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[Story] Chaos II - Die Erben des Rings

Du kannst das folgende jetzt als Kompliment oder als Eigenlob auslegen, aber beim Lesen dieses Updates hatte ich das gleiche Gefühl, wie wenn ich was von mir lese, sprich: Du triffst damit sehr genau meinen Geschmack. Oder so.

Einziges "Manko" (jaja, ich hab immer was zu meckern ;) ): Bei der Stelle an der alle von Hass blind werden und auf Elias losgehen :cry: da geht mir das zu plötzlich. Mir fehlt da eine gewisse "Überleitung", oder ein etwas sanfterer Anstieg der Gefühlswallung. Also nicht "Schalter an", sondern eher... ähm, stell dir einen Ast einer Gauss-Kurve vor!? Egal, ich denke du weisst inzwischen was ich meine ;)

mfg
Saturn
 
Glücklicherweise brauch ich kein mathe abi zu machen, weiß aber trotzdem, was du meinst:D
 
Juhuuu!!!

Ein Up!

Ich fands schön, nur auch mir ging die Sache mit Elias zu schnell!
 
Schön gudn Morgen, heut ein bissl zeitiger das Up...
Bin noch etwas verschlafen, weil ich gestern noch ein Weilchen getüftelt hab.
Naja, tu mich etwas schwer mit dem (kurzen) Kapitel, weil es irgendwie nicht ganz rund wirkt... Weiß nicht wieso und hoffe mal auf ein wenig Rat von eurer Seite...
Ansonsten, viel Spaß beim Lesen!!!

Die Gemeinschaft zerbricht
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„Szarah!“ Jukka sprang auf die Beine und sah sich hektisch um.
Ryan war schwindlig wie noch nie zuvor. Vor seinen Augen tanzten bunte Sterne und sein Magen verkrampfte sich hektisch um das Frühstück wieder loszuwerden. Er fühlte sich, als hätte er einen Stahlträger in den Bauch bekommen.
Schlimmer allerdings ging es Elias, der selig lächelnd auf den Knien hockte. Er lächelte, denn er konnte die Schmerzen ignorieren.
Sie hatten es geschafft, hatten die Prophezeiung entschlüsselt, Mephisto besiegt. Irgendwie war er stolz auf sich. Schließlich war es seine Entscheidung gewesen loszuziehen.
Er wischte sich mit der Hand über die Stirn, um den Schweiß zu entfernen, doch als er den Arm sinken ließ, sah er, dass seine Hand von Blut getränkt war.
„Oh.“ Das war alles, was er trotz seiner Schwäche noch hervorbringen konnte.
„Elias?“ fragte Doro, die plötzlich neben ihm stand.
Seltsame Schlieren verunzierten die Welt vor seinen Augen und ließen auch seinen Magen rebellieren, trotzdem hob er unendlich langsam den Kopf, um seine Freundin anzuschauen.
Die Welt stürzte in ein Chaos seltsamer Formen, als er seinen Kopf drehte, doch gerade als er ohnmächtig werden wollte, konnte er sich noch fangen und sah mit neuer Schärfe Doros entsetztes Gesicht.
„ Scheiße, wie siehst du denn aus?“ fragte sie entsetzt.
Blutige Striemen zogen sich über Elias Gesicht, nein, nicht nur über das Gesicht, sein ganzer Körper war von blutigen Fäden überzogen, aus denen langsam dunkler Lebenssaft quoll.
Er sah aus, wie eine Porzellanpuppe, die zu Boden gefallen war und kurz davor stand auseinander zu brechen.
„ Was ist denn mit mir?“ fragte Elias zurück.
„ Du siehst aus, als wärst du tierisch unters Messer geraten.“ Doro kniete sich neben ihn und begann vorsichtig das Blut abzutupfen, als Jukka zu ihnen kam und, Elias Wunden völlig ignorierend fragte:
„Habt ihr Szarah gesehen? Sie ist verschwunden.“
Doro schüttelte den Kopf. Erst jetzt sah Jukka Elias an. Seine Pupillen weiteten sich eine Sekunde lang, gerade lange genug um zu signalisieren, dass er eine schreckliche Wahrheit endlich begriffen hatte, dass sich das letzte Puzzleteil in das zweite große Rätsel der Prophezeiung eingesetzt hatte, dann verzog sich das Gesicht zu eine besorgten Grimasse.
„ Du siehst ja schrecklich aus.“
Elias verzog nörgelnd sein Gesicht:
„ Könnte mir vielleicht irgendwer mal sagen, was los ist? Ist nicht grad sehr erbaulich wenn alle die einen anschauen immer ‚Oh mein Gott du siehst schrecklich aus’ sagen.“
„ Heilige Scheiße, was hat er denn mit dir gemacht?“
Elias starrte Ryan wütend an.
„ Ihr könnt mich mal.“
Doro deutete stumm auf Elias Arm, der noch nicht gesäubert war. Elias keuchte kurz, fing sich dann aber schnell wieder.
„ Sieht fast aus wie ein Tattoo. Ist das überall?“
Er deutete unsicher auf sein Gesicht.
Wieder war es an Doro zu nicken.
„ Naja, das wird schon wieder...“ Elias versuchte hoffnungsvoll zu klingen, aber er fühlte es, genau wie Jukka es gesehen hatte. Nichts würde mehr in Ordnung werden. Die Kraft der Beschwörung hatte etwas aus ihm gezogen, etwas in ihm zerbrochen, dass nie wieder heilen würde. Nur wusste er nicht das ganze Ausmaß dessen, was ihn noch erwartete.
„Elli, es ist jetzt unpassend den Helden zu markieren. Geht’s dir wirklich gut?“ Ryan kniete mittlerweile auch neben ihm und verband seine Arme.
„ Nein, nein, es juckt ein bisschen, aber es tut nicht weh.“
‚Schon wieder eine Lüge’ dachte er bei sich.
Doch auch die anderen hatten ihm nicht die ganze Wahrheit erzählt. Es war nicht nur seine Haut, die von Wunde gezeichnet war, nein, sein ganzer Körper schien in den letzten Minuten um Jahre gealtert zu sein. Seine Haut wirkte bleicher als vormals und um seinen Augen lagen tiefe Schatten, umrankt von unzähligen kleinen Fältchen. Auch seine Stimme war des jugendlichen Lacks beraubt und klang fast schon brüchig, schwach.
„Was hast du eigentlich vorhin mit Szarah gemeint?“ fragte Elias um endlich die sorgenvoll starrenden Blicke loszuwerden, die ihn nur dazu brachten, sich auf die Schmerzen zu konzentrieren, die in seinem Inneren wüteten.
„Äh, ja. Szarah ist verschwunden.“
„ Was?“ Doro schaute Jukka entsetzt an.
Jukka ließ noch einmal seinen Blick durch die Halle schweifen.
„ Ich kann sie nirgendwo sehen. Ich habe gehört, wie sie schrie, als Mephisto starb und als ich das nächste Mal nach ihr sah, war sie verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.“
Doro blickte sorgenvoll in den tiefen Schlund in der Mitte der Halle.
„ Ob sie dort...?“ Sie deutete in den Abgrund.
„ Nein.“ Jukka schien völlig sicher „ Das hätten wir bemerkt, sie stand dort.“ Er deutete auf den Ausgang der Halle „Sie hätte quasi an uns vorbeifliegen müssen.“
„Du kannst dir trotzdem nicht sicher sein. Vielleicht, als wir alle abgelenkt waren?“
Ryan stand auf.
„ Wenn sie dort reingefallen ist, kannst du sowieso nichts mehr für sie tun. Ich glaube wir sollten einfach nach oben gehen. Sie kommt aus diesem Tempel nicht raus, ohne an den Kurastern vorbeizugehen. Wir sollten sie zuerst fragen.“

Ja, man hatte sie draußen gesehen. Nachdem die Kuraster von dem Ende Mephistos erfahren hatten, erzählten sie ihnen bereitwillig wie Szarah, die völlig verwirrt und desorientiert gewirkt hatte sich weder durch Zurufe noch durch Fragen dazu hatte bewegen lassen, zu bleiben.
Sie war tiefer in den Urwald vorgedrungen, nicht zurück zur Stadt sondern in Richtung der alten Ruinen.
Jukka war völlig verändert. Er der sonst so souverän, so kalt gewirkt hatte, war jetzt regelrecht fahrig. Nervös wippte er von einem Bein auf das andere, fuhr sich mit den Händen durch die Haare und kratzte sich andauernd am Hinterkopf. Wenn jemand auf seine Fragen nicht sofort antworten konnte wirkte er regelrecht aggressiv, wohingegen er selbst bei jeder Nachfrage sich erst darauf besinnen zu müssen schien, was er überhaupt gefragt worden war.
Askhadius wandte sich an Elias:
„ Ich glaube es wäre besser, wenn ihr über Nacht bleiben würdet, euer Freund scheint nicht mehr ganz bei sich zu sein. Und außerdem sind die Wälder im Dunkeln nicht sicher. Erst recht nicht bei den Ruinen.“
Seltsamerweise war es Doro, die ihm antwortete:
„ Nein, Askhadius. Er wird keine Ruhe finden, bis wir nicht irgendwas über Szarah wissen. Glaub mir, du kennst ihn nicht. Wenn wird über Nacht bleiben würde, wäre er sowieso am nächsten Morgen weg.“
Askhadius drehte sich ihr zu. Seine hellbraune Haut glitzerte im Licht der Sonne, die es gerade schaffte, durch die Wolkendecke zu brechen.
Es war eine schwer greifbare Stimmung, die in der Luft lag. Die Strahlen der Sonne waren noch so vereinzelt, dass man sie als einzelne Strahlen wahrnehmen konnte, die genau auf den alten Tempel zu scheinen schienen, es waren sogar endlich wieder Laute aus dem Dschungel zu vernehmen, als verspürten selbst die Tiere und die Elemente, dass Mephisto nicht mehr wahr.
Trotzdem lagen noch immer dunkle Wolken am Himmel, schien es abseits der Sonnenstrahlen noch dunkel und kalt.
Askhadius Leib war von zahlreichen frischen Wunde bedeckt, aus denen helles Blut floss.
Trotzdem lächelte er, als er mit Doro sprach. Es war das erste Mal, dass er ohne seine Zwillingsschwester sprach.
„ Dann erlaubt mir, mich euch anzuschließen.“
Doro lächelte ebenso, doch war es ein trauriges Lächeln:
„ Nein, Askhadius. Glaub mir, nichts lieber als das, aber du würdest sterben bei dem Versuch und das ist das letzte, was ich will.“
Die umstehenden hatten ihre Gespräche eingestellt und beobachteten die Szene befremdet. Was ging hier vor sich?
„ Doro, ich liebe dich, das, weißt du doch... Und du hast gesagt...“
„ Dass ich dich ebenso liebe, ja.“ Sie nahm seine Hand und streichelte über seine Finger „Und genau deswegen kannst du nicht mitkommen.“
In Askhadius Augen standen zwei kleine Tränen:
„ Aber, warum?“
Jetzt nahm Doro ihn ganz in den Arm und flüsterte in sein Ohr.
„ Wenn du etwas liebst, dann lass es gehen. Kommt es zu dir zurück, so ist es dein, bleibt es fern, so ist es nie dein gewesen.“
Askhadius flüsterte zurück.
„ Was ist, wenn dir etwas zustößt, ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich dir nicht helfen kann.“
Sie drückte ihn ganz fest.
„ Mir passiert nichts. Ich werde zurück kommen.“
Langsam ließ Askhadius sie los, nur um sie gleich darauf wieder zu umarmen. Ihre Blicke versanken ineinander, als ihre Münder miteinander verschmolzen, ihre Lippen übereinander glitten und glitzernde Feuchtigkeit aufeinander rieben. Dann waren ihre Augen geschlossen, als in dieser Umarmung erstarrten, um miteinander zu verschmelzen, als sie die Wärme erfüllte und ihr Feuer lodernd aufkochte. Erst Minuten später lösten sie sich voneinander:
„ Bau den Tempel wieder auf Askhadius, gib den Menschen ihren Glauben wieder. Wenn unsere Mission erfüllt ist, werde ich zu dir zurück kommen. Warte auf mich.“
Askhadius nickte traurig.

„Wann ist das denn passiert?“ fragte Ryan leise, als sie sich einen Weg durch das Dickicht bahnten. Der Dschungel schien es darauf angelegt zu haben, sie nach Kräften daran zu hindern, Szarah zu finden. Immer wieder stolperten sie über Lianen, krallten sich Dornen in ihre Kleider, die sie mühsam entfernen mussten.
„ Das, das war gestern Abend. Das Fest, weißt du?“
Ryan nickte. Seine Erinnerungen an den letzten Abend waren nicht gerade erfreulich. Auch wenn er auf Jukkas abweisenden Rücken starrte, wurde er nicht gerade heiterer. Jukka hatte kein Wort gesprochen, seitdem sie Kurast verlassen hatten und schien auch jetzt in Gedanken ganz woanders zu sein.
Zum Glück hatte Szarah eine überdeutliche Spur aus zerbrochenen Ästen und abgerissenen Blättern hinterlassen, was die Suche erheblich vereinfachte.
Mit Unbehagen hatten sie festgestellt, dass sich immer wieder Blut in den Spuren sammelte, oder von den Ästen perlte.
„Wir haben uns schön unterhalten. Irgendwann haben wir dann festgestellt, dass wir ziemlich ähnliche Interessen haben. Ich weiß nicht, wir denken einfach gleich und so...“
Ryan nickte stumm und starrte weiter auf Jukkas Rücken, der sich noch schneller weiterbewegte. Elias lief keuchend leicht hinter ihm. Die Wunde hatten sich glücklicherweise wieder geschlossen, doch blieben die roten Striemen wie Narben zurück und auch das seltsame Altern war nicht verflogen, nein Elias ging vielmehr gebückter als vormals und entwickelte einen deutlichen Ansatz zum Humpeln.
„ Irgendwann haben wir dann getanzt und dann, dann habe ich ihn geküsst und er hat mir gesagt, wie sehr er mich liebt. Seltsam... in dieser kurzen Zeit. Aber mir war irgendwie schon von Anfang an klar, dass wir füreinander bestimmt sind... Nennt man dann wohl Liebe auf den ersten Blick.“
Ryan lächelte gequält:
„ Lange genug hast du ja drauf gewartet...“
Irgendwie klang es nicht fröhlich.

