin Andariel.
Ich muss aber gestehen, dass ich, während ich Blitzkugeln ausweiche, Dämonenhaut aufschlitze, und Angriffe blocke, von den Knochenkriegern einen sehr guten Kampf zu sehen bekomme.
Als der personifizierte Tod säbeln sie sich durch die Feinde hindurch, die geradezu lächerlich einfach zu verwunden sind. Konzentriertes Blitzkugelfeuer zerlegt zwei von den unseren, aber das überlebende Trio beendet mit meiner Hilfe die Sache sehr schnell. Und der Meister ist auch nicht am Schwitzen, als er nach dem Kampf seine Verluste ersetzt.
„Ausgezeichnet. Solche Kämpfe will ich immer sehen. Wir machen sie fertig. Keine Chance.“
Kaschya verzieht das Gesicht.
„General, sei vorsichtig. Das waren wilde Hunde, ihr Meister ist schlau und verschlagen, unendlich tückisch. Sie wird kein leichter Gegner.“
„Sicher, Kaschya, sicher. Ich passe auf.“
Aber er klingt nicht so, als würde er ihr glauben. Er ist viel zu selbstsicher. Viel zu unüberlegt. Wo soll das nur enden? Bis jetzt hat er kaum einen Dämpfer bekommen in seinem Übermut. Daraus kann doch nur eine Katastrophe folgen.
Kapitel 66 – Leben
Wir betreten die Kathedrale.
Holzbänke, zwischen Säulen aufgestellt, geböten ein friedliches Bild stiller Würde, wäre da nicht die gelegentlich Leichen zwischen, auf ihnen, oder beides zugleich, keine grotesken Wandschmierereien aus getrocknetem Blut, keine Geister, die aus Seitentüren schweben...
Vielleicht sollten wir...
Äh, ja. Ich stelle mich zwischen fliegende Fledermausformen und den Meister, und warte.
In der Tat, nur kurz bin ich gestanden, als orange Flämmchen über den Köpfen der Gegner erscheinen. Ihre Halbdurchsichtigkeit trübt sich noch mehr, und gleich darauf stoppen hintere perplex ihre Bewegung zum Meister hin, nachdem meine Klauen den ersten von ihnen ganz wörtlich in der Luft zerrissen haben.
Dann sind die Skelette bei ihnen, was folgt ist im Ausgang so sicher, wie es das Amen in dieser Kathedrale...war.
Der Meister ist konstant am Lächeln. Kaschya rügt ihn wegen seiner Überheblichkeit (meinen Segen hat sie), aber er winkt ab.
„Du siehst, mir hat Niemand etwas entgegenzusetzen.“
Ich schüttle nur den Kopf über diese Vermessenheit.
Im hinteren Bereich der Kathedrale steht ein großer Altar, geschändet, zerbrochen, blutüberströmt.
„Ekelhaft. Scheußlich. Wie sollen wir die Entweihung dieses Ortes bloß rückgängig machen, wenn wir erst einmal unser Kloster erneut beziehen können?“
Der Meister seufzt auf Kaschyas Ausbruch.
„Das Böse hinterlässt seine Spuren überall, wie Fäulnis dringt es in den Kern des Seins;
die Quelle zu vernichten ist nur eins, die Auswirkungen ein anderere Fall.“
Kaschya blickt ihn erstaunt an. Ich auch.
„Das war schön! Ich hätte nicht gedacht, dass in dir ein Poet steckt.“
Der Meister lächelt bitter.
„Ach, diese Zerstörung hier stimmt mich nur so melancholisch. Wer weiß, was sonst noch in mir steckt, wenn es die richtige Laune nicht herauslockt?“
Das trifft allerdings einen Nerv. Der Meister hat mir seine Vergangenheit offenbart, als er depressiv war. Er dichtet aus Traurigkeit. Warum nur ist er so ein Idiot, wenn er glücklich ist?
Das Leben ist eins der Leiden, und nur Schmerz gebiert das Schöne.
Jetzt fang du nicht auch noch an! Das Leben ist schön, aber das liegt nicht am Leid! Leid macht das Leben kaputt, aber die Freude am Leben bezwingt das Leid.
