Kapitel II
Ragul war verzweifelt, seine Haut brannte und juckte, sein Magen verkrampfte sich vor Hunger und obwohl er bis zum Hals in Flüssigkeit stand hatte er Durst, wahnsinnigen Durst. Die Dämpfe, die von der Flüssigkeit aufstiegen reizten seine Schleimhäute und ließen Schlieren auf seinen Augen entstehen, die er nur mühsam durch zwinkern und Tränen entfernen konnte. Am liebsten hätte er die Augen einfach geschlossen gehalten, aber sobald seine Lider fielen kam eine andere Sinneswahrnehmung zum Vorschein, er nahm jede Form von Leben in seiner Umgebung war, wie eine Art Nebel, und alles Feste schien aus Glas gebaut. Jedesmal wenn er die Augen schloß nahm er Mephisto auf eine Art wahr, die noch schlimmer und intensiver war, als sein direkter Anblick, er schien in einer grausamen Macht zu erstrahlen, die seinen Geist zerriß. Er konnte sogar die Würmer und Maden, in der Erde die den Kerker umgab, als kleine Nebelfetzen wahrnehmen.
Immer öfter biss er sich selbst auf die Zunge oder in die Lippen, nur damit er ein wenig Feuchtigkeit im Mund hatte. Mephisto wollte das er schreit, er konnte nicht schreien. Seine Kehle war trocken und mehr als ein leises Röcheln konnte er nicht hervorbringen, aber er ahnte, das er mit Mephisto auch anders sprechen konnte, wenn er es wollte, auf eine Art, die seinen Geist ohne jeden Schutz darbieten würde, in der er nichts verbergen konnte, sollte es dazu kommen würde er alles offenbaren, nichts würde im Verborgenen bleiben und seine Seele würde nackt zu Mephistos Füßen liegen.
Sarka wanderte durch ein finsteres Viertel, in einer finsteren Stadt. Es sollte hellichter Tag sein, aber ein Staubsturm wütet um die Stadt und verdunkelte die Sonne, einzig die hohen Wände um sie herum machten es ihr möglich sich durch die Strassen zu bewegen. Schließlich hatte sie ihr Ziel erreicht, ein kleiner, unauffälliger Bau in mitten eines leeren Platzes. Sie war froh, das niemand sehen konnte wie sie hinein ging, aber erstmal mußte sie sich durch den Sturm kämpfen, um den Bau zu erreichen. Der Wind zerrte an ihr und der Staub schien überall einzudringen, in ihre Nase, die Ohren, selbst unter die Augenlieder. Sie versuchte die Richtung zu schätzen und kroch mit geschlossenen Augen am Boden entlang auf den Bau zu, der eigentlich nichts weiter war, als ein offenes Tor, hinter dem eine Treppe nach unten lag. Auf allen Vieren passierte sie den Torbogen und es war für sie, als würde sie eine Mauer des Schweigens durchbrechen, jenseits des Torbogens gab es keinen Sturm, nur stille, unbewegte Luft. Ein leises Zischen lies sie die Augen öffnen, eine Schlange hatte sich vor ihr aufgebaut, die gespaltene Zunge schien fast ihr Wange zu berühren. Sie war tödlich giftig, das wußte Sarka, aber sie wagte nicht sich zu bewegen, noch zu atmen, bis sich die Schlange plötzlich ruckartig umdrehte und die Treppe hinab glitt. Man wußte, das sie da war.
