So hier ist mal die Geschichte. Sie ist noch sehr fehlerbehaftet. Ich arbeite gerade an einer zweiten Fassung.
Marty
1
Marty Anderson war Schriftsteller. Er verdiente ganz gut. Und war zufrieden. Aber in letzter Zeit störte ihn etwas. Und er konnte gar nicht genau sagen was. Marty schrieb sogenannte „Gore“-Literatur. Er hatte eine kleine aber verschworene Fangemeinde. Sein letztes Buch war erst vor kurzem erschienen und hatte auf Anhieb die Bestseller-Liste gestürmt. Und einen Preis hatte es auch gewonnen. Eigentlich sollte Marty sehr zufrieden mit sich sein und sein Leben einfach genießen. Aber das konnte er irgendwie nicht. Irgendwas bedrückte ihn. Schulden hatte er keine und eine Hypothek musste er noch nicht aufnehmen. Er hatte schon wieder den Stoff für eine neue Geschichte im Kopf. Aber irgendwie wollte diese Geschichte nicht geschrieben werden. Immer wenn er vor seinem Mac saß und versuchte Zeilen, Wörter entstehen zu lassen dann wollte ihm nichts einfallen. Doch in seinem Kopf nahm die Geschichte immer mehr Gestalt an. Mittlerweile war er dazu übergegangen sich einfach nur noch Zeit zu lassen und abzuwarten. Vielleicht würde das ja so etwas werden. Druck kriegte er Gott sei Dank auch keinen da sein Agent sich noch nicht beschwert hatte. Noch nicht. Aber er wusste dass das irgendwann kommen würde. Bis dahin versuchte er jeden Tag von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr Wörter über seinen Mac huschen zu lassen.
2
Marty wachte auf. Er fasste sich an den Kopf. Gestern hatte er wohl zu viel getrunken. Er möchte sich noch mal umdrehen, aber das gelang ihm leider nicht. Denn die Sonne schien in sein Schlafzimmer, dass ihm gleichzeitig als Arbeitszimmer diente. Also stand er auf, ging ins Badezimmer und nahm erstmal eine ausgiebige Dusche. Gestern hatte er es wirklich ein kleines bisschen übertrieben. Nachdem er fertig war mit Duschen zog er sich an und machte sich erstmal einen leckeren Salat. Damit ging er auf seinen Balkon auf dem die Sonne schien. Er nahm sich einen Liegestuhl, genoss die Sonnenstrahlen und aß in aller Ruhe seinen Salat. Mittlerweile war die Sonne hinter einer Wolke verschwunden, er nahm sich also eine Decke und machte es sich noch eine halbe Stunde auf seinem Liegestuhl bequem.
Ruckartig wachte er auf. Er wusste im ersten Moment nicht wo er sich befand, schaute sich verwirrt um. Dann fühlte er sich wieder normal und stand auf. Marty ging in sein Wohnzimmer und setzte sich an seinen Mac. Er schaute auf seinen schwarzen Bildschirm und überlegte ob er überhaupt schreiben sollte. Einen Versuch ist es wert, dachte er sich und startete sein Word-Dokument. Zehn Minuten brauchte er um sich einen Titel für sein Buch zu überlegen und dann kamen die Wörter auch schon wie von selbst. Endlich entstand seine Geschichte.
3
Es war mittlerweile 2.00 Uhr morgens als Marty beschloss es könnte nicht schaden eine Kleinigkeit zu essen und dann ins Bett zu gehen. Denn morgen musste er früh raus, genauer gesagt um 10.00 Uhr. Er arbeitete als Kellner in einem Diners um die Ecke. Das Diners wurde sofort sein Lieblingsrestaurant als er einmal dort war um die Jalapeños zu probieren die ihm von einem Arbeitskollegen empfohlen worden waren. Kurz danach wurde eine Servier-Kraft gesucht und er bewarb sich. Und wurde auch sofort genommen. Erst erschien es ihm als ziemlich ungewöhnlich dass ausgerechnet er, der sich schon auf so viele Jobs beworben hatte und doch nie einen bekommen hatte, einen Job als Kellner bekam und das sofort nach einer Bewerbung. Das musste entweder verdammtes Glück sein oder aber das Diners brauchte ganz dringend jemanden. Marty entschied sich für die zweite Möglichkeit, denn ein Glückspilz war er noch nie gewesen.
Marty stand in der Küche vor seinem Kühlschrank und entschied sich für einen Yoghurt. Einen mit Kaffeegeschmack oder doch lieber einen mit Früchten? Da sich Marty nicht sicher war, nahm er beide. Bewaffnet mit beiden Bechern und einem Löffel ging er zurück in sein Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen. Mittlerweile war es 2.30 Uhr. Während er erst den einen Yoghurt und dann den Anderen aß, ließ er seinen Blick durch sein dunkles Zimmer gleiten. Und machte sich so seine Gedanken. Er dachte an Vieles. Zum Beispiel an seine Ex die er verlassen hat weil er der Ansicht war ihre beiden unterschiedlichen Lebenseinstellungen würden nicht zueinander passen. Aber sie sei kein schlechter Mensch, das dürfe sie jetzt auf keinen Fall denken. Wenn sie an diesen einen Satz dachte, dann wurde sie bestimmt zornig. Wahrscheinlich zornig auf sich selbst, dass sie nicht von sich aus Schluss gemacht hatte. Aber vielleicht war es ja tatsächlich besser so. Er hatte ihr gesagt, dass sie sich einen Neuen suchen solle, damit sie damit leichter fertig würde. Denn das war genau das was er tun würde. Die Beziehung war schön gewesen kein Zweifel. Und mit diesem Gedanken ging er ins Bett.
