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[Story] Naaa

lord freak schrieb:
nettes Kapitel, aber zu kurz
Das über-übernächste Kapitel ist wohl das kürzeste mit 900 Wörtern. Aber das letzte... ich sag nur 2425 Wörter.
Was mich verwirrt ist: Ich dachte, dass ab dem 3. Abschnitt die Gedanken des Schamanen beschrieben werden. Nach dem lesen hatte ich aber irgendwie mehr das Gefühl, dass das die Gedanken des namenlosen Fallen sind.
Wer von den beiden fürchtet denn nun, dass die Brücke nur von dem Händler benutzt wird?
In ~ 96,7% aller Fälle, wo "er" irgendetwas macht oder denkt, ist der Protagonist (namensloser Gefallener) gemeint. Hat aber auch beim Schreiben Schwierigkeiten verursacht.
In diesem speziellen Fall könnte man fast davon reden, dass der Gefallene und der Schamane, eigentlich der ganze Stamm (sofern sie intelligent genug dafür sind) diese Befürchtung hatten. Es lag aber sicher nicht in meiner schreiberischen Absicht, von einem geistigen Kollektiv zu berichten.
Allgemein:
allzuviele Kämpfe gibt es (leider) nicht. Schließlich ziehen die Gefallenen normalerweise bei sowas den Kürzeren.
 
Totentanz

Die Stimmung unter den Gefallenen schien gereizt. Doch kaum waren die Schlächter außer Rufreichweite, rief ein Gefallener, der bei dem denkwürdigen ersten Kampf von der Amazone niedergestreckt worden war, „Rakanishu!“ und schwang seine Waffe über dem Kopf. Die verlockende Vision von einer Gefolgschaft unter Bischibosch zerplatzte wie eine Seifenblase und die anderen Gefallenen stimmten erleichtert mit ein, schwangen ebenfalls ihre Waffen oder taten ihre Meinung durch ein bekräftigendes „Naa!“ kund.
Rakanishu war allen als einer der Ihren bekannt, kein Schamane, sondern ein Schlächter von ganz besonderer Qualität. Dieser Schlächter war mit ein paar anderen Schlächtern in der Hölle einst mit der Aufgabe betraut gewesen, ein Tor zu bewachen und notfalls durch seinen Todesschrei Verstärkung herbei zu rufen. Als die Stunde der Bewährung gekommen war, waren die Schlächter mitsamt dem begleitenden Schamanen in einem Überraschungsschlag ausgelöscht worden – bis auf Rakanishu. Rakanishu hatte derartig wild und hasserfüllt sein Leben verteidigt und dadurch den Gegner so lange aufgehalten, dass das Tor gehalten werden konnte, wofür Diablo selbst, der Herr des Schreckens, ihn geadelt hatte: wenn Rakanishu fortan kämpfte, flogen buchstäblich die Funken – und Rakanishu kämpfte schnell und heftig und gern. Und er hatte seinen Weg in die Unsterblichkeit gefunden, sein Name war fast jedem Gefallenen bekannt, er führte sogar seine eigene Gruppe an, ohne einen Schamanen als Vorgesetzten.
Mochte der Ausruf ein Hinweis sein, dass die vorbeistolzierten Schlächter nach Meinung des Rufers bei weitem nicht den Höchsten unter den Gefallenen als Idol ihrer Träume ausgesucht hatten, mochte es auch darauf deuten, dass nicht ein Schamane, sondern ein ehemals einfaches Sippenmitglied als größeres Vorbild galt, der alte Gefallenenschamane war es zufrieden und setzte sich grunzend in Richtung des eigenen Lagers in Bewegung, worauf die Sippe ihm folgte.

Die folgenden Tage waren geprägt vom Lauern auf eine unvorsichtige Menschengruppe oder auf einzelne, leicht zu besiegende Menschen, abgewechselt von Märschen von und zum Lager, in dem sie ihre Nächte zubrachten und von den wenigen erfreulichen Tagen in ihrem bisherigen Leben träumten.
Da der Erfolg ausblieb, wurden die Gefallenen unruhig und schweiften bei ihren Märschen immer weiter umher, immer Ausschau haltend nach möglichen Gefahren und ebenso möglichen günstigen Gelegenheiten. Dabei wurde ein altes Schlachtfeld entdeckt, auf dem die Leichen einer längst vergangenen Auseinandersetzung lagen.
Der Tod schreckte die Gefallenen nicht, aber etwaige Waffen oder sonstige Gegenstände interessierte sie um so mehr. Überall wuselten sie umher, entrissen kalten Händen eine Waffe, um sie kurz darauf wieder wegen ihrer Unhandlichkeit fallen zu lassen. Manch einer fand ein kleines Beil, einen rostigen Dolch, doch ebenso oft wurde ein stumpfer Bidenhänder, eine lange Hellebarde oder ein löchriger Helm ausprobiert und wieder zurückgeworfen, da die Waffe zerstört und unbrauchbar war, das Rüstungsteil schlichtweg zu groß war und nur behinderte oder weil die Größe und das Gewicht des Gegenstandes für einen Gefallenen dermaßen überdimensioniert war, dass die Benutzung wohl eher zum Tod des Angreifers als des Angegriffenen führte.
Glücklicherweise war er einer der Ersten auf dem ehemaligen Schlachtfeld gewesen, so dass er anfänglich freie Auswahl hatte. Er hatte ein erstaunlich gut erhaltenes Kurzschwert gefunden und schwang es prüfend durch die Luft, als er von einem Gefallenen, der sich gerade eben noch abgemüht hatte eine rissige Pavese aufzustellen, durch einen warnenden Schrei auf etwas aufmerksam gemacht wurde:
Hinter einer Baumgruppe bewegte sich etwas, die Sonne reflektierte auf Metall und allem Anschein nach handelte es sich sogar um mehrere menschengroße, potentielle Gegner.