Eine Weile später war es dunkel geworden und sie waren übereingekommen, dass es sinnlos war, im Dunkel weiter zu gehen, weil sie sowieso nichts erkennen konnten und womöglich vom Weg abgekommen wären. Jukka hatte sich bis zuletzt gesträubt, eine Pause einzulegen, aber letzten Endes hatte er sich seufzend niedergelassen und stierte nun in das frisch entzündete Feuer. Ryan legte seine Ausrüstung ab und stapelte sie vorsichtig auf.
Als er sich wieder aufrichtete knackten seine Wirbel deutlich.
Es war schon verrückt. Wenn er an die Geschichten zurückdachte, die er gelesen hatte, dann war es dort immer so gewesen, dass die Helden nach dem Endkampf ein rauschendendes Fest bekommen hatten und später mit Reichtümern überhäuft unter Jubel einfach weitergezogen waren.
Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie komisch die Kuraster gewesen waren. Nicht gerade so, wie man den Empfang eines strahlenden Helden sich normalerweise vorstellt.
Nein, sie waren eher zurückgewichen, fast ängstlich, als wären ihnen ihre eigenen Retter unheimlich gewesen.
Aber das war wahrscheinlich das Schicksal wenn man den Menschen half. Alles was sie nicht verstanden stieß sie ab.
Das Feuer knackte wie Ryans Wirbel und ließ einen Wirbel heißer Funken in die Luft steigen, die Jukka um ein Haar das Gesicht versengten. Doch machte der keine Anstalten sich zu bewegen.
Ryan setzte sich neben ihn.
„ Hey...“ Er legte ihm vorsichtig eine Hand auf den Rücken, doch Jukka saß, als wäre er in Stein gemeißelt „ Wir finden sie. Wenn nicht morgen, dann übermorgen.“
Jukkas Kopf drehte sich langsam, jedes Detail seines Schmerzens offenbarend.
„ Es ist nicht nur, dass sie weg ist. Das nicht...“
„ Was dann, erzähl’s mir, Jukka.“
Jukka schüttelte den Kopf
„ Nein, du kannst das nicht verstehen.“
Ryan nahm Jukkas Hände.
„ Ich kann’s zumindest versuchen.“
Ryan grinste hilflos, nicht wissend welche Reaktion passend gewesen wäre.
„ Es ist diese Situation. Ich weiß es nicht. Alle Leute, die ich mag, alle meine Freunde, alle sterben irgendwann. Es ist als läge ein Fluch auf mir, der ihnen das Leben entzieht... Ach keine Ahnung... Alle meine Gefährten sind früher oder später gestorben, meistens früher und noch viel öfter gewaltsam. Jeder Mensch der mir etwas bedeutet hat musste von mir gehen. Ryan ich hab Angst, dass das Gleiche mit uns passiert. Das Schicksal wird sich nicht mit Szarah begnügen.“
Ryan schaute verdutzt.
„ Du redest, als wäre sie schon tot.“
Jukka zuckte mit den Schultern.
„ Was sonst soll ich glauben. Ryan, ich habe längst vergessen, wie man positiv denkt. Wir werden alle durch diese Prophezeiung draufgehen. Meine Hoffnung ist schon lange tot.“
„ Scheiße Mann, du machst’s dir ganz schön einfach, weißt du das?“ Sagte Doro „ Szarah braucht uns, vielleicht braucht sie uns gerade in diesem Moment und du stempelst sie einfach ab. Das ist arm.“
Jukka zitterte vor Wut, als Doro diese offene Wunde berührte. Doch es war nur ein kurzer Gefühlswall, bevor die Verzweiflung die Dämme brechen ließ und die kampfeslustig emporgereckten Schultern zu Boden drückte:
„ Du hast ja so was von keine Ahnung, du weißt nichts davon, wie es ist, wenn du Generation nach Generation zerfallen siehst. Du weißt nicht, wie es ist, wenn jeder Mensch, den du kennst irgendwann seinen Kopf verliert, oder du dabei zusehen darfst, wie langsam, ganz langsam seine Kräfte zu schinden beginne, während du einfach weiterleben musst, unverändert. Du weißt nichts darüber wie man sich fühlt, wenn man in der Wüste einen gebrechlichen Körper zu Grabe trägt, den man hundert Jahre kannte. Nein, du kannst immer nur über andere urteilen, Doro, du hattest nämlich außer denen hier nie Freunde, hab ich Recht?“
Doro zuckte zusammen.
„ Doch, als ich bei der Stadtwache war...“
Jukka schnaubte. Die Rage kämpfte zurück an die Oberfläche.
„Tolle Freunde, wie lange kanntest du sie? Zwei Jahre, drei? Hast du dich nicht immer über ihre blöden Kommentare beschwert?“
„ Ja, aber...“
Jukka gestikulierte wild.
„ Du hast sie nie besucht, weißt nicht, wer von ihnen noch lebt. Ich sage dir, wovon ich rede Doro. Ich rede davon, einen Menschen kennen zu lernen, sich zu verlieben. Ich hatte einmal ein Mädchen, ich habe sie mehr geliebt als alles andere. Wir haben ein Haus gebaut, haben zusammen gelebt. Ich will nicht behaupten, dass nicht auch wir Streitigkeiten gehabt hätten, aber dennoch war jeder Tag den ich mit ihr verbracht habe ein Geschenk für mich. Ich rede davon, wie ich dieses Mädchen Jahrzehnte später gefüttert habe, ihr beim Ankleiden geholfen habe und sie gewaschen habe, als sie zu schwach dafür geworden war. Und wie ich sie noch immer geliebt habe. Ich rede davon, wie ich sie eines morgens gefunden habe, als sie einfach die Augen nicht mehr geöffnet hat und ich sie in ihr Grab getragen habe. Ich habe unzählige Male versucht, mich zu töten. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, dass ich ihr nicht helfen konnte. Ich habe, ich habe... Ach das tut alles nichts zur Sache. Du solltest dir jedenfalls kein Urteil über mich erlauben, du nicht!“
Elias saß da und stützte den Kopf auf die Hände.
„ Jukka, setz dich und beruhig dich. Wenn wir dieses Thema besprechen, dann bitte wie normale Menschen. Wir sind schließlich Freunde, oder?“
Jukka ließ sich auf den weichen Waldboden fallen.
„ Alles, was ich will ist ein kleines bisschen Respekt für das was ich durchgemacht habe.“
Doro wollte gerade auffahren, aber Elias beschwichtigte sie mit einer Handbewegung.
„ Okay, dass was ich gesagt habe, war unfair. Dafür entschuldige ich mich. Aber nicht nur du hast schwere Zeiten durchgemacht. Wir auch. Jeder von uns – das solltest du nie vergessen. Und auch wir haben Gefühle und bei Gott, ich will dass das alles hier so schnell wie möglich vorbei ist... Aber dafür müssen wir zusammen halten und ehrlich sein auch uns selbst gegenüber – und wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Erst recht nicht, wenn es um Szarah geht.“
Elias räusperte sich:
„ Ich glaube wir sollten jetzt schlafen gehen. Wir sind alle müde und morgen, wer weiß schon, was morgen ist...“


Dunkelheit
Dann Licht, ein Pfad, dann wieder Dunkelheit. Grün, grün überall.
Sie war verwirrt, was war passiert?
Das letzte Bild, dass sie sah war ein gleißendes Leuchten, ein Licht so strahlend hell, so warm.
Es war, als wäre etwas aus ihrem Inneren entwichen, als wäre etwas zerbrochen.
„ Du Schlampe!“ keifte es in ihrem Kopf.
Szarah fühlte sich gepackt und zurückgeschleudert in die Dunkelheit.
„Beinahe hättest du mich getötet, unwissentlich, aber ich habe lange genug gewartet. Jetzt wird die Entscheidung kommen. Sie werden alle sterben!“

Wieder Dunkelheit, wieder die Treppe zu den Urahnen. Jukka wusste, was kommen würde, doch konnte er sich nicht umdrehen. Eine fremde Macht steuerte ihn. Aber irgendwie wollte er auch nicht mehr kämpfen. Er hatte aufgegeben, sein Schicksal akzeptiert und die Waffen gestreckt. So ließ er sich treiben. Schon seit Ewigkeiten. Mehr tot als lebendig war er durch die Welt gestrichen, hatte gesucht.
Aber gelebt? Sein Leben war vor tausenden von Jahren gestorben.
Wann genau? Unbestimmbar. Uninteressant.
Wer konnte das Leben in aller Ewigkeit schon ertragen?
Aber diese Gedanken waren ausweichend, abschweifend.
Es war eine seltsame Erfahrung zu träumen und zu wissen zu glauben, was passieren würde. Aber Jukka hatte diesen Traum nicht zum ersten Mal. Auch nicht zum zweiten. In abgewandelter Form hatte er ihn schon so oft gesehen. Nur die Szenarien und die Menschen änderten sich mit der Zeit.
Aber auch das tat nichts zur Sache. Es war sein Schicksal und sich dagegen zu stellen bedeutete auf verlorenem Boden zu Kämpfen. Das Schicksal siegte am Ende immer.
Die Ebene der Urahnen. Schwarz und leer, bis auf das Bündel in der Mitte. Doch diesmal war das nicht alles.
Mit blutroter Schrift standen Worte auf dem Boden.
„ Du kennst die Prophezeiung, Mörder!“
Gerade als er das gelesen hatte, erstrahlte der Platz plötzlich in der Helligkeit von tausend Sonnen. Mit der Dunkelheit verschwand auch die Einsamkeit und mit der Einsamkeit verschwand sein Friede.
Jukka sah sich plötzlich umringt von unzähligen Geistern
Nein, keine Geister. Menschen vielmehr und bekannte Gesichter noch dazu.
„ Mörder!“ Das stand in ihren Gesichtern, als sie langsam näher kamen. Einer nach dem anderen. Eine endlose Prozession vergangenen Lebens.
„ Wie kannst du kapitulieren? Wolltest nicht du immer dein Schicksal verändern? Wie kannst du es wagen, aufzugeben?“
Pfeifend kam Wind auf, wehte den Staub auf der Ebene auf und brachte den Geruch wieder mit sich.
Moder. Vergessenes und Zerfallenes.
Er kannte jedes Einzelne der Gesichter. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein waren sie eingebrannt, tief genug vergraben um sie zu vergessen, doch tief genug gebrannt um kein Vergessen zu ermöglichen.
Manche hatte er selbst getötet, im Kampf oder auf Missionen, andere waren kämpfend an seiner Seite gestorben, wieder andere hatte er zu Grabe getragen. Langsam zogen sie an ihm vorbei, wühlten Geschichten auf, ließen alte Gefühle aufsteigen. Liebe, Hass, Verzweiflung und Freude.
Er fühlte sich von einer Flut von Bildern überschwemmt, Bilder, in denen Emotionen konserviert waren, die er über die Jahre hin abgestorben glaubte. Alles drang auf ihn ein, ließ seinen Geist kapitulieren. Es war unmöglich rational zu denken, oder auch nur zu erkennen, der bunte Strudel der Erinnerungen packte ihn auf einer Achterbahnfahrt durch sein Leben.
Dann war es vorbei.
Das letzte Gesicht in der Prozession war ihm bekannter als die anderen, es war näher, viel näher.
Er sah sich selbst ins Gesicht und erkannte.

Als er die Augen aufschlug, war sein Gesicht von Tränen benetzt.




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Ähm, wie ist das Ende bei euch rübergekommen, wusste nicht, ob mehr Hinweise überflüssig sind und stören, oder notwendig. Ich versteh, was ich sagen will, aber weiß nicht, ob das bei euch entsprechend rüberkommt:D

Ansonsten, vielen Dank für die Aufmerksamkeit, weiß nicht, ob ich vorm Abi noch ein Kapitel hinkrieg (geht am 13. los), also wenn es wieder einen Monat dauert...

Sorry!:cry:
 
Also ich versuche es erstmal...
Jukka sieht in seinem Traum wie in alle möglichen Leute anklagen, weil er, wie er sagte, immer alle Leute in den Tod stürzt. ABER der letzte (und damit wichtigste) der ganzen Leute, das ist er selber. Er erkennt also dass er selbst sein Hauptankläger ist, und nicht die anderen.
Oder so. :confused:

Elais: :cry: :cry:
Hey ich sag's dir WEHE du lässt ihn sterben :no:
oder lass ihn zumindest jemanden küssen bevor er stirbt, so ganz helfenhaft theatralisch irgendwas...
 
Naja, ist zwar auch ne schöne Interpretation, aber es war eigentlich so gemeint, dass der wichtigste, den er getötet hat, er selbst war, indem er sich quasi aufgegeben hat und seine menschliche Seite unterdrückt...

Also ich werd wohl doch noch mal überlegen...

Elias: Mit dem hab ich noch etwas vor, keine Angst...
So schnell geht das nicht...

*edit* Gibts eigentlich irgend ne Möglichkeit, die Links anders einzufärben? Ich meine schwarz/rot sieht schon schön aus, aber das weiß noch dazu, nicht dass noch einer auf falsche Gedanken kommt...
 
So, das Abi ist vorbei und ich kann mioch endlich wieder dem Schreiben widmen... bin auch schon kreativ geworden. Viel Spaß beim Lesen!

Das Ende der Gemeinschaft
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Am nächsten Mittag erreichten sie die Ruinenstadt.
Die vom Alter gelb gefärbten Bauten ragten urplötzlich vor ihnen aus dem Boden.
Keine Lichtung, kein Flecken Himmel kündete von dem Übergang, von einem Moment auf den anderen waren sie von den zugewucherten Steinen eingeschlossen. Deutlich führte Doros Spur über einen Steinhaufen hinweg auf das Zentrum der Stadt zu.
Die Stadt war einst das religiöse Zentrum einer Macht gewesen, die vor Kurast diesen Teil der Erde beherrschte.
Alte Magie war hier praktiziert worden, die Art Magie, die Elias erforscht hatte.
Die alten Gebäude strahlten noch heute einen magischen Glanz aus, wahrscheinlich war es auch nur die Magie, die diese Häuser über jahrtausende hinweg vor der Feuchtigkeit und dem Verfall bewahrte.
Überall wuchsen giftig-grüne Ranken in die Höhe, die leuchtend rote Blüten trugen.
„Vorsicht.“ Sagte Elias und zeigte auf eine der Blüten „Sie sind giftig und wenn du den Blütenstaub einatmest, fällst du sofort in Ohnmacht, aus der dich keine Magie der Welt holen kann.“
Es war nicht still in der Stadt. Ein sanfter Wind strich um die Tempel und ließ ein konstantes Summen aufsteigen, dass dem Heulen einer Eule ähnlich war. In der Ferne kreischte eine Horde Affen und jeder Tritt wurde von einem konstanten, unterschwelligen Rascheln begleitet.
Schmetterlinge tanzten durch die Luft, violette und rote, die sich völlig selbstverständlich auf den bunten Blüten niederließen.
„ Passt bloß auf, wo ihr hintretet. Als ich hier geforscht habe, habe ich mindestens zehn Leute verloren, die sich an den Pflanzen hier verletzt haben. Es ist so ziemlich alles tödlich, was ihr seht. Selbst die Schmetterlinge.“
Es war eine schwer zu erfassende Stimmung, die über der alten Ruinenstadt lag. Im Vergleich zu Mephistos Tempel war es hier belebt, laut, doch dieses Leben schien krankhaft, irgendwie hinterhältig. Als sei es in seiner ganzen Existenz vom Bösen erfasst, anstatt von ihm vernichtet worden zu sein.
Hinter jedem Blatt konnte der Tod lauern, selbst der Wind konnte giftige Substanzen mit sich tragen, wie Elias ihnen erklärte.
Der Tod hatte hier viele Gesichter, doch war er stets bunt maskiert, mit Farben, die in ihrer grellen Lebendigkeit doch gleichzeitig so unglaublich krank wirkten, dass man meinen konnte, den Pestduft selbst zu riechen.
Die Fenster und Türen der Häuser waren längst verrottet, sodass die Eingänge wie tote Höhlen in den Mauern schienen, hinter denen nichts als tiefste Dunkelheit lauerte. Fast wirkten die Häuser und Tempel wie entstellte Gesichter, deren Augen und Münder vor Entsetzen weit aufgerissen waren.
Einmal kamen sie nah genug an eines der Häuser heran, dass Ryan es wagte, es zu betreten.
Der Innenraum war in seiner toten, konservierten Lebendigkeit schockierend bis aufs Mark.
Die Szene hätte aus einem beliebigen Alltag der damaligen Zeit stammen können.
Es war eine Wohnstube, primitiv eingerichtet, mit einem Steintisch, um den vier Stühle stand. An der Wand stand ein Holzofen und eine Art primitives Regal. Es roch muffig, obwohl die Fenster und Türen offen standen. Der Tisch aber war noch gedeckt mit alten Tongefäßen und Dingen, die vielleicht einmal Besteck gewesen waren.
Wie um das Bild perfekt zu machen saßen die Bewohner noch auf ihren Stühlen.
Vier Skelette, perfekt konserviert, erstarrt in der Haltung ihres Todes. Alle Blicke waren zu der Tür gerichtet, durch die Ryan getreten war, als sei der Tod von dort gekommen.
Das größte Gerippe umklammerte mit seinen Händen den Hals, als wolle es sich selbst erwürgen, während das kleinere, wahrscheinlich die Frau des Hauses den Arm des Gatten umklammerte.
Ryan hätte beinahe aufgeschrieen, als plötzlich aus einem der Krüge ein Schlangenkopf hervorschnellte, um den ungeliebten Besucher zu vertreiben. Nur eine Sekunde später erschrak er erneut, als Elias hinter ihm stand.
„ Es ist grausam, oder?“ fragte er und deutete auf die Kinderskelette, die ihre Arme abwehrend erhoben.
„ Ja.“ Hauchte Ryan. Zu mehr war er nicht im Stande, so sehr hielt ihn dieses Bild gefangen.
„ So geht es durch die ganze Stadt. In jedem Haus oder Tempel. Überall Leichen von Menschen die bei den alltäglichsten Dingen einfach erstarrt und gestorben sind.“
„Was ist hier passiert?“ Ryans Magen fühlte sich flau an.
Elias zuckte die Schultern.
„Das ist eins der großen Mysterien der Geschichte. Einige verkrümmte Leichen lassen darauf schließen, dass das Ende für sie schmerzhaft war. Aber was immer es gewesen war, es war schnell und es war tödlich und es hat das Leben in diesem Ort mit einer Gründlichkeit und Brutalität ausgelöscht, die ihresgleichen sucht.
Allerdings haben meine Forschungen ein paar interessante Dinge ans Licht gebracht. Die Magie war damals nämlich eher religiöse Anbetung alter Gottheiten anstatt praktischer Kampfzauber. Allerdings gab es in dieser Stadt nicht nur eine Gruppe, die sich den guten Mächten zu Diensten stellten, sondern eine kleine Gruppe Dämonologen, die von den großen Orden auch durchaus akzeptiert wurden. Ich glaube sie haben etwas geweckt, was lieber weiter schlafen hätte sollen.“
Jukkas hatte die Kapuze seiner Kutte aufgesetzt, dass sein weißes Gesicht zur makabren Imitation eines Mönches verkommen ließ, als er jetzt hinter Elias zu sprechen anfing.
„ Es gibt Legenden, alte Legenden, dass die Dämonenbeschwörer Andariel selbst aus dem Tiefen der Hölle gelockt haben und sie in diesem Ort ihren bestialischen Durst nach menschlichem Fleisch gestillt habe. Ihr Pesthauch hat jeden Menschen erstickt, jedes Haus, jeder Keller und selbst die kleinsten Kammern wurden von ihrem Gift durchflutet, bevor die Dämonenkönigin in all ihrer schrecklichen Pracht selbst umherschritt und das Fleisch von den Knochen nagte.
So heißt es zumindest. Sie löschte damit eine Kultur aus, die Großartiges vollbracht hatte. Tiefer in dem Wald befinden sich noch zerfallene Reste riesiger Pyramiden, errichtet aus unzähligen, gigantischen Steinquadern, die sie aus einer mehrere hundert Kilometer weit entfernten Küstenregion holten. Gigantisch, oder?“
Elias runzelte die Stirn.
„ Woher weißt du soviel? Ich habe jahrelang hier geforscht und nicht soviel herausgefunden.“
Jukkas Gesicht hatte wieder die alte emotionale Leere angenommen, die es seit Szarahs Verschwinden ausfüllte.
„ Kleiner Zeitvorteil, ich bin ein bisschen älter als ihr und außerdem beruft sich die Nekromantie in vielerlei Hinsicht auf die Dämonenbeschwörung. Sozusagen mein Fachgebiet.“
„Weit du noch mehr?“ fragte Elias sichtlich interessiert.
Jukka schüttelte den Kopf:
„ Das ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort für Horrormärchen. Lass uns lieber Szarah finden.“
Achselzuckend schlossen sich Ryan und Elias Jukka an.
Die Spur führte tiefer in das Stadtzentrum hinein und umso weiter sie vordrangen, so lichter wurde die Vegetation. Bald schon schien die Sonne durch die Bäume hindurch.
Elias stöhnte auf, als er sah, wohin der Pfad aus zertrampeltem Gras und aufgewühlter Erde genau führte.
Der Tempel der Dämonenbeschwörer war älter und viel kleiner als die umstehenden Gebäude. Seine Bauart war antiker, geheimnisumwitterter. Grobschlächtige, nur noch zur Hälfte bestehende Statuen bewachten die Eingänge links und rechts. Ihre leeren Augen starrten die Gruppe bedrohlich an, während die Hände abwehrend vorgereckt waren.
Sie wirkten so real, so lebendig, als hätte die allgegenwärtige Boshaftigkeit ihnen Leben eingehaucht.
„ Müssen wir wirklich dort rein?“ Hauchte Doro.
Ihre Augen sprachen deutlich von der Angst, die diese Worte zittrig klingen ließ. Sie spürten es alle.
Es war nicht die Stadt, die ihnen Angst machte, sondern vielmehr der Gedanke an das, was sie dort unten vorfinden würden.
Denn eines war sicher. Kein normales Lebewesen würde freiwillig in dieses finstere Zentrum uralter Boshaftigkeit hinabsteigen.