Um 7.30 Uhr klingelte der Wecker. Marty hob seinen Kopf. Er hatte das Gefühl richtig kämpfen zu müssen. „Eine kalte Dusche wird mir bestimmt gut tun“, dachte er und stand auf und ging Richtung Badezimmer. Sein Badezimmer war sehr großzügig eingerichtet. Aber das waren sie in allen Lofts hier. Marty zog sich aus und machte die Dusche an, während er vorher ein Handtuch bereit gelegt hatte. Das Wasser war so heiß das Dampf aufstieg. Er stellte sich unter die Dusche und ließ das Wasser auf seinen Kopf prasseln. „Ah was für ein schönes Gefühl“, dachte er während er sich die Seife nahm und sich einseifte. Er wusch sich, stellte die Dusche aus, stieg aus und nahm sich dann sein Handtuch und begann sich abzutrocknen. Währenddessen schaute er aus seinem großen Fenster und ließ sich einen Moment von dem Verkehr vor seiner Haustür gefangen nehmen. Sein Blick riss sich von dem Fenster los und schweifte rüber zu seinem Spiegel auf dem sich langsam das Wasser in Dampf auflöste.
Und dann sah er es.
Auf seinem Spiegel standen die Worte ICH HASSE DICH!. Sie waren mit Lippenstift geschrieben.
Marty stockte. Wischte sich über seine Augen. Vielleicht hatte er einfach nur noch nicht ausgeschlafen oder aber er träumte immer noch. Er kniff sich probehalber in seinen Arm. Aber er wachte nicht auf. Also träumte er nicht mehr.
„Komisch das mir das nicht schon beim Reinkommen aufgefallen ist“, dachte er.
Noch mal wischte er sich über seine Augen dann trat er näher an den Spiegel. Die Worte waren immer noch da. Es packte ihn eine Panik und er flüchtete aus dem Badezimmer. Das konnte doch nicht sein.
4
Sie war richtig angepisst. Warum hatte er sie nur verlassen? Ihre gemeinsame Lebenseinstellung hatte nicht zueinander gepasst hatte er gesagt. Und sie solle sich sich doch einen Neuen suchen, damit sie drüber hinweg kommen würde hatte er gesagt. Zu Anfang hatte sie das auch gemacht. Und es ging ihr gut. Nur hatte dann im Laufe der Monate jeder Partner festgestellt das sie nicht zusammen passten. Das hatte sie sehr frustriert. Und dann war der Hass auf ihren Ex gekommen. Sie hatte sich schon gefragt wann das denn der Fall sein würde, denn innerlich hatte sie sich schon gefreut. Ja sie hatte es geradezu herbeigesehnt. Und als es dann endlich soweit war, hatte sie fast in Hass gebadet. Sie hatte sich Horrorszenarien ausgemalt, wie sie ihren Ex am Besten um die Ecke bringen konnte, so dass es niemand mitkriegen würde und sie auch noch Spaß dabei hatte. Denn sie stand ein kleines bisschen auf Schmerzen. Und ein bisschen sadistisch war sie auch. Und noch immer schwamm sie in ihrem Hass als wäre es ein heißes Bad.
5
Sie nahm sich ein Buch und begab sich auf ihre Terrasse um dort ein bisschen zu lesen. Sie legte sich in ihren Liegestuhl und lies die Geschichte auf sich wirken. Manchmal schweiften ihre Gedanken ab und dann dachte sie an ihren Ex. An sein hübsches Gesicht, das voller Narben und bis zur Unkenntlichkeit entstellt sein würde. Und sie würde die Rasierklinge in der Hand haben und lächeln. Nein besser: Sie würde lachen. Und zwar kein verrücktes Lachen so wie man es von Psychopathen kennt, sondern ein ganz normales Lachen. Denn sie war nicht verrückt. Nur sehr einsam. Aber das würde sich ändern wenn sie ihren Ex wieder sah. Und das würde schon sehr bald geschehen. Doch zu vor musste sie sich noch überlegen wie sie ihn auf sich aufmerksam macht. Seine Aufmerksamkeit ganz für sich beansprucht. Das konnte sie schon immer besonders gut. Und sei es dass sie sich nachts in seine Wohnung schleichen würde und irgendwas auf seinen Badezimmerspiegel krickelte. Klang das bescheuert? Nicht für sie. Das war genau der richtige Auftakt für ihren Rachefeldzug.