Er hob sein kleines Schwert und stieß einen herausfordernden Schrei aus, während um ihn herum sich die anderen Gefallenen der unbekannten Bedrohung zuwandten, ihre neuen Waffen schwangen und sich ebenfalls gegenseitig Mut zuriefen oder hastig nach einer gerade eben noch als wertlos weggeworfenen Waffe griffen. Ihr Schamane war am anderen Ende des Feldes und wurde durch die Aufregung unter den Gefallenen darauf aufmerksam, dass irgendetwas nicht stimmte. Dass das, was hinter der Baumgruppe stand, weder angriff noch floh und der Sippenführer noch eine ordentliche Strecke entfernt war, trug nicht zur Beruhigung der Gefallenen bei.
Ein etwas kleinerer Gefallener, der einen abgebrochenen Speer führte, ging auf die unbekannte Gruppe zu, starrte sie eine Weile an und kehrte dann mit einem abschätzigen „Naa.“ zurück, wo er sich wieder seiner Suche nach einer besseren Waffe widmete.
Eine Reaktion von der Baumgruppe war indes nicht zu erkennen.
Also trauten sich immer mehr Gefallene, den vermeintlichen Feind zu begutachten; die meisten kehrten mit einem Kopfschütteln oder einem verächtlichen „Na...“ zu ihrer bisherigen Tätigkeit zurück. Als der Schamane seine Sippe erreicht hatte, traten die bisher verborgenen Gestalten in den Sichtkreis. Die ängstlicheren Gefallenen hoben ihre Waffen ein wenig an, diejenigen, die schon Bescheid wussten, blickten kurz von ihrer Suche auf und der Schamane kniff die Augen über seiner üblichen feindseligen Miene zusammen.

Der Tod hatte eine Handvoll Krieger nicht ruhen lassen, sie waren als Untote wieder auferstanden und harrten nun derer, die noch das Blut in ihren Adern fühlten und von der Verderbnis der Hölle nicht berührt worden waren. Die Skelette trugen teilweise ihre Rüstung und Waffen, sofern sie nicht vermodert und vom Alter zerfressen waren.
Man konnte tief in ihren Augen den Hass auf alles Lebendige lodern sehen, doch wussten die Gefallenen, dass sie von diesen Gestalten nichts zu befürchten hatten. Untote erkannten, ob jemand von der Hölle berührt worden und somit schon verdammt war, oder ob derjenige unter dem fragilen Schutz des Himmels stand und damit ein - wenn auch vergeblicher - Versuch unternommen werden konnte, dessen Leben zu rauben – im wahrsten Sinne des Wortes. Zwar herrschte eine ununterbrochene Bewegung in der Gruppe der Untoten, ein ständiges nervöses Schaukeln in dieser grotesken Masse aus knöchernen Leibern, da ihnen die ewige Ruhe nach dem Tod verwehrt geblieben war, doch konnte ohne einen Lebenssinn keine zielgerichtete Bewegung entstehen.
Erst wenn die Unruhe zu groß geworden war, würde sich die unheilige Schar schleppend in Bewegung setzen und erbarmungslos auf der blinden Suche nach atmenden Menschen durch das Land streifen. Aber jetzt war es noch zu früh, noch sah die Gruppe der Skelette gleichgültig zu, wie die Gefallenen das Schlachtfeld nach den wenigen brauchbaren Gegenständen absuchten.
Das Schlachtfeld war also deshalb unberührt geblieben und nicht geplündert worden, da sich kein vernünftiger Mensch in die Nähe der Toten traute. Für die Gefallenen stellte dieser Tanz der Toten keine Besonderheit dar, in der Hölle gab es genug Skelette, sei es hingestreckt oder wandelnd.
 
Es wird ein Kapitel geben, dass noch kürzer ist? :eek:
Auf jeden Fall ist dieses sehr gut, bis auf die kürze ;)
Ein Fehler ist mir noch aufgefallen:
..., der alte Gefallenenschamane war es zufrieden und setzte sich grunzend in Richtung des eigenen Lagers in Bewegung, worauf die Sippe ihm folgte.
Das "es" ist doch unnötig, oder?
 