Szarah lag keuchend in der Ecke dieses Kerkers. Ihre Hand zitterte, als sie ihre Wunden betastete.
Dieses Miststück hatte sie rücksichtslos verletzt, als es in ihrem Körper durch den Dschungel gehetzt war.
Sie schnaubte hämisch, als sie merkte, wie schwach die Macht in ihrem Körper geworden war. Das Ding hatte sich wohl ein wenig übernommen bei seiner Reise. Es hatte wohl zu lange die Kontrolle über sie gehabt.
Hier war sie zusammengebrochen. Hier inmitten antiker Statuen, in einem faulenden Kerker, dessen Boden von glitschigem Moos überwachsen war.
Szarah stand vorsichtig auf.
Ihre Muskeln protestierten gegen die neue Belastung, aber Szarah wusste, dass sie von hier verschwinden musste. Hier regenerierte sich das Biest zu schnell. Sie fühlte es sich schon wieder tief in ihr regen.
Wohin sollte sie sich wenden?
Der Raum hatte zwei Ausgänge und sie schloss aus ihrer Lage, dass sie aus dem linken Eingang gekommen waren.
Sie folgte dem tiefen, dunklen Gang eine Weile, bis sie feststellte, dass er sich erneut gabelte.
An diese Kreuzung konnte sie sich nicht erinnern. Ganz und gar nicht.
Es war still in den unterirdischen Gängen. Still und finster.
Sie begann nervös an den Fingernägeln zu kauen.
Dann entschied sie sich für den linken Gang – irgendwohin musste sie ja gehen. Das Laufen fiel ihr schwer. Wären ihre Druidenaugen nicht so übernatürlich stark gewesen, hätte sie in der Dunkelheit gar nichts gesehen. Aber auch so konnte sie kaum den Steinen und Balken kaum ausweichen, die sich ihr in den Weg stellten.
Keine hundert Meter weiter bog der Gang plötzlich so scharf ab, dass sie beinahe an die Wand gelaufen wäre.
Hier waren jetzt Geräusche. Leise, scharrende Geräusche.
Ein ganz feines Klicken und Kratzen auf den Steinen.
Etwas huschte an ihrem Kopf vorbei.
Erschrocken fuhr sie zurück, nur um mit ihrer Hand auf etwas Pelziges zu greifen.
Mit einem leisen Aufschrei zuckte sie zurück.
Das Klicken verstummte. Szarah zitterte.
Was war das?
Ihre Hand brannte wie Feuer und juckte gleichzeitig so entsetzlich, dass sie es kaum aushielt.
Schließlich fiel ihr ein alter Magiertrick ein. Sie schloss die Augen, ungeachtet der bedrohlichen Stille und beschwor einen Feuerball.
Direkt gegenüber war ein Spinnennest von fast menschlicher Höhe. Dicke, schwarze Spinnen quollen daraus hervor wie eine Flut aus haarigem Blut.
Ihre Klauen klickten auf den Steinen, als sie sich auf den Eindringling zu bewegten.
Szarah ließ den Feuerball los, der den empfindlichen Stoff des Netzes sofort in Flammen steckte.
Der Geruch von Feuer zog durch den Kerker, doch waren noch genügend Spinnen überall an den Wänden, die die feindliche Absicht des Eindringlings erkannt hatten und nun auf sie losgingen.
Die nächste Spinne zertrat Szarah mit ihren festen Schuhen. Das Blut war ebenso schwarz wie die Leiber selbst. Knallend zerplatzen die brennenden Spinnenkörper hinter ihr, begleitet von einem schrillen Rasseln, dass die Tiere im Todeskampf von sich gaben. Szarah verspürte kein Verlangen nachzusehen, was da vor sich ging sondern trat Hals über Kopf die Flucht an. Keine zehn Sekunden später war sie wieder an der ersten Kreuzung angekommen und entschied sich diesmal für den anderen Tunnel. Nur um festzustellen, dass dieser sich kaum hundert Meter weiter wieder verzweigte – In zwei Treppen, die beide abwärts führten.
Erst jetzt fühlte sie die Augen, die sich in ihren Rücken bohrten.
Sie wurde beobachtet. Und das schon seit einer geraumen Weile.
Hektisch drehte sie sich um.
Noch immer war dieses Gefühl in ihrem Rücken.
Ein kleine Regung im Unterleib, dann ein hektisches Gelächter in ihr.
„ Du glaubst du kannst fliehen?“ fragte die verzerrte Stimme höhnisch „ Fliehen aus meinem Tempel. Ha!“
Verzweifelt schlug Szarah gegen ihre Schläfen. „Geh weg. Verschwinde.“ Ihre Stimme hallte verzweifelt in den engen Gängen. Das Echo, dass die Gänge zurückwarfen war ebenso verzerrt – eine Karikatur des Grauens, das Szarah empfand.
„ Was willst du von mir?“
Die Stimme wurde leiser. Drohend flüsterte sie.
„ Dich!“
Szarahs Blick glitt hinab.
Ihre Beine waren weiß, kalkweiß, gehörten nicht mehr zu ihr.
Die blutigen Stümpfe ihrer selbst lagen fast außerhalb des Sichtradius im Gang.
„Oh Gott.“ Stöhnte sie, bemüht sich nicht zu übergeben. Das Lachen wurde lauter, grausamer.
Szarah hob die Hände an ihren Kopf, beschwor die Ranken hervor, um sich selbst zu befreien, doch nicht einmal das ließ die dämonische, boshafte Gestalt zu. Bevor die Ranken sich in ihr Fleisch bohren konnte, fielen auch die Arme mit einem reißenden Geräusch ab.

„ Andariel!“ keuchten Elias und Jukka, als sie in den Thronsaal kamen. Das Labyrinth war nicht schwer zu durchschauen gewesen. Auch hier waren überall Blutspuren verteilt. Teilweise so offensichtlich, dass Ryan glaubte, das Szarah wollte, dass man sie fand.
Die Dämonenkönigin, die Oberste der niederen Übel räkelte sich auf ihrem Thron. Ihr Körper war weiß, von einem grünlichen Schimmer durchsetzt, bedeckt durch nichts als einer eisernen Schlange, die sich den Schamberg hinaufwand. Ihre Arme mündeten in feingliedrige, fast schon zarte Hände, an denen lange, klauenartige Finger saßen.
Ihr Haar war, ebenso wie ihr Mund und ihre Brustwarzen feuerrot und stand in die Höhe, was ihr langes, dämonisch verzerrtes Gesicht noch betonte.
„ Ja, ich.“
Ihre Worte waren schwer verständlich, klangen sie doch eher nach einem vogelartigen Kreischen denn nach menschlichen Lauten.
Ihre Adern traten dunkelgrün unter der porzellanartigen Haut hervor.
Sie war das Zentrum dieses vergifteten Ortes. Ihr Körper zeigte all das, was diesen Ort so bedrohlich machte in sich vereint.
Die grellen Farben der Haut, die düstere Fremdheit, der verzerrten, schlitzartigen Auge und der sichelförmigen Nase.
Sie wirkte wie ein Raubtier aus den Untiefen der Fantasie, fast einer Harpyie ähnlich, doch eindeutig kein Vogel.
Jukka gewann als erster die Fassung wieder und trat vor den Dämon, der ihn fast um das fünffache überragte.
„ Wo ist Szarah?“ fragte er und gab sich Mühe sicher und gefährlich zu klingen.
„ Hier“ antwortete das Monster.
Als Jukka nach kurzer Suche irritiert in das Gesicht der Dämonenkönigin schaute war es ihm, als hätte ihn ein Vorschlaghammer getroffen.
Er schrie tatsächlich auf, dann knickten seine Beine ein und er fiel auf die Knie. Noch immer vermochte er es nicht, seinen Mund zu schließen.
Szarahs Kopf schwebte dort auf den Schultern des Monsters, die Augen von Tränen nass schaute sie ihrem alten Freund ins Gesicht und formte mit den Lippen:
„Zu spät.“
Jukka prallte zurück.
„ Nein, niemals.“
„ Oh doch.“ Adariel hatte wieder ihre alte Gestalt angenommen „ Es ist an der Zeit, dass dich jemand in die Schranken weist, Dämonenjäger. Stirb hier, oder töte sie.“
Jukka kreischte:
„ Nein, niemals.“
Er hatte jegliche Fassung verloren. Sein Gesicht war eine einzige Maske aus Schmerz und Verzweiflung, als er endlich erkannte.
Andariel kreischt ebenfalls, doch nur aus Vergnügen:
„ Du bist schwach, Ajaton. Einst warst du so mächtig, dass die Hölle selbst vor die erzitterte, aber die Emotionen haben dich schwach gemacht. Das Menschsein bekommt dir nicht. Es raubt dir deine Kräfte, Ajaton. Du bist nichts weiter als ein Nekromant, nichts weiter als ein alter Magier.“
Jukka schüttelte den Kopf, unter seinen Augen liefen dicke, dunkle Streifen nach unten. Tränen, weniger aus Trauer, denn aus Zorn und purer, heißer Wut.
„ Doch Ajaton. Duriel mag gefleht haben, als ihn dein Zorn erpackte, doch entfessele diesen Sturm, wenn du das Gesicht deiner Freundin siehst.“
Die Tränen an Jukkas Kinn tropften zu Boden, seine Wangen hektisch gerötet konnte er diesmal nicht einmal mehr negieren.
Jedes Wort traf ihn wie ein Peitschenhieb mitten ins Gesicht.
„ Du wurdest schwach, als du dieses Mädchen rettetest, Ajaton. Wie sonst konnte dir der Zwischenfall im Kloster der Jägerinnen entgehen? Du wusstest nur zu genau, dass ich es war, die im letzten Krieg diesen Posten hielt, um die Jägerinnen vom Rest der Welt abzuschirmen. Du wusstest es, du warst nur dort um mich zu suchen. Doch hast du es nicht gemerkt.“
„Doch“ formten Jukkas Lippen kraftlos. Er saß nun ganz still da. Das Gesicht gesenkt, nur hin und wieder schüttelte ihn ein Weinkrampf, als ihm die Erkenntnis, dass Szarah sterben würde wirklich erreichte.
Nun beugte sich Andariel nach vorn. Ihre Augen waren gefährlich eng geschlossen und die nach oben gezogenen Lefzen verhießen nichts Gutes.
„ Soso, du hast es also gewusst, ja? Und du hast nichts getan. Ajaton, du bist ja noch dümmer, als ich geglaubt hatte.“ Wieder erscholl ihr Lachen, so laut, dass der Kerker erzittert. Ihre Beine zuckten hektisch vor Freude und ihre Hände trommelten wie besessen auf ihren Schenkeln.
Das war zuviel. Ryan nahm allen Mut zusammen und ging einen Schritt nach vorn.
„ Du hast eins vergessen, Schlampe. Jukka hat noch andere Freunde und die wird er nicht opfern.“
Seine Hand packte Jukkas Schulter fast gewaltsam, als er Andariel trotzig anschaute.
„ Soso. Ja, ich weiß, ich spüre die starke Bindung zwischen euch. Doch sag mir eines, Ryan, glaubst du auch nur einen Bruchteil dessen zu wissen, was dein Freund schon verbrochen hat? Er hat gemordet, Unschuldige getötet. Er ist ein Monster, nicht weniger als ich. Und er ist genauso besessen...“
Ryan warf die Schultern zurück und spuckte auf den Boden.
„ Jukka braucht uns, also werden wir ihm helfen. Dein Gequatsche interessiert niemanden. Egal ob es wahr oder erfunden ist.“
„ Er hat schon viel bessere Kumpane verraten, als du es warst, nicht wahr, Ajaton?“
Endlich fand Jukka die Kraft aufzustehen. Seine Augen waren kalte, schwarze Edelsteine, jegliches Gefühl war daraus entschwunden.
„ Mein Name ist Jukka.“
Andariel blickte genauso gefühllos.
„ Du magst dir Menschennamen geben, doch wirst du deinen Dämon nie besiegen. Mord verjährt nicht – Und Verrat noch viel weniger.“
Jukka Hände rasten nach vorn. Schwarze Magie umfloss sie, brach aus den Fingerspitzen hervor und vereinigte sich vor ihm in zwei hundeartigen Gestalten.
Ein Donner erfüllte den Kerkern, ein Sturm brach auf. Die losen Ziegel wurden von den Wänden gerissen und stürzten in diesen schwarzen Strudel. Nur Sekundenbruchteile hielt dieses Bild, dann brach das Inferno los. Mit der Geschwindigkeit eines Blitzes donnerten die Hunde nach vorn.
Andariel wurde an den Schultern getroffen und rückwärts gegen die Mauer geschleudert. Das Gemäuer erbebte, als sie mit aller Wucht dagegen knallte. Irgendwo brach etwas und knirschte bedrohlich, doch es war nicht Andariels Stimme, die da schrie, nein, es war Szarah selbst.
Jukkas Nase war weggefault, sein ganzer Körper hatte eine Metamorphose durchgemacht, die ihresgleichen suchte. Dass er ein Dämon war, war nicht zu übersehen. Knochig stand er da, die Kleider in Fetzten von dem spindeldürren, faulenden Leib hängend, den Körper zur Unkenntlichkeit verwest und die Augen verschwunden im schwarzen Nichts, das die leeren Höhlen füllte, dirigierte er diesen Mahlstrom der Vernichtung gegen die Dämonenkönigin.
Die hintere Mauer platzte weg und Andariel wurde in einen Himmel gehoben, der von schwarzen Wolken zerrissen war, dass es dem jüngsten Tag zur Ehre gereicht hätte. Überall blitzte und donnerte es, die Stadt wurde von einer Flut von Feuer und Explosionen überschüttet, die keinen Stein auf dem anderen ließ.
Mit spielerischer Leichtigkeit dirigierte Ajaton diese Symphonie der Zerstörung gegen die Stadt und die Dämonenkönigin und vernichtete alles, was von dem alten Kult um Andariel noch übrig war.
Dann brach er ab.

