Kapitel 67 - Brennende Augen
Der Meister pflückt einen Smaragd aus der Stirn eines Eindringlings, den dieser dort als Schmuck getragen hatte.
"Ich denke, das war die letzte Gruppe - wir können also zur Treppe zurück."
Ja…das war sie. Ich lasse meinen Blick über die verstümmelten Leichen unserer Feinde wandern. Eine Menge verstümmelter Leichen; der Raum war voll gewesen von ihnen…was den Meister nicht im Mindesten interessiert hat. Ein schneller erster Toter, ein Zweiter am sterben, und schon zerlegten duale Explosionen das Interieur. Schnell, effizient, gefühllos. Und er macht einfach keine Pause.
Das dritte Untergeschoß liegt vor uns. Zwei Türen warten. Der Meister schickt die Wächter vor, die Magier nach, sie giften an, und die Skelette erledigen den Rest. Er spart sein Mana für die großen Gruppen. Als ich durch die Tür treten kann - die ganzen Knochenkämpfer versperren mir immer den Weg, weil sie zuerst gehen - sind schon wieder sämtliche Gegner tot. Der Meister überfliegt kurz ihre Hinterlassenschaften, schüttelt den Kopf, und wir stürmen weiter. Raum für Raum fällt vor unserer unbesiegbaren Armee…halt, unbesiegten Armee. Wie lange noch? Es scheint Alles gut zu gehen, wenn man dieses Morden gutheißen kann, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass das dicke Ende noch wartet. Bisher war es immer so, dass uns Diablos Schergen stets im ungünstigsten Moment überraschten, und ich hasse Überraschungen dieser Art.
Wieder gehen die Skelette in einen Raum vor. Ich mache mir nicht einmal mehr die Mühe, hinter ihnen herzukommen - ist sinnlos, sie erledigen doch Alles. Der Raum, aus dem wir gerade angreifen, war leer gewesen…eine Tür führt in den großen mittleren, der bisher auf jeder Ebene war, und den wir hier noch nicht betreten haben, und die Tür, durch die wir nicht gekommen sind, belagern wir gerade; sie muss in die Ecke führen, wo der Abgang ins vierte Untergeschoß sein muss.
Mein Blick verengt sich. Hat sich die Tür in den mittleren Raum nicht gerade ein Stück geöffnet? Ich trete näher heran…
Tatsächlich, sie ist ein wenig offen. War sie das schon immer? Ich ziehe sie vorsichtig auf…
"Golem! Worauf wartest du? Komm her!"
Argh. Ich muss dann wohl. Aber der große mittlere Raum scheint leer zu sein…zumindest der Teil von ihm, den ich durch die jetzt halb offene Tür sehen kann. Seltsam…ich erreiche den Meister.
"Siehst du hier was?"
Hm…nein? Ein ganz normaler Eckraum, würde ich sagen. Und? Ich schüttle den Kopf.
"Exakt. Aber sollte hier nicht der Abgang sein?"
Aber natürlich, das habe ich ja gerade selbst festgestellt - wie dumm von mir, mich ablenken zu lassen…ja, wo ist er denn dann?
"Meines Erachtens sind wir am Ende unserer Reise nach unten. Die nächste geht…zur Seite…keine Ahnung…auf jeden Fall in die Zuflucht. Sollte eh weniger mit rechten Dingen zugehen."
Pratham runzelt die Stirn.
"Warum nicht einfach noch eine Treppe nach unten und da ist dann die Zuflucht?"
Der Meister grinst dieses "ich-weiß-etwas-das-du-nicht-weißt"-Grinsen, das ich so hasse.
"Ist dir denn schon einmal aufgefallen, wie genau die Treppen eigentlich angeordnet waren?"
Pratham und ich überlegen zeitgleich. Zwei Treppen aus der Haremvorkammer nach unten…zwei aus dem Harem selbst in den Keller, in zwei gegenüberliegenden Ecken…
…Moment. Die Haremvorkammer…? Die winzige Haremvorkammer? Wie zum Teufel können zwei Treppen daraus in gegenüberliegende Ecken eines riesigen Stockwerks führen? Und überhaupt - wie können wir in der nordwestlichen Ecke eines Stockwerks eine Treppe hinuntersteigen und, wenn mich nicht Alles täuscht, anschließend nach Norden gehen, um dort erneut hinunterzusteigen…und wieder nach Norden gehen, um ins nächste Untergeschoß zu gelangen? Die Kellergeschoße müssten nicht untereinander, sondern versetzt tiefer angeordnet sein - aber die jeweils zweiten Aufgänge bedeuten, dass es entweder hier ein riesiges Kellernetz gibt, oder dass etwas ganz und gar nicht stimmt…
"Ich denke, allein die Anfangstreppen sollten klarmachen, dass hier etwas nicht stimmt. Ich wette, wenn der Architekt des Kellers sich die ganze Sache heute noch einmal ansehen würde, dann könnte man ihn gleich ins Irrenhaus einliefern. Von Logik kann hier nicht mehr die Rede sein. Etwas beeinflusst die Physik hier drin, und ich bin mir sicher, dass das mit der Zuflucht zu tun hat, die also nicht einfach eine Treppe weiter sein wird."
