Und hier haben wir Kapitel Numero 4.
Es ist das bisher längste, und meiner Meinung nach beste Kapitel von allen. ^^
Kapitel 4
Kjord saß am Feuer, als er bemerkte, dass ihm noch der Pfeil des Unglücklichen im Rücken steckte. Schnell war der Pfeil herausgezogen und die Wunde verarztet. Durch eigene Heilfähigkeiten konnte Kjord sich weitgehend selbst regenerieren, was ihn zu einem noch stärkeren Gegner machte und er genoss es, verletzt zu sein, da er nun genau seine Heilfähigkeiten austesten konnte. Er sprach einen kurzen Zauberspruch und sofort begann die Wunde sich zu heilen. Zuerst wurde Blut aus der Wunde gespült, all das Blut, das mit der verrosteten Pfeilspitze in Berührung kam floss aus der Wunde und sofort wurde neues Blut gebildet, welches den Platz des alten einnahm. Die Wunde verkleinerte sich langsam, aber beständig. Die Haut wuchs zusammen und am Ende blieb nicht einmal eine Narbe übrig. Die Wunde heilte komplett zu, in nur wenigen Augenblicken. Kjord malte sich aus, wie er im Kampf gegen ebenbürtige Widersacher nicht sterben konnte, weil er sich bereits regeneriert hatte, bevor der Gegner ausholen konnte. Ein Grinsen zeichnete sich auf Kjords Mund ab und schließlich machte er es sich an einem der vielen Feuer in dem Dorf gemütlich und genoss die Szenerie, wie das Dorf herunterbrannte. Gegen Morgengrauen waren auch die letzten Häuser heruntergebrannt und gegen Morgengrauen erwachte auch Rigad in der Krone eines Baums, neben ihm schlief noch immer Cynn.
Rigad beobachtete Cynn. Der frische Morgenwind, der die Urwälder Kehjistans durchstreifte, fror ihn, da seine Kleidung immer noch etwas feucht war vom Regen. Cynns Haar wiegte leicht hin und her im Wind. Ein schöner Anblick, wie Rigad fand. Eine Weile lang genoss er es Cynn zu beobachten, wie sie da lag und ruhig schlief, jedoch wurde dieses idyllische Bild nach kurzer Zeit bereits gestört. Ein Greif flog nämlich gerade in die Baumkrone. Rigad war sofort kampfbereit. Er schnappte sein Schwert und stellte sich dem Feind. Der Greif schwebte einige Augenblicke auf der Höhe Rigads, bis er zum Angriff über ging. Schnell wich der Paladin aus, indem er sich unter seinem Feind hindurchbückte und auf den nächsthöhergelegenen Ast rannte. Im Bruchteil einer Sekunde sprang er auf den Rücken des dämonischen Vogels und klammerte sich an dessen Körper fest. Der Vogel schlug Pirouetten und lies Rigad keinerlei Gelegenheit ihm die Kehle durchzuschneiden. Hilfloser als erwartet verharrte Rigad auf dem Rücken des Vogels, und gerade als es eine Gelegenheit gegeben hätte, den Dolch zu ziehen und das Leben des Tieres zu beenden ging dieses in Flammen auf. Der Höllengreif verbrannte schnell und trotzdem spürte Rigad nicht ansatzweise die Hitze des Feuers. Er sprang aus dem Feuerball, der den Vogel umschloss, zurück auf den Baum. Cynn lächelte ihm bereits entgegen, als er endlich zu ihr hinüber sah. „Guten Morgen!