Insidias
Guest
Auf ein Neues:
Kapitel 8: Das ist ja wie Weihnachten
Nachdem sie an diesem Abend ihr Lager aufgeschlagen und eine hastig bereitete warme Mahlzeit zu sich genommen hatten, räusperte sich Khalid und brach das Schweigen, die sie seit der grausigen Entdeckung teilten.
„Mit dem Reisekleid bist Du im Ernstfall zu langsam, um mit mir mitzuhalten“, sagte er barsch.
Jaella sah kaum von den Flickarbeiten an Khalids Handschuhen auf „Du brauchst Dich nicht zu sorgen, wenn ich zurückbleibe. Ich werde Dich nicht aufhalten.“
Ein wenig beschämt errötete der Hüne und fuhr dann sanfter fort. „Du hältst mich nicht auf. Ich wollte Dir nur vorschlagen, Deine Garderobe zu überdenken. Ich habe vorhin einige Ausrüstung aus der Hütte mitgenommen. Ich denke, das hier könnte Dir passen.“
Mit diesen Worten warf er Jaella ein Paar hellbraune raue Hirschlederhosen in den Schoß, ein beiges Leinenhemd und ein beschlagenes Lederwams. Die Kleidungsstücke waren abgetragen und fleckig, aber dennoch in einem passablen Zustand.
Betreten musterte Jaella die Hose, dann jedoch hellte sich ihre Miene auf. „Ich kann hier tragen, was ich will, oder? Es sieht mich ja keiner...“ Bei dem Gedanken an die schockierten Gesichter, die die feinen Damen Lut Gholeins machen würden, sähen sie sie je in solcher Kleidung, fing sie an zu kichern. Khalid ahnte, woran sie dachte und begann seinerseits zu lachen. Aus ihrem mädchenhaften kichern wurde ein Glucksen und schließlich lachten beide lauthals. Jaella hielt sich die Seite und japste atemlos: „Die würden mich bestimmt nie wieder zum Tee einladen, oder mich ihren Söhnen vorstellen...“
Die Reste des Kleides wanderten in ihren Tragebeutel, zum Teil aus sentimentalen Gründen, zum Teil dachte sie ganz praktisch, dass sich Teile des Rockes bestimmt noch als Verband nutzen ließen. Ein bisschen nackt fühlte sie sich schon, aber voller Trotz reckte sie das Kinn vor und genoss die neue Bewegungsfreiheit.
Nach ein paar Runden um das Lagerfeuer blieb sie vor dem Mann stehen „Danke, Khalid. Ich habe noch nie... ich meine... na ja danke.“ Glitzernde Feuchtigkeit stieg ihr in die Augen.
„Ich habe noch etwas für Dich gefunden“, unterbrach Khalid ihr Gestammel. Dass sie so gut auf seine kleine Überraschung reagierte, erfreute und beschämte ihn. Er nahm sich vor, sie in Zukunft ein wenig freundlicher zu behandeln.
Sie riss staunend die Augen auf, als er den kleinen Jagtbogen und einen Köcher Pfeile hervorholte, die er in der Truhe entdeckt hatte. „Er hat nur eine geringe Spannweite und ich glaube nicht, dass er große Durchschlagskraft entwickeln wird, aber Du kannst Dich mit der Waffe Deiner Vorfahren vertraut machen. Es ist schneller zu erlernen als der Nahkampf, dafür bist Du wohl schon zu alt.“
Behutsam nahm Jaella den Bogen entgegen. Er war nur in etwa so lang wie ihr Arm, die Sehne musste dringend eingeölt werden und das Holz war an den Enden bereits morsch und einige Splitter standen ab. Dennoch war es für Jaella das schönste Geschenk, das sie jemals bekommen hatte. Voller Ehrfurcht strich sie über das dunkle Holz und spannte probeweise die Sehne. Es bedurfte keiner Ermahnung Khalids, sie solle die Sehne niemals ohne Pfeil schnellen lassen; sie verstand den Bogen, als würde er ihr eine Geschichte ins Ohr flüstern und als sie ihn das erste Mal an die Schulter hob durchfuhr sie ein Gefühl unbändiger Freiheit.