"Totentanz" hatte (lt. Word) knapp über 1000 Wörter - und ja, das übernächste ist mit 900 Wörtern noch kürzer (aber als kleiner Trost: es ist das meiner Meinung nach schwächste). Ich hab' halt nicht viel zu sagen... :( oder :)

Und dieses ominöse "es", tja,
das ist die Gesamtsituation! :clown:
 
Führungslos

Die Gefallenen waren in ihr Lager zurückgekehrt und hatten dabei ihre neuen Waffen geschwungen, als hätten sie soeben selbst die Schlacht geschlagen und gewonnen.
Der alte Schamane war inmitten der Schar mitgehumpelt und man hätte fast meinen können, dass ab und zu ein grimmiges Lächeln auf seinen Zügen aufblitzte.
Als hätte das Glück nicht ausgereicht, kam tags darauf eine alte Menschenfrau mit zwei kleinen Menschlein über die Brücke. Die Gefallenen hatten noch nie so leicht einen Sieg errungen, auch wenn sie bei den Erschlagenen keine Beute fanden.
Der Sippenführer hatte sie angewiesen, die Kadaver in den Fluss zu werfen, damit andere Reisende nicht schon von ferne abgeschreckt würden. Und siehe da, einen Tag später kam tatsächlich noch ein Mensch, ein Mann mit einem langen Stock, der nach irgendetwas oder irgendwem Ausschau zu halten schien. Leider war er wesentlich flinker als die alte Frau und konnte, wenn auch blutend und mit einem zerschmetterten Arm, entkommen.

Danach tat sich für drei Tage nichts und er fragte sich schon, ob der Schamane sich entschließen würde, einen neuen Lagerplatz zu suchen.
Doch am vierten Tag kam endlich eine Dreiergruppe Menschen, die jedoch wesentlich wehrhafter aussah. Es war wieder ein Mann dabei mit glänzender Rüstung, Kriegshammer und einem beeindruckenden Schild, auf das ein sich windender Drache gemalt war, ein dunkelhäutiger Schwertträger mit rotem Waffenrock und einem lächerlich kleinen Schild und zu guter Letzt ein bleicher Geselle, der anstatt einer ordentlichen Waffe einen kurzen Stab in der Rechten hielt, während an seiner Linken ein Kopf eines Dämonenkobolds baumelte.
Die Taktik gegen einen schwer Gerüsteten war aus dem ersten Kampf bekannt und schien klar. Der Rotrock bot sich als erstes Opfer an, zumal er aufgrund seiner Haltung und Bewegungen ein Untergebener zu sein schien. Und Befehlshaber ohne Untergebene waren eben viel leichter zu besiegen. Nur der Bleiche wurde von den Gefallenen aus ihrem Hinterhalt mit Argwohn betrachtet, er musste wohl mit Magie kämpfen und hatte offensichtlich schon einen Dämon, der den Gefallenen in der Hölle zumindest ebenbürtig war, überwunden.

Kaum hatten sich die ersten Gefallenen aus ihrer Deckung gewagt und ihre Waffen über den Köpfen geschwungen, nahmen die drei Menschen ihre Kampfhaltung ein und der schwer Gerüstete schien sogar grimmig zu lächeln, als ob er eine derartige Überraschung erwartet hätte. Die Gefallenen waren noch nicht in Schlagreichweite, da hatte der Rotrock schon sein Schwert gehoben und um ihn herum schwirrte wie bei einem verkleinerten Wirbelsturm eine Vielzahl an Eissplittern. Ob dies nur harmlos lästige Verzierung oder eine Bedrohung war, konnte man noch nicht sagen. Gleichzeitig schoss aus seiner Schwertspitze ein Geschoss aus Eis auf die herankommenden Gefallenen zu.
Der Gerüstete, offensichtlich der Anführer der Menschengruppe, blieb gelassen auf seiner Position stehen und ließ sich nicht wie der Mensch beim ersten Kampf auf den folgenschweren Fehler ein, den Gefallenen hinterher zu jagen, geschweige denn ihnen entgegenzukommen. Nur der Bleichling trat einen Schritt zurück, hob seinen Stab leicht an, winkte sachte zur Gruppe der Gefallenen und rief ihnen in einer grässlichen Sprache etwas zu. Augenblicklich kam die erste Welle der Angreifer ins Stocken und bewegte sich so, als seien sie um mehrere Jahrzehnte gealtert, obwohl das Phänomen des Alterns für Höllenwesen eigentlich unbekannt sein sollte. Sie liefen deutlich langsamer und gebückter, wichen dem Eisgeschoss unbeholfen aus und schleiften ihre ehemals wild geschwungenen Waffen hinter sich her, als seien sie aus Blei.
Das Eisgeschoss flog durch die vorderste Front und er konnte deutlich diejenigen erkennen, die nur gestreift worden waren. Zwei Gefallene dahinter konnten allerdings nicht mehr ausweichen und wurden voll getroffen. Entsetzt musste er mit ansehen, wie der eine der Beiden von einem Augenblick zum anderen mitten im Lauf erstarrte, während der andere Gefallene – zerbrach! Der getroffene Gefallene zerbarst in viele gefrorene Stücke, kein Körper blieb übrig, der wiederbelebt werden konnte!