“ rief Rigad und näherte sich der schönen Magierin. Er gab ihr die Hand, um sie den Weg den Baum hinunter zu geleiten. Doch bevor er Anstalten machen konnte, landete er schon auf dem Boden. Cynn zog es vor die leichtere Variante zu nehmen und teleportierte die beiden auf den Boden. Doch, was sie nicht erwarteten war, dass sie sich in einen Sumpf teleportierten. Über Nacht hatte es sehr geregnet, und in der Nähe musste wohl ein Fluss sein, der nun über die Ufer getreten war. Das Wasser stand kniehoch und war bräunlich vom Erdboden gefärbt. Cynn gefiel das gar nicht. „Traue nie einem Gewässer, das du nicht einsehen kannst.“ Riet sie oftmals, wenn die beiden einen Fluss überqueren wollten. Einen Zauber auf den Lippen machte sie sich sofort zum Kampf bereit. Langsam ging sie voran, während Rigad den Rücken deckte. Er hatte bereits sein Schwert gezogen und es flimmerte eine Aura um ihn herum, die ständig aufblitzte. Schritt für Schritt bahnten die beiden sich ihren Weg durch den rutschigen Untergrund. Da, wo vorher Gras, Unterholz und sonstige Pflanzen zu sehen waren, erblickten die beiden nur das braune Gewässer. Überall im Wasser konnten Schlangen oder anderes Getier auf sie lauern. Die beiden bewegten sich vorsichtig von Baum zu Baum und störten nach Möglichkeit nicht die Ruhe des Wassers. Als sie bereits einige Bäume hinter sich gelassen hatten, geschah es. Aus einem Hinterhalt heraus griffen mehrere froschartige Dämonen zugleich an. Umzingelt von mindestens zehn dieser schaurigen Kreaturen standen die beiden Rücken an Rücken und überlegten, wie sie vorgehen sollten. Zuerst zogen die Froschdämonen ihre Kreise um das Pärchen, dann stießen sie schaurige Kampflaute aus und zogen ihre Kreise enger. Rigad schloss die Augen. Er betete an den Himmel. Sofort wusste Cynn, was sie zu tun hatte und bereitete sich auch darauf vor. Eigentlich hätten die beiden längst angreifen können, doch um ihre Offensivkraft zu stärken, zog Rigad es vor etwas länger zu beten. Langsam formte sich eine Aura unter Rigads Füssen, die sich ausbreitete und auch Cynn zu umschließen begann. Funkelnde Sternchen wurden von der Aura ausgestoßen und wieder absorbiert. Schließlich rief Rigad laut: „Servamus ex Omnis!“ Die Aura breitete sich rasend schnell aus. Klar war ihre schützende Macht zu spüren, die sich Rigad von ihr versprach. Es war nun an der Zeit zu sehen, ob die Aura stark genug sein würde, die Dämonen griffen an, einige schossen Feuerbälle aus ihren Mäulern. Und tatsächlich: Die Aura lies die Feuerbälle abprallen und absorbierte, was nicht abgewehrt wurde. Ein Schutz vor den Elementen! „Obsecro fulmem pergerensem!“ schrie Cynn aus Leibeskräften. Sie begann eine starke Macht um sich herum aufzubauen. Das Wasser, das ihre Beine bedeckte wich von ihr zurück, man sah, dass sie im Begriff war, höhere Magie anzuwenden. Höher, und tödlicher. Während Rigad Cynn beschützte indem er jeden Dämonen, der versuchte mit körperlicher Gewalt vorzugehen, zurückschlug, baute Cynn weiter ihre Energiewelle auf. Endlich war es soweit, ein monströser Blitz kam aus ihrem Körper geschossen und erreichte den ersten Frosch, dieser lebte nicht mehr lange, als er mit dieser geballten Welle aus Energie in Berührung kam. Der Blitz, der so groß war, wie Cynn lenkte ab, von seinem aktuellen Opfer hinüber zum