Khalid sah staunend, wie sich das Gesicht seiner Mitreisenden verändert hatte. War sie noch eben ein errötendes Mädchen gewesen, das verbotenerweise das erste Mal eine Hose trug, so war sie jetzt von Kopf bis Fuß eine Amazone. Ein stolzer Zug legte sich um ihren Mund, der nie wieder ganz verschwand und ein Leuchten zeigte sich in ihren Augen, das jedem Betrachter sofort klarmachte, dass sich ihre Trägerin in dieser Welt behaupten könne.
„Morgen bleiben wir hier. Bei Tagesanbruch werden wir Dich mit Deiner Waffe vertraut machen.“ Khalid lächelte versonnen. „Es ist lange her, dass ich mit einem Bogen geschossen habe, mein Onkel hatte mich früher ab und zu mit auf die Jagt mitgenommen. Ich war nie ein großer Schütze, mehr als ein stillstehendes Reh habe ich nie getroffen, aber um Dir die Grundlagen beizubringen dürfte es reichen. Handschuhe habe ich keine für Dich gefunden, also finde Dich damit ab, dass Dir morgen Abend die Finger bluten werden.“
Sie sahen sich an und lächelten.
Später in der Nacht erwachte er mal wieder aus dunklen Träumen.
Stöhnend barg er sein Gesicht in den zitternden Händen und schüttelte abwehrend den Kopf. Doch als er die Augen schloss, sah er wieder das vor Wut und Hass verzerrte Gesicht der Amazonenkönigin vor sich. Anklagend richtete sie den Finger auf ihn, als wolle sie ihn damit aufspießen. Was er wohl auch verdient hätte. Sie hatte nicht eine ihrer Kriegerinnen geschickt – nein – sie war persönlich erschienen wie eine flammende Gesandte aus der Hölle, um ihn mit sich zu reissen und ihn zu verschlingen. Dann wurde sie von groben Händen davongezogen, aber sie verschwand nicht...
Sie stahl sich seitdem Nacht für Nacht in seine Träume.
Insidias
Kapitel 8: Das ist ja wie Weihnachten
Nachdem sie an diesem Abend ihr Lager aufgeschlagen und eine hastig bereitete warme Mahlzeit zu sich genommen hatten, räusperte sich Khalid und brach das Schweigen, die sie seit der grausigen Entdeckung teilten.
„Mit dem Reisekleid bist Du im Ernstfall zu langsam, um mit mir mitzuhalten“, sagte er barsch.
Jaella sah kaum von den Flickarbeiten an Khalids Handschuhen auf „Du brauchst Dich nicht zu sorgen, wenn ich zurückbleibe. Ich werde Dich nicht aufhalten.“
Ein wenig beschämt errötete der Hüne und fuhr dann sanfter fort. „Du hältst mich nicht auf. Ich wollte Dir nur vorschlagen, Deine Garderobe zu überdenken. Ich habe vorhin einige Ausrüstung aus der Hütte mitgenommen. Ich denke, das hier könnte Dir passen.“
Mit diesen Worten warf er Jaella ein Paar hellbraune raue Hirschlederhosen in den Schoß, ein beiges Leinenhemd und ein beschlagenes Lederwams. Die Kleidungsstücke waren abgetragen und fleckig, aber dennoch in einem passablen Zustand.
Betreten musterte Jaella die Hose, dann jedoch hellte sich ihre Miene auf. „Ich kann hier tragen, was ich will, oder? Es sieht mich ja keiner...“ Bei dem Gedanken an die schockierten Gesichter, die die feinen Damen Lut Gholeins machen würden, sähen sie sie je in solcher Kleidung, fing sie an zu kichern. Khalid ahnte, woran sie dachte und begann seinerseits zu lachen. Aus ihrem mädchenhaften kichern wurde ein Glucksen und schließlich lachten beide lauthals. Jaella hielt sich die Seite und japste atemlos: „Die würden mich bestimmt nie wieder zum Tee einladen, oder mich ihren Söhnen vorstellen...“
Die Reste des Kleides wanderten in ihren Tragebeutel, zum Teil aus sentimentalen Gründen, zum Teil dachte sie ganz praktisch, dass sich Teile des Rockes bestimmt noch als Verband nutzen ließen. Ein bisschen nackt fühlte sie sich schon, aber voller Trotz reckte sie das Kinn vor und genoss die neue Bewegungsfreiheit.