Der Meister hat da einen Punkt - verdammt, und das ist mir gar nicht aufgefallen! Kein Wunder, bei dem Gerenne. Er hatte ja wenigstens während der Kämpfe Zeit, ein wenig nachzudenken…Pratham schluckt.
"Wenn man das so sieht…General…das ist mir nicht geheuer. Vielleicht sollten wir umkehren, uns mit Jerhyn aussöhnen und ein wenig Verstärkung mitnehmen?"
Der Meister grinst böse.
"Wenn du dir sicher bist, wieder zurückzufinden, gerne - und du glaubst auch, dass uns der Fürst nicht schon beim ersten Blick aus der Ferne köpfen lässt, oder? Also, du Feigling, wir machen hier unten noch sauber und dann suchen wir Horazon heim!"
Damit dreht er sich um und geht auf die Tür zu, die zu einem Raum führt, der weiter an der Außenwand des Kellers entlangführt - wenn es die Außenwand ist. Ich spähe die Wände jetzt weit genauer aus. Verdammt, der Meister hat dieses Paradoxon gemerkt und es war ihm egal? Was treibt ihn zu diesem Wahnsinn? Zumindest ein wenig früher hätte er uns das sagen können! Jetzt ist es zu spät, umzukehren…
…oder war das seine Absicht? Wenn ja, dann hat er sich ein paar Ohrfeigen verdient…
Genug der düsteren Gedanken. Wir haben hier immer noch einen Job zu erledigen.
Ein paar leichte Kämpfe später liegt nur noch der mittlere Raum vor uns. Wir stehen vor einer Tür, die der, die vorher mysteriöserweise leicht offen war, gegenüberliegt. Der Meister atmet tief ein.
"So, ich erwarte heftigen Widerstand, aber danach sollten wir in die Zuflucht finden! Das schaffen wir auch noch, und zwar ohne Probleme! Auf gehts!"
Damit stößt er die Tür auf, die nach innen einklappt…haben die die Türen auf dieser Seite anders gebaut? Die andere ging doch nach außen auf…
Die Wächter stürmen voran, die Magier, die Skelette - ich. In einen Kampf hinein.
Riesige Dämonen prügeln auf die Knochenkrieger ein. Ein gesichtsloser, kleiner Kopf auf einem gewaltigen Körper, die hervorwölbenden Muskeln an Größe nur von einem riesigen Bauch übertroffen, sandfarben, bekleidet mit einem Lendenschurz, und bewaffnet mit gigantischen Keulen. Sie heben sie schwerfällig und eher langsam - einer wird von drei Skeletten während dieser Bewegung aufgeschlitzt, und schmierige Innereien fallen heraus. Aber es interessiert ihn nicht, und er schwingt seine Keule mit einer vernichtenden Bewegung…und drei Skelette auf einmal zerfallen zu Staub, als ihr Flug an einer Wand ein jähes Ende findet. Ich nutze die Gelegenheit, springe vor und bohre meine Klauen tief in seinen offenen Bauch - mein Arm steckt bis zum Ellenbogen in ihm, aber er ist einfach nicht zu Ende! Seine zweite Hand schließt sich um meinen Hals, und ich starre hoch in dieses leere Gesicht, während er zudrückt…
Ich hacke auf diesen Arm ein, verzweifelt, mit meiner anderen Hand, die linke ist tief in ihm begraben, verhakt an einem Knochen, und meine Sinne schwinden - bei abgedrücktem Blutfluss kann ich so viel saugen, wie ich will…
Da plötzlich lockert sich sein Griff, und ich falle auf die Knie, hustend und würgend, während gleiche Geräusche von hinter mir an meine Trommelfelle dringen, oder womit auch immer ich höre - dem Meister geht es ja wie mir. Über mir wankt der Gigant, seine Hautfarbe vollkommen bleich - ich habe sein ganzes Blut ausgesaugt, und er ist gerade rechtzeitig daran gestorben. Jetzt aber…fällt er…und ich komme unter ihm nicht mehr weg…
Auf mir landen ein paar Fleischfetzen. Nicht so schlimm, wie ich dachte…oh. Vor mir steht ein Skelett. Himmel, war das knapp! Der Meister hat sich gerade rechtzeitig gefangen. Und wie steht es um den Rest des Kampfes?