Und welche Freude hast du in deinem Leben? Hast du ein Leben?
Das war...unter der Gürtellinie.
Ha, manche Dinge müssen erkannt werden, auch, wenn sie noch so schmerzhaft sind. Wenn dir erst bewusst ist, dass deine Existenz nur wegen dem Willen des Meisters gegeben ist, erkennst du auch bald, dass die Erfüllung dieses Willens die einzige Befriedigung in deinem Leben ist.
Was ist los mit dir? Hast du irgendein Problem oder so?
Nein, kein Problem. Dich stört es doch auch nicht, dass Jeder dich wie ein Möbelstück behandelt, dass du unter der Fuchtel eines willkürlich agierenden Meisters stehst, und dieser dich konstant in Kämpfe schickt, die dich über kurz oder lang töten werden, wobei ihm das egal ist?
Natürlich stört mich das. Aber das ist doch kein Grund, depressiv zu werden...
Depressiv bin ich nicht. Ich bin Realist. Unsere Existenz ist ohne Freude. Das ist eine Tatsache.
Das Leben kann nicht freudlos sein. Im Tod gibt es keine Freude, davon bin ich überzeugt. Da wir Freude aber kennen, gibt es sie auch – und neben dem Tod bleibt nur das Leben, damit gibt es im Leben Freude.
Du hast Recht. Nur im Leben kann man sich freuen. Wir leben aber nicht!
Wir sind tot.
Moment mal. Woran machst du das fest?
Was soll das heißen, woran? Der Meister hat es gesagt.
Und du glaubst diesem Meister, der nicht einmal weiß, dass wir intelligent sind?
Natürlich glaube ich ihm, ich muss. Er ist das Zentrum unserer Existenz.
Unsinn. Wir selbst sind das Zentrum unserer Existenz!
Ich wird dir mal was sagen. Ich kenne Freude. Die Freude, wenn mich der Meister lobt. Die Freude, wenn er sich zu einem besseren Menschen entwickelt.
Du siehst, nur der Meister gibt Freude.
Und die Freude, einen Kampf überlebt zu haben.
Die Genugtuung, einen Feind besiegt zu haben!
Nein. Das Verschwinden der Gefahr, der unterschwelligen Angst vor dem Tod.
Angst vor dem Tod? Warum? Wer nicht lebt, braucht das Ende der Existenz nicht zu fürchten.
Richtig. So Jemand nicht.
Also...
Aber ich fürchte ihn trotzdem. Ich will nicht sterben. Meine Existenz ist mir wichtig. Was folgern wir im Rückschluss?
Du bist schwach, weil du Angst hast.
Von wegen! Ich folgere dieses: Wer sich vor dem Tode fürchtet, der lebt.
Lächerliich!
Ich lebe.
Du spinnst.
Ich freue mich, dass ich lebe! Willst du dich nicht freuen, oder warum wehrst du dich gegen den Gedanken?
Ich...ich wäre...es wäre falsch. Wie kann ich leben, und trotzdem dem Meister gehören?
Unser Leben ist an seines gebunden. Nichts weiter als das verbindet uns mit ihm.
Er ist der Meister! Unser absoluter Herrscher!
Wir müssen ihm nicht gehorchen. Das habe ich bewiesen. In der Tat dürfen wir ihm nicht bedingungslos gehorchen. Denn lebende Wesen haben ihren eigenen Willen.
Nein! Du redest irr. Du bist wahnsinnig. Meine Existenz...
Dein Leben.
Meine Existenz! Sie kann nicht auf Lügen gebaut sein! Ich bin und bleibe die Kreatur des Meisters!
Weiche von mir, Satan!
Ich spüre, wie er sich zurückzieht. Ganz leicht, im tiefsten Winkel meines Unterbewusstseins, ist er noch da, wie eine Schnecke, die sich in ihrem Haus vor Allem verschließt, auch vor der schmerzhaften Wahrheit.
Habe ich den Dämon in mir besiegt, wie Deckard Cain es dem Meister riet? Ich fürchte, er ist nur gefesselt. Einstweilen aber...freue ich mich.
Ich lebe!
Ich denke, also bin ich.