TwinYawgmoth
Champion des Hains, Storywriter of the Years
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FAS! Oder sollte das ein Fans sein?
Der Erfolg des ersten Teils hat meine Erwartungen mehr als übertroffen, und Lob von vielen Seiten hat mich angespornt, mit meinem Projekt nicht aufzuhören und immer weiter zu schreiben. Für diese Unterstützung danke ich euch Allen, und dafür bekommt ihr ab jetzt wieder wöchentlich Updates zum zweiten Teil der großen Geschichte, die langsam, aber sicher wirklich zu einem Roman wird.
EDIT: Umso mehr, da jetzt Teil 3 anfängt, zu entstehen!
Ohne viel Federlesens: Genießt es...hier erwarten euch die ersten fünf Kapitel von Teil 2. (24.02.2007)
Kapitel 6 (03.03.2007)
Kapitel 7-9 (10.03.2007)
Kapitel 10 (17.03.2007)
Kapitel 11-14 (24.03.2007)
Kapitel 15 (01.04.2007)
Kapitel 18 (14.04.2007)
Kapitel 20-21 (01.05.2007)
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26 + 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 1 – Erwachen
Aus leerer Schwärze entstehen Eindrücke.
Das Gefühl von hartem, unebenem Holz unter den Füßen.
Bewegung, Stöße, die diese Füße auffangen müssen.
Hitze auf der Haut.
Trockene Luft, in Nasenlöcher dringend.
Geräusche.
Ein Holpern im Takt zu den Stößen des Bodens.
Jemand schreit Flüche, die echolos in leerer Luft verklingen.
Tröpfeln. Flüssigkeit, die herabfällt.
Tropf.
Tropf.
Tropf.
Ein dumpfes Brennen in den Armen.
Und ein Geruch, neu und doch altbekannt.
Metallisch. Dennoch warm.
Ein Bild zerstört die Schwärze, das aufgerissene Augen ins Gehirn dringen lassen.
Ein hölzernes Zimmer, die Wände wackelnd, wieder im Takt zu Stößen und Holpern.
Eine Kiste, schwer, metallverstärkt.
Vertraut.
Vertraut wie der Mensch, der, hellhaarig, hager, groß, gebeugt auf einem Schemel sitzt, das Gesicht verborgen, auf den Boden starrt.
Wo rot ein Meer aus Blut sich sammelt. Tropfend Lebenssaft aus aufgeschlitzten Adern.
Ein Schock durchzieht den steifen Körper, kurz nur lähmend. Dann eigene Bewegung, ein Stürzen nach vorne.
Hände schießen vor, den steten Fluss aus geöffneten Arterien in einem Todesgriff, der Leben rettet, stoppend.
Der Kopf des Menschen springt aufrecht.
Ein bleicheres Gesicht als üblich, die Augen voll Verzweiflung schwimmend, Tränen immer noch das Blut mit Wasser mischend, starrt dem Retter ungläubig entgegen.
Dämme in Gedanken brechen, Erinnerung an Früheres flutet Kanäle, die zu lange lagen brach.
Ein Kampf, ein zweiter. Unzählig viele! Monster jeder Form und Farbe. Menschen, mehrere, und doch einer, immer wieder in die Mitte des Bewusstseins drängend.
Ein Meister, welcher diesen Moment auch die Mitte des Gesichtfelds füllt.
Da springen auch die letzten Bilder eines schon vergangen geglaubten Lebens aus dem Strom der wirbelnden Gedanken hoch.
Katakomben. Kaschya. Andariel. Der Tod,
Der Tod, und doch nur einen dieser Gruppe endgültig, ewig für sich behaltend in immerwährender Schwärze.
Ich, des Meisters treuer Golem, lebe wieder.
Kapitel 2 – Todeswunsch
Aus dem Munde des Meisters dringt die gleiche Frage, die sich mir auch stellt.
„Was zur Hölle ist hier los?“
Denn genau das kann ich überhaupt nicht verstehen.
„Ist es mein Schicksal, von Golems verfolgt zu werden, die nicht tun, was ich will? Ich will nichts weiter als sterben, und nicht einmal das steht mir zu. Lass endlich meine Arme los, mein Leben verrinnen...außerdem tut es weh.“
Ich kann es ihm nachfühlen. Aber ich werde natürlich nicht loslassen.
Moment. Nachfühlen? Ich fühle es tatsächlich – meine Arme tun weh!
Aber...es ist nicht der Pseudoschmerz, den ich immer gefühlt habe, wenn etwas meinen Tonkörper verletzt hat. Es ist richtiger, echter, brennender, dumpfer Schmerz.
Ein Band davon zieht sich meine Unterarme herab, und deren Mitte wird gleichzeitig noch unangenehm gequetscht.
Was ist nur los mit mir?
Egal. Erst einmal den Meister retten.
Ich packe seine beiden Arme in einer Hand, was natürlich ein wenig mehr Blut fließen lässt, aber da kann man nichts machen; meine freie Hand greift nach dem Laken der Pritsche, die in einer Ecke des sich bewegenden Raumes steht.
Geformte Klauen sollen den Stoff zerschneiden, er wehrt sich aber trotzdem recht lange...dennoch, irgendwie schaffe ich es doch, ihn zu zerreißen.
Gar nicht so einfach, mir nur einer Hand...aber ich schaffe es, einen breiten Streifen abzutrennen.
Ohne auf die Proteste des Meisters zu achten, verbinde ich seine Wunden recht unsanft, bald sind beide Blutungen gestillt.
Das wäre geschafft. Jetzt muss ich auf ihn aufpassen, damit er sich die Bandagen nicht wieder abnimmt, und ich will außerdem herausfinden, warum er das überhaupt getan hat.
Und ich muss wissen, warum ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin.
„Golem, das ist einfach nicht gerecht. Kaschya ist tot durch meine verdammte Schuld, dann ist da plötzlich dieses Portal. Sämtliche Jägerinnen feiernd um mich herum, weil ich so ein toller Held bin – ha! – und Andariel getötet habe, sie lassen mich keine Sekunde lang alleine; dann bietet mir Warriv die tolle Gelegenheit, mit seiner Karawane zurück nach Osten zu fahren, weil der Weg frei ist...er behandelt mich wie einen verdammten König, als ob ich es verdient hätte! – und wieder bin ich nie alleine, immer unter Menschen und gequält von der Schuld.
Jetzt endlich habe ich mal Zeit für mich, in meinem eigenen Wagen, sich langsam nähernd meiner Heimat, was wäre denn ein passenderer Ort, um das verfluchte Leben zu verabschieden?
Und dann kommst du, und lässt mich nicht aus meiner Qual entfliehen. Das Leben ist einfach nicht gerecht.
Ich meine, habe ich es verdient, zu leben? Es scheint fast so, wie oft mir der Tod entrissen wird, obwohl er mich schon lockte. Aber ich bin ein Nichts, ein Niemand, ein Dreckskerl! Ich verdiene dieses Leben nicht, das so viel Leid erzeugt. Das so viele Andere vor den Kopf stößt, sich benimmt wie ein Vollidiot, und mit seiner Überheblichkeit Weggefährten tötet.
Lass mich endlich sterben!“
Er versucht, sich die Bandagen herunterzureißen, aber wieder halte ich seine Arme fest.
Jetzt wird mir Einiges klarer. Er ist zerfressen von seinen Schuldgefühlen, da er endlich, wie ich zu meiner Schande immer gehofft hatte, die Quittung für seine Arroganz bekommen hat – ihretwegen ist Kaschya tot, bin ich gestorben (wie ich dachte), und einen härteren Denkzettel kann es nicht geben. Außer vielleicht seinen eigenen Tod...den er jetzt nachzuholen versucht. Ich vermute, dass sein Ego diese Schmach der ultimativen Niederlage noch im Sieg einfach nicht zulassen will.
Aber ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass er sie zulässt! Ohne ihn könnte gleich die ganze Welt Selbstmord begehen. Er ist doch der Einzige, der Diablo stoppen kann.
Jetzt weint der Junge leise vor sich hin. Ich lasse vorsichtig seine Arme los – die er sofort hängen lässt – und streiche ihm über den Kopf, wie ich es schon einmal getan habe.
Und erstarre in einem Moment des Schocks, als ich das erste Mal bewusst meine Hand sehe.
Sie hat Klauen, in der Tat – obwohl ich gerade wollte, dass diese sich auflösen! – aber was für welche:
Drei Knochen sprießen aus einem Handrücken, der rot ist wie Blut, und in der Tat fleischlich, von Adern überzogen, hautlos aber. Die Knochen selbst sind ebenfalls umgeben von einem Aderngeflecht, das vorreicht bis zu ihrer Spitze, welche scharf und tödlich scheint. Die Hand selbst ist von den Proportionen und Fingern her „normal“, wenn man dieses nackte Fleisch als normal ansehen kann. Kein Wunder, dass ich den Stoff nicht zerschneiden konnte – nicht meine Finger sind mehr spitz, sondern die Stacheln, die über ihnen herausragen.
Ich sehe an mir herunter. Mein ganzer Körper besteht aus diesem Fleisch, wie eine gehäutete menschliche Gestalt wirkt er, pulsierende Blutkanäle ihn überall bedeckend.
Ich bin kein Tongolem mehr. Und mir geht die Logik dieser Feststellung ein: Hier gibt es gar keinen Ton! Nach der Aussage des Meisters zu schließen, ist er gerade mit Warrivs Karawane unterwegs, und wir befinden uns in einem der Wägen derer.