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Nach dem zweiten Scotch hatte sich Marty wieder so weit unter Kontrolle, dass er seiner Hand befehlen konnte aufzuhören zu zittern. Er kannte die scheiß Handschrift an seinem Spiegel. Das war seine Ex kein Zweifel. Scheiße er hatte so etwas schon geahnt. Und es nicht verhindert. Warum war er damals nicht zur Polizei gegangen als sie angefangen hatte ihn zu stalken? Naja jetzt hatte er auf jeden Fall einen Grund zur Polizei zu gehen. Denn sie würde nicht locker lassen, bis sie ihn erwischt hatte. Das wusste er. Aber würde die Polizei ihm auch glauben? Das bezweifelte er ein bisschen. Denn wer schenkte jemandem schon Glauben dass seine kranke Ex hinter einem her sei? Wie lächerlich. Sir bitte gehen sie wieder nach Hause. Und beruhigen sie sich um Himmels willen. Genau das würden die Officer sagen wenn er ihnen davon erzählte. Da war er sich hundertprozentig sicher. Aber wen konnte er sonst fragen? Seinen Agenten? Der würde ihn genau so auslachen. Nein er musste die Sache selbst in die Hand nehmen. Vielleicht würde er dabei umkommen. So verrückt wie die Sache war würde er das wahrscheinlich auch. Aber er musste es wenigstens versuchen. Sonst hatte er nichts gewonnen.
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So er hatte angebissen. Das glaubte sie nicht nur, das wusste sie. Sie waren ganze fünf Monate zusammen gewesen. Sie kannte ihn. Nachdem die Idee mit dem Spiegel in ihrem Kopf gereift war, stand sie auf um sich noch ein bisschen hinzulegen. Das würde sie brauchen für das was sie heute Nacht vorhatte. Um 23.00 Uhr war sie aufgebrochen. Lange musste sie nicht gehen, denn sie wohnte praktisch in seiner Nachbarschaft. Natürlich ohne dass er davon wusste. Sie ging ungefähr zwanzig Minuten um zu seinem Haus zu kommen. Sie hatte sich ein Seil mitgenommen um an der Hauswand hochzuklettern. Denn einfach klingeln und fragen: „Hi wohnt hier zufällig Marty Anderson? Ich bin eine Freundin von ihm und würde ihm gerne eine Nachricht hinterlassen“, das ging natürlich nicht. Aber das sie sich über so etwas überhaupt Gedanken machte, das erstaunte sie schon. Mittlerweile stand sie in seinem Badezimmer. Der Weg dorthin war nicht weiter schwer gewesen. Sie wusste wo sein Balkon war und hatte dann seine Balkontür aufgebrochen. Sie zückte den Lippenstift und schrieb die Worte: ICH HASSE DICH! Die er am nächsten Morgen vorfinden würde. Der Rückweg stellte kein Problem dar. Bevor sie sich allerdings auf den Weg machte, machte sie noch kurz einen Abstecher in sein Schlafzimmer. Sie fand ihn schlafend vor. Und überlegte ob sie es ihm nicht jetzt schon heimzahlen sollte. Aber dazu fehlten ihr noch ein paar Sachen. Sie verließ das Haus wieder über den Balkon.
8
Marty stand auf. Schaute sich um ob auch noch alles da war wo es hingehörte. Er ging ins Bad und deckte als Erstes den Spiegel ab. Zum Abwischen fehlte ihm irgendwie noch die Kraft. Er hatte beschissen geschlafen. Er konnte die ganze Nacht kein Auge zutun. Jetzt musste er erstmal pinkeln. Aber so richtig wollte nichts kommen. Er machte sich seinen Bademantel wieder zu und verliess das Bad. Den Spiegel ließ er verdeckt. Er ging in die Küche und sah das er noch Pizza vom Vortag übrig hatte. Da es keine 8.00 Uhr mehr war, sondern schon 11.00 Uhr, nahm er sich ein Stück und begab sich kauend in sein Wohnzimmer. Er setzte sich auf einen Sessel und dachte über seine jetzige Situation nach. Was sollte er als nächstes tun? Erwartete sie vielleicht dass er etwas bestimmtes tat? Oder beobachtete sie ihn sogar? Er ging an eines der Fenster und blickte hinaus. Als er nichts Seltsames feststellen konnte, setzte er sich wieder.
„Ruhig bleiben alter Junge. Du machst dich nur selbst verrückt. Ganz ruhig.“ dachte er.
Vielleicht sollte er sich einen Privatdetektiv engagieren? Jemand der wusste wie man Leute am Besten aufspüren konnte. Damit dieser Wahnsinn, auch wenn er wahrscheinlich noch gar nicht richtig begonnen hatte, endlich ein Ende nehmen konnte. Er wusste noch nicht mal wo man am Besten nachschaute zwecks eines Privatdetektivs. In den gelben Seiten vielleicht? Er stand auf und ging zu einem kleinen Tischen neben seinem Telefon. Dort bewahrte er das Telefonbuch auf. Blätterte die Seiten durch bis er meinte, er hätte einen brauchbaren Privatdetektiven gefunden. Er wählte die Nummer.
9
Was war das denn immer für ein Typ der ihr ständig folgte, sobald sie das Haus verließ? Mein Gott so auffällig wie der gekleidet war, konnte es sich ja nur um einen Privatdetektiven handeln. Bestimmt einer den ihr Ex engagiert hatte um sie zu beschatten. Sie lächelte. Das fing ja gut an.