Mephisto streifte mit seinem Geist durch sein Reich, er beobachtete seine Diener, die immer stärker und mehr wurden, täglich kamen neue Geschöpfe ans Tageslicht und bevölkerten den Dschungel von Kurast auf eine wundervoll vernichtende Art. Bald hatte er ein neues Geschöpf, etwas ganz neues, grade zu bizarres, einen untoten Paladin. Hatte er die Zarkarum damals nur versklavt, so war dies doch ein viel größerer Sieg. Durch die heilige Rüstung und die Tatsache, das er diesmal eine bessere Kontrolle, größere Mittel und mehr Zeit hatte, war es ihm möglich die göttlichen Kräfte, die in Ragul wirkten, zu konservieren, seine Macht als Paladin zu erhalten und ihn in ein Werkzeug des Bösen zu verdrehen. Welch ein Triumph, sein Innerstes jubilierte und harrte dem Tag, an dem er dem unheiligen Paladin die Beweglichkeit zurück geben würde.
Langsam stieg sie die Treppe hinab, ganz konzentriert auf ihren Abstieg, um auf den schmalen, steilen Stufen nicht zu stolpern und in eine Tiefe zu fallen, die sie bisher nur erahnen konnte. Die Wandmalereien schienen immer wieder zu versuchen ihren Blick zu erhaschen. Sie ignorierte diese Darstellungen so gut sie konnte, zeigten sie doch Zeremonien, die an Leichen und teilweise auch an Lebenden durchgeführt wurden, die Übelkeit bei ihr hervor riefen. Nach einem langem Abstieg schließlich, erreichte sie eine Plattform, die mitten im Nichts zu schweben schien, aber als sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten, sah sie das sie in einer uralten Höhle stand, die Treppe und Plattform aus einer Felsensäule heraus geschlagen waren und es am Rand der Plattform eine Wendeltreppe nach unten gab. Als sie den Fuß auf diese Treppe setzte glitt ihr Blick an den Stufen vorbei nach unten, der Boden war für sie nicht zusehen, sie sah keine Höhlenwände und würde auch bald schon die Decke aus den Augen verlieren und allein in der Dunkelheit, die nicht vollständig, sonder eher dämmrig war, nach unten steigen.
Nach einer Stunde wurden ihr Schritte unsicher, die Wendeltreppe war sehr schmal und immer noch gab es keinen Boden zu sehen, sie wollte schon verzweifeln und sich einfach in die Tiefe fallen lassen, die wie Finger an ihr zu zerren schien, als sie ein schmales Band entdeckte, das von der Säule wegzugehen schien, bei jeder Umrundung sah sie es erneut, es schien ein schmaler Grat zu sein, ein Pfad in die Dunkelheit, auf dem sie sich schließlich befand, zu beiden Seiten gab es nichts, nur Leere und Tiefe, wenn sie einen Stein mit dem Fuß vom Grat schob, hörte sie keinen Aufprall, kein Echo, nichts.
Vorsichtig ging sie den Grat entlang und obwohl er mehr als einen halben Meter breit war, fing sie doch mit der Zeit an, die Arme auszustrecken und zu balancieren, die Tiefe zerrte und zog an ihr und sie wollte garnicht wissen, Wieviele diesem Sog schon nachgegeben hatten.
Er spürte wie seine Haut dünner wurde, hätte er die Tränen noch gehabt, würde er jetzt hemmungslos Weinen, auch schienen seine anderen Wahrnehmungen sich immer weiter in den Vordergrund zu schieben, es war bald egal, ob er die Augen auf oder zu machte, schon jetzt konnte er fast durch die Wände hindurch sehen. Er war nahe dran, seine Zunge zu verschlucken, aber er erinnert sich auch an die Worte von Mephisto, wonach er nicht sterben konnte, man hatte ihm keinen Ausweg gelassen, er war in seinem Leid gefangen und spürte schon den Wahnsinn, in dem sein Geist zu entrinnen versuchte.
Sarka wäre beinahe vom Grat gestürzt, überraschend war ein riesige Wand vor ihr erschien, die sich bei näherer Betrachtung als eine Art Tempel herausstellte, der mitten im Nichts zu schweben schien. Merkwürdige Steinlöwen, mit Adlerflügeln und bärtigen Männerköpfen, bewachten in Stein geschlagen, ein kleines Portal ins Innere. Dies war alles so uralt, zu alt um von Menschen errichtet worden zu sein und auch ließen die Form des Portals, das recht niedrig, aber sehr breit war, auf eine andere Gestalt als die menschliche schließen. Sarka war sich nichtmal sicher, ob sie noch in der gleichen Welt weilte. Vorsichtig durchschritt sie das Portal.