In der Mitte des Raumes steht ein Bogen aus Metall, oben spitz zulaufend, darauf ein…Zahnrad…? Egal! Unwichtige Konstruktion. Die Ecke rechts von der Tür, durch die wir gekommen sind, die wirklich der gegenüberliegt, die vorher ein wenig offen stand, ist interessant.
Ein Wächter hält darin noch durch, der Rest ist Staub. Er ist in diese Ecke gedrängt worden und duckt sich nur noch hinter seinem Schild; die gehirnlosen Monster kommen sich zum Glück gegenseitig in die Quere bei ihren unbeholfenen Keulenschwüngen, und so können diese Tölpelträger keinen ordentlichen Treffer landen. Drei sind so abgelenkt. Pratham und der Meister stehen jetzt Rücken an Rücken und wehren verzweifelt zwei weitere ab, die verflucht sind, aber darum nicht vorsichtiger; immer wieder stößt die Lanze des Söldners zu, reißt tiefe Löcher, aber dem Gegner ist das egal. Wie ich genau spüre, ist der rechte Arm des Meisters gebrochen - interessanterweise muss mir das weniger weh tun als ihm, weil ich schließlich keine Knochen zum Splittern habe. Wieder hebt der Gegner des Meisters die Keule…
Ich sprinte auf den zu, der Pratham bedrängt, und gerade, als dieser wieder einmal seine Lanze mit voller Länge durch dessen Bauch stößt, packe ich ihre Spitze und ziehe mich daran hoch. Ich lande nach einer halben Drehung auf seinem Kopf, gerade, als der Gegner des Meisters diesen mit seiner Keule voll an der Seite erwischt. Ich falle fast hinuter, als eine gewaltige Schmerzwelle meine linke Seite durchflutet; der Meister wird an die Wand geschleudert, höchstwahrscheinlich einige Rippen gebrochen, Organe gequetscht…aah…ich spucke Blut, wankend…
Pratham hat jetzt zwei Gegner gegen sich. Er starrt mir tief in die Augen - und fährt herum, gerade, als der hinter ihm wieder ausholt. Er durchbohrt dessen Arm, worauf dieser die Keule fallen lässt, nicht vor Schmerz, sondern weil Pratham wohl wichtige Sehnen zerfetzt hat - sie sind ja immer noch verflucht - aber sein erster Gegner ist jetzt hinter ihm, und er ist schutzlos…
Aber ich bin noch nicht besiegt, der Meister lebt noch, und Prathams Aura, die ganze Zeit an, hat meinen rechten Arm, der schon länger verletzt unter ihrem Einfluss war, weit genug geheilt, damit ich ihn wieder bewegen kann - und meine Klauen schnitzen dem Tölpelträger zwei frische Augenhöhlen.
Ich beiße die Zähne zusammen, als sein wild um sich schlagender keulenloser Arm - der andere ist einfach zu beschwert von ihr - mich an der eh schon geschundenen Flanke trifft, aber ich behalte meine Klauen in seinem Blutfluss. Und er wird schwächer. Als er zu schwächeln beginnt, stoße ich mich so ab, dass er nach hinten fällt - nicht auf Pratham! - und lande im Gesicht des zweiten Gegners des Söldners. Wieder fließt Blut in mich, und zusammen fällen wir den sehr viel schneller. Der Meister kann wieder stehen, von mir geheilt, aber er hinkt noch. Während er sich das Blut aus dem Gesicht wischt, erschafft er schnell zwei neue Wächter; der in die Ecke gedrängte zerspringt gerade. Aber er hat sie lange genug aufgehalten, und das eine aus meinem ersten Gegner neu erschaffene Skelett hat sogar einen der komplett auf den Wächter fixierten Gegner so sehr aufgeschlitzt, dass dieser zusammengebrochen ist. Jetzt wird aber auch dieses Skelett zerstört, und noch zwei Monster wenden sich uns zu…
…wo zum Teufel sind eigentlich die Magier hin?