Nach ein paar Runden um das Lagerfeuer blieb sie vor dem Mann stehen „Danke, Khalid. Ich habe noch nie... ich meine... na ja danke.“ Glitzernde Feuchtigkeit stieg ihr in die Augen.
„Ich habe noch etwas für Dich gefunden“, unterbrach Khalid ihr Gestammel. Dass sie so gut auf seine kleine Überraschung reagierte, erfreute und beschämte ihn. Er nahm sich vor, sie in Zukunft ein wenig freundlicher zu behandeln.
Sie riss staunend die Augen auf, als er den kleinen Jagtbogen und einen Köcher Pfeile hervorholte, die er in der Truhe entdeckt hatte. „Er hat nur eine geringe Spannweite und ich glaube nicht, dass er große Durchschlagskraft entwickeln wird, aber Du kannst Dich mit der Waffe Deiner Vorfahren vertraut machen. Es ist schneller zu erlernen als der Nahkampf, dafür bist Du wohl schon zu alt.“
Behutsam nahm Jaella den Bogen entgegen. Er war nur in etwa so lang wie ihr Arm, die Sehne musste dringend eingeölt werden und das Holz war an den Enden bereits morsch und einige Splitter standen ab. Dennoch war es für Jaella das schönste Geschenk, das sie jemals bekommen hatte. Voller Ehrfurcht strich sie über das dunkle Holz und spannte probeweise die Sehne. Es bedurfte keiner Ermahnung Khalids, sie solle die Sehne niemals ohne Pfeil schnellen lassen; sie verstand den Bogen, als würde er ihr eine Geschichte ins Ohr flüstern und als sie ihn das erste Mal an die Schulter hob durchfuhr sie ein Gefühl unbändiger Freiheit.
Khalid sah staunend, wie sich das Gesicht seiner Mitreisenden verändert hatte. War sie noch eben ein errötendes Mädchen gewesen, das verbotenerweise das erste Mal eine Hose trug, so war sie jetzt von Kopf bis Fuß eine Amazone. Ein stolzer Zug legte sich um ihren Mund, der nie wieder ganz verschwand und ein Leuchten zeigte sich in ihren Augen, das jedem Betrachter sofort klarmachte, dass sich ihre Trägerin in dieser Welt behaupten könne.
„Morgen bleiben wir hier. Bei Tagesanbruch werden wir Dich mit Deiner Waffe vertraut machen.“ Khalid lächelte versonnen. „Es ist lange her, dass ich mit einem Bogen geschossen habe, mein Onkel hatte mich früher ab und zu mit auf die Jagt mitgenommen. Ich war nie ein großer Schütze, mehr als ein stillstehendes Reh habe ich nie getroffen, aber um Dir die Grundlagen beizubringen dürfte es reichen. Handschuhe habe ich keine für Dich gefunden, also finde Dich damit ab, dass Dir morgen Abend die Finger bluten werden.“
Sie sahen sich an und lächelten.
Später in der Nacht erwachte er mal wieder aus dunklen Träumen.
Stöhnend barg er sein Gesicht in den zitternden Händen und schüttelte abwehrend den Kopf. Doch als er die Augen schloss, sah er wieder das vor Wut und Hass verzerrte Gesicht der Amazonenkönigin vor sich. Anklagend richtete sie den Finger auf ihn, als wolle sie ihn damit aufspießen. Was er wohl auch verdient hätte. Sie hatte nicht eine ihrer Kriegerinnen geschickt – nein – sie war persönlich erschienen wie eine flammende Gesandte aus der Hölle, um ihn mit sich zu reissen und ihn zu verschlingen. Dann wurde sie von groben Händen davongezogen, aber sie verschwand nicht...
Sie stahl sich seitdem Nacht für Nacht in seine Träume.
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