In einer seltsamen Mischung aus Hass und Entsetzen schwang er sein Kurzschwert über dem Kopf, in der anderen Hand seine Fackel wie ein Schild vor sich und schrie seine Angst und Empörung über diese unerwartete Gegenwehr heraus: „NA!“
Der Schamane aber zog die Aufmerksamkeit seiner Gefolgsleute auf sich, indem er laut den Namen rief, der sie schon einmal aufgemuntert hatte, „Rakanishu!“, und wandte sich langsam der Richtung zu, in der sie das Schlachtfeld gefunden hatten.
Der Gerüstete hob seinen Krieghammer weit über den Kopf, obwohl kein Gegner in Schlagreichweite war und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Ein ätherischer Hammer brach hervor und wirbelte in einer sich weitenden Spirale von dem zaubernden Schildträger davon. Die von dem Hammer getroffenen Gefallenen brachen unter wilden Schmerzensschreien zusammen, ein oder zwei sackten sogar vollkommen leblos weg; der Hammer hatte bei dem Einen die Schläfe, beim dem Anderen den Brustkorb getroffen oder genauer gesagt, durchschlagen. Zufrieden über den Effekt seines tödlichen Zaubers rückte der Gerüstete langsam vor, gedeckt von dem Eismagier, der alle näheren Gefallenen sorgfältig taxierte. Die Gefallenen hatten gesehen, was diese Gletschernadeln anrichten konnten und wandten nun die gleiche Taktik wie bei der Bogenschützin des ersten Kampfes an. Sobald aber ein weiterer magischer Hammer durch die Reihen wirbelte, gerieten sie gnadenlos zwischen alle Fronten, zumal sich einige noch nicht von dem Fluch erholt hatten.
Der Schamane ging in Richtung Schlachtfeld, belebte ab und zu einen leblosen Gefallenen und achtete sonst peinlich genau darauf, nicht in den Bereich des Hämmer zaubernden Gerüsteten oder gar in die Schusslinie des Eismagier zu geraten.
Das Kampfgeschehen war eher ein gegenseitiges Belauern als ein Schlagabtausch, aber die drei Menschen folgten der Bewegung des Schamanen und seiner Sippe. Erst als der bleiche Flucher etwas zurückblieb und nach einer konzentrierten Beschwörung so etwas wie eine lebendige Statue aus dem Boden wuchs und sich dem Kampf auf Seiten der Menschen anschloss, ging die taktierende Bewegung der Gefallenen in eine mehr oder weniger offene, panische Flucht über. Drei Gefallene waren mittlerweile in Eiswürfel zersprungen und mindestens eine Handvoll Gefallener war inzwischen niedergestreckt worden, ohne dass sie der Alte hätte wiederbeleben können. Der feindliche Angriff hatte den Schamanen derart in die Verteidigung gezwungen, dass er sogar nicht einmal dazu gekommen war, einen Feuerball den Gegnern entgegenzuschleudern. Erst wenn die Menschen besiegt worden waren, würden die leblosen Gefallenen wieder ins Leben gezwungen werden.
Als die kämpfenden Parteien - der Rotrock war inzwischen tatsächlich zweimal getroffen worden und blutete leicht an der linken Seite, die Gefallenen hatten dafür mit erfrorenen Händen von ihm ablassen müssen - das Schlachtfeld erreicht hatten, zog sich ein wildes, hämisches Grinsen über das Gesicht des Schamanen und auch die Gefallenen reckten triumphierend ihre Waffen in die Luft, als die untoten Skelette die Witterung der Menschen aufnahmen und sich aus drei Richtungen näherten. Die Menschen sahen sich jetzt von fast allen Seiten umzingelt, machten aber keine Anstalten zu fliehen oder vorsichtiger vorzugehen.
Der zaubernde Schwertträger schoss noch eine Gletschernadel auf ein Skelett und verengte die Augen, als er das Eis nutzlos abprallen sah. Drei, vier Gefallenen begrüßten dies mit einem höhnischen „Naa!“ und wandten sich gegen die wandelnde Statue, die mit bloßen Fäusten gewaltige Schläge austeilte. Die Erdgestalt war zwar selber recht langsam, dafür schien es jedoch, dass jeder Schlag, den sie austeilte und jeder Treffer, den sie einstecken musste, die Gefallenen verlangsamte, so dass dieser Kampf wie ein grotesker Tanz in Zeitlupe aussah.
Er wollte schon jubelnd gegen den Hammerwerfer anstürmen, denn so wie es aussah, würde der Eismagier den Skeletten unterliegen, die Erdgestalt und ihr Meister wurden schon von einer ausreichenden Anzahl Gefallener bedrängt und sein Ziel, der schwer gerüstete Zauberer, würde früher oder später sein Leben lassen, da der Schamane die Erschlagenen immer wieder gegen diese Bedrohung aufstehen lassen konnte, da geschah etwas Furchtbares, Unglaubliches.
Der bleiche Flucher streckte seine Hand gen Schlachtfeld und rief wieder etwas in dieser archaischen Sprache, während sein fürchterlicher Diener ihn vor den verlangsamten Gefallenen abschirmte. Aus der Erde brach ein Skelett hervor, welches augenblicklich den ihm nahestehenden Gefallenen angriff. Der Beschwörer tat dies fünf oder sechs Mal, und jedes Mal gesellte sich ein weiteres Skelett hinzu. Diese Skelette kämpften mit den Waffen, mit denen sie einst in den Tod gegangen waren, sowohl gegen die Gefallenen als auch gegen ihre ehemaligen Waffenbrüder oder Gegner und bildeten eine unerbittliche Front gegen die Feinde der Menschen. Spürte man den eigentlichen Untoten ihren Hass auf alles Lebendige an, so war bei diesen beschworenen Skeletten kein wirkliches Gefühl bemerkbar, sie schienen merkwürdig fremdbestimmt. Die einzige eigenständige Motivation, die man bei ihnen vermuten konnte, war die Sehnsucht, nach Erfüllung ihrer blutigen Pflicht wieder zur friedlichen Ruhe des Todes zurückkehren zu dürfen.