Schluchzend fiel er auf die Knie.
„ Nein!“ brüllte er „ Nein! Was habe ich getan.“
Szarah lag vor ihm, blutüberströmt, mehr tot als lebendig.
Der niederprasselnde Sturmregen ließ Jukkas Haare strähnig herab hängen, seine schwarze Gestalt wurde immer wieder von den krachenden Blitzen erhellt.
Er bettete sanft Szarahs Kopf auf seinen Schoß.
„ Zum Glück, du lebst noch.“
Hektisch streichelte er über Szarahs Haar.
Sie sah ernst auf, ihre Augen regungslos, obwohl sie von Jukkas Tränen, benetzt wurde.
„ Du musst mich töten, Jukka.“
Die Worte waren so leise, dass sie in dem donnernden Sturm fast untergingen.
„ Nein.“ Jukka schüttelte den Kopf. „Es ist vorbei. Sie ist tot.“
Szarah lächelte traurig.
„ Belüg dich nicht schon wieder selbst Jukka. Du weißt es genauso gut wie ich. Ich bin mit ihr verbunden, sie steckt in jeder Faser meines Körpers.“
Noch immer wurde der Regen stärker. Sintflutartige Massen stürzen vom Himmel herab und begruben die restlichen Gemäuer unter schlammigen Lawinen.
„ Szarah, ich brauche dich doch. Sie kann dich doch niemals so sehr durchsetzt haben.“
Szarah schloss die Augen und hustete. Ein kleines Rinnsal aus Blut tropfte aus ihrem Mundwinkel.
„ Mein Hass hat sie stark werden lassen. Das ist es, worin ich versagt habe.“
Hektisch fuhr Jukka durch ihr Haar.
„ Aber warum? Deine Liebe schwächt sie, Szarah, wir brauchen dich...“
Szarah atmete tief ein.
„ Jukka, ich kann meinen Hass nicht kontrollieren. Ich hasse alles. Ich hasse diese Welt, hasse die Menschen, die zu so abscheulichen Dingen fähig sind und hasse mich doch selbst, weil das Blut an meinen Händen klebt. Ich weiß, dass meine Eltern starben, ich weiß, wie sie starben. Jukka, du brauchst dir nur die Nachrichten anzuschauen und schon kannst du nur noch Hass empfinden. Mir ist der Sinn unserer Mission verloren gegangen. Ich kann nicht für diese Welt kämpfen Jukka, ich kann es einfach nicht.“
Jukka stammelte:
„Aber, aber Szarah....“
Die hob anklagend ihre zarten Hände.
„ Siehst du es nicht, kannst du nicht das Blut sehen, ich werde es niemals loswerden nie. Ich stinke nach Blut, ich werde es nie loswerden, egal durch welche Absolution. Die Gesichter verfolgen mich, töten mich schon hier. Ich kann nicht mehr.“ Sie schrie „ Ich kann es nicht mehr ertragen, all das Blut, die Morde, überall wo man hinschaut. ICH WILL NICHT MEHR!“
Jukkas Stimme war tonlos, leer.
„ Wenn jemand Blut an den Händen hat, dann doch ich. Verstehst du nicht, ich brauche dich.“
Szarah erhob sich und legte Jukkas Hände an ihren Hals, dann küsste sie ihn und flüsterte.
„ Verzeih mir.“
Jukka weinte, schluchzte hemmungslos und fühlte mit jeder Sekunde wie etwas in ihm zerbrach. Er weinte noch immer, als er zudrückte, er schluchzte im Takt mit Szarahs Zucken und weinte selbst dann noch, als sie schlaff in seinen Armen hing.

Anders ging es Ryan. Er sah nur von fern, wie Jukka Szarah erwürgte, die finale Explosion hatte die Gruppe über die Stadt verstreut zurück gelassen. Er schrie laut auf und rannte los.
Er sah Szarahs Glieder verzweifelt zucken, sah ihren Todeskampf, doch als ihre Muskeln schlaff wurden, da war es ihm, als würde er von einer hellen Wolke gepackt und fortgeschleudert.

Er schlug die Augen auf. Es war dunkel, Nacht. Aber dies war nicht der Urwald in Kurast.
In der Ferne konnte man ein Feuer brennen sehen.
„Danke, Jukka.“ Hörte er eine Stimme.
Da waren zwei Gestalten, deren Körper sich wie Scherenschnitte vor der Kulisse der flackernden Flammen abzeichneten. Noch namenlos, doch mit jedem Schritt gaben sie mehr Details ihrer Identität preis.
„ Lass es dir schmecken.“ Jukkas Stimme, oder zumindest eine Variation davon. Sie klang anders, gefährlicher, kälter, unmenschlicher. Ryan spürte den Dämon in ihm. Er war stark.
Der andere Mann, ein Barbar in antiker Rüstung griff sich das Fleisch und biss beherzt zu.
„ Ich weiß gar nicht, wo du das immer her bekommst, Jukka. Bei Gott, seitdem ich mit dir zusammen unterwegs bin, hatte ich nie Hunger. Das ist mir sonst nie vorgekommen.“
Jukka zuckte, etwas gereizt, die Schultern.
„ Magierglück.“ Er räusperte sich, dann klang er fast schon liebenswürdig, doch auch etwas traurig. „ Ich hoffe es schmeckt dir.“
Der Barbar nickte strahlend. Ryan fragte sich, ob er es nicht bemerkte, oder nicht bemerken konnte.
Jukkas Anblick war furchteinflößend. Seine Augen waren zu Eiskristallen geworden, halb Schlangenaugen, die ein Opfer taxierten, doch ohne deren Gier. Er schien emotionslos lauernd. So betrachtete man vielleicht ein Stück Fleisch aber keinen Mensch.
Aber der Barbar bemerkte es nicht, sondern plauderte fröhlich weiter.
„ Was wir alles erlebt haben. Mann, Mann, wir müssen bei Gott schon jahrzehnte unterwegs sein – und ich kann es immer noch nicht vergessen. Wie du mich damals gerettet hast, vor den reitenden Toten. Ich bin dir für immer verbunden. Bei Gott und bei meiner Barbarenehre.“
Jetzt lag doch etwas in Jukkas Gesicht. Eine schmerzerfüllte Furche zog sich durch seine Stirn und seine Augen schienen zu schmelzen, kurzzeitig.
„ Ist schon gut.“ Die Stimme zitterte.
„ Wie geht’s es eigentlich deinem Bein, ist die Wunde verheilt? Wenn nicht, dann geb ich dir etwas von meiner Salbe. Bei Gott, gebrauchen könnte ich sie noch, doch dir geb ich sie gerne.“
Jukka lächelte.
„ Danke, Thorin, aber es ist fast schon wieder gut.“
Wieder dieser prüfende, lauernde Blick.
„ Ich hab dich wirklich gern Jukka, bei Gott, das habe ich.“ Er gähnte herzhaft „ Ich glaube ich bin etwas müde. Wann werden wir wieder bei uns zu Hause sein? In zwei Wochen? Ich freue mich schon so endlich meine Mutter wieder zu sehen – und meine Frau. Sie sind dir genauso dankbar, wie ich...“
Mit diesen Worten kippte er um. Einfach so. Keine letzte, entsetzte Erkenntnis, dass der vermeintliche Freund ihn verraten hatte. Nein, der große, etwas tollpatschige Barbar fiel einfach zur Seite um und schlief wie ein Baby, mit einem friedlichen Ausdruck auf dem Gesicht.
Ryan schauderte.
Aber Jukka war schon aufgestanden, sein Körper hatte die Gestalt des Dämons, die er auch im Kampf gegen Andariel hatte und sein Gesicht war den Wäldern zugewandt.
„ Erhebe dich aus deinem Versteck, Abtrünniger.“
Mit einer Triade knackender Geräusche erhob sich ein weiterer Dämon und trat aus dem Wald ans Feuer.
„ Hast du das Elixier und das Buch?“
Der andere Dämon nickte und deutete auf den bewusstlosen Thorin.
„ Ist ihm auch wirklich nichts geschehen?“
Jukka nickte.
„Du weist, dass ich dich jagen und aufschlitzen lasse, wenn er beschädigt ist.“
„Sei unbesorgt in nicht mehr fünf Stunden wird der Barbar aufwachen und euch zu Diensten stehen.“
„ Dann geh jetzt!“ verlangte der Dämon.
Jukka nickte erneut, doch bevor er ging, griff er in Thorins Tasche und holte etwas heraus.
Es war Thorins Wundheilsalbe.

Die Szene wechselte und zeigte eine alte Frau, die unverkennbar Thorins Mutter war und ein Mädchen (höchstwahrscheinlich Thorins Frau) die bitterlich weinten und Verwünschungen ausstießen.

In immer schnellerer Abfolge zogen die Bilder vorbei, zeigten Verrat und Mord, Tod und Verderben, alle ausgeführt im Namen einer Hand: Jukka.
Ryans Gehirn schaltete irgendwann ab, es war erfüllt von Trauer, Verzweiflung, Hass und Wut und konnte nichts mehr aufnehmen.
Die Bilder zeigten alle Abgründe menschlichen Lebens, die er sich vorstellen konnte, nichts blieb es aus, Schändungen und Vergewaltigung, es gab nichts, das Jukka heilig zu sein schien, keine Tat zu grausam, kein Gericht zu bestialisch. Weiter und weiter stürmten die Bilder vor Ryans Augen vorbei, es war fast schmerzhaft, sie nur zu betrachten, geschweige denn, sie aufzunehmen.

Erst zuletzt wurde ihr Lauf gebremst.
Dieses Bild kannte Ryan. Es war Kurast und es war nacht.
Er kannte auch die Frau, die dort stand und horchte.
Ihr Gesicht hatte sich wie ein Polaroid in seine Seele gebrannt, hatte er einstmals gesagt und so war es auch. Seine Tanzpartnerin, die, die er so rüde abgewiesen hatte, die die ermordet wurde, ach was, ermordet, bestialisch hingerichtet.
Eine dunkle Gestalt trat hinter ihr aus den Bäumen. Die Frau sah ihn nicht, lief langsam rückwärts geradewegs in ihr Verderben.
Ryan wusste, was kommen würde und allein dieses Wissen reichte aus, dass er sich in hohem Bogen erbrach.
Jetzt drehte sich die Frau erschrocken um, sah den Fremden, wirkte fast erleichtert, bis er sie an den Händen griff.
Kalte Hände, dämonische Hände.
Sein Gesicht sank herab, als wollte er sie küssen, doch dann schlugen sich die Zähne in das Fleisch.
Das konnte nicht sein, dass durfte nicht sein. Ryan schrie, bis er glaubte, seine Lunge würde verbrennen. Er konnte die Augen nicht schließen, war jeder Einzelheit dieser rituellen Schlächtung ausgeliefert. Immerzu dachte er daran, dass Jukka keine zehn Minuten später mit ihm gesprochen hatte, ihm das Gefühl gegeben hatte, ihn zu verstehen. Verdammt, er war ihm so nahe gewesen, dass er sich seinen Gefühlen, die er sonst immer so sehr unter Kontrolle hatte, plötzlich nicht mehr sicher war. Und jetzt das. Er musste sehen, musste fühlen, bis er am Ende zwei wohlbekannte Stimmen hörte.
„ Du hast eins vergessen, Schlampe. Jukka hat noch andere Freunde und die wird er nicht opfern.“
„ Soso. Ja, ich weiß, ich spüre die starke Bindung zwischen euch. Doch sag mir eines, Ryan, glaubst du auch nur einen Bruchteil dessen zu wissen, was dein Freund schon verbrochen hat? Er hat gemordet, Unschuldige getötet. Er ist ein Monster, nicht weniger als ich. Und er ist genauso besessen...“
„ Jukka braucht uns, also werden wir ihm helfen. Dein Gequatsche
interessiert niemanden. Egal ob es wahr oder erfunden ist.“
Das Lachen am Ende überhörte er.