„Scheiß Schnüffler“, dachte sie als sie in einen Supermarkt einbog und er immer noch hinter ihr her war. Sie wollte sich heute was zu knabbern kaufen denn heute war „Mädels-Abend“ bei ihr. Ein paar Freundinnen von ihr kamen vorbei und dann wurde ein bisschen über die Männer abgelästert. Ihre Freundinnen wussten nichts von ihrer Trennung. Sie dachten immer noch, sie sei mit Marty zusammen. Und hielten ihn sogar für eine gute Partie.
Mittlerweile hatte sie alles was sie brauchte und verließ den Supermarkt. Sie bog um die Ecke und sah ihren persönlichen Schatten immer noch hinter sich her gehen.
„Wird Zeit ihn los zu werden. Marty weiss bestimmt inzwischen das ich in seiner Nähe lebe“, dachte sie und bog in eine kleine Gasse ein. Dort stellte sich mit dem Rücken zur Wand und wartete auf den Privatdetektiv. Die Ecke in der sie stand war dunkel also sah der Privatdetektiv sie nicht als er in die Gasse einbog und sie suchte. Er fluchte leise und murmelte, dass sie doch irgendwo sein musste. Plötzlich hörte er hinter sich Schritte und drehte sich ruckartig um, aber da hatte ihn schon etwas hartes im Gesicht getroffen und er fiel zu Boden. Ein weiterer Schlag folgte und er wollte ihm ausweichen oder ihn wenigstens mit seinem Armen abfangen aber das gelang ihm nicht. Sie machte ihre Sache gründlich. Machte ihn kampfunfähig und dann quälte sie ihn richtig. Und er wünschte sich stattdessen die ganze Zeit er hätte den Auftrag nicht angenommen oder hätte besser gleich das Metier gewechselt. Das waren seine letzten fröhlichen Gedanken die er hatte, bevor ihm das Lebenslicht ausgeblasen wurde.
„Wie auf einem Geburtstagskuchen wenn das Kind die Kerzen ausbläst und sich etwas wünschen darf“, dachte sie.
Sie musste aufpassen nicht erwischt zu werden. Aber sie hatte Glück. Die meisten Leute machten sowieso einen Bogen um die Gasse. Und nachmittags waren auch nicht mehr viele Leute unterwegs.
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Marty kam nach Hause und schaute sich in seiner Wohnung um. Es konnte ja sein dass sie in seiner Abwesenheit irgendwas verändert hatte. Aber es war alles noch so, wie er die Wohnung verlassen hatte. Das musste aufhören, sagte er sich selbst. Du wirst ja schon paranoid. Mit einem Drink in der Hand ließ er sich auf seinem Sessel nieder und legte die Beine hoch. Sein Privatdetektiv hatte sich auch noch nicht gemeldet. Er wusste mittlerweile wo seine Ex wohnte. Und war irgendwie ein kleines bisschen überrascht gewesen als er es erfahren hatte. Nicht das die Überraschung ihn jetzt gänzlich aus der Bahn geworfen hätte, aber es hatte ihn leicht umgehauen. Vielleicht einfach nur der Tatsache wegen dass sie so lange in seiner Nähe hatte leben können, ohne das er was davon mitbekommen hatte. Naja, da er jetzt wusste wo sie wohnte konnte man ihr doch mal einen kleinen Besuch abstatten. Und sie vielleicht bitten, nein zwingen mit diesem Scheiß endlich aufzuhören. Wenn sie das nicht wollte, musste man vielleicht sogar ein bisschen Gewalt anwenden. Wobei er sich jetzt schon fragte, ob er denn der Typ wäre jemandem anderen Gewalt anzutun. Er glaubte es nicht.
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Sie verließ die Gasse auf dem gleichen Weg auf dem sie gekommen war. Niemand sah sie. Wie sie vermutet hatte. Viel Blut hatte sie auch nicht abbekommen stellte sie fest, als sie an sich herunterschaute. Da hatte sie ja noch mal Glück gehabt. Zwar war nicht viel los auf den Straßen, aber sie hätte sich vielleicht doch den ein oder anderen komischen Blick gefallen lassen müssen. Die Blutflecken trockneten zwar schon wieder und wenn man nicht ganz so genau hinsah, dann konnte man es auch für irgendwas anderes halten, aber trotzdem. Sie ging schneller. Und war zufrieden mit sich. Zwar würde sich Marty mittlerweile ein paar Gedanken machen, aber das war vielleicht gar nicht weiter schlimm. Würde er versuchen sie zu finden? Sie bezweifelte es. Und selbst wenn war sie vorbereitet. Wusste er überhaupt wo sie wohnte? Auch das bezweifelte sie irgendwie. Aber eine kleine Stimme sagte ihr dass sie damit vielleicht falsch liegen könnte. Und dieser Stimme vertraute sie voll und ganz. Es wurde Zeit, dass sie ein paar Vorbereitungen traf.