nächsten. Auch diesen Körper durchfuhr er. Rigad war beeindruckt von der Stärke des Zaubers. Noch nie hatte er so einen großen Kettenblitz gesehen. Ein weiterer Dämon folgte den anderen in den Tod und der Kettenblitz kam nicht zum Halten. Weiter bahnte er sich seinen Weg durch alles, was in seinen Weg kam. Bis er schließlich auch den Kurs auf Rigad einschlug. Der Paladin wusste, das Kettenblitze, wenn sie mit sehr viel magischer Macht gefüttert wurden, sehr gefährlich sein konnten, daher hatte auch seine Resistenzaura so sehr verstärkt. Doch er war nicht sicher, ob seine Aura auch einen solchen Blitz zurückhalten konnte. Er hatte die Größe Cynns und die Breite einer Kutsche. Zweifel regten sich in ihm, doch er musste sich in Sekundenbruchteilen entscheiden, sonst hätte es sein können, dass er das nicht überleben würde. Cynn konnte ihm nicht helfen, sie war noch immer dabei, sich von dem Zauber, den sie gewirkt hatte zu erholen, als Rigad schließlich ein Entscheidung fällte. Er kniete nieder und hielt dem Blitz sein Schwert entgegen. Natürlich war es mit diversen Schutzzaubern bedeckt, und diese Situation würde sie alle beanspruchen. Er betete ein wenig, während seine Klinge zu leuchten begann. Als der Blitz ihn dann erreichte, schnellte Rigad nach oben und schlug mit all seiner Kraft gegen den Blitz. Er hoffte das Beste – und er war stark genug, den Blitz abzuwehren! Eine riesige Druckwelle wurde freigesetzt, die dank Rigads Aura ihn und Cynn nicht weiter störte. Der Blitz teilte sich auf in viele kleine Blitze, die in sämtliche Richtungen ausströmten und auch die letzten Gegner um ihr Leben brachten. Der Aufschlag von Schwert und Blitz und die dadurch entstandene Druckwelle rissen einen tiefen Krater in den Boden, das Wasser strömte hinein und ein starker Sog riss Cynn und Rigad mit. Cynn, die sich gerade wieder erholt hatte, reagierte schnell. Sie sprach einen Zauberspruch, schnell genug um die Ohren Rigads ihn nicht verstehen zu lassen. Sie schrie lauthals und beide waren umgeben von heiligem Feuer. Rigad verstärkte diesen Zauber mit einer feurigen Aura. Die Magierin schrie weiter. Das Getöse des Wassers, das Flammen des Feuers, das Schreien der zwei Personen, der Lärm wäre für beide unerträglich gewesen, wenn sie ihn nicht selbst anrichteten. Nun begann das Wasser noch zu zischen, das heilige Feuer tat, was es sollte. Das Wasser verdampfte und der Strom wurde schwächer. Cynn und Rigad nutzten die aktuelle Schwäche der Wassermassen und schwammen zum nächsten Baum hin, denn auch ihre Kraft war nicht unbegrenzt, und sie wurde stark in Anspruch genommen von diesen Zaubern. Cynn heftete sich an den Baum, und Rigad umschloss sie mit seinen Armen, um sich auch noch an den Baum zu klammern, so lange, bis der Krater endlich vollends mit Wasser gefüllt war. „Puh, das war knapp, und sehr anstrengend!“ keuchte Cynn hervor. Ihre Brust hob und senkte sich schnell, nach Atem ringend. „Und das alles auf leeren Magen.