Und wenn ich mich recht entsinne, liegt des Meisters Heimat – Lut Gholein, welches schon lange als unser nächstes Reiseziel nach dem Tod Andariels feststand – im Osten, inmitten der Wüste, wo dieser auch sein Nekromantenhandbuch fand.
Ein Sandgolem würde aber wohl wenig Zusammenhalt bieten...und wenn ich die Menge an Blut in Betracht ziehe, die der Meister schon auf den Boden tropfen hat lassen, ist klar, woraus ich dieses Mal beschworen wurde.
Interessant. Ein Blutgolem. Warum nicht? Wenn man aus Ton erschaffen werden kann, dann auch aus dieser Substanz. Was bedeutet das für mich?
Ab jetzt kann ich meinen Körper nicht mehr verformen. Das darf ich nicht vergessen, ich muss ungemein aufpassen.
Dafür kann ich jetzt fühlen; Wärme, Kälte, Wind, meine Sinneswahrnehmungen erweitern sich ungemein.
Ich kann auch riechen! Denn ich atme, wie ich bemerke, ganz instinktiv scheint diese Handlung. Trockene Luft birgt Blutgeruch, welcher der so vertraut scheinende metallische sein muss.
Was noch Alles? Die Zeit wird es zeigen.
Aber einige bohrende Fragen verbleiben:
Warum bin ich hier? Wie hat der Meister mich erschaffen?
Und wie verhindere ich, dass er sich bei nächster Gelegenheit umbringt?
Kapitel 3 – Vampir
Da dringen Schreie an mein Ohr, ungleich derer, die der normale Fuhrbetrieb in Warrivs Karawane produzieren sollte...Schmerzensschreie, voller Angst.
Der Meister reißt zeitgleich mit mir die Augen auf. Dann stürze ich ihm zur Wagentüre nach, auf die er, näher, zugesprungen ist.
Stillstehend ist das Gefährt, und des Meisters Aufschrei zeigt, dass er sofort herausgefunden hat, warum. Nur mir dringt gleißende Sonne in beide Augen – und statt wie bisher bei so einem Fall keine Reaktion hervorzurufen, werde ich geblendet! Nur langsam gewöhne ich mich an die Helligkeit, aber ich muss es in Zukunft vermeiden, direkt in das Licht zu sehen. Na super.
Die Szene vor mir würde mich auch aufschreien lassen, könnte ich es.
Kleine Dämonen greifen die Karawane an, so groß in etwa wie Stachelratten, aber mit weit kräftigeren Beinen, länger und muskulöser – wozu sie dienen, wird mir klar, als eines dieser Viecher glatt über unseren Wagen hinwegspringt!
Bewaffnete Menschen versuchen, ihrer Herr zu werden, aber sie sind gewaltig in der Unterzahl...da springt von hinten ein Gegner heran und zerfetzt die Schenkel des Lanzenträgers vor ihm mit spitzen Klauen. Schreiend fällt dieser um, und wird von drei der Springer zugleich angefallen, worauf die Schreie bald verstummmen.
Leuchtend rot die Szene, Blut beschienen von einer untergehenden Wüstensonne, weißer Sand glitzernd, wo Flüssigkeit ihn karmesinern bedeckt.
Der Meister landet auf dem Boden, ich folge ihm nach. Die drei Wüstenspringer werden nach hinten geworfen, als ihre Beute, die Leiche unseres Verteidigers, plötzlich ihr Fleisch abwirft, die Knochen sich in die Luft erheben und zu einem Skelett werden.
„Mach die Biester fertig!“
Diesen Befehl des Meisters zu hören, den ich nie wieder geglaubt hätte zu vernehmen, lasse ich mir auch nicht zweimal sagen. Das Skelett zweiteilt einen der perplexen Gegner, während ich den hintersten packe und ihm meine Klauen in den Rücken ramme.
Da beginnen die Adern auf meinem Handrücken plötzlich zu pulsieren, ich fühle die Flüssigkeit in ihnen! Was ist los?
Die Knochen, die über meine Finger hinwegragen und im Dämon stecken, färben sich rötlich. Die Adern nehmen auch einen dunkleren Farbton an.
Sofort lasse ich die Leiche fallen – gut so, denn sie wird gleich zu einem Skelett – und reiße meine Hand zurück.
Rotes Blut spritzt herum, als das Fleisch in alle Richtungen wegfliegt bei der Beschwörung. Aber es ist zu wenig.
Ich starre auf meine Finger. Sie scheinen dunkler, röter – gesünder.
Und der Schmerz in meinen Unterarmen ist einem dumpfen Pochen gewichen.
Was hat das zu bedeuten?
Gleißende Pein zerreißt meine Gedanken, als ein Wüstenspringer auf meinem Rücken landet und das Schlitzen beginnt. Aah! Nie zuvor habe ich so einen Schmerz gefühlt, richtige, weiße, glühende Qual.
Ich spüre, wie mir Blut den Rücken hinunterläuft. Schnell!
Meine Hände greifen nach hinten, die Finger, die unter den Knochen ganz normal sind, finden Dämonenfleisch. Gut, dass diese Dinger keine Stacheln haben.
Ich reiße ihn von mir weg – er wehrt sich, oh, er wehrt sich! – und halte ihn mir vor das Gesicht. Hasserfüllt starre ich ihn an, und seine Augen werden groß, als er die Knochenklauen der anderen Hand auf sich zufahren sieht.
Ich durchbohre ihn glatt. Und wieder färben sich die Knochen rot, ich beobachte sie genau.
Die Farbe breitet sich von der Spitze – der tödlichen Wunde im Gegnerkörper – nach hinten aus, erreicht meinen Handrücken über den Fingern. Fließt in meine Hand hinein, wo sie diese dunkler färbt, leicht. Meine Adern pulsieren.
Der Leichnam des Wüstenspringers wird bleicher und bleicher.
Jetzt verstehe ich, was ich hier mache. Meine Klauen saugen das Blut aus getroffenen Gegnern und pumpen es in mich! Und in der Tat, schon hat mein Rücken aufgehört, weniger zu schmerzen, meine Arme ganz.
Aber ein Restschmerz ist vorhanden, der nicht aufhört. Andererseits...die Leiche des Dämonen ist jetzt komplett blutleer.
Dieses Wissen hilft mir sehr! Sofort suche ich mir einen Gegner, und werde fündig (es gibt genug). Er springt mich ganz wörtlich an.
Und landet aufgespießt. Sofort fließt Lebenssaft zu mir über, und mein Rücken heilt komplett. Sehr praktisch.
Die Kampfhandlungen beruhigen sich. Noch immer springen kleine Kreaturen herum, aber es werden immer weniger, wenngleich auch diese wenigen noch böse Verletzungen hervorrufen können.
Fünf Skelette sind andauernd am Laufen, aber nach und nach scheitern die Gegner an ihnen, weil unsere einfach nicht sterben wollen – sie sind schon tot.
Ich kann nichts mehr bewirken, also gehe ich zum Meister, der vor dem Wagen steht und sich etwas konfus blickend den Rücken reibt.
Den Rücken? Aber warum denn das, er war doch nie in Gefahr...?
Ich höre ein Quietschen, wie ich es schon öfter hier gehört habe: Ein Monster im Sprung. Sofort werfe ich mich zur Seite.
Vor mir staubt Sand auf, trifft in meine Augen, die ich dem Boden zu nahe gebracht habe. Ich bin kurz abgelenkt durch das Stechen in ihnen...
...und erhalte die Quittung in Form von Schmerz in meiner Bauchregion. Aah, dieses verdammte Biest!
Ich ramme meine Klauen an die Quelle der Pein – und steche sie mir selbst in die Körpermitte. AH!
Wo ist der Gegner? Immer noch zerreißen mich seine Klauen, mein Blut tropft auf den Boden...
Da klärt sich mein Blick. Der Meister kämpft um sein Leben, sein Stab prügelt wirkungslos auf einen Springer ein, der ihm auf dem Bauch sitzt, schlitzend und schlingend.
Sofort springe ich vor, den Schmerz ignorierend, und ramme meine eigenen Klauen komplett durch den kleinen Körper. Der Dämon haucht sein Leben aus, und Blut fließt in mich.
Der Schmerz schwindet. Aber was ist mit dem Meister?
Mit einem Ausdruck der Überraschung sieht er mich an. Er soll nicht dumm gucken, sondern einen Heiltrank trinken!
Wie schlimm wird seine Wunde sein? Steht er unter Schock? Ich begutachte sein blutverschmiertes, zerrissenes Hemd.
Und finde darunter rosige Haut, relativ bleich, aber für ihn völlig normal, unverletzt.
Wie die auf meinem Bauch.
Ich sehe meine Arme an, und unvermittelt reiße ich ihm die Bandagen von seinen.
Unverletzt auch diese, geheilt von den Wunden, die er sich selbst zugefügt hat.
Im gleichen fassungslosen Gesichtsausdruck verbunden, stehen wir für einen Augenblick da, das Entsetzen der Erkenntnis hinter den Pupillen des Anderen sehend.
Kapitel 4 – Verbindungen
„Also, welcher Finger?“
Ich spüre ein Stechen in meinem rechten Zeigefinger, eine Blutperle bildet sich. Als der Meister sich mit einer Nadel in der Hand wieder zu mir umdreht, zeige ich mit der linken Hand auf diesen Finger.
Er seufzt und zeigt seinen eigenen: angestochen, blutend.