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Marty steckte die Adresse in die Tasche, griff sich seine Jacke und seinen Haustürschlüssel und verließ die Wohnung um sich mal ein bisschen bei seiner Ex umzuschauen. Er ging zwei Querstraßen entlang bog dann in eine kleine Gasse und dann überquerte er noch eine Straße und stand dann vor der Wohnung seiner Ex. Besser gesagt dem Loft seiner Ex. Es sah nicht anders aus als jedes andere Loft auch. Genau wie seines. „Da hatten sich die Architekten ja wahnsinnig große Mühe gegeben“, dachte er als er die Treppen hochstieg. Den Nachnamen seiner Ex hatte er von dem Klingelwald abgelesen, der die Eingangstür verzierte, und die Karte hatte ihm gütigerweise sein Privatdetektiv, der jetzt bestimmt tot in irgendeiner Gasse lag und an dem schon die Maden knabberten, gegeben. „Mit freundlichen Grüßen“, dachte Marty. Er stand jetzt vor der Tür und überlegte was er jetzt tun sollte. Einfach klingeln? Oder abwarten bis jemand kam? Oder sich vielleicht durch einen Zweitschlüssel Zutritt zu der Wohnung verschaffen oder vielleicht den Hausmeister fragen, ob der ihm helfen könnte? Gewaltsam in eine Wohnung eingebrochen war er noch nie. Also entschied er sich für die letzte Möglichkeit und suchte den Hausmeister, denn einfach warten wollte er auch nicht, da sonst die Möglichkeit bestünde dass sie ihn sah und weiss Gott was sie dann mit ihm anstellen würde. Er ging die Treppen runter wieder Richtung Eingangstür und fand dann in einem kleinen, fast unauffälligen Nebengang das Büro des Hausmeisters. Leider war er nicht da, sondern zum Mittag wie er einer Nachricht, die eilig gekritzelt worden zu sein, an der Tür hing. Probeweise rüttelte er an der Tür, doch diese blieb wie es zu erwarten gewesen war, verschlossen. Er drehte sich um und da traf ihn plötzlich ein Schlag an der Schläfe. Er hatte noch Zeit zu denken, dass sich das wie ein Donnerschlag anfühlte bevor er ohnmächtig wurde.
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Sie beobachtete ihn. Sah wie er die Treppe runterstieg und zum Büro des Hausmeisters ging, dort klopfte und unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. So als hätte er es eilig. Aber wahrscheinlich war er einfach nur ungeduldig und wollte die Sache schnell hinter sich bringen. Aber wer wollte das nicht? Auch ihr war dran gelegen es schnell hinter sich zu bringen, aber auf ihre Art und Weise. Sie würde die Regeln bestimmen. Sie schlich sich leise an ihn heran. Gut dass sie heute Turnschuhe angezogen hatte die waren auf dem Boden so gut wie nicht zu hören. Und von draußen kam auch noch der Autolärm hinzu. Geräuschlos schlich sie über den Boden Als sie ihm praktisch ins Gesicht spucken konnte, holte sie eine Totschläger aus ihrer Tasche. Sie holte weit aus und drosch ihm den Totschläger gegen die Schläfe. Für ihn kam der Schlag sehr überraschend. Aber noch bevor er auf dem Boden aufschlug war er schon bewusstlos.
Sie packte ihn unter den Armen und schleppte ihn zum Fahrstuhl. Dort zerrte sie ihn hinein und drückte dann auf die 2. Die Fahrstuhltüren schloßen sich quietschend, so neu hier auch die Lofts waren so alt war der Fahrstuhl, und in diesem Moment ging die Haustür auf und der Hausmeister kam um die Ecke. Er sah nur noch jemanden mit dem Fahrstuhl wegfahren und grinsen.
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Marty fühlte sich wie in Watte gepackt als er zu sich kam. Er befand sich in seinem Loft. Komischerweise war er auf den Esstisch im Wohnzimmer geschnallt. Er drehte seinen Kopf und sah nach rechts und links. Niemand da. Er versuchte die Beine zu bewegen, aber auch das klappte nicht so wie er es wollte. Wild entschlossen hier rauszukommen, ruckte er wie wild an den Fesseln. Aber es nutzte nichts. Sie saßen zu stramm. Plötzlich hörte er ein Geräusch und schaute wieder geradeaus. Er sah jemanden vor ihm stehen. Im ersten Moment war ihm nicht klar wer es war. Aber sobald die Person anfing zu sprechen, wusste er wen er vor sich hatte. Seine Ex. Sie hatte ihn also an diesen Tisch gefesselt. Aber wieso? Was wollte sie von ihm?
„Das kann ich dir sagen“, sagte sie als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Ich möchte mich rächen. Und zwar dafür dass du mich verlassen hast. Wie konntest du das mir nur antun? Was habe ich denn falsch gemacht?“ Und plötzlich sah er wie sie ein Skalpell aus ihrem Brustbeutel holte den sie um die Hüfte trug. Es glänzte einen Moment im Sonnenlicht. Voller Schrecken erkannte er was jetzt gleich passieren würde, was passieren musste. Sie würde zu seiner Hose gehen und sie aufmachen. Dann würde sie ihm die Hose runterziehen bis auf die Knie und dann noch die Unterhose. Und dann würde sie ihm den Penis und alles was dazu gehörte abschneiden. Das sah er vor seinem geistigen Auge. Und dabei würde sie wie verrückt grinsen, vielleicht auch ein Liedchen trällern. Er musste hier so schnell wie möglich raus. Wieder ruckte er an den Fesseln. Und wieder nutze es ihm nichts, außer dass er sich bei seinem letzten Ruck fast den Arm ausgekugelt hätte. Sie bemerkte das und grinste.