Sofort wandte er sich von seinem ursprünglichen Ziel ab, wich noch einem wirbelnden Hammer aus, umging die feindlichen Skelette und arbeitete sich zu seinem neuen Ziel, dem Herrn der Beschworenen vor. Seine behelfsmäßige Fackel hatte er schon zuvor vergeblich nach dem Rotrock geworfen, so dass er nur mit seinem Kurzschwert bewaffnet hoffen konnte, den bleichen Meister und damit auch seine Gefolgschaft zu vernichten. Indem er die natürliche Deckung ausnutzte und ab und zu hinter einem Busch verharrte, damit er nicht in den Gesichtskreis des Totenbeschwörers geriet und durch einen Fluch hilflos gelähmt den Tod durch diese fürchterliche Gestalt aus Erde erwarten musste, kam er langsam aber sicher an den aufmerksam das Schlachtfeld beobachtenden Fluchsprecher heran.
Kurz bevor er ihn erreicht hatte, zeigte der alte Schamane sein taktisches Können und seine bösartige Hinterlist, indem er einen gerade eben getöteten Gefallenen direkt neben dem Gletschernadeln feuernden Rotrock erweckte. Der Rotrock sah zu dem Schamanen, als sich schräg hinter ihm der erweckte Gefallene erhob und mit einem schartigen Beil ausholte. In dem Moment, als das Beil durch die Eisrüstung hindurch mit einem schmatzenden Geräusch in den Rücken des Eismagiers eindrang, verließ eine Gletschernadel die Schwertspitze des Magiers und flog auf den Schamanen zu.
Durch den Todesschrei seines Kampfgefährten aufgeschreckt, wandte sich der Totenbeschwörer um und bemerkte ihn, wie er eine Armlänge entfernt gerade mit seinem Kurzschwert dem anderen erfolgreichen Gefallenen nacheifern wollte. Reflexartig entfuhr dem bleichen Menschen ein Fluch und er spürte, wie seine Beine sich automatisch in Bewegung setzten. Namenlose Panik spülte durch seinen Körper, entsetzliche Furcht, und gleichzeitig eine beklemmende Unsicherheit, weil seine Beine ihn zur Flucht zwangen. Er kannte sich mit dem Flüchten gut aus, er wusste instinktiv, worauf man dabei achten musste, aber dieses Mal fühlte es sich irgendwie... ungewollt an.
Im Davoneilen sah er noch, wie der Schamane durch die Gletschernadel zu einer gefrorenen Statue wurde und der gerüstete Mensch trotzig sein Kinn reckte und den Kriegshammer zum Himmel hob.
Der wirbelnde Hammer zerschmetterte den Sippenführer in viele kleine Stücke, traf ein untotes Skelett an der Schulter und beraubte es dadurch seines Waffenarmes und riss noch einen Gefallenen aus dem Leben, in das dieser ohne seinen Schamanen nicht wiederkehren würde.

Als die Panik wieder von ihm abfiel und er sich vorsichtig dem Schlachtfeld näherte, bot sich ihm ein Bild der Verwüstung dar.
Das, was von den Untoten übrig geblieben war, lag in konzentrischen Kreisen um die Stelle, von der aus der Hammermagier seine tödliche Magie gewirkt hatte. Dazwischen verstreut lagen die schmächtigen Körper erschlagener Gefallener, manche mit furchtbar deformierten Gliedern, manche mit zackig abgebrochenen Arm- oder Beinstümpfen, und dazwischen immer wieder die schaurigen Überreste von nun langsam auftauenden Fleischfetzen.
Nach dem, was er sehen konnte und was auf dem Weg zu diesem Debakel geschehen war, konnten vielleicht gerade noch ein oder zwei Gefallene außer ihm dem Untergang entronnen sein, aber er konnte sich auch irren.
 
das Kapitel kam mir irgendwie länger vor als die vorherigen... wahrscheinlich wegen der Spannung :D
:top: kapitel!
 
Oh interessante wendung. Na da bin ich gespannt :)

lg, Gandalf
 
Sodele...hab endlich mal Zeit gefunden, n bissl weiter zu lesen. :)

Rivalen:
Erstaunlich, wie spannend man eine Begegnung von Gefallenen und Schlächtern auf einer Brücke erzählen kann. Eigentlich ist ja nicht viel passiert in dieser Folge, aber man erhielt den Eindruck, einer für die Story bedeutenden Szene beigewohnt zu haben. :)

Totentanz:
Eigentlich passiert hier ja auch nichts groß, aber dein lebhafter Schreibstil fesselt den Leser und bringt sogar Spannung in eine banale Begegnung mit Skeletten, klasse. :)

Führungslos:
Was für eine Schlacht...bin sehr gespannt, wie es jetzt weitergeht. :)
 
Hola:hy:

Wirklich beeindruckende Geschichte und eine sehr gepflegte Wortwahl.
Bei dieser Geschichte darf man sagen : " Mittendrin statt nur dabei " - Respekt -