„Wie wir also vermutet haben – wir sind verbunden durch ein Band des Blutes. Was dir zustößt, fügt auch mir Schmerzen zu, und umgekehrt; und wenn du dich durch deine Blutsaugerfertigkeit heilst, kommt das auch mir zugute. Wir teilen Schmerz und Linderung.“
Er vergräbt das Gesicht in den Händen und sinkt in sich zusammen, auf der Pritsche seines sich wieder bewegenden Wagens sitzend.
„Solche Scherereien. So ein Ärger. Ich hätte gute Lust, es doch zu tun.“
Ich hebe warnend eine Hand, als sein Blick auf den Dolch fällt, der auf einem Schemel liegt. Aber er winkt ab.
„Schon gut, schon gut. Wir hatten das ja erst. Ich bin für die Menschen hier und sonstwo einfach zu wichtig, um vorzeitig den Löffel abzugeben, bla, bla, bla. Mir bleibt also nur, mich mit diesen verdammten Schuldgefühlen zu arrangieren, den Schmerz als Strafe zu akzeptieren, und aus meinem Fehler zu lernen. Richtig so?“
Ich nicke ihm aufmunternd zu. Genauso hatten wir das vorher entwickelt, als er nach dem Kampf endlich zum Nachdenken gekommen war. Ich musste ihn erst durch Einiges an Gesten ermuntern, natürlich, aber letztlich kam er doch darauf.
„Vergangenes ist also vergangen. Die Kaschyas dieser Welt werden sich in Zukunft von mir gar nicht erst mitgenommen sehen...was ist denn jetzt schon wieder?“
Denn ich habe den Kopf geschüttelt.
„Soll das heißen, ich soll noch mehr Leuten dem vermeidbaren Risiko einer Begleitung meiner auf meinen Abenteuern aussetzen?“
Genau das.
„Das ist verrückt...“
Nein, es wäre verrückt, wenn du freiwillig auf den Schutz kompetenter Leute verzichtest, nur, weil diese eventuell sterben könnten, aus genau den freien Stücken wie du auch...aber wie soll ich ihm das jetzt erklären?
„Ach, völlig egal. Die Frage wird sich womöglich gar nicht erst stellen, weil ich nicht gedenke, Jemanden erneut so zu demütigen, dass er überhaupt erst dazu gezwungen wird, mitzukommen.“
Gibt er sich etwa auch für Kaschyas ursprüngliche Begleitung seiner die Schuld? Es ist schlimmer, als ich dachte...
„Und du glaubst auch nicht, wie sehr es mir stinkt, dass schon wieder ein neuer Golem hier ist, auf den ich aufpassen muss. Den alten erschaffen aus einer Laune heraus, gezwungen im Grunde, mit mir mitzukommen, immer in vorderster Reihe stehend und für mich kämpfend, befohlen, für mich zu sterben.
Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was das für ihn zu bedeuten hatte. Ich bin mir längst sicher, dass er mehr war als nur ein dummes Konstrukt. Allein sein Einsatz gegen Andariel, selbstaufopfernd bis zu Letzten.
Ironie des Schicksals, jetzt einen vor mir zu haben, der mich jederzeit strafen kann, und das auch wird, sollte ich ihn in vorderster Reihe zum Kämpfen schicken...“
WAS? Der Meister denkt über mich, dass ich kein dummes Konstrukt bin? So einfach, die Anerkennung meiner Intelligenz gekommen?
„Aber was bringt das Reden über den alten Golem. Er ist Vergangenheit, wie Kaschya, auch durch meine Schuld. Sicher hat er nur gelitten unter mir. Ich wette, er ist froh, weg zu sein von dieser Existenz der Schmerzen.
Kommen wir also zu dir und deinen Aufgaben...im Grunde ganz einfach:
Du hörst mir zu, wenn ich was zu sagen habe, und redest nicht dazwischen...was immer noch nicht gehen sollte, tust so, als hättest du weisen Rat zu bieten, und sonst bleibst du einfach als Leibwache in meiner Nähe, denn wenn ein Gegner so nahe an uns herankommt, dass er uns dann beide verletzen kann, ist es egal, wenn du auch mit in der Schusslinie stehst. So oder so sind wir ein doppeltes Ziel, aber wenigstens kannst du uns ja heilen.“
Nein. Nein! Zum Greifen nah, und doch so fern!
Er weiß nicht, dass ich der gleiche Golem wie sein „alter“ ist. Und woher soll er das auch wissen? Ich selbst wusste nicht, dass der Golemzauber offenbar über Tod und sogar Formänderung hinaus konstant bleibt.
Ich muss es ihm beweisen, und ich muss ihn meine Intelligenz klar erkennen lassen, das Ausmaß derer und die Möglichkeiten.
Und ich will endlich selbst über mein Leben bestimmen können. Ich will sprechen können und meine Wünsche artikulieren.
Ich will ich sein können.
Kapitel 5 – Ankunft
Nur eine Stunde, zwanzig Minuten und fünf Sekunden, nachdem der Meister unser „Gespräch“ abgebrochen hat, und sich erst einmal mit leer in die Luft starrenden Augen auf seine Pritsche gelegt hat, halten wir.
Er steht sofort auf.
„Na schön, es hilft Alles nichts. Wir sind da, und wir werden das Ding schon schaukeln.“
Die Tür geht auf, und Warriv, den ich ja schon kenne, strahlt herein.
„Ach, ihr seid schon fast fertig? Das ist fein, das sind wir auch. Ich vergaß ganz, euch zu danken, bei dem ganzen Chaos von gerade...“
Der Meister winkt ab.
„Schon in Ordnung, Warriv. Man tut, was man kann...“
Unter Dankesworten Warrivs – die er geduldig über sich ergehen lässt, so kenne ich ihn gar nicht – schiebt sich der General sanft an diesem vorbei. Der Karawanenführer folgt uns nach draußen, bescheiden winkt der Meister ab, wann immer Warriv ihn „mehr lobt, als ihm zusteht“.
Immer noch sind wir umgeben von Wüstensand, aber unter uns befindet sich jetzt eine Straße, die diese Bezeichnung verdient – sie ist sogar relativ frei von den allgegenwärtigen Körnern, ungleich derer, auf der wir fuhren, als der Angriff kam.
Diese Straße führt zu einem Stadttor, und hinter diesem ragen Türme in die Höhe, Hausdächer, Minarette, und, umgeben von vier der spitzen, schlanken Säulen, eine Kuppel, riesenhaft das Bild dominierend, ihr Schatten trotz der hoch stehenden Sonne bis außerhalb der wuchtigen Mauern reichend.
Der Meister und Warriv besitzen den gleichen bewundernden Blick, als sie wie eigentlich Jeder, der bei der Karawane mitgefahren ist, den Blick in die Höhe richten, an den glitzernden Elfenbeinschindeln der Kuppel nach oben vorbeiwandernd, die goldene Kugel an ihrer Spitze fixierend.
Und der Meister spricht aus, was wohl beide von ihnen denken.
„Endlich wieder zu Hause in Lut Gholein...“
Ich begutachte den Geburtsort meines Gebieters genauer. Die Mauern sind wehrhaft, als berühmte Handelsstadt, zentral als einzige größere Siedlung der Wüste von Aranoch gelegen. So viel aus dem Bericht des Meisters über seine Kindheit zu schließen.
Aber an einigen Stellen befleckt Blut die Mauern, Geier kreisen über hohen Türmen.
Diese Stadt ist eine belagerte, das ist klar ersichtlich. Gut, dass wir gerade rechtzeitig kommen, um Schlimmeres zu verhindern.
Nur zwei Stunden später öffnet sich endlich das Tor für die Karawane. Soldaten und Kaufleute, Beamte und Palastwachen (für die der Meister nur ein geknurrtes „verdammte Hundesöhne“ übrig hatte) mussten die Ladung begutachten, und, ein scheinbar völlig normaler Vorgang, bestochen werden. Offizieller Zoll gezahlt, ein Tribut noch an die Stadtlagerhäuser abgegeben werden, „wegen den schweren Zeiten“ – nicht ohne Groll zieht Warriv schließlich ein, die Wagen beträchtlich erleichtert. Wenigstens spart er sich die Unterbringungsgebühr, als reicher Kaufmann besitzt er seinen eigenen Fuhrpark, wo er seine Gefährte neben anderen unterstellen kann.
Er verabschiedet sich dann mit einem Hinweis auf seine dringenden Geschäfte – immerhin war er lange nicht mehr hier – und weiterem Dank für den Meister, der dies schon fast routinemäßig abwinkt.
Als ich gerade dabei bin, diverse Besitztümer des Meisters aus dessen Wagen auszupacken – es ist nicht viel – öffnet sich die Türe des Raumes, in dem Warrivs Fuhrpark untergebracht ist.
Ich beobachte aus der Deckung der Schatten des Inneren die Szene, die sich abspielt; denn die Leute reagieren doch eher...hektisch...beim Anblick eines Körpers ohne Haut, der sich aus eigenem Willen bewegt.
Es tritt ein Mann ein, weiße Pluderhosen, die bis unter die Knie reichen, ein weißes Hemd, ein blauer Umhang, und ein weißer Turban, sämtlichst alles strahlend und sauber. Ein leichter Parfümduft, den ich bis hier oben rieche, umgibt ihm.
Der Meister nimmt eine Haltung der Überraschung ein.
„Fürst Jerhyn!“
Der Ankömmling lächelt sanft.
„Genau der bin ich, mein totenbeschwörender Freund. Ja, kein Grund, so überrascht zu schauen – man hat mich über die Rückkehr eines Sohns meiner Stadt unterrichtet, der es in der Ferne zu einigem Ruhm gebracht zu haben scheint.“
Der Meister winkt wieder ab.