“ Grummelte der Paladin und gab Cynn einen Wink nach oben zu klettern. Zuerst genoss Rigad den Anblick, als er, den Baum hochkletternd, nach oben sah und Cynn von unten betrachten durfte, doch er entschied schnell, dass es keiner Magierin, und vor allem nicht ihr, Cynn, würdig war, so von unten, unter den Rock, angesehen zu werden. Schnell bereute er seine unflätigen Gedanken und sprach im Kopf ein Sühnegebet. Oben angekommen fiel Cynn sofort auf die Knie und keuchte weiter, bis sie sich hinlegte und sich erst einmal erholen wollte. Rigad tat es ihr gleich. Er lag auf dem Bauch und sah zu ihr herüber. Er blickte in ihre flackernden Augen und zwang ihr somit ein Lachen auf die Lippen. „Denen haben wir es aber gezeigt.“ „Ja. Ich bin beeindruckt von deinen Künsten. Ich dachte ich kenne dich gut, doch du hast immer wieder neue Überraschungen auf Lager. Nie habe ich einen so großen Blitz gesehen, ich dachte so einen Blitz hervorzurufen würde einen umbringen?! Und danach auch noch dieses Feuer. Ich bin wirklich fasziniert. Für eine so junge Magierin bist du aber vielen Älteren weit überlegen. Es ist eine Fügung des Schicksals, dass wir miteinander reisen dürfen.“ Rigad war völlig aus dem Häuschen von der Show Cynns. „Danke, danke. Du schmeichelst mir. Um ehrlich zu sein bin ich selbst überrascht über meine Leistung. Aber nun brauche ich unbedingt etwas zu essen, ich bin am Ende meiner Kräfte, mein Arm ist fast schon zu schwer für mich.“ „Bleib wo du bist, ich hole dir etwas.“
Da er nicht im Stande war solche Zauber zu wirken, war Rigad natürlich nicht so erschöpft wie Cynn. Er machte sich die dicken Äste der Urwälder zu nutze und sprang mit einer Anlaufschnelligkeit, wie sie für normale Menschen unmöglich gewesen wäre auf den Nachbarbaum. Dort fand er einige Früchte, die an den Ästen hingen und steckte sie in einen Beutel. Als er viele verschiedene Früchte beisammen hatte, und sicher war, dass es für Cynn und ihn genug sein würde, machte er Kehrt. Er gesellte sich neben Cynn und verführte ihre Augen, und wie er hörte auch ihren Magen mit den lecker aussehenden Früchten. Beide lachten sie und genossen ihre erste Mahlzeit an diesem Tag. Denn auch wenn es nur bei Cynn hörbar gewesen war, auch Rigad war sehr hungrig und hatte eine Stärkung ebenfalls nötig. Den beiden war es im Eifer des Gefechts gar nicht aufgefallen, doch waren bereits viele Stunden ins Land gezogen, die Sonne war bereits zu einem Drittel vom Horizont verschluckt worden. Als Cynn leicht eingenickt war, kletterte Rigad weiter hinauf. Der Baum war sehr geeignet fürs Klettern. Man konnte sich sogar auf das Blätterdach setzen, ohne herunterzufallen. Das musste er sofort Cynn zeigen. Liebevoll und dennoch bestimmt weckte er Cynn und bedeutete ihr, dass sie ihm unbedingt folgen musste. Schließlich saßen beide auf dem Baum und überblickten die weiten Wälder Kehjistans. Als sie sich gen Westen drehten, um den Sonnenuntergang zu bewundern, konnten sie schon, ganz klein, ihr Ziel ausfindig machen. Das Arreat Gebirge war von hier aus, in der Größe eines Käfers zu sehen.
„Willst du wissen, warum ich an dem Tag, an dem du mich verarzten musstest, zu weinen begann?“ fragte Cynn. Leicht verwirrt bejahte Rigad die Frage und Cynn begann zu erzählen.