"Ich habe dich erwartet."
Diese ruhigen Worte ließen sie zusammen zucken, sie brauchte ein paar Sekunden, um ihre Quelle zu finden, der kleine, dürre Mann, der sie ausgesprochen hatte, war so bleich wie der Marmor, der diesen Raum auskleidete.
"Warum suchst du Hilfe bei mir?"
"Ich ... Nein Ragul, er muß gerettet werden."
Er legte eine eiskalte Hand an ihre Wange, die Haut fühlte sich an wie Pergament und sie erschauderte, seine Augen waren vollkommen weiß, er mußte Blind sein, aber sein Blick ging direkt in ihren Geist.
"Warum suchst du kein Hilfe bei seinem Orden."
"Sie...Er ist ... geächtet."
"Was hat er getan?"
"Er hat einen seines Ordens getötet... nicht im Duell...sein Bruder war im Duell betrogen worden und gestorben...keiner hat ihm geglaubt, sein Patriarch verbat ihm die Rache..."
Gelächter füllte den Raum und Sarka spürte wie ihre Hilflosigkeit einer brennenden Wut wich.
"Diese Narren."
Sie war verblüfft.
"Wieso... was?"
"Wenn ein Paladin eine Todsünde begeht verliert er seine göttliche Macht, sie hätten sehen müssen das er die Wahrheit sprach nachdem er seinen Bruder gerächt hat."
"Er ...Wir sind direkt danach geflohen."
Erneut lachte er und diesmal erfüllte eine andere Wut Sarka, sie waren so dumm gewesen, anstatt sich dem Gericht zu stellen waren sie geflohen und hatten sich somit selbst geächtet. Das alles war passiert, weil sie ihn zur Flucht überredet hatte, weil sie ihn nicht auf dem Schafott sehen wollte, sie hatte ihn schon viel früher ins Verderben gerissen, als sie bisher gedacht hat.
"Welchen...Was für einen Preis verlangst du von mir für seine Rettung?"
"Es wird nicht gern gesehen, wenn unsereins durch die Lande wandelt."
"Ich weiß, was muß ich tun?"
"Du kannst den Preis später zahlen."
"Aber...Ich...was muß ich tun?"
"Spielt es eine Rolle? Würdest du nicht alles tun um deine Schuld zu begleichen?"
"Doch, das würde ich."
"Garan hier wird dich begleiten."
Der Mann drehte sich um und ging ins Innere davon. Zum ersten mal bemerkte sie einen anderen Mann, Garan, der vollkommen ruhig und gelassen da stand, er mußte schon die ganze Zeit da gewesen sein.
"Komm mit, wir gehen."
"Aber, du allein?"
Sie folgte ihm so schnell sie konnte, er war sehr schnell und nur schwer in diesen bleichen Mauer zu sehen, sie fragte sich woher das wenige Licht kam, das alles hier in so eine dunkle Dämmrigkeit tauchte, die die Konturen verschwimmen ließ und den Geist betäubte. Er führte sie in einen grossen Saal, wo neben einem breitem Gang eine Reihe der nächsten folgend, Särge aufgebahrt waren.
"Nicht allein."
Mit einer Handbewegung von Ihm stand eine Horde von Skeletten aus diesen Särgen auf und nahm grimmig Aufstellung, es mußten drei vier Dutzend sein, zum Teil mit Waffen und Schilden ausgerüstet, zum Teil von einer finsteren Macht umgeben die ihre Fäuste in unheiliger Magie leuchten ließ. Sarka verließ der Atem, welches Übel hatte sie hier geweckt, um ein anderes zu besiegen.