„Na ja, man tut, was man kann...“
Aber Jerhyn breitet die Arme aus, um ihn zu unterbrechen.
„Nein, dies war eine große Tat, eine wirklich große Tat. Als der Herrscher dieser Stadt bin ich wirklich stolz, einen Untertan wie Euch zu haben.“
„Nun ja...es ergibt sich noch genug Grund, wirklich stolz zu sein, wenn ich meine Mission hier abgeschlossen habe.“
Jerhyn wird hellhörig.
„Sagt mir, worin genau diese Mission besteht.“
Auf diesen befehlsgewohnten Tonfall des Fürsten reagiert der Meister meist allergisch, wie ich in Erfahrung bringen musste – so ist seine Stimme nur leicht gepresst, als er antwortet.
„Ich verfolge Diablo selbst, den Herrn des Schreckens, wie Ihr sicher wisst, Fürst. Er ist als dunkler Wanderer in Kutte unterwegs, und in seinem Pfad befinden sich Tod und Verderben, warum auch der Weg hierher von Zwischenfällen nicht verschont wurde.
Ich muss ihn aufhalten, bevor er seinen Bruder Baal erreicht, der hier ja irgendwo in der Wüste sein soll.“
Jerhyn lacht darauf. Er lacht!
„Ja, die Legende von Tal Rasha...lächerlich, meiner Meinung nach. Und Diablo höchstpersönlich? Ach, kommt. So schlimm kann die Situation nicht sein.“
„Verzeiht mir, Fürst, aber ich bin davon überzeugt, dass sie es ist, und werde nichts unterlassen, um diese Welt vor dem Untergang zu bewahren. Sicher könnt Ihr mir in dieser Sache helfen, und ich Euch im Gegenzug.“
Darauf verzieht Jerhyn das Gesicht. Oh...
„Wisst Ihr, ein Untertan sollte nicht meinen, dass ein Fürst seine Hilfe braucht. Die brauche ich nämlich nicht im Geringsten. Meine Maßnahmen zur Stadtverteidigung sind völlig ausreichend, und meine Entscheidungen hierzu richtig. Auch diese braucht Ihr nicht zu kritisieren...und ich entscheide mich dafür, dass keine allzu große Gefahr besteht, trotz dieser Sache...über die Ihr nichts wissen braucht, also schaut nicht so neugierig!
Jagt ruhig Eueren Hirngespinsten nach, aber wir haben die Situation hier auch ohne selbsternannte Helden voll unter Kontrolle, dafür sorgen Griez und seine Söldner. Richtet euch hier ein, wir brauchen euch nicht wirklich.“
Und damit ist er schon verschwunden.
Der Meister dreht sich mit offenem Mund zu mir um.
„Was hab ich denn jetzt falsch gemacht?“
Ich schüttele den Kopf. Nichts.
„Weißt du, diese Arroganz der Herrschenden kotzt mich an. Sie halten sich ihre Schoßhündchen, die unschuldige Kinder aus Spaß umbringen, das einfache Volk interessiert sie nicht im Geringsten, und sie wissen natürlich Alles besser.
Aber ich weiß in dieser Hinsicht eindeutig mehr als er. Und wenn er davon nichts wissen will, ist das sein Problem. Wir ziehen unsere Sache durch, und damit ist gut.“
Ich nicke ihm zu. So machen wir das. Und jetzt ziehen wir um.
Wir bringen jetzt die Truhe – die er einfach aus dem Lager der Jägerinnen mitgenommen hat, wie mir scheint – in ein Zimmer, das Warriv ihm bereits vermittelt hat. Das heißt, ich bringe. Klar. Die wenigen Gegenstände in seinem Besitz hatten locker Platz.
Auf dem Weg in den Stadtkern biegt der Meister um die Ecke, als ich Stimmen höre.
„Na sag mal, ist das nicht unser Milchbubi?“
Ich sehe vorsichtig an der Hauswand vorbei. Zwei schwankende Lut Gholeiner stehen an die Wand gelehnt da, mit einer Flasche wohl Hochprozentigem in der Hand, und verhöhnen den Meister.
Dieser wird rot, geht aber festen Schrittes weiter.
„Ich dachte ja eigentlich, sie hätten ihn zusammen mit seinem komischen Freund die Kehle durchgeschnitten, aber scheinbar kann er auch ohne Blut leben, wenn man sich seine Hautfarbe so ansieht!“
Der Meister bleibt auf der Stelle stehen.
„Was hast du gesagt?“
Oh, oh...
„Genau das, was ich meinte, Bleichling. Du hättest mit ihm zusammen verrecken sollen draußen in der Wüste!“
Was haben sie nur wegen seiner Haut? Sicher, er ist lange nicht so braun wie die hier unter der Wüstensonne lebenden.
Eigentlich komisch, schließlich hat er doch auch lange Jahre unter ihr verbracht...der Andere fügt seinen Teil hinzu.
„Atmas Liebling hat wohl einen Sonnenstich bekommen und musste erst mal ein wenig im Schatten ausheulen, oder? Wenigstens hast du dich nicht mehr im Gasthaus blicken lassen...“
Aha. Ich vermute, die beiden sind auch Waisenjungen wie der Meister, und haben mit ihm ihre Kindheit verbracht, in einem kleinen Bett über Atmas Wirtshaus. Sie dürften dann wohl zwei der Älteren sein, die den Jungen immer gequält hatten...bis sein Freund ihnen Manieren beibrachte, heißt das. Logisch, dass sie sich über dessen Tod freuen. Aber dennoch verachtenswert. Was ihnen der Meister auch zum Ausdruck bringt.
„Ihr zwei seid Abschaum. Der Bodensatz von Lut Gholein, der Ausschuss dieser Statt. Kanalbewohner solltet ihr sein, wie Ratten, von denen ihr wohl leben müsst, so ganz ohne Arbeit. Wer nimmt schon Trinker, die sich ständig prügeln? Habe ich nicht Recht?
Geht mir aus den Augen, ihr dreckigen Exkremente. Ihr seid es nicht wert, mir die Stiefelspitze zu lecken.“
Und er geht einfach weiter. Das hat er meiner Meinung nach sehr gut gelöst! Er hätte sie ignorieren können, aber das ist wohl zu viel verlangt...dennoch, jetzt tut er es, und das ist gut. Wir wollen keinen Ärger, wir haben eine Mission zu erledigen.
Die beiden sehen es allerdings anders. Und als der eine ein Messer aus dem Gürtel zieht, werde ich aktiv.
Unbekümmert geht der Meister weiter, denn er weiß, wen er als Schutz in seinem Rücken hat. Der Messerträger schleicht auf ihn zu – gefolgt von dem anderen, der nur die Schnapsflasche hält, wahrscheinlich kann er sich kein Messer leisten – gefolgt von mir.
Ich ramme dem hinteren die Truhe über den Kopf, und er fällt zu Boden, nachdem ein lautes Krachen ertönt ist.
Der zweite fährt herum, das Messer vor sich ausgestreckt.
Und wird fast so bleich wie der Meister, als er mich sieht.
Ich grinse ihn an, und sein Stechgerät fällt ihm aus kraftlosen Fingern.
Da erscheint eine Hand über seiner Schulter und tippt sie. Er zuckt zusammen, unentschlossen, wohin er sich wenden soll.
Der Meister, dem die Hand gehört, nimmt ihm die Entscheidung ab. Er packt ihn an der getippten Stelle und reißt ihn herum.
„Das ist für die Bemerkung über mich...“
Seine Faust rammt sich ins Gesicht des Beleidigers.
„Und das ist für meinen Freund.“
Und sein Knie landet in den Weichteilen des Gegenübers, der stöhnend zu Boden sinkt.
„Du verdammter Bastard...kämpfst...nicht...fair...“
„Ihr Dreckskerle habt mir keine faire Chance gelassen, oder nicht? Sei ein Schwein oder stirb, das war die Devise meiner Kinderzeit.
Ihr habt aus mir ein Schwein gemacht, und dafür sollte ich euch zur Schnecke machen.
Aber ich will ja kein Schwein sein. Ich bin der General, kein rachsüchtiger Kneipenschläger.
Viel Spaß mit deiner gescheiterten Existenz, mit dem Alkohol und deinen Dreckskerlfreunden. Viel Spaß beim vergessenen Sterben bei einem Messerkampf wegen einer Nichtigkeit oder einer Frau.
Ich für meinen Teil habe gekämpft für mein Leben, habe mich nicht zum Schwein machen lassen und habe fair gesiegt. Und so bleibe ich jetzt auch.
Auf Nimmerwiedersehen, Arschloch.“
Ein letzter Tritt ins Gesicht lässt sämtlichen Protest ersterben. Der Meister sieht mich an.
„Ja schön, das war auch ein Verhalten wie es einem Schwein zusteht. Kannst du es mir verdenken?“
Ich schüttele den Kopf. Er weiß nicht, wie wenig ich es ihm verdenken kann, weil er nicht weiß, dass ich über ihn weiß, was sonst Niemand weiß.
„Dann zieh diesem Abschaum seine Klamotten aus und dir an, du fällst zu sehr auf. Und ihm kann ein wenig Demut nicht schaden.“
Widerwillig sehe ich die Logik eines nicht – Auffallens ein, und streife mir die stinkenden Lumpen über. Bisher kannte ich keinen Ekel, ich hoffe, dass er sich hierdurch nicht entwickelt.
Und schließlich stehen wir am Ziel unseres Fußmarsches, dem Haus, in dem der Meister ein Zimmer von Warriv vermittelt bekommen hat.