„Ich lebte mit meiner Mutter in einem Dörfchen in der Nähe von Kurast. Vom Hafen kamen öfters merkwürdige Menschen. Wie mir erzählt wurde, wurde meine Mutter von einem Durchreisenden vergewaltigt und sie gebar mich. Und genau dieser Durchreisende kam nach fünf Jahren wieder. Er wollte mich holen, ich weiß nicht warum, oder wohin. Meine Mutter wollte es nicht zulassen und tat, was sie konnte, um mich vor ihm zu verstecken. Ich weiß nicht wieso, aber ich kann mich noch deutlich daran erinnern: Sie nahm mich in die Arme und rannte so schnell sie konnte durch den Wald. Der Durchreisende war wohl eine Art Dämon, der fähig war, seine Gestalt zu ändern. Ich sah hellblau strahlende Augen, als ich über die Schulter meiner Mutter sah. Sie schienen zu schweben, aber ich meine auch, einen schlangenähnlichen Kopf gesehen zu haben. Jedenfalls rannte meine Mutter so schnell sie konnte, immer tiefer in den Dschungel. Die Zahl unserer Verfolger vervielfachte sich, einige Fetische rannten ebenfalls hinterher. Es muss ihre Liebe zu mir gewesen sein, die sie dazu beflügelte so lange so schnell zu rennen. Irgendwann jedoch konnte sie nicht mehr weiterlaufen. Sie befahl mir weiterzulaufen und nie zurückzusehen... Sie opferte sich für mich!“ Cynn begann wieder zu weinen, während Rigad ihr konzentriert zuhörte. Einige Augenblicke vergingen, bis Cynn sich wieder fing. „Irgendwann kam ich an ein komisch aussehendes Lager. An einem Lagerfeuer saßen ein paar Frauen, Zauberinnen der Zann-Esu, wie sie mir erzählten, als sie meine Verfolger getötet hatten. Jedoch meinten sie auch, dass da kein Schlangenwesen mit hellblau glänzenden Augen zu sehen war. Ich blieb bei den Magierinnen, und sie bildeten mich zu einer von ihnen aus. Sie brachten mir alles bei, was ich heute im Stande bin zu tun. Sie haben mich streng erzogen, aber dennoch waren sie gut zu mir. Der Grund warum ich in Tränen ausbrach ist der, dass seit meiner Mutter und seit diesen Magierinnen mich niemand mehr so fürsorglich und liebevoll behandelt hat. Seit ich das Lager dieser Frauen verließ sind viele Jahre bereits vergangen, viele Jahre, voller Einsamkeit, Trauer und Schmerz. Dann bist du irgendwann aufgetaucht. Nun kann ich es dir sagen. Der Spiegel der Gier den wir finden und zerstören wollen, ist nicht mein Hauptziel. Der Spiegel wurde von Mephisto geschaffen und an einen seiner treuesten Diener übergeben. Wie ich in einem Buch der Zauberinnen las, war der Durchreisende genau dieser Dämon. Es ist nicht viel bekannt von ihm, einen Namen kennt man nicht, sein Merkmal sind aber diese teuflischen hellblauen Augen. Seine wirkliche Gestalt kennt man auch nicht, da er meistens nie mehr, als seine Augen zu sehen gibt, doch ich habe seinen Kopf gesehen. Sicher, der Spiegel muss auch zerstört werden, aber mein Hauptziel ist es den Dämonen, der über den Spiegel gebietet zu vernichten. Er hat meine Mutter getötet, er soll dafür büßen!“ Wieder brach sie in Tränen aus, Wut funkelte in ihren Augen.
„Blinde Rache ist nicht das Beste, Cynn. Wenn wir nicht aufpassen, wird das tödlich enden. Aber dennoch bin ich gewillt, dir zu folgen. Was dir angetan wurde, muss gesühnt werden, aber bitte, mache nichts unüberlegtes..“ In Rigads Stimme lag ein Unterton der Sorge und Cynn spürte, wie wichtig sie ihm war. Sie spürte auch, dass es umgekehrt genauso war. Dennoch wollte sie vorerst nichts deswegen unternehmen, ihre Rache sollte zuerst kommen, dann würde sie weiter darüber nachdenken, wie das mit ihr und Rigad weitergehen sollte.