Morgen ist Samstag:D

lieben Gruss hofsan
 
Bestimmung

Er irrte noch eine Weile auf dem Schlachtfeld umher, aber das einzige, was er entdeckte, war ein auf einer angrenzenden Anhöhe errichtetes frisches Grab, an dessen Kopfende auf einem Stein eine Zahl und ein Name eingeritzt war. Die grimmige Freude über den Tod des roten Magiers wurde von der Wut über den Verlust der eigenen Sippe überschattet.
Er schwang seine Waffe und schrie seinen Zorn über das Schlachtfeld: „NAAAaaaa!“
Niemand antwortete ihm, nur ein paar Raben hockten unbeeindruckt an der für sie reich gedeckten Tafel und füllten ihre Mägen.
Als er erkannte, dass es hier nichts mehr gab, was für ihn von Bedeutung war, marschierte er unschlüssig zum Lager zurück, vielleicht aus der vagen Hoffnung heraus, dort andere Überlebende anzutreffen, vielleicht auch aus Gewohnheit. Dort angekommen stellte er verdrießlich fest, dass er immer noch allein war. Das Lagerfeuer war inzwischen erloschen, die Zeltplane hing traurig im einsetzenden Nieselregen und die wenigen erkennbaren, verwaisten Kuhlen, die von den anderen Gefallenen als Sitzplätze in den Boden gegraben worden waren, gaben der Erde ein pockennarbiges Aussehen.

Er war auf sich allein gestellt. Zum ersten Mal in seinem Leben gab es niemanden, der über ihn bestimmte, dem er unterstellt war, der für ihn verantwortlich war. Diese ungewohnte Freiheit gefiel ihm nicht, ohne Anführer gab es keinen, der die Richtung bestimmte und ebenso keinen, den man für seine Befehle hassen konnte.
Wie der berühmte Rakanishu ohne anführenden Schamane zurechtkam, ja für sich selber und sogar für andere die Befehlsgewalt und somit die Verantwortung übernehmen konnte, war ihm ein Rätsel. Wahrscheinlich war Rakanishus Hass derartig groß, dass dieser allein als Antrieb und Richtungsgeber wirken konnte und wahrscheinlich war deshalb Rakanishu einer aus der Familie der Gefallenen mit einem eigenen Namen und er nicht. Er hasste sich selbst dafür, dass sein eigener Hass nicht dermaßen groß war, auch wenn er ihn als immerwährende Flamme in sich spürte.
Aber irgendetwas musste er tun.
Die Sonne brach an einer Stelle durch die grauen Wolken und ein Sonnenstrahl fiel auf einen blühenden Büschel Tagetes, über dem ein Paar Schmetterlinge in der Luft tanzte. Er spürte, dass das falsch war, dass eine solche Idylle allem widersprach, was eigentlich sein sollte und er fühlte sich grausam verhöhnt. In einem jähzornigen Anfall wischte er mit seinem Kurzschwert durch die Blumen und mähte die Blütenpracht nieder. Er hob sein Schwert, stieß ein abgehacktes „NaA!“ aus und hatte seinen Entschluss gefasst:
Er würde seinen wahren Herrn aufsuchen und direkt unter seinem Befehl entweder diese verhasste Welt in Schutt und Asche legen oder mit ihm gemeinsam zur Hölle fahren. Er würde durch diese Welt streifen, immer auf der Spur der Zerstörung, um schließlich zu seinem Herrn und Meister zu gelangen und mit der Heerschar der Dämonen welchen teuflischen Plan auch immer Baal hätte auszuführen. Er würde seine Ergebenheit beweisen und am Ende einen eigenen Namen tragen!
Von dieser Aussicht berauscht nahm er unbewusst den Weg zur Brücke und folgte somit dem Clan der Schlächter.
Er war noch keine zwei Meilen jenseits Brücke, da sah er an einer für einen Hinterhalt idealen Stelle die Überreste eines wüsten Kampfes. Der Boden war aufgewühlt, ein zerbrochenes kleines Schild und ein zersplitterter Speer lagen umher und an manchen Stellen tränkte Blut den Boden. Vorsichtig ging er umher und roch schließlich Rauch. Der Geruch war ihm nur allzu vertraut, irgendwo wurde Fleisch verbrannt, was ihn augenblicklich in höchste Alarmbereitschaft versetzte, denn seine Spezies hielt sich mit so etwas nicht auf. Also schlug er sich in die Büsche und versuchte, unentdeckt von wem auch immer, zu dem Feuer zu gelangen.
Nach relativ kurzer Suche hatte er die Stelle erreicht, wo er sah, wie ein Stapel von Gefallenen zu einem Scheiterhaufen geschichtet lichterloh in der Mittagssonne brannte. Abgeschlagene Äste und Zweige dienten dazwischen gelegt als Brandmaterial, die primitiven Waffen der Toten waren achtlos dazu geworfen worden, an einer Seite ragte ein etwas kräftigerer Arm über die Flammen hinaus. Er kniff die Augen zusammen und erkannte den Armschmuck des Schlächterschamanen, den sie auf der Brücke getroffen hatten. Grimmig lächelnd dachte er daran, dass die Schlächter ihren verehrten Bischibosch wohl nicht mehr treffen würden.
Als er wieder zu der Straße zurückkehrte, waren die letzten Reste des Kampfes weggeräumt, so dass er der Anwesenheit von überlegenen Gegnern bewusst nicht mehr direkt auf dem Weg ging, sondern parallel dazu mit einem ordentlichen Abstand und besonders wachen Augen und Ohren.