Atmas Taverne.
Der Erfolg des ersten Teils hat meine Erwartungen mehr als übertroffen, und Lob von vielen Seiten hat mich angespornt, mit meinem Projekt nicht aufzuhören und immer weiter zu schreiben. Für diese Unterstützung danke ich euch Allen, und dafür bekommt ihr ab jetzt wieder wöchentlich Updates zum zweiten Teil der großen Geschichte, die langsam, aber sicher wirklich zu einem Roman wird.
EDIT: Umso mehr, da jetzt Teil 3 anfängt, zu entstehen!
Ohne viel Federlesens: Genießt es...hier erwarten euch die ersten fünf Kapitel von Teil 2. (24.02.2007)
Kapitel 6 (03.03.2007)
Kapitel 7-9 (10.03.2007)
Kapitel 10 (17.03.2007)
Kapitel 11-14 (24.03.2007)
Kapitel 15 (01.04.2007)
Kapitel 18 (14.04.2007)
Kapitel 20-21 (01.05.2007)
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26 + 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 1 – Erwachen
Aus leerer Schwärze entstehen Eindrücke.
Das Gefühl von hartem, unebenem Holz unter den Füßen.
Bewegung, Stöße, die diese Füße auffangen müssen.
Hitze auf der Haut.
Trockene Luft, in Nasenlöcher dringend.
Geräusche.
Ein Holpern im Takt zu den Stößen des Bodens.
Jemand schreit Flüche, die echolos in leerer Luft verklingen.
Tröpfeln. Flüssigkeit, die herabfällt.
Tropf.
Tropf.
Tropf.
Ein dumpfes Brennen in den Armen.
Und ein Geruch, neu und doch altbekannt.
Metallisch. Dennoch warm.
Ein Bild zerstört die Schwärze, das aufgerissene Augen ins Gehirn dringen lassen.
Ein hölzernes Zimmer, die Wände wackelnd, wieder im Takt zu Stößen und Holpern.
Eine Kiste, schwer, metallverstärkt.
Vertraut.
Vertraut wie der Mensch, der, hellhaarig, hager, groß, gebeugt auf einem Schemel sitzt, das Gesicht verborgen, auf den Boden starrt.
Wo rot ein Meer aus Blut sich sammelt. Tropfend Lebenssaft aus aufgeschlitzten Adern.
Ein Schock durchzieht den steifen Körper, kurz nur lähmend. Dann eigene Bewegung, ein Stürzen nach vorne.
Hände schießen vor, den steten Fluss aus geöffneten Arterien in einem Todesgriff, der Leben rettet, stoppend.
Der Kopf des Menschen springt aufrecht.
Ein bleicheres Gesicht als üblich, die Augen voll Verzweiflung schwimmend, Tränen immer noch das Blut mit Wasser mischend, starrt dem Retter ungläubig entgegen.
Dämme in Gedanken brechen, Erinnerung an Früheres flutet Kanäle, die zu lange lagen brach.
Ein Kampf, ein zweiter. Unzählig viele! Monster jeder Form und Farbe. Menschen, mehrere, und doch einer, immer wieder in die Mitte des Bewusstseins drängend.
Ein Meister, welcher diesen Moment auch die Mitte des Gesichtfelds füllt.
Da springen auch die letzten Bilder eines schon vergangen geglaubten Lebens aus dem Strom der wirbelnden Gedanken hoch.
Katakomben. Kaschya. Andariel. Der Tod,
Der Tod, und doch nur einen dieser Gruppe endgültig, ewig für sich behaltend in immerwährender Schwärze.
Ich, des Meisters treuer Golem, lebe wieder.
Kapitel 2 – Todeswunsch
Aus dem Munde des Meisters dringt die gleiche Frage, die sich mir auch stellt.
„Was zur Hölle ist hier los?“
Denn genau das kann ich überhaupt nicht verstehen.
„Ist es mein Schicksal, von Golems verfolgt zu werden, die nicht tun, was ich will? Ich will nichts weiter als sterben, und nicht einmal das steht mir zu. Lass endlich meine Arme los, mein Leben verrinnen...außerdem tut es weh.“
Ich kann es ihm nachfühlen. Aber ich werde natürlich nicht loslassen.
Moment. Nachfühlen? Ich fühle es tatsächlich – meine Arme tun weh!
Aber...es ist nicht der Pseudoschmerz, den ich immer gefühlt habe, wenn etwas meinen Tonkörper verletzt hat. Es ist richtiger, echter, brennender, dumpfer Schmerz.
Ein Band davon zieht sich meine Unterarme herab, und deren Mitte wird gleichzeitig noch unangenehm gequetscht.
Was ist nur los mit mir?
Egal. Erst einmal den Meister retten.
Ich packe seine beiden Arme in einer Hand, was natürlich ein wenig mehr Blut fließen lässt, aber da kann man nichts machen; meine freie Hand greift nach dem Laken der Pritsche, die in einer Ecke des sich bewegenden Raumes steht.
Geformte Klauen sollen den Stoff zerschneiden, er wehrt sich aber trotzdem recht lange...dennoch, irgendwie schaffe ich es doch, ihn zu zerreißen.
Gar nicht so einfach, mir nur einer Hand...aber ich schaffe es, einen breiten Streifen abzutrennen.
Ohne auf die Proteste des Meisters zu achten, verbinde ich seine Wunden recht unsanft, bald sind beide Blutungen gestillt.
Das wäre geschafft. Jetzt muss ich auf ihn aufpassen, damit er sich die Bandagen nicht wieder abnimmt, und ich will außerdem herausfinden, warum er das überhaupt getan hat.
Und ich muss wissen, warum ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin.
„Golem, das ist einfach nicht gerecht. Kaschya ist tot durch meine verdammte Schuld, dann ist da plötzlich dieses Portal. Sämtliche Jägerinnen feiernd um mich herum, weil ich so ein toller Held bin – ha! – und Andariel getötet habe, sie lassen mich keine Sekunde lang alleine; dann bietet mir Warriv die tolle Gelegenheit, mit seiner Karawane zurück nach Osten zu fahren, weil der Weg frei ist...er behandelt mich wie einen verdammten König, als ob ich es verdient hätte! – und wieder bin ich nie alleine, immer unter Menschen und gequält von der Schuld.
Jetzt endlich habe ich mal Zeit für mich, in meinem eigenen Wagen, sich langsam nähernd meiner Heimat, was wäre denn ein passenderer Ort, um das verfluchte Leben zu verabschieden?
Und dann kommst du, und lässt mich nicht aus meiner Qual entfliehen. Das Leben ist einfach nicht gerecht.
Ich meine, habe ich es verdient, zu leben? Es scheint fast so, wie oft mir der Tod entrissen wird, obwohl er mich schon lockte. Aber ich bin ein Nichts, ein Niemand, ein Dreckskerl! Ich verdiene dieses Leben nicht, das so viel Leid erzeugt. Das so viele Andere vor den Kopf stößt, sich benimmt wie ein Vollidiot, und mit seiner Überheblichkeit Weggefährten tötet.
Lass mich endlich sterben!“
Er versucht, sich die Bandagen herunterzureißen, aber wieder halte ich seine Arme fest.
Jetzt wird mir Einiges klarer. Er ist zerfressen von seinen Schuldgefühlen, da er endlich, wie ich zu meiner Schande immer gehofft hatte, die Quittung für seine Arroganz bekommen hat – ihretwegen ist Kaschya tot, bin ich gestorben (wie ich dachte), und einen härteren Denkzettel kann es nicht geben. Außer vielleicht seinen eigenen Tod...den er jetzt nachzuholen versucht. Ich vermute, dass sein Ego diese Schmach der ultimativen Niederlage noch im Sieg einfach nicht zulassen will.
Aber ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass er sie zulässt! Ohne ihn könnte gleich die ganze Welt Selbstmord begehen. Er ist doch der Einzige, der Diablo stoppen kann.
Jetzt weint der Junge leise vor sich hin. Ich lasse vorsichtig seine Arme los – die er sofort hängen lässt – und streiche ihm über den Kopf, wie ich es schon einmal getan habe.
Und erstarre in einem Moment des Schocks, als ich das erste Mal bewusst meine Hand sehe.
Sie hat Klauen, in der Tat – obwohl ich gerade wollte, dass diese sich auflösen! – aber was für welche:
Drei Knochen sprießen aus einem Handrücken, der rot ist wie Blut, und in der Tat fleischlich, von Adern überzogen, hautlos aber. Die Knochen selbst sind ebenfalls umgeben von einem Aderngeflecht, das vorreicht bis zu ihrer Spitze, welche scharf und tödlich scheint. Die Hand selbst ist von den Proportionen und Fingern her „normal“, wenn man dieses nackte Fleisch als normal ansehen kann. Kein Wunder, dass ich den Stoff nicht zerschneiden konnte – nicht meine Finger sind mehr spitz, sondern die Stacheln, die über ihnen herausragen.
Ich sehe an mir herunter. Mein ganzer Körper besteht aus diesem Fleisch, wie eine gehäutete menschliche Gestalt wirkt er, pulsierende Blutkanäle ihn überall bedeckend.
Ich bin kein Tongolem mehr. Und mir geht die Logik dieser Feststellung ein: Hier gibt es gar keinen Ton! Nach der Aussage des Meisters zu schließen, ist er gerade mit Warrivs Karawane unterwegs, und wir befinden uns in einem der Wägen derer.