Cynn und Rigad waren sehr schnell unterwegs. Ein weiterer strammer Tagesmarsch nach dem anderen, und sie würden in drei Tagen die Meerenge überqueren und das Gebiet des Arreat Gebirges betreten. Sie hofften bald bei ihrem Feind angekommen zu sein und bald ihren Auftrag erledigt zu haben. Als die beiden sich weiter auf den Weg durch den Dschungel machten, begann es wieder stark zu regnen. In wenigen Sekunden waren beide nass bis auf die Knochen. Cynn hingen die Haare ins Gesicht, während Rigad mit den Tropfen zu kämpfen hatte, die ihm in die Augen flossen und sämtlichen Schweiß und Dreck, der sich in den letzten Tagen auf seinem Gesicht gesammelt hatte in seine Augen wusch. Das brannte und seine Sicht war stark eingeschränkt. Bei diesem Blickfeld, das ihm nur zur Verfügung stand, musste er an die alten Zeiten denken, als er mit anderen Ausgestoßenen die Nächte in Kneipen verbrachte und, kaum noch lauffähig, nach Hause torkeln musste, um sich auszuschlafen. Immer weiter durch den Mittagsregen ging es voran. Die Schwüle war deutlich spürbar und die Reise wurde wieder sehr anstrengend. Das Unterholz und Gras am Boden und neben ihnen behinderte ihre Schritte, teilweise kamen sie gar nicht durch die schier endlosen Wände des Grases, jedoch konnten ein paar kräftige Hiebe mit Rigads Schwert dieses Problem aus der Welt schaffen. Schnellen Schrittes bewegten sie sich durch den Dschungel, bis das Plätschern des Regens unnatürlich laut wurde. Und als sie den nächsten Busch durchquerten wussten sie auch, warum. Ein riesiger See hatte sich in den sintflutartigen Niederschlägen gebildet und der Regen prasselte auf den See herab, als wäre es Hagel. Dicke, starke, schnell fallende Tropfen. Diesen See zu durchqueren könnte tödlich sein. „Wir wissen nicht wie tief es dort drin ist. Wenn es zu tief ist, kann es Gefahren beherbergen, von denen wir nicht einmal im Traum wüssten, dass sie existieren. Wir müssen einen anderen Weg finden.“ „Ja ich weiß, Cynn, doch wo sollen wir hin? Der See hat mindestens einen Durchmesser von fünf Meilen! Ihn zu umschreiten würde nicht nur viel Zeit kosten, sondern uns auch eventuell von unserem Weg abbringen. Irgendwie müssen wir den direkten Weg einschlagen.“ „Dann lass uns ein Floß oder etwas Ähnliches bauen.“
Angespornt von ihrem sich selbst gestellten Zeitdruck, machten die beiden sich an die Arbeit. Rigad versuchte Holzstücke zu besorgen, aus denen man ein Floß bauen könnte, Cynn kletterte in den Bäumen umher, auf der Suche nach Lianen, die man benutzen könnte, um die Holzstücke zu vertäuen. Als Rigad einige Holzstücke zusammen hatte, machte er sich auf den Weg zurück zum See, doch Cynn war nirgends zu sehen. Dass sie in den Bäumen saß, wusste er nicht. „Hier oben Rigad!“ rief Cynn von einem hoch gelegenen Ast herab. Er sah hinauf. Zwar prasselte ihm der Regen ins Gesicht, doch er konnte seine Gefährtin in den Bäumen erkennen. „Natürlich...“ sagte Rigad nachdenklich. „Wieso ist mir das nicht sofort eingefallen?“ Er rannte zu Cynns Baum und kletterte nach oben. Dort angekommen berichtete er Cynn, was ihm gerade eingefallen war. „Wir können den direkten Weg, über den See nehmen. Wir müssen nur etwas höher sein, als der See selbst.“ Mit einem Fingerzeig machte er ihr klar, dass er versuchen wollte, von Baum zu Baum zu klettern, und so den See überqueren wollte. Diese Idee gefiel der Zauberin. Sie nahm die Lianen, die sie bereits gesammelt hatte, und gab einige ihrem Begleiter. Die Lianen würden beim Überqueren dieser Hindernisse schon irgendwie nützlich sein.