Das Schicksal seiner Artgenossen vor Augen stapfte er weiter und verharrte immer sofort vor Angst erstarrt, sobald er ein Geräusch von der Straße hörte oder zu hören glaubte. Selbst als er einmal ein einzelnes, altes einsames Mütterchen erkannte, überwog die Angst vor einer heimtückischen Falle seinen Durst nach Blut und den Hass, der ihm unablässig einflüsterte, alles Menschenähnliche zu töten.
Ein anderes Mal klang es wie näherkommender Donner von der Straße, und kurze Zeit darauf kam eine Kavalkalde von sechs Reitern in glänzender Rüstung in gestrecktem Galopp vorbei. Auch wenn er die Wesen, auf denen die Menschen gesessen hatten, zuvor noch nicht gesehen hatte, so erkannte er deren Überlegenheit und die kämpferischen Möglichkeiten, die sich daraus ergaben.
Zum Glück hatte er sich, bevor die Reiter vorbeikamen, auf den Boden geschmissen und diese Erkenntnis beim vorsichtigen Hervorlugen unter zwei Büschen gewonnen; die Reiter hätten ihn sonst womöglich von ihrer erhöhten Position bemerken können. So lag er auf seinem Bauch, zitterte vor Wut und Schrecken und schwor sich ein ums andere Mal, diese ganze Menschenbrut auszurotten, sobald er mit seinem Herrn vereint sei.
 
Wieder ein spannendes Update. Der arme hilflose Fallen;(
Irgendwo sagtest du dass Rakanishu ein Gefallener und Bischibosch ein Schlächterschamane wäre:confused: Ich such die Stellen mal raus...
€:
Wahrscheinlich war Rakanishus Hass derartig groß, dass dieser allein als Antrieb und Richtungsgeber wirken konnte und wahrscheinlich war deshalb Rakanishu ein Gefallener mit einem eigenen Namen und er nicht.
[...]
Grimmig lächelnd dachte er daran, dass die Schlächter ihren verehrten Bischibosch wohl nicht mehr treffen würden.
€²: Achso.
 
Mir ist noch was aufgefallen: Rakanishu war kein Fallen - der ist nen Schlächter im Spiel

lg, Gandalf
 
Hübsch athmosphärisch dieses neue Kapitel, auch ohne Äktschn :angel:

Ach, und noch etwas:
Spoon13: Bin von deinem Schreibstil recht beeindruckt, keine Frage,[...].

Da fehlt ne "2" :clown:
 
Bitte den Anfang von "Totentanz" noch mal lesen: da wird Rakanishu als Schlächter benannt.
Aber egal ob Teuflischer, Schlächter, Gefallener, Verdrehter - alle gehören zur (Monster)Familie der Gefallenen (puh, und ich dachte, dass ich doch noch einen Fehler hineingebaut hätte).

edit: dennoch Danke für den Hinweis, editiere ich am Besten für's bessere Verständnis.
done.. irgendwie
 
Klein, aber Oho wird man sagen können.

Es ist schon recht interessant die Welt mal aus den Augen eines Gefallenen zusehen.

Weiter so!
 
Blutdurst

Er stand erst wieder auf, als der Lärm der donnernden Hufe schon lange verklungen war.
In diesem Augenblick wünschte er sich die alte Frau zurück und malte sich aus, wie er sie niedergemetzelt hätte. Doch es war niemand da, an dem er seinen Zorn hätte ausleben können.
So schritt er weiter und suchte nach irgendwelchen Anzeichen, dass Baal hier vorbeigekommen sei. Er konnte jedoch nirgends eine Spur davon entdecken. Selbst die Wegweiser an den Kreuzungen, an denen er wahllos abbog oder weiterging, standen mal stolz und sauber gestrichen, mal alt und ausgebleicht, aber immer intakt an ihrem Platz. Die Menschen, die er von weitem beobachtete, waren immer entweder zu zahlreich, zu gut bewaffnet oder sogar zu schnell für ihn, da sie diese Reittiere benutzen, als dass er einen Angriff wagen konnte. Einmal hatte die Straße ihn zu einer Ansammlung von Gebäuden geführt, die er glücklicherweise von einer Anhöhe aus gesehen hatte, bevor er einfach so in sie hineinspaziert wäre. Die Menge an Menschen hatte ihn erschreckt und wütend gemacht, zumal er nirgends eine brennende Ruine oder sonstige Anzeichen von Zerstörung gesehen hatte. Wenn er erst mit seinem Herrn vereint gegen diese Plage vorgehen würde, gäbe es viel zu tun!
So aber schlich er vorsichtig wieder zurück und nahm an der nächsten Weggabelung den anderen Weg.