Und wenn ich mich recht entsinne, liegt des Meisters Heimat – Lut Gholein, welches schon lange als unser nächstes Reiseziel nach dem Tod Andariels feststand – im Osten, inmitten der Wüste, wo dieser auch sein Nekromantenhandbuch fand.
Ein Sandgolem würde aber wohl wenig Zusammenhalt bieten...und wenn ich die Menge an Blut in Betracht ziehe, die der Meister schon auf den Boden tropfen hat lassen, ist klar, woraus ich dieses Mal beschworen wurde.
Interessant. Ein Blutgolem. Warum nicht? Wenn man aus Ton erschaffen werden kann, dann auch aus dieser Substanz. Was bedeutet das für mich?
Ab jetzt kann ich meinen Körper nicht mehr verformen. Das darf ich nicht vergessen, ich muss ungemein aufpassen.
Dafür kann ich jetzt fühlen; Wärme, Kälte, Wind, meine Sinneswahrnehmungen erweitern sich ungemein.
Ich kann auch riechen! Denn ich atme, wie ich bemerke, ganz instinktiv scheint diese Handlung. Trockene Luft birgt Blutgeruch, welcher der so vertraut scheinende metallische sein muss.
Was noch Alles? Die Zeit wird es zeigen.
Aber einige bohrende Fragen verbleiben:
Warum bin ich hier? Wie hat der Meister mich erschaffen?
Und wie verhindere ich, dass er sich bei nächster Gelegenheit umbringt?
Kapitel 3 – Vampir
Da dringen Schreie an mein Ohr, ungleich derer, die der normale Fuhrbetrieb in Warrivs Karawane produzieren sollte...Schmerzensschreie, voller Angst.
Der Meister reißt zeitgleich mit mir die Augen auf. Dann stürze ich ihm zur Wagentüre nach, auf die er, näher, zugesprungen ist.
Stillstehend ist das Gefährt, und des Meisters Aufschrei zeigt, dass er sofort herausgefunden hat, warum. Nur mir dringt gleißende Sonne in beide Augen – und statt wie bisher bei so einem Fall keine Reaktion hervorzurufen, werde ich geblendet! Nur langsam gewöhne ich mich an die Helligkeit, aber ich muss es in Zukunft vermeiden, direkt in das Licht zu sehen. Na super.
Die Szene vor mir würde mich auch aufschreien lassen, könnte ich es.
Kleine Dämonen greifen die Karawane an, so groß in etwa wie Stachelratten, aber mit weit kräftigeren Beinen, länger und muskulöser – wozu sie dienen, wird mir klar, als eines dieser Viecher glatt über unseren Wagen hinwegspringt!
Bewaffnete Menschen versuchen, ihrer Herr zu werden, aber sie sind gewaltig in der Unterzahl...da springt von hinten ein Gegner heran und zerfetzt die Schenkel des Lanzenträgers vor ihm mit spitzen Klauen. Schreiend fällt dieser um, und wird von drei der Springer zugleich angefallen, worauf die Schreie bald verstummmen.
Leuchtend rot die Szene, Blut beschienen von einer untergehenden Wüstensonne, weißer Sand glitzernd, wo Flüssigkeit ihn karmesinern bedeckt.
Der Meister landet auf dem Boden, ich folge ihm nach. Die drei Wüstenspringer werden nach hinten geworfen, als ihre Beute, die Leiche unseres Verteidigers, plötzlich ihr Fleisch abwirft, die Knochen sich in die Luft erheben und zu einem Skelett werden.
„Mach die Biester fertig!“
Diesen Befehl des Meisters zu hören, den ich nie wieder geglaubt hätte zu vernehmen, lasse ich mir auch nicht zweimal sagen. Das Skelett zweiteilt einen der perplexen Gegner, während ich den hintersten packe und ihm meine Klauen in den Rücken ramme.
Da beginnen die Adern auf meinem Handrücken plötzlich zu pulsieren, ich fühle die Flüssigkeit in ihnen! Was ist los?
Die Knochen, die über meine Finger hinwegragen und im Dämon stecken, färben sich rötlich. Die Adern nehmen auch einen dunkleren Farbton an.
Sofort lasse ich die Leiche fallen – gut so, denn sie wird gleich zu einem Skelett – und reiße meine Hand zurück.
Rotes Blut spritzt herum, als das Fleisch in alle Richtungen wegfliegt bei der Beschwörung. Aber es ist zu wenig.
Ich starre auf meine Finger. Sie scheinen dunkler, röter – gesünder.
Und der Schmerz in meinen Unterarmen ist einem dumpfen Pochen gewichen.
Was hat das zu bedeuten?
Gleißende Pein zerreißt meine Gedanken, als ein Wüstenspringer auf meinem Rücken landet und das Schlitzen beginnt. Aah! Nie zuvor habe ich so einen Schmerz gefühlt, richtige, weiße, glühende Qual.
Ich spüre, wie mir Blut den Rücken hinunterläuft. Schnell!
Meine Hände greifen nach hinten, die Finger, die unter den Knochen ganz normal sind, finden Dämonenfleisch. Gut, dass diese Dinger keine Stacheln haben.
Ich reiße ihn von mir weg – er wehrt sich, oh, er wehrt sich! – und halte ihn mir vor das Gesicht. Hasserfüllt starre ich ihn an, und seine Augen werden groß, als er die Knochenklauen der anderen Hand auf sich zufahren sieht.
Ich durchbohre ihn glatt. Und wieder färben sich die Knochen rot, ich beobachte sie genau.
Die Farbe breitet sich von der Spitze – der tödlichen Wunde im Gegnerkörper – nach hinten aus, erreicht meinen Handrücken über den Fingern. Fließt in meine Hand hinein, wo sie diese dunkler färbt, leicht. Meine Adern pulsieren.
Der Leichnam des Wüstenspringers wird bleicher und bleicher.
Jetzt verstehe ich, was ich hier mache. Meine Klauen saugen das Blut aus getroffenen Gegnern und pumpen es in mich! Und in der Tat, schon hat mein Rücken aufgehört, weniger zu schmerzen, meine Arme ganz.
Aber ein Restschmerz ist vorhanden, der nicht aufhört. Andererseits...die Leiche des Dämonen ist jetzt komplett blutleer.
Dieses Wissen hilft mir sehr! Sofort suche ich mir einen Gegner, und werde fündig (es gibt genug). Er springt mich ganz wörtlich an.
Und landet aufgespießt. Sofort fließt Lebenssaft zu mir über, und mein Rücken heilt komplett. Sehr praktisch.
Die Kampfhandlungen beruhigen sich. Noch immer springen kleine Kreaturen herum, aber es werden immer weniger, wenngleich auch diese wenigen noch böse Verletzungen hervorrufen können.
Fünf Skelette sind andauernd am Laufen, aber nach und nach scheitern die Gegner an ihnen, weil unsere einfach nicht sterben wollen – sie sind schon tot.
Ich kann nichts mehr bewirken, also gehe ich zum Meister, der vor dem Wagen steht und sich etwas konfus blickend den Rücken reibt.
Den Rücken? Aber warum denn das, er war doch nie in Gefahr...?
Ich höre ein Quietschen, wie ich es schon öfter hier gehört habe: Ein Monster im Sprung. Sofort werfe ich mich zur Seite.
Vor mir staubt Sand auf, trifft in meine Augen, die ich dem Boden zu nahe gebracht habe. Ich bin kurz abgelenkt durch das Stechen in ihnen...
...und erhalte die Quittung in Form von Schmerz in meiner Bauchregion. Aah, dieses verdammte Biest!
Ich ramme meine Klauen an die Quelle der Pein – und steche sie mir selbst in die Körpermitte. AH!
Wo ist der Gegner? Immer noch zerreißen mich seine Klauen, mein Blut tropft auf den Boden...
Da klärt sich mein Blick. Der Meister kämpft um sein Leben, sein Stab prügelt wirkungslos auf einen Springer ein, der ihm auf dem Bauch sitzt, schlitzend und schlingend.
Sofort springe ich vor, den Schmerz ignorierend, und ramme meine eigenen Klauen komplett durch den kleinen Körper. Der Dämon haucht sein Leben aus, und Blut fließt in mich.
Der Schmerz schwindet. Aber was ist mit dem Meister?
Mit einem Ausdruck der Überraschung sieht er mich an. Er soll nicht dumm gucken, sondern einen Heiltrank trinken!
Wie schlimm wird seine Wunde sein? Steht er unter Schock? Ich begutachte sein blutverschmiertes, zerrissenes Hemd.
Und finde darunter rosige Haut, relativ bleich, aber für ihn völlig normal, unverletzt.
Wie die auf meinem Bauch.
Ich sehe meine Arme an, und unvermittelt reiße ich ihm die Bandagen von seinen.
Unverletzt auch diese, geheilt von den Wunden, die er sich selbst zugefügt hat.
Im gleichen fassungslosen Gesichtsausdruck verbunden, stehen wir für einen Augenblick da, das Entsetzen der Erkenntnis hinter den Pupillen des Anderen sehend.
Kapitel 4 – Verbindungen
„Also, welcher Finger?“
Ich spüre ein Stechen in meinem rechten Zeigefinger, eine Blutperle bildet sich. Als der Meister sich mit einer Nadel in der Hand wieder zu mir umdreht, zeige ich mit der linken Hand auf diesen Finger.
Er seufzt und zeigt seinen eigenen: angestochen, blutend.