„Vergiss es,“ sagte sie. „Du kommst hier nicht raus. Ich bestimme hier die Regeln. Und ich sage du bleibst.“ Damit schien sein Schicksal besiegelt zu sein. Wie lange würde sie ihn hier festhalten? Und wie viel Schrecken und Qualen konnte er ertragen, bevor er wahnsinnig wurde? Diese Fragen schossen ihm die ganze Zeit wie auf einem Karussell durch den Kopf. Er ruckte mit dem Kopf so als wollte er die Gedanken und Fragen einfach abschütteln. Und dann sah er wie sie wieder näher kam. Immer noch mit dem Skalpell in der Hand.Sie hatte ein verrücktes Grinsen in den Augen.
15
Es machte ihr Spaß. So viel Spaß dass sie gar nicht mehr aufhören wollte. Aber es war spätestens dann vorbei, wenn Marty aufhörte zu atmen. Und das schien jeden Augenblick der Fall zu sein. Aber so weit ließ sie es nicht kommen. Sie ging auf ihn zu. Mit dem Skalpell in der Hand und grinste. Sie sah wie sein Kopf aufhörte zu zucken. Jetzt stand sie über ihm und sah wie sich seine Augen wie wildgewordene Murmeln in seinen Augen drehten. Sie packte seinen Kopf und hielt ihn mit beiden Händen fest. Sie schaute ihm ganz tief in die Augen und sagte: „Marty, hör auf. Hör auf oder ich muss dich leider umbringen. Hast du mich verstanden? Und es würde mir Freude bereiten es sofort zu tun. Aber das wäre zu schnell. Hast du mich verstanden? Es muss langsam gehen. Und sehr lange dauern. Und ich werde viel Spaß haben.“ Und das Zucken der Murmeln in Marty's Kopf hörte auf. Ihr Lächeln wurde breiter und sie entspannte sich. Sie hatte gar nicht bemerkt dass sie sich angespannt hatte. Sie trat vom Tisch zurück und ging ein paar Schritte rückwärts. Man musste sich die Situation immer ein paar Schritte aus der Entfernung ansehen. Damit man für einen kurzen Moment zum unbeteiligten Beobachter wurde. Das hatte ihre Mutter gesagt bevor sie an Krebs gestorben war. Das war eine schwere Zeit für sie gewesen. Sie hatte ihre Mutter geliebt. Und dann hatte Gott sie ihr weggenommen. Hatte einfach entschieden dass es an der Zeit gewesen war. Sie war nie religiös gewesen oder so erzogen worden. Aber in diesem Moment hätte sie am Liebsten alle verdammten Kirchen dieser beschissenen Welt niedergebrannt. Und dann war Marty gekommen. Marty mit seinem tollen Lächeln. Mit seinem Lächeln das ganze Berge versetzen konnte und das Eis zum Schmelzen bringen konnte wenn er wollte. Sie hatten sich in einer Bar kennengelernt und waren danach öfter ausgegangen. Und irgendwann hatten sie sich auch lieben gelernt. Sie hatte es genossen, dass es jemanden gab der sich um sie sorgte. Ihre Ängste verstand und meistens sogar teilte. Sie hatte es genossen geliebt zu werden und genauso zurücklieben zu können. Und dann eines schönen Tages war sie in ihrer Wohnung aufgewacht und Marty der kleine Wichser war weg. Einfach so. Die Nacht davor hatten sie noch leidenschaftlichen Sex miteinander gehabt und am nächsten Tag war dieser beschissene Hurensohn einfach weg. War durch die beschissene Tür spaziert als wäre das hier seine Wohnung. Und hatte nur einen Zettel auf Tisch hinterlassen auf dem stand:
Baby, es hat nichts mit dir zu tun. Unsere Lebenseinstellungen passen einfach nicht zueinander. Bitte versteh das. Such dir jemand Anderen und werde mit ihm glücklich. Aber wir beide werden es nicht werden.