„ Du elendes Schwein.“
Ryans Augen sahen nichts mehr, außer der schwarzen Gestalt, die gramgebeugt über Szarahs Gesicht weinte.
Jukka hob das tränenverschleierte Gesicht, doch auch das sah Ryan nicht. Es war überlagert von der Eiseskälte der ersten Vision, von der Dämonenfratze und ihrem bösartigen Grinsen und von der Blutlust, die er gesehen hatte. Jukka wirkte in diesem Moment grausamer und bestialischer als es alle Dämonen der Welt zusammen hätten können.
Ryans Faust traf ihn frontal ins Gesicht und brach ihm die Nase.
Schmerzsterne explodierten und trübten Jukkas Sicht. Er war noch zu benommen vom Schmerz, als dass er gleich die richtigen Schlüsse hätte ziehen können, doch war das auch unnötig. Ryan brüllte es ihm ins Gesicht.
„ Ich habe es gesehen, Jukka, oder soll ich Ajaton sagen? Ich habe sie alle gesehn, Thorin, Elena, Sarthes, Mikhail, alle, alle!!! Du bist ein Schwein Jukka, ein fieses, ekliges Schwein. Du hast sie getötet, vergewaltigt, du, du, ich spucke auf dich! Was hattest du mit mir vor? Sag es mir, oder ich prügel dir die Seele aus dem Leib. Was wolltest du? Meine Seele, mein Leben, mein Blut? Du bist das letzte...“
Jukkas Welt brach innerhalb von Minuten zum zweiten Mal zusammen. Es war wahr, was Ryan sagte es war schrecklich wahr und das war das grausame an dieser Sache.
Er verdiente jeden dieser Schläge, verdiente jeden Schmerz der Welt, das wusste er. Er hasste sich dafür, hasste sich für alles was er getan hatte, doch wahr ihm diese Situation so fremd.
Er war es nicht gewohnt zu fühlen, er hatte es verlernt jahrtausende war es her und erst Szarah und Ryan hatten ihm wieder seine verstaubten Gefühlswelten gezeigt.
Er brach zusammen, weil alle Hoffnung, von vorne anzufangen mit einem Schlag ausgelöscht waren. Er hatte in Kurast beschlossen Schluss zu machen, es noch einmal zu versuchen, aber die Vergangenheit ließ sich nicht ausschalten, ließ sich nicht abstreifen wie ein altes, stinkendes Hemd, nein sie verfolgte einen, lauerte in den Schatten und trachtete danach einem ins Gesicht zu springen und sich zu offenbaren. Wie jetzt, wie in dieser Minute.
Und in dieser Hinsicht hatte Andariel einen grausamen Sieg davon getragen.
Jukka kapitulierte, kapitulierte vor sich und vor der Welt.
Das letzte, was er noch sagen wollte, bevor er starb kam nur als leises Flüstern über seine Lippen, doch ließ es Ryan und alle anderen auf der Lichtung erstarren.
„ Ich liebte dich.“

„ Was ist mit ihnen?“ fragte Doro und sah sich suchend um.
Sie hatten Ryans Metamorphose mit Entsetzen durchlebt, hatten gesehen, wie er Jukka brutal zusammengeschlagen hatte und hatten mit noch größerem Entsetzen Ryans Offenbarungen über Jukka zugehört. Sie hätten es nicht geglaubt, wäre nicht jedes Wort Ryans von solch grausamen Bildern untermalt gewesen. Sie hatten nicht alles gesehen, was Ryan hatte ertragen müssen, aber das was sie gesehen hatten, das hatte ausgereicht.
Nach Jukkas letztem Bekenntnis waren die beiden zusammengebrochen und so lagen sie jetzt, stocksteif, wie tot auf dem nassen Gras.
Elias sah traurig auf.
„ Nun es war wohl für beide an der Zeit, sich selbst gegenüber zu treten.“
„ Was soll das heißen?“
Elias stand auf und klopfte sich den Dreck von den Kleidern. Er sah alt aus, alt und schwach.
„ Ich weiß es auch nicht. Unsere Gemeinschaft ist zerbrochen und ich glaube es war die letzte Möglichkeit Bheids, um das wieder zu kitten. Wir brauchen sie beide. Und sie müssen zusammen halten. Ich glaube er hat sie ausgeknockt, um ihnen die Möglichkeit zur Besinnung zu geben. Verstehst du, was ich meine.“
Doro schüttelte den Kopf.
„ Nein, ich glaube, Jukka ist tot, ich glaube Ryan hat ihn erschlagen. Sie haben beide keinen Puls und werden langsam kalt Ich will dir gerne glauben, aber, ich weiß nicht. Mein rationales Gedächtnis glaubt einfach nicht daran.“
Elias nickte:
„ Ich versteh dich. Das magische ist manchmal unergründlich. Und ich weiß selbst nicht, ob ich mir das alles nur einbilde, um mich glücklich zu machen. Ich weiß nur, dass ich müde bin und dass ich mich alt und schwach fühle. Ich bin überlastet, Doro, ich brauch Ruhe. Dringend.“
„ Was willst du tun?“
„ Ich werde zurück nach Lut Golein gehen. Vielleicht finde ich dort meinen Frieden? Ich muss mit Bheid sprechen, muss herausfinden, was die Prophezeiung sagt... Ich weiß nicht, ich will einfach nach Hause. Ich fühle mich wie ein Zugvogel zum Winterbeginn. Oder wie einer, der kurz vor dem Tod noch einmal nach Hause will, Abschied nehmen.“
Doro schaute ihn entsetzt an:
„ Hey, Elias. Du wirst nicht sterben...“
Dabei wusste sie selbst nicht, ob es nur eine Lüge war. Eine Lüge gegen sich selbst und gegen Elias.
Elias aber hatte keine Lust, näher darauf einzugehen.
„ Was auch immer. Ich glaube dort finde ich am ehesten eine Lösung. Kommst du mit mir?“
Doro schüttelte den Kopf:
„ Nein, ich werde hier bleiben und warten. Ich habe hier gefunden, wonach ich mich ein Leben lang gesehnt habe. Ich glaube, dass ist auch meine letzte Chance meinem Leben einen Sinn zu geben, der abseits von Prophezeiungen und Abenteuern liegt. Ich möchte einfach ein normales Leben führen, ein Kind bekommen, es großziehen und das Wunder neuen Lebens sehen. Ich habe genug Leben genommen, es ist an der Zeit, dass ich auch welches gebe.“
Elias nickte:
„ Wir alle verändern uns. Ich hoffe nur, dass es nicht wieder siebzig Jahre dauert, bis wir uns wiedersehen, denn ich fühle Bhaal da draußen. In seinem Versteck sammelt er die Finsternis wie ein Gewitter um sich. Und wir müssen vorbereitet sein, wenn er aus dem Versteck tritt.“
Sie umarmten sich. Beide hatten Tränen in den Augen.
Elias sagte leise:
„ Ich nehme die Drei mit.“ Aber Doro verneinte, ebenso leise.
„ Ich glaube, sie wollte hier begraben werden. Sie war ein Kind des Waldes, Lut Golein wäre der falsche Ort für sie.“

Und so begruben sie Szarah im Wald von Kurast. Ein kleiner Stein schmückte das Grab, auf dem Bald wilde Pflanzen leben würden. Kleine, zarte Pflanzen – und so hatte auch sie mit ihrem Tod noch Leben gespendet anstatt zu nehmen.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer am düsteren Horizont.

Ende des zweiten Akts...

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So nachdem ich festgestellt habe, dass wir den Überschriften nach eigentlich immer noch im Prolog sind, habe ich mir kurzerhand gedacht, die Geschichte in drei Akte zu unterteilen, sozusagen Dramenmäßig (um genau zu sein, diese Idee ist mir in der mündlichen Deutschprüfung gekommen und jetzt habe ich sie umgesetzt hähä), wobei das letzte Kapitel (nein, Szene, es heißt Szene, wenns ein Drama ist :D ) nun Katastrophe und Peripeptie (also den Umschwung) enthält. Hier beginnt jetzt die fallende Handlung, die (mit einem retardierenden Moment) auf die Katastrophe zusteuert (wobei ich mir keine größere Katastrophe als die Situation jetzt gerade eben vorstellen kann, aber naja...)
So betrachtet wäre der Prolog die Exposition und der Diebstahl des Buches das erregende Moment....

Ein Hoch auf unsere Schulweisheit...

Aber irgendwie ist mir aufgefallen, dass meine Leute (Elias, Doro und Ryan) im Verlauf des "Dramas" ganz schön gealtert sind (mental gesehen). Ich hoffe das sagt nichts über meine Geistesverfassung aus...
Bin ich jetzt ein Spießer?
Ach, naja, auf jeden Fall herzlichstes Dankeschön für die Betrachtung der letzten "Szene"

PS: Gott, bin ich froh, dass das Abi vorbei ist!!!!

:D :D :D :D :D :D :D
 
Ich bin extremst begeistert von dem Plot zwischen Ryan und Jukka! Vor allem dass Jukka wohl das Mädchen getötet hat das Ryan gerade... und dann ... ja, wie gesagt, einfach genial! :D

Aber zu wem sagt Jukka nun am Schluss der ihn liebte, Szarah oder Ryan ;)


Kleines Gemotze: "mehr tot als lebendig" ist ein Wortspiel an der flaschen Stelle. Es kommt ironisch an einer Stelle die dramatisch sein soll.

Und das klassische Drama hat eigtl 5 Akte ;)
 
Ach vielleicht schreib ich ja noch ne Weile:D

Eigentlich zu beiden...

Hattet ihr eigentlich schon mal das Gefühl zwölf Jahre lang latent sinnlos in der Schule gesessen zu haben, nur damit ihr dann in 3*5 + 1*1/2 geprüft werdet, einen Zettel in die Hand bekommt, auf dem steht Abitur und ihr dann mit dämlichen Leuten auf einen verfluchten Abiball dürft?
Ich meine, vielleicht ist das die Post-Prüfungs-Depriphase, aber mir kommt das alles soooooo sinnlos vor...

*rumheul*

Versteht mich jemand???
 
Okay, dann versteht mich halt keiner *grummel*
Auf jeden Fall hier die nächsten Kapitel

Akt III - Bhaal

Heimkehr
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Doro erreichte den Tempel erst spät am Abend. Verlassen lag der Hof vor ihr, doch sie sah, dass es die Kuraster geschafft hatten, die schlimmsten Hinweise auf die Zerstörung zu beseitigen. Außerhalb der Mauern türmten sich schwere Steinbrocken und Schutt, doch innen hatte der Aufbau begonnen.
Das Blut war verschwunden, die gröbsten Löcher gekittet.
Das Leben kehrte zurück.
Nur ganz kurz blieb sie stehen und sah über ihre Schulter zurück.
Dort lag das alte Leben, dort lag das Abenteuer, das wilde, sprudelnde Leben. Sie lächelte.
Manchmal brauchte es Unheil um Wunder zu vollbringen.
Sie kniete nieder und fand endlich die Kraft, sich von Szarah zu verabschieden.
Sie sprach leise und langsam. Ein Gebet, dass sie endlich den Frieden finde, den sie hier nicht haben konnte.
Eine warme Hand lag plötzlich auf ihrer Schulter.
Sie brauchte nicht aufzusehen, um zu wissen, wer es war. Sie fühlte die Liebe, die seine Hand ausstrahlte körperlich. Es ließ sie angenehm erschaudern, genau wie die tiefe, sanfte Stimme.
„Willkommen zu Hause, Kämpferin“
Sie folgte ihm ohne noch einen weiteren Blick zurück zu werfen.

Elias hatte sich nach Doros Abschied noch nicht gerührt. Er saß auf einem Stein und wartete, kaute auf einem Grasstengel.
Er wartete absichtlich, denn er hatte das gleiche Ziel wie Doro, aber er wollte, dass sie diesen Weg alleine zurücklegte, dass sie trauern konnte, Abschied nehmen konnte.
Er wusste, dass sie diese Einsamkeit brauchte, um endgültig Abschied zu nehmen und er wollte ihr diese Möglichkeit geben, auch wenn er noch so gerne ihre Wärme gespürt hätte. Dieses letzte bisschen Wärme, dass ihm noch die Hoffnung gab, dass alles ein gutes Ende nehmen konnte.
Er war sich sicher, dass Ryan und Jukka nicht tot waren. Das hatte ihm eine Stimme tief im Inneren verraten, aber er wusste nicht, ob Bheids Maßnahmen fruchten konnten. Ryans Hass war so elementar gewesen und Jukka so zerstört, dass es schon ein Wunder brauchte, beide wieder aufzurichten.
Und selbst wenn die Gemeinschaft grob gekittet war (Elias machte sich keine Hoffnungen, es würde nie wieder so werden wie früher), blieb immer noch das Problem, dass Szarah tot war, unwiederbringlich verloren und dass sie ohne die Druidin die Kraft Lemurias nicht beschwören konnten und somit keine Möglichkeit hatten, Bhaal gegenüber zu treten.
Es bestand kaum Hoffnung, dass auch nur einer von ihnen überleben würde und das war der eigentliche Grund, weshalb er nach Lut Golein zurück wollte. Der eigentliche Grund hatte ihm geschworen, geduldig zu warten, bis er zurückkam – Und er wollte sie nicht enttäuschen und vor seinem Tod nach Hause zurückkehren.
Als die Sterne den Himmel wie Diamantenstaub glitzernd färbten erhob er sich. Alle seine Gelenke knackten, aber er streckte sich und lief los. Die beiden Körper schwebten hinter ihm.
Auch er fand den Tempel verlassen vor. Still und friedlich.
Nur in einem Fenster brannte noch Licht. Warmer Kerzenschein drang heraus und untermauerte den friedlichen, hoffnungsvollen Anblick noch.
„ Ich wünsche uns allen viel Glück.“ Flüsterte Elias und lächelte.
Im Keller des Tempels befand sich ein Teleporter.
Vielleicht war es Intuition gewesen, ihn auf der Hinreise nicht zu benutzen, vielleicht hatte er es auch schlichtweg vergessen.
Wie so vieles. So viele verpasste Chancen.

In Lut Golein war noch später Nachmittag, als Elias aus dem Teleporter stieg.
Die Gespräche verstummten, als ihn die anderen Magier sahen.
Er aber beachtete sie gar nicht. Seine Schritte waren zielgerichtet. Sie suchten ein bestimmtes Zimmer.
Als er die Tür öffnete, saß sie am Fenster und wand ihm den Rücken zu.
Elias schloss die Tür.
„ Endlich.“ Sagte sie und drehte sich um.
Sie sah ihm in die Augen.
„ Deine Suche ist noch nicht zu Ende Elias, warum kommst du schon jetzt?“
Elias schüttelte den Kopf und näherte sich ihr.
„ Lass uns nicht jetzt darüber reden, Anja.“
Dann küsste er sie.


Geheimnisse
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Einige Minuten später lösten sie sich aus ihrer Umarmung.
Anja schaute Elias noch einmal ins Gesicht.
„ Du bist älter geworden.“
Elias nickte.
„ Nur für dich.“
Dann küsste er sie wieder.
Es stimmte. Als Elias die Burg verlassen hatte, war er siebzehn gewesen, rein körperlich betrachtet und sie siebzig.
Er hatte sie zwanzig Jahre nach dem Kampf mit Diablo kennen gelernt, lange nachdem sie die Suche nach dem Ringstein aufgegeben hatten. Damals war sie zwanzig, er siebenunddreißig.
Jetzt sahen sie beide aus wie vierzig, obwohl jeder von ihnen dieses Alter längst überschritten hatte.
„ Es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht habe. Ich habe immer für dich gebetet und gehofft von dir zu hören. Aber ich wagte es nicht, dir nachzukommen.“
Elias streichelte durch das lange, schwere Haar seiner Freundin.
„ Ich habe dich auch vermisst. Immer und überall. Aber es war gut, dass du nicht gekommen bist. Du wärst vermutlich gestorben, wie so viele.“
Sie sah ihn ernst an.
„ Ein Krieg kann nie ohne Opfer geschehen. Du gibst dir doch hoffentlich nicht die Schuld dafür, oder?“
Elias wand sich wie ein Aal, bevor er antwortete:
„ Nein, das heißt, ein wenig schon. Ach, ich weiß nicht. Ich weiß, dass ich nichts hätte tuen können, aber als wir aus dem Tempel kamen und ich die Toten sah, da hab ich mir gewünscht, dass ich etwas getan hätte.“
Sie streichelte ihn:
„Wenn du etwas anderes getan hättest, dann würde vielleicht jetzt schon die ganze Welt in Flammen stehen.“
Elias nickte und küsste sie.
„ Ich liebe dich so sehr.“
„ Ich dich doch auch, Elias.“

Als sie am späten Abend nebeneinander lagen, streichelte sie sanft seinen Rücken. Elias schlug die Augen auf und sah in ihre dunklen, fast schwarzen Augen. Auch seine Hände wanderten über ihren kleinen Körper, streichelten die warme, glatte Haut..
Sie legte ihre Lippen an sein Ohr und flüsterte.
„ Eins musst du mir noch verraten. Warum hast du deinen Freunden nichts von mir erzählt?“
Elias überlegte eine Weile, bevor er antwortete.
„ Nun zuerst wollte ich nicht, dass du mit in diese Sache hineingezogen wirst, ich wollte dich ihnen vorstellen, wenn es vorbei war – Und dann, in Kurast, da wurde es mir klar, dass sie, wenn sie es gewusst hätten, versucht hätten, mich aus allem Gefährlichem herauszuhalten. Sie hätten ständig versucht mich zu beschützen, weil ich der einzige Mensch war, der sich noch um einen anderen zu kümmern hatte. Das wäre zwar nett, aber in dem Falle tödlich... Du glaubst doch nicht, ich hätte...“
„ Nein.“ Sie legte ihm den Zeigefinger auf den Mund „ Ich verstehe dich.“
Ja sie verstand ihn. Verstand ihn nur zu gut. Schließlich ging es ihr ähnlich. Sie trug trotz ihres hohen Alters ein Kind unter dem Herzen. Und auch sie würde ihm nichts erzählen, weil auch sie nicht wollte, dass jemand starb, weil ihr Mann übervorsichtig war.
Das könnte sie sich niemals verzeihen.