So machten sie sich sofort auf den Weg über die Bäume. Sie sprangen von Ast zu Ast, sofern die Lücken zwischen den Ästen nicht zu groß und die Äste nicht zu dünn waren. Der Wolkenbruch erschwerte die Sache natürlich, es kam vor, dass einer der beiden beim Landen auf einem anderen Ast ausrutschte, und sich gerade noch rechtzeitig am Ast festklammern konnte. Mittlerweile wussten die beiden auch, warum es besser war, den Weg über die Bäume zu wählen. Ihr Aufenthalt blieb nicht unbemerkt, und selbst wenn sie das Floß fertiggestellt hätten, wären sie damit vermutlich nicht weit gekommen. Als sie runter zum See sahen, konnten sie bemerken, wie sich große Schatten im Wasser bewegten. Sie schwammen zwischen den Bäumen, um die sich der See aufgebaut hatte umher und lauerten darauf, dass einer der beiden den Halt verlieren und in den See fallen würde. Ein sicherer Tod für den, dem es passierte. Cynn und Rigad ließen sich von den Tieren, die eindeutig nicht fähig waren, die Bäume hinauf zu klettern nicht beeindrucken. Ungestört setzten sie ihren Weg durch das Astwerk des Dschungels fort und hatten bald schon die Mitte des Sees überschritten. Womit sie jedoch nicht gerechnet hatten war, dass in einem dieser Bäume ein Blutfalkennest war. Das könnte, im Gegensatz zu den Wassertieren ein ernsteres Problem darstellen. Langsam und leise schlichen die beiden über den Ast, und versuchten das in den Baum gebaute Nest zu umgehen, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Den dicken Stamm hinter sich lassend schlichen sie am Nest vorbei. Alles schien gut zu gehen. Die beiden waren bereits einige Meter von dem Nest entfernt und auch sonst war alles wie davor. Doch durch den Regen hindurch beobachtete sie ein Paar roter Augen. Einige Äste über ihnen wartete der Blutfalke, bis die beiden sich in Sicherheit wogen. Dann war es soweit. Der Aufseher dieser Bestien stieß einen lauten Schrei aus und sofort flogen viele fledermausartige Tiere aus dem Nest heraus. Mit ihren spitzen Zähnen schnappten sie nach den Eindringlingen. Rigads Rüstung war dick genug, ihnen zu widerstehen, doch er machte sich Sorgen um Cynn, eventuell war ihre Kleidung nicht gut genug geschützt um den Zähnen der Horden von Gegnern zu widerstehen. Er packte sein Schwert und hatte bereits einige dieser Tiere getötet, als Cynn schließlich ausrutschte und in den See zu fallen drohte. Ihre Magie war nun nicht mehr anwendbar, denn sie musste sich an dem Ast unter Rigad festhalten. Die Blutfalken organisierten sich sofort neu und stürzten sich fast alle auf Cynn. Das vermeintlich schwächste Glied sollte zuerst beseitigt werden. Der Paladin kämpfte sich voran. Der Regen behinderte die Blutfalken nicht sonderlich und er hatte so seine Mühen zu Cynn zu kommen. Als er sie gerade erreichte, musste sie jedoch los lassen. Ein Blutfalke hatte sich in ihre Hand verbissen, das Blut rann ihren Arm herunter und lockerte ihren Halt, bis sie schließlich nicht mehr konnte. „CYNN!!!!