Naur
Schwarzes Feuer... diese wunderschöne Frau stand in einem Meer daraus. Es schien aus ihr herauszuströhmen wie Blut, ohne dass sie selbst verblutete. All die Menschen um sie herum brannten lichterloh und verwandelten sich unter gellendem Geschrei in kleine Häufchen Asche.
Sie darf mich nicht sehen!
Doch dieser Gedanke kam zu spät, Ihr Blick traf mich und ich blieb wie verzaubert stehen. Diese Augen, dieser Mund, ihr perfekter Körper, all das war derart begehrenswert, dass ich die Gefahr vergaß, die unglaubliche Zerstörung, die ich doch gerade noch so eindrucksvoll erlebt hatte. Ihr Lächeln versetzte mir einen Stoß und ließ mich wie von Sinnen auf die Frau zugehen. Die wahnwitzige Vorstellung einer Befriedigung meiner Lust trieb mich an. Ich vergaß die Hitze, die mit jedem Schritt in ihre Richtung weiter anschwoll. Schweiß quoll aus meinem Körper und der Gestank von verbranntem Haar lag in der Luft, als ich endlich vor diesem göttlichen Geschöpf stand.
Sie fuhr mir mit der Hand über den Kopf und hinterließ dabei schwarze Striemen, die von Brandblasen gesäumt waren. Die Haut schien zu kochen. Ihre Lippen schlossen sich um die meinen und das schwarze Feuer sprang, wie auf der Suche nach Nahrung, mit unbändigem Hunger auf meinen Körper über. Der Schmerz war schlimmer als von tausenden Klingen durchbohrt zu werden. Ihre schwarzen Augen blitzten mich an und mich umhüllte Dunkelheit.
Das war das Ende.
Mit einem gellenden Schrei erwachte Naur aus seinem Schlaf, die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Völlig durchnässt und reichlich verwirrt machte er einige Anstalten, sich im Bett aufzurichten, und begutachtete seine Umgebung. Er war in einem kleinen kahlen Raum ohne jegliche Verziehrung, den er als seine persönliche Schlafkammer identifizierte. Die Raumtemperatur war angenehm, wenn nicht gar etwas kühl und von Verbrennungen oder gar einer weiblichen Schönheit war nichts zu sehen.
Wieder nur ein Traum.
Naur stand taumelnd auf, zog sich rasch einen einfachen gräulichen Umhang an und trat aus seinem Zimmer. Die Gänge des Klosters, das er seit Jahren sein Zuhause nannte, waren menschenleer, durch die Fenster trat nur fahles Mondlicht. Es schien noch eine Weile zu dauern, bis die Sonne aufging und das Leben in dieses Gebäude zurückkehrte. Naurs Schritte hallten die langen Gänge entlang, während er sich langsam der Klosterpforte näherte. Das mächtige schwarze Tor, vor dem er als kleiner Knabe aufgelesen wurde, ließ ihn früher erschaudern. Es war aus einem eigenartigen Holz gezimmert, die Oberfläche war mit Schnitzereien furchterregender Dämonen verziert. Wie lange war es her, seit er es zum ersten Mal erblickte. Mit einem leisen Knarren öffnete er die kleine Seitentür, und ein eiskalter Windhauch ließ Naur erzittern. Er zog seinen Umhang fester um sich und trat ins Freie.
Die bergige Landschaft war in ein dunkelblaues Licht gehüllt und im Tal blubberte ein kleiner Fluß, als ob er die Stille nich aushielte. Die Landschaft war karg und fast vegetationsfrei.
Erstaunlich, dass das Kloster in dieser unwirklichen Gegend überleben konnte,
schoss es Naur durch den Kopf, während er sich langsam von der Pforte entfernte. Die Kiesel knirschten unter seinen Füßen, als wären sie lebendig. Nach einigen hundert Metern setzte sich der Mann auf einen gewaltigen Stein. Dies war der Ort, an dem er ungestört war, hier hatte er sein halbes Leben verbracht, dies war sein wahres Zuhause. Während Naur so dasaß, das mayestätisch auf einer Kuppel liegende Kloster im Rücken, ging der Mond, beweint von einigen Wölfen, langsam hinter dem Horizont unter und das blaue Licht, das er verströmte, verschwand.
"Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung.",
murmelte Naur vor sich hin und fing ob seiner dämlichen Bemerkung selbst an zu schmunzeln. Er schloss die Augen und versuchte die Welt um ihn herum einzuatmen und selbst Teil davon zu werden.
Als er wieder erwachte war es hell und es begann gerade zu regnen. Naur rieb sich die Augen, die Eiskalten Tropfen würden ihm helfen, wieder zu klarem Verstand zu kommen. So saß er noch eine Weile und überließ seinen verschmutzten Körper dem reinigenden Nass, bis eine laute Glocke im Kloster zum Morgenmahl rief. Langsam trat er den Weg zurück an.
Am inzwischen belebten Kloster angekommen, wurde er von einem besorgt dreinschauenden Mann mit langem zotteligen Bart erwartet. Es war der Leiter der Golwen, der Weisen, und somit einer der wichtigsten Menschen im Kloster.
Mit bedächtiger Stimme sprach er:
"Naur, du hattest wieder einen dieser Träume. Man sieht es an deinem Gesicht."
"Ja, sie kommen immer öfter. ich wüsste gerne..."
"...wer diese Frau ist? Ich weiß es nicht, und das beunruhigt mich. Diese Fähigkeiten von denen du mir erzählt hast, sind besorgniserregend. Komm später bitte zu mir, wir haben eine Menge zu besprechen."
Mit diesen Worten wandte sich der Golwen ab und ging in die Richtung der Speisesähle, einen besorgt schauenden Naur hinter sich lassend.