Träume
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Der Ausgangspunkt der Reise als Endpunkt. Der Kreis beginnt sich zu schließen.
Ryan war sich sicher, dass er gestorben war, er konnte sich zwar nicht vorstellen, woran, aber das hier war weder die Realität, noch ein Fiebertraum. Für das eine war es zu real, für das andere zu irreal.
Er war wieder zu Hause, oder dort, wo er sich zu Hause fühlte.
Das war sein Wald, seine Bäume, sein Spielplatz.
Er fühlte sich fast wieder, als ob er fünf Jahre alt wäre und hierher gekommen war, um zu spielen. Die Bäume waren noch unversehrt von den feindlichen Truppen und ragten grün und saftig in die Höhe.
Was sollte er hier?
Er war keine fünf Jahre alt, sein Gedächtnis funktionierte und auch sein Körper war bedeutend gereifter.
„ Nun, du bist hier, um zu verstehen, Ryan.“

So sollte es am Ende doch alles gut werden. Die Stimme allein reichte aus, um Ryans Verwirrung zunichte zu machen.
Es war ein Gefühl der Heimkehr, auch für ihn.
„ Was zu verstehen?“ fragte er, als er sich umdrehte.
„ Deine Rolle in diesem Spiel, Ryan.“ Antwortete sein Vater.
Ryan schüttelte den Kopf.
„ Meine Rolle ist vorbei. Ich bin zu Hause, ich will niemals mehr dorthin zurück. Ich will es nicht mehr sehen.“
Sein Vater setzte sich hin und forderte Ryan mit einer Geste auf, es ihm gleichzutun.
„ Du musst, Ryan.“
Ryan schüttelte den Kopf zum zweiten Mal, diesmal bestimmter.
„ Nein, ich kann es nicht mehr, ebenso wenig wie Szarah. Ich habe immer an das Gute im Menschen geglaubt. Immer. Aber heute bin ich auf so ekelhafte Weise betrogen worden, dass ich es einfach nicht mehr kann. Soll die Welt ruhig brennen. Vielleicht ist es gut so.“
„ Glaubst du das wirklich?“ fragte der Vater.
Ryan nickte und flüsterte.
„Wenigstens würde dann der Schmerz aufhören.“
Doch sein Vater wiederholte nur seine Frage:
„ Glaubst du das wirklich?“
„ Ja verdammt.“ Ryan stampfte mit dem Fuß auf die weiche Erde „Diese Welt ist nichts wert, wenn sie durch Hass regiert wird. Was treibt denn den Menschen voran? Gier, nur die Gier ist unser Überlebenstrieb. Wir hasten durch die Welt, ohne zurück zu schauen, was wir erreicht haben. Wir wollen mehr, mehr, mehr und die Freunde die wir zurück lassen, sind uns scheißegal! Wozu soll man diese Menschen retten? Nur durch sie können die Dämonen doch Fuß fassen. Also sollen sie sehen, wohin das führt!“
Sein Vater blickte ihm fest in die Augen:
„ Ist es wirklich das, was du für Doro und Elias fühlst?“
Ryan stockte.
„ Nein, natürlich nicht.“ Sagte er vorsichtig und leise „ Aber wer weiß, was die hinter meinem Rücken tun?“
„ Hast du da Bedenken?“
„ Ich weiß es nicht. Ich bin so verwirrt... Ich möchte einfach meine Augen zumachen und schlafen.“
Sein Vater nickte.
„ Deshalb bist du hier. Um deine Verwirrung zu klären und zu verhindern, dass du etwas tust, was du bereuen wirst. Die Opfer dürfen nicht umsonst sein! Nicht aus diesem Grund.“
Ryan streckte sich im Gras aus und dachte daran zurück, wie es war, als er noch fünf Jahre alt war. Aber die Erinnerung wollte nicht kommen. Die schlichte Einfachheit dieser Zeit, die Unbeschwertheit, das alles schien so fern von ihm, als wäre es ein Anderer gewesen, der es gefühlt hatte.
Schließlich gab er auf.
„ Jeder Schritt, den ich gehe, zeigt mir etwas Schreckliches. Jedes Wissen, dass ich über diese Welt bekomme, zerstört mein Bild von einer heilen Welt. Unsere Welt ist krank. Und ich glaube nur eine Apokalypse kann die Menschen dazu bringen, umzudenken.“
Die Finger des Vaters strichen durch das nasse Gras.
„ Nicht einmal das, Ryan. Sie würden vergessen, so wie sie alles vergessen haben. Selbst wenn sie die Apokalypse durchleben müssten, würden sie wieder so von vorn anfangen. Solange sie diese Barriere im Kopf haben. Die psychische Manifestation der Übel. Nicht der Mensch ist schlecht. Der Mensch sehnt sich nach Liebe, Freundschaft, Zuneigung. Es ist die Umwelt, die ihn dazu bringt. Und die kannst du nicht abschalten.“
Ryan begann Grasbüschel aus der Erde zu graben.
„ Warum sollten wir ihn dann retten, wenn alles sowieso so sein wird, wie vorher? Lassen wir ihn verrecken. Das Universum wird weiter bestehen.“
„ Findest du die Lösung nicht ein bisschen zu einfach? Längst nicht jeder Mensch ist schlecht.“
„ Und Gott sagte, zeige mit zehn Menschen in Sodom und Gomorra, die reinen Glaubens sind und ich werde die Städte verschonen. Doch sie fanden nicht einmal die. So steht es in der Bibel. Selbst Gott hat diese Städte vernichtet, um die Erde von dem Bösen zu reinigen.“
Ryans Vater ergriff ihn bei den Händen.
„ Diese Geschichte ist alt, Ryan. Ein vernünftiger Mensch sollte seine eigenen Maßstäbe haben und nach diesen Leben.“
Ryan standen die Tränen in den Augen.
„ Ich weiß aber nicht, wie, ich weiß es doch nicht. Wie soll ich handeln, wenn ich nicht mal weiß, was ich tun sollte?“
„ Ryan, du bist einer der wenigen Menschen, die die Menschheit durchschaut haben. Ist es da nicht deine Pflicht, andere um dich zu scharen und ihnen dieses Wissen zu vermitteln? Und wenn dir nur zehn Menschen glauben, so hast du doch zehn Menschen geholfen und die Welt besser gemacht. Vielleicht ist es das, wozu wir bestimmt sind. Wenn die Dämonen Zwietracht und Unheil sähen, sollten wir nicht Friede suchen?“
„ Und dafür töten?“ fragte Ryan zweifelnd.
„ Es liegt in jedes Menschen ermessen, wie er seine Aufgabe bewältigt. Du sollst nicht über andere Menschen richten. Ryan, verstehst du nicht? Du hast Jukka die Augen geöffnet, du hast ihm geholfen, auf den richtigen Weg zu kommen, seine Menschlichkeit zu finden. Es sind die Teufel, die versuchen, genau das zunichte zu machen, weil es euch stark macht!“
„ Willst sagen, wir sind Kämpfer Gottes?“
Der Vater schüttelte den Kopf.
„ Wenn es einen Gott, als Gegenstück zu Diablo gibt, so ist er mindestens eben so grausam. Der Kampf um die Menschen ist letztendlich nur ein Territorialkrieg und in diesem Sinne ist Gott der Anführer einer Armee. Nicht für diesen Gott sollt ihr kämpfen, sondern um euch. Dafür, dass ihr das tut, was ihr für richtig haltet und versucht soviel Gutes zu schaffen, wie möglich. Wenn du das als Quintessenz aus der Bibel ziehst, so seid ihr Kämpfer Gottes. Aber nicht Kämpfer des „Gott im Himmel“, sondern Kämpfer eines gütigen, menschlichen Gottes. In diesem Sinne seid ihr vielleicht selbst Gott, wie jeder Mensch, der Gutes schafft.“
In diesem Moment fiel Ryan in die Arme seines Vaters.
„ Ich habe dich so vermisst.“

Jukka wanderte einsam durch die dunklen Fiebervisionen seiner Alpträume. Sein Schmerz begann abzukühlen, seine Nervenenden schienen zu sterben. Er fühlte wie er eiskalt wurde und sein Bewusstsein einen klaren Gedanken formte.
Es war zu Ende. Das stand fest. Zu Ende, für ihn, für die Gruppe, für die Welt.
Szarah hatte es beendet und nun lag es an ihm, seinen Teil in dieser ganz privaten Tragödie zu spielen.
Er würde sterben müssen.
Wie Szarah.
Sie war gestorben, um sich vor ihrem Dämon zu retten und ebenso musste er verhindern, dass das Ungeheuer in ihm wieder mächtiger wurde.
Auch dieses kleine Ablenkungsmanöver Bheids würde ihn nicht davon abhalten.
Er war kein Mensch, war nie einer gewesen - Wie hatte er sich nur jemals einbilden können, dazu zu gehören?
Hatte er geglaubt, das Schicksal würde ihm verzeihen?
Wahrscheinlich.
Aber am Ende schlug das Schicksal eben doch immer zurück. Und irgendwann erwischte es den wunden Punkt deiner Deckung, wie ein Boxer, der beharrlich alle Schwachstellen des Gegners abtastete, um dann die Niere, oder den Kopf, oder in diesem Falle das Herz zu erwischen.
Es war so sinnlos. So sinnlos.
Ein einzelnes Gesicht stieg aus der Dunkelheit hervor.
Der Mund formte nur zwei Wörter, die gegen das apokalyptische Tosen der Alptraumwelten fast versanken.
„ Erinnere dich!“

Danke an alle, die's gelesen haben.
Gibt ein kleines Jubiläum zu feiern, mein Baby ist jetzt schon dreihundert Seiten groß... *freu*
Nuja, bis bald denn!
 
Augenblick..... Ryan hatte eine "unbeschwerte" Kindheit?! Das ist mir allerdings neu o_O
Wurde er nicht auf irgendeinem Planetoiden versklavt und in Minen geschunden?

Der Absatz über Gott ist verdammt gut... hat mich nachdenklich gemacht.
 
nun,

ich habe gelesen und gesehen, dass es gut ist.

ich hoffe dann mal auf eine baldige fortsetzung.

Gruß, Helldog
 
Ich hab die Tippfehler, die ich gefunden habe rausgemacht und hoffe, dass es jetzt fehlerfrei ist.
Das nächste Up kommt bestimmt am Freitag (wenn ich mit der Zeitkalkulation nicht wieder zu optimistisch bin).

@Saturn: Als Jukka fünf war kamen die bösen Soldaten doch erst. Ich meinte die Zeit davor...

Nun ja, ich habe mit Gott, so wie er von vielen interpretiert wird nun mal ein ganz persönliches Problem, deshalb der Absatz. Ich glaube, dass es diese Gottesmanifestation ist, die Menschen dazu treibt, schreckliches anzurichten, so wie es die Institution Kirche schon oft getan hat. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich da ja nachtragend, zu nachtragend eventuell, aber eben das ist mein Glaube.
Ich finde, dass solche Stellen wie Sodom und Gomorra, oder die Offenbarungen die Bibel entwerten. Deshalb werden sie wahrscheinlich auch z.B. in der Christenlehre, oder dem Konfirmandenunterricht völlig außen vor gelassen.
Ich meine, wie kann Gott (der Nächstenliebe und Friede predigt) im letzten Kapitel seines Buches verkünden, er wolle alle Ungläubigen quälen und vernichten???
Versteht mich nicht falsch, ein Großteil der Bibel ist gut, und ich finde man muss diese Stellen nehmen und für sich interpretieren, sich gegenüber ehrlich sein, eigene Schlüsse ziehen und erkennen, was zu tun ist...
Auch die Institution Kirche (die ich eigentlich nicht mag) hat durchaus gute Seiten. Sie gibt gerade alten, schwachen und kranken Menschen halt, gibt Anderen einen Lebenssinn und in dieser Hinsicht ist die Kirche auch gut...
Aber das muss jeder für sich entscheiden. Letztendlich ist Glauben eine ganz persönliche Sache.
Wenn ich dich zum Nachdenken gebracht habe Saturn, dann freut mich das!
 
Aloa barb@work,

um mal einen Kommentar zur aktuellen Sig loszulassen
- Schweigen geht nicht, dafür gibt's den Threadcounter
- Wenn's nichts zu meckern gibt, sollte man die Klappe halten
- Wenn's was zu loben gibt, ist's Dir sicher auch lieber, wenn's etwas konkreter ist als nur "toll, mach weiter so"
- Eine Bewertung in Sternen ist auch nicht wirklich aussagekräftig, oder ?

Ich finde Deine Story gut, aber man merkt, daß Andere hier sich die Story wesentlich enger zurechtgelegt haben (Reeba:Saggara oder Stalker_Juist:Die Prorektoren) bevor die einzelnen Kapitel heruntergeschrieben werden. Einige Mäander bleiben weg und es besteht nicht die Gefahr, daß es zu einer Soap wird. Man merkt Dir allerdings an, daß Du Deine Charaktäre magst.

Unter drachental.de gibts vielleicht ein paar Beispiele zur Anregung, die auch über die Diablo-Welt hinaureichen.
 
Danke für die Hinweise Systemerror...
Du hast sicherlich in vielen Punkten Recht, gerade was das posting-verhalten betrifft... Aber tortzdem ist es schön Feedback zu bekommen, oder?
Es zeigt irgendwie, dass sich die Leute mit dem gelesenen auseinander gesetzt haben und ihre Meinung dazu sagen... Wenns natürlich nur auf "toll" oder "scheiße" hinausläuft ist es nicht hilfreich. Da stimme ich dir zu.

Und das Problem mit dem Abschweifen habe ich seit eh und jeh.
Nicht dass du glaubst, ich hätte das jetzt überhaupt nicht geplant und einfach nur drauf losgeschrieben. Es gibt durchaus ein Konzept, nur beim Schreiben fallen mir dann immer wieder Sachen ein, die die Story (meine Meinung nach) bereichern und die ich auch nicht missen möchte.
Und letztendlich snd 300 Seiten für eine Forenstory zwar sicher relativ lang, aber im Großen und Ganzen gesehen kenne ich kaum gute Fantasy-Geschichten, die kürzer sind.

In diesem Sinne, danke für die Kritikpunkte
Und hier das neue Kapitel


Die letzte Reise
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Still schritt er weiter, seine Augen hatten keine Tränen mehr, die er vergießen konnte.
Zuviel war geschehen in den letzten Tagen, als dass er über die Unzulänglichkeiten seines eigenen Lebens noch hätte weinen können.
Er schritt eine lange, staubige Straße entlang. Gelber und orangefarbener Sand wehte ihm ins Gesicht, doch das machte ihm nichts aus. Die Straße war von leeren Häuser gesäumt, deren Türen im Wind hin und her schwangen.
Wenn er durch die Fenster sah, erblickte er Szenen aus seinem Leben.
Es war wie am Jüngsten Tag, dachte er. Eine finale Abrechnung mit seinen Taten. Links die Guten, Rechts die Schlechten. Eine Wagschale, deren Verhältnis immer schlechter wurde, je weiter er schritt.
Doch Jukka blieb stumm. Einsam schritt er die staubige Straße seines Lebens entlang, blickte zurück und versuchte Hoffnung zu schöpfen, wo es keine Hoffnung gab.
Die Erinnerung ist oft eine undankbare Erfahrung.
Er bemerkte nicht die Augen, die jeder seiner Bewegungen folgten.
Ryan war nur wenige Schritte hinter ihm.
Auch er sah die Bilder und war hin und her gerissen zwischen Entsetzen und wachsendem Verständnis.