“ schrie Rigad entsetzt. Sie fiel hinunter, auf den See zu. Es waren einige Meter, die es galt herunterzufallen. Mit einem Schrei der Trauer und Wut holte Rigad zu einem vernichtenden Hieb aus. Die Blutfalken die er mit seinem Schwert traf, waren sofort entzweit. Die Wucht und Stärke des Angriffs zog noch einen Luftstoß, der ebenso scharf war, wie seine Klinge, hinter sich her. Keiner der Blutfalken überlebte diesen Angriff. Ohne lang nachzudenken schnappte sich Rigad ein Liane, heftete sie an den Baum und sprang Cynn hinterher. Sie war noch am Leben, da sie auf dem Rücken eines dieser Schattenwesen gelandet war. Dennoch, die anderen riesigen Dinge, die da unter Wasser waren machten keinen Unterschied, ob einer ihrer Artgenossen daran verenden würde, oder nicht, wenn sie Cynn auffraßen. Rigad landete auf dem gleichen Tier und sah nach Cynn. Ohnmächtig lag sie da, ihre Hand blutete noch immer stark und es waren mindestens sechs andere Tiere um sie herum, die abwogen, wann sie am besten zuschlagen sollten. Rigad schnappte Cynn und nahm sie über die Schulter, während er mit seinem Schwert in der Hand betete. Als das Gebet beendet war, hieb er einem scharf um sich herum. Das Wasser, das sie umgab, zog sich zurück. Die Welle, die sich gebildet hatte, riss die anderen Tiere mit sich und bevor er sich auf den Weg zurück in das Astwerk machte, versetzte er dem zappelndem Tier, auf dem er stand einen todbringenden Stoß mit dem Schwert in den Hinterkopf.. Dieses Massaker mussten andere Dschungeltiere auch bemerkt haben. Einige mannsgroße Fliegen stürmten auf sie zu. Rigad hatte keine Chance. Wie sollte er mit Cynn auf dem Arm eine Liane hochklettern und gleichzeitig Dschungelmonster bekämpfen? Er hoffte auf sein Glück und hielt nicht an. Immer näher kamen sie einem rettenden Ast, auf dem er Cynn hätte ablegen und sich dann um die Monster kümmern können. Aussichtslos. Vier dieser Monster an der Zahl umschwirrten ihn und bald würde eines von ihnen bestimmt angreifen. So kam es dann auch. Eine der Fliegen griff an, frontal hielt es auf Rigad zu, der versuchte sich mit Tritten gegen das Wesen zu wehren, jedoch waren seine Versuche nicht von Erfolg gekrönt. Gerade setzte es zum entscheidenden Todesstoß an, als es plötzlich in Flammen aufging. Eine Sekunde lang begriff Rigad nicht, was vor sich ging, dann hörte er Cynns Stimme flüstern. „Wird Zeit, dass ich dir auch mal wieder das Leben rette, findest du nicht? Los, klettere weiter!“ Mit neuer Motivation machte sich Rigad auf den Weg weiter nach oben. Die Liane war stark, der Regen ließ auch langsam nach. Cynn hatte bereits alle Monster mit ihren Zaubern in Flammen aufgehen lassen, als sie endlich oben ankamen. „Immer musst du die Halbtote spielen und dann wieder alles gerade biegen..“ „Ich will dich sehen, wenn du aus dreißig Metern Höhe auf so einem Ding landest. Lass uns weiter gehen, dieser verfluchte Dschungel zehrt an meinen Nerven.“ „Du hast Recht. Wir waren schon viel zu lange hier drin, wir müssen endlich bis zum Arreat Gebirge vorstoßen.“
Der Regen setzte aus, als die Nacht heranbrach. Cynn und Rigad entschlossen sich, diese Nacht nicht in einem der Bäume zu kampieren. Sie wollten endlich den Dschungel verlassen und weiter kommen. Endlich hatten sie den See hinter sich gelassen. Weiter ging es durch nasses Unterholz und Gebüsch. Cynn lies mit einem Zauber einen Lichtschein um die beiden herum entstehen, der für andere total unsichtbar war. Niemand würde ihn bemerken. Nach einer langen Nacht, die sie durchwandert hatten bemerkte Cynn etwas, das die beiden noch weiter motivierte. Es ging leicht bergauf. Ebenso wurde es kühler. Sie mussten dem Gebirge schon sehr Nahe sein. „Bald sind wir da!“ bemerkte Cynn mit einem Lachen im Gesicht. Und auch Rigad freute sich. Der Dschungel würde endlich hinter ihnen gelassen werden. Beide waren gespannt, was sie im Arreat Gebirge erwartete, als sie die ersten Schritte aus dem Wald taten und sich vor ihnen eine stark ansteigende Berglandschaft abzeichnete.