Nach einem halben Tagesmarsch und ein, zwei Kreuzungen führte die Straße zu einem einzelnen Bauernhof. Das Gebäude, umgeben von einer Scheune, einem Schweinepferch und einer alten Eiche gleich neben dem Hauseingang, lag am Ende des Weges. Erst stand er ratlos da und dachte schon daran, wieder zu der Kreuzung zurückzukehren und einen anderen Weg zu wählen, als ihm auffiel, wie ruhig der Hof vor ihm lag. Nicht, dass er verlassen wirkte, aber es war kein geschäftiges Treiben zu bemerken oder gar ein Bauer mit seinem Knecht zu sehen, die gemeinsam vor den Gebäuden an irgendetwas herumhantierten hätten. Drei Schweine grunzten im Pferch, die Kräuterstauden im ordentlich angelegten Gärtchen bewegten sich sanft in einer leichten Brise, kurz ,eine echte Idylle, bis auf dass keine einzige Menschenseele zu sehen war.
Nur ein Korb, mit Leinen ausgeschlagen und einem Kissen darin stand im Schatten unter der Eiche auf einer Holzbank. Da, ein leichtes Krähen war aus dem Korb zu vernehmen und ein kleines Ärmchen reckte sich kurz empor. Das Geräusch aus dem Korb verstummte wieder und alles war wieder ruhig und friedlich.
Vielleicht waren die Männer draußen auf dem Feld und die Frauen bei ihnen oder andersartig beschäftigt, aber dieses kleine Menschenkind schien unbeaufsichtigt, hilflos...
Er zögerte kurz, aber nur, weil er jeden Augenblick einen Menschen in der Haustür erwartete, der nach dem Kind schauen würde. Dann aber bewegten sich seine Beine wie von selbst auf den Korb zu. Ein Mensch, wehrlos, menschliches Blut, das er vergießen konnte, war alles, was seine Gedanken beherrschte. Vorsichtig die Umgebung beobachtend schob er sich immer näher, bereit zu Flucht und dennoch zielstrebig seinem Opfer entgegenstrebend.
Es trennten ihn nur noch etwa zehn Meter von dem Menschlein, da kam ein großer zottiger Hund um die Ecke des Hauses. Sofort erstarrte er und kauerte sich hinter den Busch, an dem er gerade vorbeischlich. Doch der Hund schien schon altersschwach und fast blind, jedenfalls schnüffelte er nur kurz am Schweinekoben, schlabberte ein bisschen an dem bereitstehenden Wassernapf und verschwand dann wieder hinter dem Haus.
Die Augenblicke, die dafür vergangen waren, kamen ihm wie eine Ewigkeit vor. Um so vorsichtiger legte er die restliche Strecke zurück. Schließlich stand er an dem Korb und starrte hinein in das rosige Gesicht des Kindes. Endlich sollte er seine Rache haben, endlich wieder den metallischen Geruch von Menschenblut in die Nasen saugen. Er spürte, wie der Triumph und der Hass in ihm hochspülte wie eine riesige Woge, auf der er einen berauschenden Wellenritt machen würde.
Das Kind vor ihm gluckste leise und schien in keinster Weise beunruhigt.
Er umfasste das Schwert, so dass der Knauf oben beim Daumen lag, um besser zustoßen zu können; ein gewöhnlicher Schlag wäre wohl am Korb hängen geblieben.
Er hob das Schwert weit über den Kopf, da ertönte ein gellender Schrei von der Schwelle des Hauses. Irritiert blickte er sich um und sah eine Frau, die einen Besen schwingend von der Haustüre her auf ihn zueilte. Er konnte gerade noch sein Kurzschwert, das er sinken hatte lassen, zur Parade hochreißen und wurde von dem ersten heftigen Schlag fast zu Boden gestoßen. Er taumelte zurück, fing sich und umfasste seine Waffe wieder, knurrte ein verärgertes „Na“ und funkelte die Frau böse an. Sie schien noch einigermaßen jung und unerfahren, was den Umgang mit Besen als Nahkampfwaffe anging und dadurch im Nachteil, was sie aber augenscheinlich durch ihre derzeitige Rage wieder wett machte. Er wollte schon sich auf den Kampf einlassen und anschließend damit fortfahren, weswegen er gekommen war – ha, zwei Menschen töten anstatt nur einem! -, da stürzte die nächste Frau aus dem Haus. Sie überblickte kurz die Szene und griff sich im Herbeieilen eine Mistgabel, die an dem Schweinepferch gelehnt hatte.
Einen Kampf mit zwei Menschen, die womöglich durch Mutterinstinkte um so heftiger kämpften, wollte er nicht riskieren, und so nahm er die Beine in die Hand und ließ die Frauen nach einem atemraubenden Sprint hinter sich. Knapp an der Grenze der Sichtweite drehte er sich noch einmal um und schwenkte sein Schwert noch einmal drohend gegen die zwei Weiber. Doch als er sah, wie die eine nach einem Horn griff und damit einen lauten Signalruf ausstieß, während die andere immer noch die Heugabel fest umgriffen hielt und ihm grimmig hinterher schaute, packte ihn die Furcht und er lief so schnell weiter, wie er nur konnte. Gewiss wurden durch diesen Ruf noch weitere, besser bewaffnete und stärkere Menschen geholt, die ihn sicherlich nicht nur verabschieden wollten.
So lief er weiter, weiter auf der Suche nach seinem Meister und einer Gelegenheit, seinen Durst nach Blut und Rache für die erlittene Schmach zu stillen.
 
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