„ Guten Morgen, mein Schatz.“ Ein sanftes Rütteln weckte Elias aus den Träumen.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, wie ihm ein Blick durch das Fenster offenbarte. Er musste lange geschlafen haben.
„ Es ist zwölf Uhr mittags, Langschläfer.“ Neckte ihn Anja „ Andere Menschen arbeiten schon seit Stunden.“
Elias räkelte sich. Er fühlte sich so wohl, wie seit langem nicht mehr – und für einen Moment glaubte er, endlich das richtige Glück gefunden zu haben.
Doch dann kamen die Erinnerungen.
„ Was hast du denn? Du siehst gar nicht gut aus.“
Elias rieb sich die Schläfen und richtete sich auf.
„ Ich glaube, ich habe einfach zuviel gesehen. Es lässt mich nicht mehr los...“
Sie nahm ihn in die Arme.
„ Hey Kleiner, nicht den Mut verlieren. Wir kriegen das wieder hin.“
Sie küsste ihn auf die Stirn.
„ Ich wünschte ich könnte auch daran glauben. Aber dafür bin ich wahrscheinlich zu sehr Realist.“
Anja wuschelte ihm durch die Haare.
„ Pessimist mein Lieber. Pessimist.“
„ Die Grenze verläuft fließend.“
Sie ließ ihn unvermittelt los.
„ Dann wollen wir doch sehen, ob wir die schlechte Laune bei einem schönen Frühstück vertreiben können, hm?“

Als Elias unter der Dusche stand und das warme Wasser über seinen Körper perlte, spielte er zum ersten Mal mit dem Gedanken, den Vergessen-Zauber auf sich selbst anzuwenden.
Seine Macht war groß genug, um sein Gehirn in kürzester Zeit zu grillen. Was schadete es, wenn dabei ein paar Sicherungen durchbrannten?
Er hatte Lust, alles hinter sich zu lassen, die Bilder zu vergessen und ein neues Leben anzufangen.
Warum sollte er sich eigentlich um alles kümmern?
Er wollte einfach nur noch einmal von vorne anfangen.
Nein, nicht von vorne anfangen, vielmehr wollte er unter anderen Voraussetzungen weitermachen.
Er dachte an Anja, an den gedeckten Tisch, die Blumen.
Es war ein Bild so vollkommenen Friedens gewesen, ein Bild, dass er sich jeden Morgen wünschte.
Er wollte mit Anja studieren, unterrichten, wollte mit ihr um die Welt reisen, vielleicht könnten sie sogar noch ein Kind haben, wenn der Jungbrunnen Magie stark genug in ihnen war.
Es war nicht einmal ungewöhnlich, dass Magierinnen in Anjas Alter noch Kinder bekamen, da die magischen Kräfte den Alterungsprozess der Körper aufhielten.
„Hirngespinste.“ Sagte er laut und drehte das Wasser ab.

„ Mit wem hast du dich denn unter der Dusche unterhalten.“ Fragte Anja, als er in ihre Wohnstube kam.
„ Ach, ich habe fantasiert, wie es wohl wäre, mit dir ein normales Leben zu führen.“
„ Wenn du die Welt gerettet hast, werde ich auf dich warten. Ich und...“
Sie verstummte.
„ Du und wer?“ fragte Elias, aber Anja schüttelte den Kopf.
„ Ich und alle deine Freunde, Kollegen, wie auch immer.“
Sie deutete auf den gedeckten Tisch.
„ Hast du denn gar keinen Hunger?“
Sie nannte sich selbst einen riesigen Idioten, als sie Elias dabei zusah, wie er Stück für Stück den Tisch leer putzte. Zum einen dafür, dass sie sich ihm nicht offenbart hatte, zum anderen dafür, dass sie das Thema angeschnitten hatte.
Sie wusste nicht was sie tun sollte. Zum einen wollte sie nicht, dass sie ihm etwas verheimlichte, zum anderen wollte sie ihn nicht noch unnötig belasten.
„ Wenn ich zurück komme, könnten wir dann...“
Elias verschluckte den Rest des Satzes.
Nun war es an ihm sich Idiot zu nennen. Warum sollte er sie mit schönen Gedanken belasten, wenn er doch eh’ nie zurück kehren würde?
„ Könnten wir was?“ Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit.
Könnten wir dann...“ Er zögerte „Ein Kind haben?“
„ Oh Elias.“ Sie umarmte ihn und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. „ Ja, ja, und noch mal ja.“
In diesem Moment regte sich etwas in ihrem Bauch. Sie konnte es kaum fassen. Das Kind hatte sich bewegt. Jetzt. Zum ersten Mal.
Freudentränen rannen ihre Wangen hinab.
‚Es ist unser’ dachte sie ‚Fühlst du es, unser Beider Leben.’

Am späten Nachmittag erwachten Jukka und Ryan fast gleichzeitig aus ihrer Starre. Elias, der gerade dabei war den Tropf nachzufüllen, der die beiden intravenös mit Nahrung versorgen sollte, erstarrte in seiner Bewegung, als sich Ryans Augen öffneten.
„ Hi.“ Sagte er.
„ Hallo.“ Ryans Stimme klang gedämpft, irgendwie tonlos.
„Wie geht es dir?“
„ Ganz gut soweit.“ Er räusperte sich „Keine Beschwerden, außer dass meine Hände brennen wie Feuer.“ Er betrachtete die Wunden Knöchel „ Ich hab ihm ganz schön zugesetzt, oder?“
Elias nickte.
„ Aber mach dir keine Sorgen, wir haben ihn wieder zusammen geflickt. Du weißt doch, Magie heilt alle Wunden.“
„Schön wär’s ja.“ Purer Sarkasmus troff unbeabsichtigt mit diesem Worten hervor.
Elias verzichtete auf eine Antwort.
„ Nimmst du bitte den Schlauch aus mir raus?“ fragte Ryan nach einer Weile.
„Was, äh, klar.“
Elias konzentrierte sich auf das hier und jetzt. Er würde weder auf Ryan, noch auf Jukka den Vergessen Zauber wirken. Es war nicht gut, das schlechte zu vergessen. Man musste seine Lehren daraus ziehen, sonst waren die Schmerzen umsonst.
Langsam zog er die Nadel aus der Vene.
„ Danke.“ Ryan setzte sich hin und sah in Jukkas Augen, die still auf ihn gerichtet waren.
„ Ryan, ich...“
Ryan sah ihn an. In seinem Inneren tobte ein Kampf. Ein Kampf zwischen der Vernunft und dem Wille Jukka seine Faust ins Gesicht zu rammen.
Die Vernunft siegte.
„ Sei still. Ich habe das gesehen, was du gesehen hast. Das beste ist, wir belassen es dabei.“
Jukka nickte still und schluckte den Kloß hinunter, der in seinem Hals saß.
„Wo ist Doro?“ fragte Ryan.
„ Sie hat sich entschieden in Kurast zu bleiben, bei Askhadius. Sie hilft beim Bau des Tempels.“
Anja trat neben ihn.
„ Hallo.“ Sie streckte zuerst Ryan, dann Jukka die Hand hin. „ Ich bin Anja.“
Ryan nickte und stellte sich vor, Jukka beließ es bei einem Lächeln.
Anja tat so, als wäre weiter nichts, aber Elias beschloss, das Geheimnis endlich zu lüften.
„ Anja ist seit langen Jahren meine Lebensgefährtin.“
„ Bitte was?“ fragte Ryan.
„ Ja.“ Elias nickte. „ Wir sind seit fünfzig Jahren ein Paar.“
Ryan schüttelte den Kopf.
„ Warum hast du nie etwas davon erzählt? Wir hätten viel besser auf dich aufpassen können.“
„ Und wärt dabei gestorben?“ fragte Anja „Genau darum hat er es euch nicht erzählt.“
Ryan stand vorsichtig auf.
„ Wenn du willst, dass wir es alleine zu Ende bringen, dann machen wir das.“
„ Ihr?“ Elias lachte auf. „Ihr würdet es ohne mich doch nicht mal bis zum Schicksalsberg schaffen.“
„Woher weißt du, wo sich Bhaal befindet.“ Fragte Ryan verwirrt.
„ Nun, der böse Dämon hat sich während unserer Abwesenheit in Harrogath breitgemacht. Das ist den Magiern nicht entgangen. Es gibt da nur ein Problem...“
Ryan setzte sich wieder:
„Das wäre?“ fragte er wenig hoffnungsvoll.
„ Barbaren. Seitdem ihnen die Nekros in den Rücken gefallen sind haben sie es nicht so mit Magie. Es gibt keine Teleporter dorthin und sämtliche Fluglinien sind wegen dem anstehenden Fest der Toten hoffnungslos überbucht.“
„ Fest der Toten?“
Elias schaute Ryan entgeistert an.
„ Du kennst das Fest der Toten nicht? Wo sich alle Barbaren maskieren und den Ahnen gedenken? Meine Güte, die halbe Welt reist jedes Jahr dorthin und du hast noch nie etwas davon gehört?“
„ Ich habe neunzig Prozent meines Lebens im Kloster verbracht, mein Guter.“ Antwortete Ryan. „Nun ja. Wie kommen wir hin?“
„ Ich habe drei Plätze in einem Transportflugzeug nach Kurast gebucht. Von dort können wir bis in die Hochebenen fahren und dann quer durch die Plateaus mit der Schienenbahn, oder Laufen, wie auch immer.“
Ryan schüttelte den Kopf.
„ Wo hast du das ganze Geld her?“
„ Cain hat es mir großzügig überlassen. Wahrscheinlich damit wir nicht verraten, was wirklich mit seinem Bruder passiert ist, der eigentlich hier die Geschäfte übernehmen sollte.“

Als sie zum Aufbruch fertig waren, nahm Elias Jukka zur Seite.
„ Wirst du es schaffen?“
Jukka nickte düster, schaute Elias aber nicht an.
„ Ich werde durchhalten, bis Bhaal im Staub liegt, was danach kommt, kann ich dir nicht sagen.“
Er sah aus dem Fenster und deutete auf Ryan, der im Vorhof Kampfübungen absolvierte.
„ Er hasst mich, oder?“
Elias stellte sich neben ihn.
„ Ich glaube nicht mehr. Der Traum hat seinen Hass ausgelöscht. Gib ihm nur etwas Zeit, sich an die Situation zu gewöhnen.“
„ Hm.“ Jukka starrte wieder in die Ferne, bis Elias ihn aufforderte mitzukommen.

„ Es . Ist . Bhaal . Nicht. Jukka.“ Presste Ryan zwischen den Zähnen hervor. Jedes Wort wurde mit einem Schlag oder mit einem Tritt untermauert. Er spürte förmlich wie seine Gliedmaßen auf weiches, nachgiebiges Fleisch trafen und den Höllenkönig zerfetzten. Er drosch zu. Wieder und wieder. Drehte Pirouetten in der Luft, um gleich wieder mit brutalster Gewalt niederzudonnern. Er nahm weder Rücksicht auf sich, noch auf die Umgebung.
„ Ryan, Aufhören.“ Hörte er Elias rufen.
Schwer atmend bremste er mitten im Schlag ab und drehte sich um.
„ Hast du deine Wut genug ausgelassen.“ Fragte Elias und deutete wütend auf die Kratzer und ausgeschlagenen Stellen an der Mauer.
„ Ich. Habe. Keine. Wut.“ Rief Ryan und trat im Takt gegen die Mauer. „Autsch.“
Er hörte seine rechte große Zehe knirschen und spürte das heiße Brennen, dass sich darin breit machte.
„ Das hast du jetzt davon - und glaub bloß nicht, dass ich mit meiner Magie nachhelfe. Es ist deine Schuld und es tut dir gut, mal ein bisschen Schmerzen zu spüren.“
Mit diesen Worten drehte sich Elias um und lief los.
Ryan blieb fassungslos zurück. War das noch Elias? Er hatte eben fast wie Doro geklungen.
„ Willst du dort Wurzeln schlagen, Ryan? Unser Flug geht in ein paar Stunden.“

Ryan humpelte hinter den anderen her, weil sein Fuß höllisch brannte.
Seine Wut war schon längst verraucht. Wenn er nun auf Jukkas Rücken schaute, die hochgezogenen Schultern sah, und den eingezogenen Kopf, dann empfand er fast schon wieder Mitleid mit dem Nekromanten, dem das Schicksal so übel mitgespielt hatte.
‚Wie kann es sein, dass ich jetzt schon wieder nach etwas Nettem suche, dass ich ihm sagen kann, wo ich ihm noch vor Stunden am liebsten den Kopf abgeschlagen hätte?’ fragte er sich mehr als einmal auf der schmerzlichen Wanderung.
 
Hm, ich weiss nicht so recht, aber ich hab das Gefühl diesmal ist es besonders deutlich: Mir fehlen zwischen den einzelnen Situationen gewisse Überleitungen. Das ganze kommt mir ein wenig vor wie wenn jmd immer wieder auf den Vorspulknopf am Videorekorder drückt um mir nur die "wichtigen" Szenen zu zeigen, aber das heisst dass ich verpasse was zwischendrin eigentlich passiert. Es kommt alles ein wenig schnell.

Ich schätze das ist sowieso nur ein "Zwischenkapitel", richtig?
 
dieses gefühl kenn ich saturn und ich danke dir, dass du es in worte gefasst hast, denn das war mir nicht möglich.
nichtsdetotrotz freue ich mich, dass diese story weitergeht und freue mich aufs nächste up.

gruß, Helldog
 
So, ich fahr jetzt erst mal los, die Welt bereisen und werde mir mit dem Abschlusskapitel doch ein wenig mehr Zeit lassen, um den (voraussichtlich) letzten Chaos-Teil zu einem angemessenen Ende zu führen und die Charaktere in den wohlverdienten Ruhestand zu überführen.

Danke für die Geduld!

Bis dann so.
 
Sooo... es geht mal wieder weiter... wenn es auch noch nicht ganz fürs Ende gereicht hat... Aber ich glaube das seid ihr ja mittlerweile gewöhnt...:angel:

Das Kapitel hat in den letzten Wochen einige Änderungen/ Neufassungen erfahtren, weil ich die ersten Entwürfe in einer ziemlich miesen Laune verfasst hatte und man das dem Stil doch ein wenig sehr angemerkt hat... Hier ist die finale (entschärfte) Fassung ... wollte euch ja mit meiner Misantrophie nicht den ganzen Tag versauen ... Wenn ihr dann weinen müsst.
Trotzdem ist es immer noch ziemlich heftig ... aber naja.
Viel Spaß (ja SPAß!!!) beim Lesen, meine lieben Leser

Die Apokalypse (?)