Ich lasse die beiden neuen Wächter sich mit den zwei Tölpelträgern beschäftigen und fahre herum. Pratham verschnauft gerade, nur kurz, wie er sich wohl denkt, aber zu lange, viel zu lange - hinter ihm, über den Überresten der Magier, stehen ein halbes Dutzend Eindringlinge, feuerrot, allesamt, aber einer, größer, schneller, gefährlicher, ein Held, scheint auch ohne Verzauberung diese Farbe zu haben - es ist kein Schimmer, der sie erzeugt, wie bei den anderen, es ist seine Haut. Und Pratham bemerkt erst jetzt, dass er herangeschossen kommt, viel zu schnell, vier Klingen bereit zum Schlagen…
Ich bin auch schnell. Und stoße ihn weg, mit einem Hechtsprung, genau zwischen die Beine des Helden, dessen Klingen mir feurig über die Beine fahren, einen Fuß mitnehmen, aaah…aber der Söldner lebt. Und ich kann den hinter dem Helden aufspießen, saugen, meine Verletzung heilen…
Jetzt sind wir natürlich in einer…prekären Situation. Söldner und Golem inmitten von Feinden, ohne Skelettunterstützung - ein Grauen! Aber Pratham, noch liegend, reißt seine Lanze im Kreis herum, zwei Gegner werden, gerade im Ausholen begriffen, balancemangelnd von den Füßen gefegt. Ihre Klingen schlagen um sich, verletzen Kollegen. Wir haben kurz Luft. Aber der Held dreht sich herum, und wir starren uns an…
"Kümmert euch um den Beschwörer! Ich erledige das hier!"
Es spricht! Er besitzt sogar eine ziemlich normale Stimme, eine Seltenheit unter Monstern. Sofort beginnt er, seine Klingen herumzuwirbeln. Verdammt - er ist extraschnell! Wie ich diese Gegner hasse! Und seine Untergebenen ignorieren mich, ignorieren Pratham, der mich kurz ansieht und ihnen hinterhersprintet - den Meister beschützen, natürlich - ich muss hier alleine klarkommen. Wie oft läuft es darauf hinaus! Ich muss wieder einmal das Tanzen beginnen, den Klingen davonspringen, unter sie durchtauchen, am besten in den Rücken des Gegners, Öffnungen in der undurchdringlichen Wand aus feuriger Schärfe suchen, um zu saugen, zu heilen…und immer wieder werde ich abgelenkt, von brennenden Schmerzen, am Rücken, an den Armen, an der Brust, wenn der Meister irgendwo verletzt wird. Hält er durch? Gibt er bald auf? Wie viele Skelette unterstützen ihn? Ich weiß es nicht, ich muss es ignorieren, mich konzentrieren, er schafft es oder nicht, wenn ich versage, dann schafft er es garantiert nicht! Wieder und wieder verbrennen mich die Klingen, ich kann sie kaum mehr blocken. Er ist nicht nur schnell, sondern auch noch stark, und heiß. Er spielt mit mir, das wird mir klar. Und auf seinem langgezogenen Dämonengesicht wird langsam ein Grinsen immer breiter.
"Und da dachte ich, du wärst ein würdiger Gegner - pah! Wo du uns doch fast entdeckt hättest vorhin, als unser Späher die Tür zu weit öffnete…sein Pech, und unser Glück, dass dein Meister dich zurückrief, bevor du ganz in den Raum blicken konntest! Oder dein Glück, dass du nicht sofort geköpft wurdest, als du hineinblicktest? Jedenfalls, das Ende ist klar: Er ist tot, versagend, und du bist tot, aus dem gleichen Grund: Wir sind euch gefolgt, fallen euch in den Rücken, weil du nicht spähen konntest. Zu schade!"
Und mit dem letzten Wort lässt er einen vierarmigen Schlag los, den ich einfach nicht kontern kann. Ich werde umgeworfen, ohne Chance, er ist stärker, schneller, und seine Koordination mit den vier Armen ist phänomenal. Ich lande…unter einem Torbogen?
Der Metallbogen in der Mitte! Genau! Den hatte ich ganz vergessen. Und mein Gegner wohl auch. Er zischt, als er sich auf mich stürzt…aber ich kann das Konstrukt zu meinem Vorteil nutzen. Er will mich töten, ich muss nur blocken - und zwei Arme reichen aus, um vier aufzuhalten, wenn gleichzeitig noch Streben im Weg sind. Immer wieder umkreisen wir das Gebilde, als er versucht, an mich heranzukommen, aber ich bin vom Laufen her zumindest ähnlich schnell wie er, wenn schon nicht vom Zuschlagen.
"Nun gib auf, dein Meister stirbt bald, erhalte dir wenigstens die Ehre, im Duell mit Feuerauge selbst gefällt worden zu sein!"