„Wie wir also vermutet haben – wir sind verbunden durch ein Band des Blutes. Was dir zustößt, fügt auch mir Schmerzen zu, und umgekehrt; und wenn du dich durch deine Blutsaugerfertigkeit heilst, kommt das auch mir zugute. Wir teilen Schmerz und Linderung.“
Er vergräbt das Gesicht in den Händen und sinkt in sich zusammen, auf der Pritsche seines sich wieder bewegenden Wagens sitzend.
„Solche Scherereien. So ein Ärger. Ich hätte gute Lust, es doch zu tun.“
Ich hebe warnend eine Hand, als sein Blick auf den Dolch fällt, der auf einem Schemel liegt. Aber er winkt ab.
„Schon gut, schon gut. Wir hatten das ja erst. Ich bin für die Menschen hier und sonstwo einfach zu wichtig, um vorzeitig den Löffel abzugeben, bla, bla, bla. Mir bleibt also nur, mich mit diesen verdammten Schuldgefühlen zu arrangieren, den Schmerz als Strafe zu akzeptieren, und aus meinem Fehler zu lernen. Richtig so?“
Ich nicke ihm aufmunternd zu. Genauso hatten wir das vorher entwickelt, als er nach dem Kampf endlich zum Nachdenken gekommen war. Ich musste ihn erst durch Einiges an Gesten ermuntern, natürlich, aber letztlich kam er doch darauf.
„Vergangenes ist also vergangen. Die Kaschyas dieser Welt werden sich in Zukunft von mir gar nicht erst mitgenommen sehen...was ist denn jetzt schon wieder?“
Denn ich habe den Kopf geschüttelt.
„Soll das heißen, ich soll noch mehr Leuten dem vermeidbaren Risiko einer Begleitung meiner auf meinen Abenteuern aussetzen?“
Genau das.
„Das ist verrückt...“
Nein, es wäre verrückt, wenn du freiwillig auf den Schutz kompetenter Leute verzichtest, nur, weil diese eventuell sterben könnten, aus genau den freien Stücken wie du auch...aber wie soll ich ihm das jetzt erklären?
„Ach, völlig egal. Die Frage wird sich womöglich gar nicht erst stellen, weil ich nicht gedenke, Jemanden erneut so zu demütigen, dass er überhaupt erst dazu gezwungen wird, mitzukommen.“
Gibt er sich etwa auch für Kaschyas ursprüngliche Begleitung seiner die Schuld? Es ist schlimmer, als ich dachte...
„Und du glaubst auch nicht, wie sehr es mir stinkt, dass schon wieder ein neuer Golem hier ist, auf den ich aufpassen muss. Den alten erschaffen aus einer Laune heraus, gezwungen im Grunde, mit mir mitzukommen, immer in vorderster Reihe stehend und für mich kämpfend, befohlen, für mich zu sterben.
Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was das für ihn zu bedeuten hatte. Ich bin mir längst sicher, dass er mehr war als nur ein dummes Konstrukt. Allein sein Einsatz gegen Andariel, selbstaufopfernd bis zu Letzten.
Ironie des Schicksals, jetzt einen vor mir zu haben, der mich jederzeit strafen kann, und das auch wird, sollte ich ihn in vorderster Reihe zum Kämpfen schicken...“
WAS? Der Meister denkt über mich, dass ich kein dummes Konstrukt bin? So einfach, die Anerkennung meiner Intelligenz gekommen?
„Aber was bringt das Reden über den alten Golem. Er ist Vergangenheit, wie Kaschya, auch durch meine Schuld. Sicher hat er nur gelitten unter mir. Ich wette, er ist froh, weg zu sein von dieser Existenz der Schmerzen.
Kommen wir also zu dir und deinen Aufgaben...im Grunde ganz einfach:
Du hörst mir zu, wenn ich was zu sagen habe, und redest nicht dazwischen...was immer noch nicht gehen sollte, tust so, als hättest du weisen Rat zu bieten, und sonst bleibst du einfach als Leibwache in meiner Nähe, denn wenn ein Gegner so nahe an uns herankommt, dass er uns dann beide verletzen kann, ist es egal, wenn du auch mit in der Schusslinie stehst. So oder so sind wir ein doppeltes Ziel, aber wenigstens kannst du uns ja heilen.“
Nein. Nein! Zum Greifen nah, und doch so fern!
Er weiß nicht, dass ich der gleiche Golem wie sein „alter“ ist. Und woher soll er das auch wissen? Ich selbst wusste nicht, dass der Golemzauber offenbar über Tod und sogar Formänderung hinaus konstant bleibt.
Ich muss es ihm beweisen, und ich muss ihn meine Intelligenz klar erkennen lassen, das Ausmaß derer und die Möglichkeiten.
Und ich will endlich selbst über mein Leben bestimmen können. Ich will sprechen können und meine Wünsche artikulieren.
Ich will ich sein können.
Kapitel 5 – Ankunft
Nur eine Stunde, zwanzig Minuten und fünf Sekunden, nachdem der Meister unser „Gespräch“ abgebrochen hat, und sich erst einmal mit leer in die Luft starrenden Augen auf seine Pritsche gelegt hat, halten wir.
Er steht sofort auf.
„Na schön, es hilft Alles nichts. Wir sind da, und wir werden das Ding schon schaukeln.“
Die Tür geht auf, und Warriv, den ich ja schon kenne, strahlt herein.
„Ach, ihr seid schon fast fertig? Das ist fein, das sind wir auch. Ich vergaß ganz, euch zu danken, bei dem ganzen Chaos von gerade...“
Der Meister winkt ab.
„Schon in Ordnung, Warriv. Man tut, was man kann...“
Unter Dankesworten Warrivs – die er geduldig über sich ergehen lässt, so kenne ich ihn gar nicht – schiebt sich der General sanft an diesem vorbei. Der Karawanenführer folgt uns nach draußen, bescheiden winkt der Meister ab, wann immer Warriv ihn „mehr lobt, als ihm zusteht“.
Immer noch sind wir umgeben von Wüstensand, aber unter uns befindet sich jetzt eine Straße, die diese Bezeichnung verdient – sie ist sogar relativ frei von den allgegenwärtigen Körnern, ungleich derer, auf der wir fuhren, als der Angriff kam.
Diese Straße führt zu einem Stadttor, und hinter diesem ragen Türme in die Höhe, Hausdächer, Minarette, und, umgeben von vier der spitzen, schlanken Säulen, eine Kuppel, riesenhaft das Bild dominierend, ihr Schatten trotz der hoch stehenden Sonne bis außerhalb der wuchtigen Mauern reichend.
Der Meister und Warriv besitzen den gleichen bewundernden Blick, als sie wie eigentlich Jeder, der bei der Karawane mitgefahren ist, den Blick in die Höhe richten, an den glitzernden Elfenbeinschindeln der Kuppel nach oben vorbeiwandernd, die goldene Kugel an ihrer Spitze fixierend.
Und der Meister spricht aus, was wohl beide von ihnen denken.
„Endlich wieder zu Hause in Lut Gholein...“
Ich begutachte den Geburtsort meines Gebieters genauer. Die Mauern sind wehrhaft, als berühmte Handelsstadt, zentral als einzige größere Siedlung der Wüste von Aranoch gelegen. So viel aus dem Bericht des Meisters über seine Kindheit zu schließen.
Aber an einigen Stellen befleckt Blut die Mauern, Geier kreisen über hohen Türmen.
Diese Stadt ist eine belagerte, das ist klar ersichtlich. Gut, dass wir gerade rechtzeitig kommen, um Schlimmeres zu verhindern.
Nur zwei Stunden später öffnet sich endlich das Tor für die Karawane. Soldaten und Kaufleute, Beamte und Palastwachen (für die der Meister nur ein geknurrtes „verdammte Hundesöhne“ übrig hatte) mussten die Ladung begutachten, und, ein scheinbar völlig normaler Vorgang, bestochen werden. Offizieller Zoll gezahlt, ein Tribut noch an die Stadtlagerhäuser abgegeben werden, „wegen den schweren Zeiten“ – nicht ohne Groll zieht Warriv schließlich ein, die Wagen beträchtlich erleichtert. Wenigstens spart er sich die Unterbringungsgebühr, als reicher Kaufmann besitzt er seinen eigenen Fuhrpark, wo er seine Gefährte neben anderen unterstellen kann.
Er verabschiedet sich dann mit einem Hinweis auf seine dringenden Geschäfte – immerhin war er lange nicht mehr hier – und weiterem Dank für den Meister, der dies schon fast routinemäßig abwinkt.
Als ich gerade dabei bin, diverse Besitztümer des Meisters aus dessen Wagen auszupacken – es ist nicht viel – öffnet sich die Türe des Raumes, in dem Warrivs Fuhrpark untergebracht ist.
Ich beobachte aus der Deckung der Schatten des Inneren die Szene, die sich abspielt; denn die Leute reagieren doch eher...hektisch...beim Anblick eines Körpers ohne Haut, der sich aus eigenem Willen bewegt.
Es tritt ein Mann ein, weiße Pluderhosen, die bis unter die Knie reichen, ein weißes Hemd, ein blauer Umhang, und ein weißer Turban, sämtlichst alles strahlend und sauber. Ein leichter Parfümduft, den ich bis hier oben rieche, umgibt ihm.
Der Meister nimmt eine Haltung der Überraschung ein.
„Fürst Jerhyn!“
Der Ankömmling lächelt sanft.
„Genau der bin ich, mein totenbeschwörender Freund. Ja, kein Grund, so überrascht zu schauen – man hat mich über die Rückkehr eines Sohns meiner Stadt unterrichtet, der es in der Ferne zu einigem Ruhm gebracht zu haben scheint.“
Der Meister winkt wieder ab.