Und dann sein Anruf. Dieser beschissene Anruf. Er hatte praktisch nur das gesagt, was auf dem Zettel gestanden hatte. Wahrscheinlich hatte er den Zettel auch noch vor sich liegen gehabt dieser Hurensohn. Und hatte dann ohne ein „Goodbye“ aufgelegt. Gerade so, als könnte er hier die Regeln machen. Als hätte er bestimmt wo es langginge. Das hatte er vielleicht auch. Aber nur in dieser Situation. Nur diese Situation hatte er bestimmt. Dann war sie wieder am Drücker gewesen. Es hatte zwar ein bisschen gedauert, und sie musste lernen sich zu gedulden, was verdammt schwer war wenn man es nicht gewöhnt war, aber im Nachhinein hatte es sich doch gelohnt. Und wie es sich gelohnt hatte. Er lag jetzt hier auf ihrem Tisch gefesselt und sie hatte alle Fäden in der Hand. Jetzt war sie diejenige die bestimmte wo es langging. Die Strippenzieherin. Aber war es das was sie wollte? Wollte sie denn unbedingt die bedingungslose Kontrolle über ihn? Geilte sie das so auf? Oh ja. Das war genau das was sie wollte. Es war genau das was sie sich immer gewünscht hatte. Ein Opfer zu haben, was vor ihr lag und nicht wusste wohin. Das ihr vollkommen ausgeliefert sein würde. Davon hatte sie immer geträumt. Seit sie in ihrer Schule gequält worden war. Von ihren Klassenkameraden. Zwei Jahre war das so gegangen. Sie wusste sich nicht zu wehren. Immer war sie auf das Mädchenklo gezehrt worden und da von einem Jungen verprügelt worden. Zwei Jahre war das so gegangen. Bis sie sich plötzlich gewehrt hatte. Sie hatte dem Jungen von unten ihren Fuss ins Gesicht getreten und es hatte ein knackendes Geräusch gegeben. Sie hatte gehofft ihm die Nase gebrochen zu haben, aber sie war nur angeknackst gewesen. Daraufhin gab es großen Ärger mit ihrer Schule und ihren Eltern. Beide sowohl die Schule als auch ihre Eltern machten sie für die ganze Sache verantwortlich. Und dann kam sie in ein Internat. Das sei das Beste für sie sagten ihre Eltern. Jedes Wochenende kam sie nach Hause. Aber es waren einfach nicht mehr die gleichen Wochenenden wie vorher. Immer wenn sie nach Hause kam, hatte sie das Gefühl dass sich irgendetwas verändert hatte. Und waren es auch nur Kleinigkeiten. Das ging so weit, dass sie irgendwann eine richtige Paranoia bekam. Sie musste daraufhin das Internat verlassen, da es die dortige Rektorin als untragbar ansah eine Geistesgestörte weiter zu unterrichten. Daraufhin kam sie dann in eine Psychatrie. Aber dort erging es ihr auch nicht viel besser. Sie wurde von den Anderen nur gehänselt und als „anders“ betrachtet. Was schon komisch war. Denn sie war ja nicht die Einzige dort die „anders“ war. Jeder der dorthin kam war auf seine ganz spezielle Art und Weise anders. Nur sie war intelligenter als die Anderen und konnte ihre Gefühle auch einordnen. Und wusste vorallem was mit ihr nicht stimmte. Das konnten die Anderen nicht. Einige von ihnen sassen den ganzen Tag nur in einer Ecke und sprachen mit sich selbst. Oder schlugen den Kopf so lange gegen die Wand bis endlich ein Pfleger kam und ihnen eine Spritze gab, um sie von ihrem Leid zu erlösen. All diese Dinge machte sie nicht und sie hatte auch Mitleid mit den anderen Insassen. Und das war auch eine große Stärke und unterschied sie ganz erheblich von den anderen Insassen. Außerdem hatte sie als einzige Gefangene nach 20 Jahren auch Aussicht auf eine Freilassung. Ja ihr wurde sogar eine Aussicht auf eine Genesung zugeschrieben. Das hatte es in der Anstalt schon lange nicht mehr gegeben. Und sie schwor sich sie würde ein normales Leben führen. Sie würde sich einen Job suchen und versuchen ihre Anfälle die sie gelegentlich noch bekam, die aber von den Ärzten als völlig harmlos und schon bald als verschwunden sein würden eingestuft wurden, zu unterdrücken. Und tatsächlich schaffte sie auch von den beiden Sachen die sie sich vorgenommen hatte. Sie bekam einen Job in einem Supermarkt an der Kasse. Der Job bot zwar keine Abwechslung aber er war ruhig. Es war ein kleiner Supermarkt gewesen in dem sie gearbeitet hatte. Nur die andere Sache mit einem Mann finden, die war ihr noch nicht gelungen. Und dann lernte sie Marty kennen. Sie verliebte sich sofort in ihn. In seine blauen Augen und seine blonden langen Haare. Und so schnell wie es gekommen war, war es auch schon wieder vorbei.
16.
Marty kam wieder zu sich. Langsam schlug er die Augen auf. Als er das tat, durchfuhr ihn ein plötzlicher Schmerz der sich in seinem ganzen Körper ausbreitete. Und am Ende seines Totenbettes stand der Teufel persönlich in Person seiner Ex. Und sie lächelte. Er war schon wieder einer erneuten Ohnmacht sehr nahe. Er ruckte mit dem linken Arm an den Seilen und sie schnitten sich in sein Fleisch. Das genügte um den leicht milchigen Schleier vor seinen Augen zu lichten. Er konnte wieder klar denken. Und begriff dass es hier für ihn kein Entkommen gab. Überall an seinem Körper waren Schnittwunden. Einige tief andere wiederum sahen nur sehr flüchtig aus. Fast so als wären sie mit einem weichen Bleistift gezeichnet worden. Und sein ganz persönlicher Todesengel stand immer noch am Ende seines Totenbettes und lächelte. Konnte sie denn nicht endlich mal mit dem beschissenen Gelächel aufhören?, fragte er sich. Wahrscheinlich will sie nicht sehen wie ich hier verblute, dachte er erneut. Sie schien Spaß daran zu haben. Und das flößte ihm die meiste Angst ein. Nicht einmal die Tatsache dass er sterben könnte. Nein ganz allein die Tatsache, dass es ihr Spaß bereitete ihn hier zu quälen, machte ihm Angst. Er hatte eine Gänsehaut die sich langsam seinen Arm hochschob. Er hatte eine so große scheiß Angst, dass er sogar leise, und nur für ihn hörbar, mit den Zähnen zu klappern begann.