Ach so? Von wegen, der Meister stirbt bald! Danke, dass du mir das ins Gedächtnis gerufen hast, denn seit einer kurzen Weile sind diese plötzlichen Schmerzen aus dem Nichts ausgeblieben…das bedeutet, er ist verzweifelt. Er muss mich schnell loswerden, weil seine Freunde den Kampf verlieren - an dem der Meister nicht mehr teilnehmen muss, denn jetzt wird er nicht mehr verletzt!
Apropos Freunde…er hat doch erwähnt, dass er den unfähigen Späher, wegen dem ich ihre Falle fast entdeckt hätte, getötet hat…wo ist der überhaupt?
Ich denke, das hat doch mit diesem Konstrukt in der Mitte zu tun - genau! Es passt hier so gar nicht hinein…das muss der Weg in die Zuflucht sein! Und jetzt, wo ich schon ein wenig Zeit zum Nachdenken habe…diese Blutflecken am Boden…von mir sind die nicht. Aber vielleicht von ihm?
Er war zu übereilt, und ich konnte einen Treffer landen. Wieder ein wenig Luft. Aber nein. Hier starb der Späher. Und die Leiche - wo? Wenn dies der Weg in die Zuflucht ist, dann müsste er zu aktivieren sein…vielleicht durch…das Zahnrad oben?
Er versucht es noch einmal, stürzt durch den Bogen, Klingen voran, auf mich zu - und kurz vorher habe ich beschlossen, zu springen. Perfekt! Er rutscht unter mir hindurch, und ich packe das Zahnrad - das schwebt ja frei über dem Metall! - und beim Herunterfallen schubse ich es an.
Es dreht sich…weiter…wird nicht langsamer…und rotiert neben der Achsendrehung außerdem noch rechtwinklig versetzt zu dieser. Da plötzlich entsteht ein blau-weißes Leuchten, so bekannt von Stadtportalen, in der Mitte des Bogens…weitet sich aus…und ein Portal entsteht darin! Zu sehen: Schwärze, durchbrochen nur von wenigen, weißen Punkten…und die Leiche eines Eindringlings, die dort liegt. Sie haben ihn durch das Portal verfrachtet, damit wir die Falle nicht entdecken!
Feuerauge ist schon wieder aufgestanden. Er hat den Schwung seinen Angriffs durch den Portalbogen gleich genutzt, um wieder aufzuspringen. So agil! Jetzt endlich habe ich einmal Zeit, den Rest des Kampfes anzusehen…
Der Meister steht hinter mir, sein Gesicht grimmiger, als ich es seit langer Zeit von ihm gesehen habe. Keine Skelette sind zu seiner Unterstützung bereit. Ich fahre wieder herum. Feuerauge grinst, als er auf mich zusprintet, auf das Portal zu, und glatt einen gewaltigen Salto über es schlägt, um mit vier Klingen voran auf mich herabzustoßen…
Da explodiert die Leiche des Eindringlings in der Zuflucht, und schleudert ihn aus der Flugbahn. Mit einem Kreischen landet er auf einer seiner Schultern, ein Knacksen ertönt…
Und der Meister ist bei ihm, das Jade-Tan-Do hebt und senkt sich, stößt herab, immer und immer wieder in den Bauch des Gegners, mit einer Wildheit, die ich das letzte Mal bei Andariel sah…unartikuliertes Brüllen dringt aus seiner Kehle, und schon sehe ich, wie Feuerauges feurige Augen zu erlöschen beginnen, von Gift und Schmerzen besiegt…
Ich weiß, was kommt, übersieht es der Meister? Vermutlich, von Wut geblendet. Ich reiße ich weg, er schreit laut auf, als mein Arm ihn packt, aber Feuerauge ist besiegt…seine letzten Worte kommen ihm über die Lippen.
"Nein…bleib da…bring es doch…zu Ende…nahe…bei mir…"
Der Meister will sich losreißen von mir, aber ich halte ihn eisern fest…und der Gegner stirbt, eine Fratze der Wut, ähnlich der des Meisters aufgesetzt…und mit einem gewaltigen Knall zerfetzt es seinen Körper. Der Meister wird an einigen Stellen von Knochensplittern durchbohrt, eine heiße Welle fetzt über mein Gesicht, aber wir waren weit genug weg von dem Feuerverzauberten, um es zu überstehen. Jetzt sitzt er in meinem Schoß, starr auf das Epizenter der Explosion blickend, und aus seinen Augen fließen stumme Tränen…
Was hat ihn nur so aufgebracht? Ich wende meinen Blick nach hinten…
Pratham starrt mich an, auch seine Augen ausdruckslos - leer…
Tot.