Der Artikel ist zwar schön geschrieben, aber an einer entscheidenden Stelle herrscht ein Irrtum:
Blizzard lässt uns nicht am Entwicklungsprozess teilhaben. Blizzard füttert uns mit kleinen Infohäppchen über das Spiel und hoffte damit, den Hype (ich mag das Wort nicht, ich mag "Hype" insgesamt nicht) anzuheizen und das Bild von einer transparenten Entwicklung zu vermitteln. Was wurde denn gezeigt, gesagt, offenbart? Artworks, Trailer, coole und nicht so coole Ideen (von denen einige schon wieder zurückgenommen wurden) und solche Sachen. Wenn es denn von offizieller Seite zu einer Reaktion auf die brodelnde Gerüchteküche kommt, dann hauptsächlich, um allzu schräge Irrläufer wieder einzufangen und um für Verständnis für so manche unbeliebte Entscheidung zu erbitten.
Diese Informationspolitik ist aber für der heutigen Generation "mit der kurzen Aufmerksamkeitsspanne" schon wieder veraltet. Die Mehrzahl will - anders als Sascha Lobo erkannt haben will* - nicht nur alles wissen, sondern auch aufgrund dieser Informationen mitbestimmen und das Produkt gemäß dem, was sie erfahren haben inklusive ihrer eigenen Vorstellungen sofort haben. Neugier ist menschlich, und zu dem Wissen gesellt sich fast automatisch das Besserwissen dazu.
Die Absicht Blizzards, nur gezielte Informationen herauszugeben, wird von der "Wissensgier" der Community überrollt.
Womit ich nochmal auf die Transparenz bezüglich des Entwicklungsprozesses eingehen will.
Natürlich kann man Bilder und ähnliches zum Spieleinhalt auch als Informationen zur Entwicklung interpretieren, aber der reine Prozess wird dadurch nicht transparent. Welche Schritte genau bisher erfolgten, welche Schritte noch genau ausstehen, welche die Veröffentlichung verzögern oder derzeit verhindern (also das würde doch alle interessieren), welcher Stand exakt erreicht wurde, all das wurde nicht bekanntgegeben. Verständlicherweise, schließlich sind die Arbeitsprozesse zu einem gehörigen Maße firmeninternes Know-How und deren Beschreibung würde von vielen Spiele-Kiddys als irrelevant abgetan, im schlimmsten Fall auch in Frage gestellt werden.
Blizzard wollte beileibe keine Transparenz oder gar Mitsprache in die Spieleentwicklung sondern probierte eine neue Art des Marketings aus. Dass die Mehrheit der zukünftigen Spieler diese Informationspolitik nicht nur begrüßte, sondern noch mehr forderte, hat Blizzard wohl überrascht.
Sofern Blizzard das gegenwärtige Katz und Maus Spiel bis zur Veröffentlichung auf dem jetzigen Level beibehalten kann, kann meines Erachtens keine Rede davon sein, dass eine Büchse der Pandora geöffnet wurde - so schlimm war es bisher doch gar nicht. Es kann ihnen höchstens das passieren, was weiter vorne schon befürchtet wurde:
dass das Spiel dem angestauten Erwartungsdruck nicht gewachsen ist.
OT:
*die neuerliche Forderung nach Transparenz, von einem Journalisten / Blogger propagiert, hm, also ich weiß nicht.
Zum einen wird damit die - freundlich ausgedrückt - Informationsgier der Journalisten gerechtfertigt. Dass das gemeine Volk vollkommene Transparenz wünscht, sehe ich eher als Schutzbehauptung für Enthüllungsjournalismus, Papparazzis und ziellose Informationsschwemme. Ich heiße Transparenz in den Bereichen auch für gut und notwendig, wo Missstände aufgedeckt und Information über kausale Zusammenhänge vonnöten ist. Aber bedingungslose Transparenz in allen Bereichen, so wie manche Journalisten (und paranoide Sicherheitspolitiker) davon träumen - ehrlich gesagt, das halte ich für nicht wünschenswert. Nicht zuletzt, weil eine solche Informationsflut nicht mehr verarbeitbar ist und dadurch essentielle Informationen untergehen können.
Zum anderen verbindet sich mit dem Informationsgewinn durch Transparenz auch unmittelbar eine Erwartungshaltung: ist ein bestimmter Sachverhalt bekannt, gibt es immer die Forderung nach (Re)Aktion, Maßnahmen, es wird (künstlich) ein Handlungsbedarf generiert. Der Bundespräsident hat Dreck am Stecken? Der Mann muss weg! Anonymous hackt Gespräche des Scotland Yard? Die müssen dingfest gemacht werden / Dem Geheimdinst muss noch mehr auf die Finger geschaut werden! Das Nachbarkind musste schon zum zweiten Mal sich selber die Tür aufschließen? Den Eltern gehört das Sorgerecht entzogen, solche Rabeneltern! Korea ist sich noch uneins über die Freigabe von Diablo III? Veröffentlich das Spiel halt nicht in diesem Land, eine weitere Verzögerung ist nicht akzeptabel!
Was dabei vergessen wird: bloß, weil man etwas weiß, hat man noch lange keinen Anspruch, diesbezüglich etwas zu fordern. Genau dies wird aber mit der Forderung nach totaler Transparenz suggeriert. Wozu soll man schließlich auch etwas wissen, wenn die eigene Meinung dazu nicht zählt?