„Na ja, man tut, was man kann...“
Aber Jerhyn breitet die Arme aus, um ihn zu unterbrechen.
„Nein, dies war eine große Tat, eine wirklich große Tat. Als der Herrscher dieser Stadt bin ich wirklich stolz, einen Untertan wie Euch zu haben.“
„Nun ja...es ergibt sich noch genug Grund, wirklich stolz zu sein, wenn ich meine Mission hier abgeschlossen habe.“
Jerhyn wird hellhörig.
„Sagt mir, worin genau diese Mission besteht.“
Auf diesen befehlsgewohnten Tonfall des Fürsten reagiert der Meister meist allergisch, wie ich in Erfahrung bringen musste – so ist seine Stimme nur leicht gepresst, als er antwortet.
„Ich verfolge Diablo selbst, den Herrn des Schreckens, wie Ihr sicher wisst, Fürst. Er ist als dunkler Wanderer in Kutte unterwegs, und in seinem Pfad befinden sich Tod und Verderben, warum auch der Weg hierher von Zwischenfällen nicht verschont wurde.
Ich muss ihn aufhalten, bevor er seinen Bruder Baal erreicht, der hier ja irgendwo in der Wüste sein soll.“
Jerhyn lacht darauf. Er lacht!
„Ja, die Legende von Tal Rasha...lächerlich, meiner Meinung nach. Und Diablo höchstpersönlich? Ach, kommt. So schlimm kann die Situation nicht sein.“
„Verzeiht mir, Fürst, aber ich bin davon überzeugt, dass sie es ist, und werde nichts unterlassen, um diese Welt vor dem Untergang zu bewahren. Sicher könnt Ihr mir in dieser Sache helfen, und ich Euch im Gegenzug.“
Darauf verzieht Jerhyn das Gesicht. Oh...
„Wisst Ihr, ein Untertan sollte nicht meinen, dass ein Fürst seine Hilfe braucht. Die brauche ich nämlich nicht im Geringsten. Meine Maßnahmen zur Stadtverteidigung sind völlig ausreichend, und meine Entscheidungen hierzu richtig. Auch diese braucht Ihr nicht zu kritisieren...und ich entscheide mich dafür, dass keine allzu große Gefahr besteht, trotz dieser Sache...über die Ihr nichts wissen braucht, also schaut nicht so neugierig!
Jagt ruhig Eueren Hirngespinsten nach, aber wir haben die Situation hier auch ohne selbsternannte Helden voll unter Kontrolle, dafür sorgen Griez und seine Söldner. Richtet euch hier ein, wir brauchen euch nicht wirklich.“
Und damit ist er schon verschwunden.
Der Meister dreht sich mit offenem Mund zu mir um.
„Was hab ich denn jetzt falsch gemacht?“
Ich schüttele den Kopf. Nichts.
„Weißt du, diese Arroganz der Herrschenden kotzt mich an. Sie halten sich ihre Schoßhündchen, die unschuldige Kinder aus Spaß umbringen, das einfache Volk interessiert sie nicht im Geringsten, und sie wissen natürlich Alles besser.
Aber ich weiß in dieser Hinsicht eindeutig mehr als er. Und wenn er davon nichts wissen will, ist das sein Problem. Wir ziehen unsere Sache durch, und damit ist gut.“
Ich nicke ihm zu. So machen wir das. Und jetzt ziehen wir um.
Wir bringen jetzt die Truhe – die er einfach aus dem Lager der Jägerinnen mitgenommen hat, wie mir scheint – in ein Zimmer, das Warriv ihm bereits vermittelt hat. Das heißt, ich bringe. Klar. Die wenigen Gegenstände in seinem Besitz hatten locker Platz.
Auf dem Weg in den Stadtkern biegt der Meister um die Ecke, als ich Stimmen höre.
„Na sag mal, ist das nicht unser Milchbubi?“
Ich sehe vorsichtig an der Hauswand vorbei. Zwei schwankende Lut Gholeiner stehen an die Wand gelehnt da, mit einer Flasche wohl Hochprozentigem in der Hand, und verhöhnen den Meister.
Dieser wird rot, geht aber festen Schrittes weiter.
„Ich dachte ja eigentlich, sie hätten ihn zusammen mit seinem komischen Freund die Kehle durchgeschnitten, aber scheinbar kann er auch ohne Blut leben, wenn man sich seine Hautfarbe so ansieht!“
Der Meister bleibt auf der Stelle stehen.
„Was hast du gesagt?“
Oh, oh...
„Genau das, was ich meinte, Bleichling. Du hättest mit ihm zusammen verrecken sollen draußen in der Wüste!“
Was haben sie nur wegen seiner Haut? Sicher, er ist lange nicht so braun wie die hier unter der Wüstensonne lebenden.
Eigentlich komisch, schließlich hat er doch auch lange Jahre unter ihr verbracht...der Andere fügt seinen Teil hinzu.
„Atmas Liebling hat wohl einen Sonnenstich bekommen und musste erst mal ein wenig im Schatten ausheulen, oder? Wenigstens hast du dich nicht mehr im Gasthaus blicken lassen...“
Aha. Ich vermute, die beiden sind auch Waisenjungen wie der Meister, und haben mit ihm ihre Kindheit verbracht, in einem kleinen Bett über Atmas Wirtshaus. Sie dürften dann wohl zwei der Älteren sein, die den Jungen immer gequält hatten...bis sein Freund ihnen Manieren beibrachte, heißt das. Logisch, dass sie sich über dessen Tod freuen. Aber dennoch verachtenswert. Was ihnen der Meister auch zum Ausdruck bringt.
„Ihr zwei seid Abschaum. Der Bodensatz von Lut Gholein, der Ausschuss dieser Statt. Kanalbewohner solltet ihr sein, wie Ratten, von denen ihr wohl leben müsst, so ganz ohne Arbeit. Wer nimmt schon Trinker, die sich ständig prügeln? Habe ich nicht Recht?
Geht mir aus den Augen, ihr dreckigen Exkremente. Ihr seid es nicht wert, mir die Stiefelspitze zu lecken.“
Und er geht einfach weiter. Das hat er meiner Meinung nach sehr gut gelöst! Er hätte sie ignorieren können, aber das ist wohl zu viel verlangt...dennoch, jetzt tut er es, und das ist gut. Wir wollen keinen Ärger, wir haben eine Mission zu erledigen.
Die beiden sehen es allerdings anders. Und als der eine ein Messer aus dem Gürtel zieht, werde ich aktiv.
Unbekümmert geht der Meister weiter, denn er weiß, wen er als Schutz in seinem Rücken hat. Der Messerträger schleicht auf ihn zu – gefolgt von dem anderen, der nur die Schnapsflasche hält, wahrscheinlich kann er sich kein Messer leisten – gefolgt von mir.
Ich ramme dem hinteren die Truhe über den Kopf, und er fällt zu Boden, nachdem ein lautes Krachen ertönt ist.
Der zweite fährt herum, das Messer vor sich ausgestreckt.
Und wird fast so bleich wie der Meister, als er mich sieht.
Ich grinse ihn an, und sein Stechgerät fällt ihm aus kraftlosen Fingern.
Da erscheint eine Hand über seiner Schulter und tippt sie. Er zuckt zusammen, unentschlossen, wohin er sich wenden soll.
Der Meister, dem die Hand gehört, nimmt ihm die Entscheidung ab. Er packt ihn an der getippten Stelle und reißt ihn herum.
„Das ist für die Bemerkung über mich...“
Seine Faust rammt sich ins Gesicht des Beleidigers.
„Und das ist für meinen Freund.“
Und sein Knie landet in den Weichteilen des Gegenübers, der stöhnend zu Boden sinkt.
„Du verdammter Bastard...kämpfst...nicht...fair...“
„Ihr Dreckskerle habt mir keine faire Chance gelassen, oder nicht? Sei ein Schwein oder stirb, das war die Devise meiner Kinderzeit.
Ihr habt aus mir ein Schwein gemacht, und dafür sollte ich euch zur Schnecke machen.
Aber ich will ja kein Schwein sein. Ich bin der General, kein rachsüchtiger Kneipenschläger.
Viel Spaß mit deiner gescheiterten Existenz, mit dem Alkohol und deinen Dreckskerlfreunden. Viel Spaß beim vergessenen Sterben bei einem Messerkampf wegen einer Nichtigkeit oder einer Frau.
Ich für meinen Teil habe gekämpft für mein Leben, habe mich nicht zum Schwein machen lassen und habe fair gesiegt. Und so bleibe ich jetzt auch.
Auf Nimmerwiedersehen, Arschloch.“
Ein letzter Tritt ins Gesicht lässt sämtlichen Protest ersterben. Der Meister sieht mich an.
„Ja schön, das war auch ein Verhalten wie es einem Schwein zusteht. Kannst du es mir verdenken?“
Ich schüttele den Kopf. Er weiß nicht, wie wenig ich es ihm verdenken kann, weil er nicht weiß, dass ich über ihn weiß, was sonst Niemand weiß.
„Dann zieh diesem Abschaum seine Klamotten aus und dir an, du fällst zu sehr auf. Und ihm kann ein wenig Demut nicht schaden.“
Widerwillig sehe ich die Logik eines nicht – Auffallens ein, und streife mir die stinkenden Lumpen über. Bisher kannte ich keinen Ekel, ich hoffe, dass er sich hierdurch nicht entwickelt.
Und schließlich stehen wir am Ziel unseres Fußmarsches, dem Haus, in dem der Meister ein Zimmer von Warriv vermittelt bekommen hat.
Atmas Taverne.