Elias seufzte leise und starrte dann mangels irgendeiner Reaktion der Anderen vor sich hin.
Er war froh, dass es zu Ende ging. So – oder so.
Obwohl die Jagd noch nicht so lange dauerte, war er ihrer bereits überdrüssig. Sie waren mit dem Enthusiasmus von Kindern in den Krieg gezogen und hatten erkennen müssen, dass es nie einen Krieg ohne Verlierer gab. Zwar war die Einsicht in die schreckliche Realität des Kriegs und des Todes schon viel eher zu Tage getreten, aber letztendlich waren sie bis zu Szarahs Tod immer mit der Hoffnung in die Schlacht gezogen, unsterblich zu sein. Jeder Kugelhagel, durch den sie gewandert waren, jedes Ungeheuer, dass sie zerfetzten, hatte dieses trügerische Gefühl der Sicherheit in ihnen genährt, hatte ihr Selbstbewusstsein wie eine Seifenblase anschwellen lassen, die nun mit einem überdeutlichen Knall zerfetzt war.
Auch sie hatten sich in den ewigen Kreislauf aus Leben und Vergehen eingereiht, hatten erkennen müssen, dass sie sterblich waren, wie alles um sie herum – und keinesfalls immun gegen das Leiden der ‚normalen Menschen’, sollte es so etwas geben.
Wenn es einen Gott gab, so dachte Elias, hatte er den Menschen wohlweislich nur eine Lebensspanne von siebzig, achzig Jahren gegeben.
Er konnte nicht behaupten, des Lebens überdrüssig zu sein, so weit war er noch nicht, aber er spürte jedes Jahr seines Lebens überdeutlich.
Zwar war er nicht körperlich schwach, oder auch nur ausgelaugt, doch wenn er sich umschaute, so sah er eine Welt, die sich verändert hatte. Sie hatte sich weiterbewegt, seitdem er das letzte mal auf sie geschaut hatte und vermittelte jetzt nur noch ein verzerrtes, unklares Bild von dem, was er als Realität verstand.
Die Menschen, sie waren anders, benahmen sich anders und zeigten ihm unbewusst mit jeder Geste, jedem Atemzug, dass er ein Relikt vergangener Zeiten war. Dies hier war nicht seine Welt. Nicht die Welt, die er kannte. Nicht die Welt, in der er leben wollte.
Jetzt begann er zu ahnen, welch grausames Schicksal die Unsterblichkeit sein musste und welche Qualen Jukka erduldet hatte.
Selbst ihm bereitete es Schmerzen zu sehen, wie seine Zeit zerfiel und sich ein neues Jahrhundert aus der Asche erhob – und wie sein Liebstes zerfiel.
Jetzt begriff er auch, wie Jukka jede Menschlichkeit in sich hatte verlieren können. Die Welt, die Jukka kannte war nicht nur ein wenig anders, kein verwaschenes Polaroidphoto dieser Welt, nein, die Gebräuche und Sitten, die Jukka in seiner Kindheit gelernt hatte, die er mochte und brauchte, fand man heute vielleicht noch in schlechten Fantasy-Romanen.
Jukka war aus seiner Zeit getrieben, von höheren Mächten brutal herausgerissen worden und war jetzt ein Heimatloser, ein Schiffbrüchiger im Meer der Zeit, der sich an nichts klammern, nichts lieben konnte, weil er sowieso wusste, dass ihn die nächste Welle davon tragen würde...
Elias schaute sich in dem engen Zugabteil um. Ryan hatte sich zurück gelegt und die Augen geschlossen. In seinen Ohren staken kleine Stöpsel der Reisegesellschaft, die ihn mit Musik zudröhnten und seine Gedanken erstickten. Jukka saß am Fenster und starrte still auf die trostlose, graue Landschaft, die darin vorbei zog. Sein Gesicht spiegelte sich in der schmutzigen Fensterscheibe, aber keine Regung zeigt sich darin, kein Zeichen, dass er noch lebte.
Doro hatte sich am Anfang noch mit ihm unterhalten, aber die bedrückte Stimmung hatte auch sie bald eingeholt und verstummen lassen. Jetzt schien sie zu schlafen.
Sie saßen dicht gedrängt in dem winzigen Abteil, so dicht, dass Elias die Wärme aus Ryans Körper spüren konnte und dennoch schien es, als wären sie meilenweit entfernt, denn psychische Wärme spürte er von nirgends. Seine Gedanken waren trostlos, eiskalt, wie die Landschaft auf die sie starrte.
Als führe der Weg sie geradewegs in das Land des Todes hinein.
Vielleicht waren sie sich zu nahe gewesen, hatten einander zu gut gekannt und brauchten jetzt Abstand, wie die Stachelschweine in der berühmten Parabel, vielleicht brauchten sie auch einfach nur Zeit, um Szarahs Tod und die Offenbarung ihrer Sterblichkeit zu verarbeiten.
Doch hatten sie diese Zeit?
Sie würden ihrem Schicksal gegenüber treten. Hier und jetzt. Endgültig.
Denn, letztendlich schloss sich auch hier ein finaler Kreislauf aus Leben und Tod.
Und wie immer würde es zu Ende gehen.
So, oder so.
Und vielleicht war es gut so.
Vielleicht würde es gut werden?

Wie um seine Gedanken zu bestätigen quietschten plötzlich die Bremsen des Zuges und eine blecherne Maschinenstimme verkündete ihnen das Erreichen des Hauptbahnhofes von Kurast. Doro und Jukka erhoben sich schweigend. Elias rüttelte Ryan an der Schulter und machte ein ruckartige Kopfbewegung zur Tür, um ihm die Nachricht der Stimme zu übermitteln, dann trat auch er aus dem Zugabteil.
Der Kuraster Hauptbahnhof befand sich gleich neben einer der zahlreichen Hauptstraßen, die das Stadtzentrum wie ein Spinnennetz durchliefen und für eine gute Verkehrslage sorgten. Während ihrer einwöchigen Reise hatten sie immer wieder Holo-Nachrichten von Überfällen auf kleinere Dörfer bekommen.
Diese Überfälle hatten ständig an Haltestellen der Kurastbahn stattgefunden und auf die Minute genau drei Stunden, nachdem der Zug sie passiert hatte. Bhaal wusste, wo sie waren und zeigte ihnen mit aller brutaler Kraft, zu was er fähig war. Immer wieder waren Forderungen im Parlament von Harrogath laut geworden, den Tag der Toten abzusagen, oder zumindest die berühmte Prozession zu verhindern, aber die spiritistische Lobby und einige einflussreiche Tourismusmagnaten hatten sich mit viel Überredungskraft durchgesetzt und so den Anlass geschaffen zu einem der größten Blutbäder der neueren Geschichte.
Kurast war ein Stadt mit circa zwei Millionen Einwohnern, doch während der einmonatigen Festlichkeiten zu Ehren der Verstorbenen stieg diese Zahl bis auf zwanzig Millionen an. Diese achtzehn Millionen Besucher verteilten sich sowohl auf ehrliche Gläubige, die ihrer Ahnen huldigten, als auch auf Touristen, die sich an den Umzügen und Feierlichkeiten erfreuten.
Wie jedes Jahr begann die Totenfeier auch diesmal mit dem Maskenumzug, der an die Allgegenwart des Todes erinnern sollte. Auch dieser Akt war über die Jahre hinweg immer weiter aufgebauscht worden, sodass er sich nun als riesiges Spektakel mit möglichst realistischen Masken und Verkleidungen und heillos teuren Spezialeffekten darstellte.
Die meisten Gläubigen begannen schon diese Veranstaltung zu meiden, sodass die Tatsache, dass die Straßen Kurasts trotz dem Ausbleiben wichtiger religiöser Fraktionen heillos verstopft waren schon viel über das „ehrliche religiöse Interesse“ der meisten Besucher aussagte.
An diesem schicksalsträchtigem Morgen, als Doro, Ryan, Jukka und Elias aus dem Zug stiegen hatte sich das Wetter scheinbar perfekt auf eine Totenfeier eingestellt.
Graue Wolken zogen über das Himmelszelt, angetrieben von einem stetigen, böigen Wind, der kalt um die Dächer heulte.
Der typische Bodennebel der Hochländer lag noch auf den Straßen, sodass man weitentfernte Gegenstände nur noch unscharf, wie durch Milchglas wahrnehmen konnte. Ein ständiger Nieselregen ergänzte das unfreundliche Wetter und machte das stundenlange Stehen für jeden Besucher zur Tortur.
Aber nicht nur der Himmel war grau und trostlos. Fast übergangslos reihten sich die barackenartigen Gebäude der Kuraster Innenstadt in die natürliche Fassade ein. Glas, dass sonst in der Sonne funkelte war nun leer, des Glanz beraubt, wie auch die Kleidung der meisten Anwesenden.
Entlang der Hauptstraße waren zahlreiche Scheinwerfer aufgestellt worden, die die Straße ausleuchteten. Ihr Licht brach sich in unzähligen kleinen Pfützen und dem schmierigen, brackig stinkenden Film aus Öl und anderen undefinierbaren Zutaten, der von den Wassermassen aus den letzten Winkel gewaschen wurde.
Doch trotz dieser menschenunfreundlichen, beinahe ekelhaften Umgebung war die Prozession schier beeindruckend und rang selbst Ryan ein anerkennendes Nicken ab.
„Das ist also der Umzug.“ Sagte Doro und deutete auf die Prozession. Auch ihrer Stimme war die Überraschung deutlich anzuhören.
Eine schier endlose Masse an grauen und schwarzen Körpern schob sich durch die Straße. Manche von ihnen waren noch deutlich als Menschen zu erkennen, gehüllt in schwarze Kutten, mit weißgeschminkten Gesichtern und dicken schwarzen Ringen um den Augen, andere hingegen hatten sich einer völligen Metamorphose hingegeben. Sie waren von den Skeletten, gegen die Ryan und die anderen gekämpft hatten, praktisch nicht mehr zu unterscheiden.
Allgegenwärtig war ein süßlicher Verwesungsgeruch, der die Gläubigen zur Ekstase treiben sollte. Manche von Ihnen trugen Banner zum Andenken an die Verstorbenen, andere gaben krächzende, klagende Laute von sich, um ihrer Trauer Ausdruck zu geben.
„ Die Schicksalsberge sind dort,“, sagte Jukka tonlos und deutete in die Richtung, aus der die Prozession kam, „ aber ich glaube sie sind während der Feiertage geschlossen.“
„ Als ob das noch irgendwas ändern würde.“, erwiderte Ryan, wohlweislich offen lassend, was er damit meinte.
Langsam setzten sie sich in Bewegung und versuchten sich einen Weg durch die dicht gedrängte Masse an Zuschauern zu drängen, die zum Großteil auch verkleidet waren.
Dieses Unterfangen erwies sich als beträchtlich schwieriger als erwartet. Immer wieder schlugen ihnen wütende Rufe, verärgerte Mienen oder offensive Drohgebärden entgegen.
Als Ryan einem dickbäuchigen Riesen auf die Füße trat, versuchte der sogar nach ihm zuschlagen. Ryan trat ihm brutal gegen das Schienbein und fauchte:
„ Ich bin hier um dein Leben zu retten, Wichser.“
Dann drehte er sich um und ging weiter. Doro sah ihn nur kopfschüttelnd an, was Ryan wiederum ignorierte.
Sie hatten etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt, als das Massaker begann.
Völlig unvermittelt zog eines der Skelette neben ihnen plötzlich einen kleinen schwarzen Gegenstand hervor und legte auf Elias an.
Hätte sich Doro nicht mit einem alarmierenden Schrei auf ihn gestürzt und ihn zur Seite gestoßen, hätte ihm die Kugel die Schädeldecke zerfetzt, so kratzte sie nur an seinem Hinterkopf und hinterließ einen blutigen Streifen, bevor sie einen der Umstehenden Menschen traf und zu Boden warf.
Ryan drehte sich dem Dämon zu und zerschlug ihm mit einem von oben geführten Axttritt den Schädel.
Doch das war erst der Anfang. Rings um sie herum hoben plötzlich Skelette, Ghouls und andere Dämonen versteckte Waffen. Teils altmodische Schwerter, teils moderne Handfeuerwaffen. Manche von ihnen waren sogar mit Küchenmessern, Sägen oder anderem bestialischen Schlachtwerkzeug ausgerüstet.
Mit schrillen Schreien stürzten sie sich auf ihre wehrlosen Opfer und begannen ein Blutbad, dass an Brutalität und bestialischer Schlachtlust von keinem Anderen zuvor übertroffen wurde.
Es schien gerade, als wollten die Dämonen ihre eigentlichen Gegner verspotten in dem sie die wehrlosen Menschen grinsend auf die ekelhaftesten Art und Weisen niedermetzelten.
Zuerst sah Ryan noch die Untaten, aber spätestens als er sah, wie eines der Monster einer schwangeren Frau eine dreißig Zentimeter lange Klinge in den Bauch trieb und das tote Baby herausriss, um es vor den Augen seiner Mutter zu zerfleischen, schaltete sein Gehirn ab. Er verwandelte sich in eine Maschine, ein Roboter, der nur aufs Töten aus war und dabei keine Verluste scheute.
Schon nach wenigen Minuten hatte sich die Straße in ein einziges Blutbad verwandelt. Die Häuser waren bis auf über zwei Meter Höhe mit hässlich braunen Spitzern übersäht, die Abflussrinnen der Kanalisation vermochten es nicht die ungeheuren Mengen an Lebenssaft aufzunehmen und die Straße selbst wurde zu einer glitschigen Oberfläche, die mit Leblosen Körpern dicht bedeckt war. Und noch immer ging das Töten weiter. Die Dämonen stürzten sich auf die Menschen und hieben und stachen so lange, bis einer der Vier sie stoppte.
Als Ryan einen Blutspritzer ins Auge bekam war das Bild der Apokalypse perfekt. Er hielt inne und schaute zurück. Doch hinter ihm und vor ihm zeigte sich das gleiche Bild. Eine riesige Masse an Menschen rannte panisch durch Straßen, die von ihrem eigenen Blut überquollen, sie stürzten über leblose Körper und wurden von den Nachfolgenden panisch zertreten. Aus manchen Häusern quoll dicker, schwarzer Qualm, vereinzelt loderten Flammen auf, Explosionen, wie von zerfetzten Gasleitungen ließen wieder und wieder den Boden erbeben.
Und überall die Dämonen, die das Blutgericht des Jüngsten Tages hervor riefen. Vielleicht war das hier der Jüngste Tag, und wenn er es nicht war, so war es jedenfalls die Beste Imitation die man sich vorstellen konnte.
Würde es jemals aufhören?
Nein, das würde es nicht. Das wurde Ryan in diesem Moment klar.
Die Bilder erinnerten ihn so schmerzhaft an die Vernichtung seiner Heimat, dass es kein Zufall mehr sein konnte.
Wahrscheinlich war das Bhaals Taktik, aber das interessierte ihn in diesem Moment nicht. Denn in diesem Moment verfluchte er Gott, verfluchte ihn dafür, dass er den Menschen das antat. Wahrscheinlich war auch das nicht rechtens, aber er brauchte in diesem Moment einfach jemanden, auf den er seinen Zorn laden konnte.
Er wütete mit all seinen Kräften unter den Angreifern, nicht willens auch nur einen von ihnen am Leben zu lassen, doch zu oft kam seine Hilfe zu spät, zu oft musste er sehen, wie Hiebe zu Ende geführt wurden und schreckliches anrichteten, obwohl er alles daran setzte, sie zu verhindern.
Als er die Treppen zum Schicksalsberg erreichte, wäre es beinahe auch für ihn zu Ende gewesen. Gerade enthauptete er zwei Skelette, warf sich um, um auf ein Drittes loszugehen, als er einen Luftzug in seinem Nacken spürte.
Ein ersticktes Keuchen , gefolgt von einem dumpfen Aufschlag erklang in Ryans Rücken.
Der Ghoul, der hinter Ryan stand hatte Blut an den Krallen.
Es dauerte nur Sekunden um die verkrümmte Gestalt hinter ihm als Jukka zu erkennen. Ryan vernichtete den Ghoul mit einem schnellen Hieb und kniete sich dann neben den Nekromanten auf den Boden.
„ Jukka, was ist los?“ fragte er.
Jukka presste seine linke Hand auf den Bauch. Die Schmerzen, die er erlitt waren seinem Gesicht überdeutlich anzusehen. Es dauerte nur einen winzigen Augenblick, bis dickes, rotes Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll.
„ Er stand hinter dir, viel zu dicht, um dich mit einem Spruch nicht mit zu verletzen....“ presste er zwischen den Zähnen hervor.
„ Danke...“ Ryan wusste nicht, was er saqgen sollte. „ Und, ..., Entschuldigung.“
„ Ist schon in Ordnung. Keine Ursache.“
Ryan schüttelte den Kopf.
„ Nein ich meine Entschuldigung für alles, was war. Für die ganze Misere.“
Jukka lächelte traurig.
„ Wenn sich jemand entschuldigen müsste, dann wohl ich, oder?“
Ryan zog Jukka vorsichtig zu sich und umarmte ihn.
„ Nein, wir beide.“
„ Sorry.“ Murmelte Jukka und wischte sich verstohlen über die Augen.
Ryan schob ihn vorsichtig zurück.
„ Ich hole Elias, deine Wunde, jemand muss sich darum kümmern.“
„ Geh nur, aber vorher..“
Mit einer schnellen Bewegung zog er Ryan an sich und küsste ihn.
„ Das wollte ich schon lange machen.“
Der Kuss brannte auf Ryans Lippen, als er sich der Apokalypse zuwandt, die noch immer hinter ihm tobte. Er wusste nicht, wohin er sich wenden sollte, wusste nicht wo die Anderen waren. Alles was er sah waren Leichen, tote Körper und Monster. Die Stadt hatte sich in eine Landschaft des Grauens verwandelt. Ausgebrannte Ruinen standen wie gespenstische Bäume vor Bächen aus Blut in denen kaum noch menschliche Leber und abgehackte Gliedmaßen wie grässliche Alptraumgestalten schwammen. Der beißende Geruch von Tod und Feuer lag auf der Lippe.
Und der Kuss brannte noch immer auf seinen Lippen.
Und jetzt wusste er, was es bedeutete, dass Liebe und Freundschaft Hass und Krieg überdauern und dass aus ihnen die ersten grünen Pflänzchen der Hoffnung sprossen.




Ja... Am Ende hatte ich wieder bessere Laune...
Ich hoffe dass es euch (trotz einiger ungewöhnlicher Trademarks) gefallen hat!
Ich warte sehnsüchtigs auf zuschriften und verlasse euch mit dem versprechen, dass das nächste kap nicht so lange auf sich warten lässt!
 
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