„Was für eine Frau habe ich mir da bloss angelacht?“, dachte er.
Und war sie schon immer so gewesen? Das wusste er nicht. Wenn er es sich recht überlegte, dann wusste er erstaunlich wenig über sie. Und das trotz der Tatsache, dass sie fünf Monate zusammen gewesen waren. Hatte ihre ganze Beziehung nur aus Sex bestanden? Anscheinend. Er konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern mal ein ernstes Gespräch mit ihr geführt zu haben. Geschweige denn mal mit ihr in der Oper oder im Theater gewesen zu sein. Aber wenn er sich jetzt versuchte zu erinnern, dann gelang ihm das nur zum Teil. Eigentlich konnte er sich nur noch an die Sex-Szenen erinnern.
„Dann war es verdammt nochmal richtig Schluss zu machen“, dachte er.
Wieder ruckte er probehalber an den Seilen. Sie saßen erstaunlich fest. Woher hatte sie nur so gut gelernt einen Knoten zu machen fragte er sich, und bekam aber keine Antwort.
„Versuch dich nur weiter zu befreien“ sagte sie. „Das macht mich nur noch geiler als ich sowieso schon bin“, sagte sie und lachte leise. Und dann kam sie auf ihn zu. Legte ihm eine Hand auf den Kopf und küsste ihn sanft auf die Stirn. Er erschauerte wieder. Und musste so schnell wie möglich hier raus.
17.
Sie konnte es ihm an seinen Augen ablesen. Dass er am Liebsten abhauen würde. Aber nicht mit ihr. Sie würde weiterhin die Unschuldige spielen die von nichts wusste. Sollte er doch abhauen wenn er wollte und konnte. Mal sehen wie weit er kam. Sie strich ihm sanft durch sein Haar und sah ihn sanft, fast mitfühlend an. Ein Außenstehender hätte vielleicht gedacht, dass sie gekommen war um ihn zu retten. Aber dem war nicht so. Nach wie vor wollte sie ihn leiden sehen. Genauso wie sie auch gelitten hatte. Und sie wollte ihn lange leiden sehen. So lange wie es ihr gefiel. Und nichts und niemand konnte sie davon abhalten. Nicht mal ihre tote Mutter die ihr manchmal erschienen war und sie davor gewarnt hatte irgendwelche Dummheiten zu machen. Es würde erst aufhören wenn sie es wollte. Und noch wollte sie nicht. Ihr machte es einfach zu viel Spaß auch mal Macht ausüben zu können. Sie war berauscht. Berauscht von dem Gefühl mit ihrem Ex alle möglichen Dinge anstellen zu können.
Ihr Ex stöhnte schon wieder. Er versuchte seinen Kopf zu heben und ihr in die Augen zu schauen. Doch sie drückte ihn nieder und flüsterte: „Ganz ruhig“. Als sie sah dass ihm Tränen in den Augen standen flüsterte sie: „Nicht weinen. Es ist doch gleich vorbei. Gleich hast du es überstanden.“ Seine Augen wurden groß und er schüttelte heftig den Kopf unfähig zu sprechen. Er ruckte wie ein Irrer an den Fesseln. Aber seine Chancen schienen hoffnungslos gering.
Mittlerweile war sein ganzer Körper übersät mit kleinen Schnittwunden. Einige von ihnen waren frisch andere mittlerweile schon wieder verschorpft. Er hatte drei riesige blaue Flecke auf seinem nackten Bauch und Brustkorb. Und seine Haut war krankhaft weiss. Schweiß stand ihm auch auf der Stirn. Klein und dick tropften sie ihm an den Armen auf den Teppich.
Sie wischte mit einem Taschentuch die Schweißtropfen weg und ging zu einem kleinen Beistelltisch außerhalb seines Sichtfeldes. Dort lagen jede Menge Skalpells und auch eine Knochensäge. Mit ihr und einem kleinen Skalpell kam sie zurück. Als er diese beiden Instrumente sah geriet er in Panik und ruckte noch stärker an seinen Fesseln. Und versuchte auch zu schreien. Doch seine Schreie wurden durch das Klebeband gedämpft, dass sie ihm draufgeklebt hatte als er geschlafen hatte. Es kam nur ein Hmmmmpf aus seinem Mund. Sie schnitt seine Jeans mit dem Skalpell auf und begann dann zu sägen. Sie fing am Oberschenkel. Sie sägte langsam. Marty schrie wie am Spieß. Und ruckte immer heftiger an den Seilen und versuchte auch mit den Füßen zu treten, was ihm aber auch nicht gelang, da auch diese an den Tisch gefesselt waren. Nach einer für ihn gefühlten Ewigkeit wurde er ohnmächtig. Sie bemerkte es nicht. Sägte einfach weiter. Jetzt hatte sie den Punkt erreicht, wo sie ihn einfach nur noch umbringen wollte. Ganz egal ob das ihren Schmerz den er ihr zugefügt hatte würde lindern können oder nicht. Das Blut floss nur so in Strömen.
18.
Marty wachte auf. Und drohte gleich wieder ohnmächtig zu werden. Sie hatte ihm tatsächlich ein Bein amputiert. Der ganze Boden war voll von seinem Blut. Und auch der Tisch. Seine Jeans war an einer Seite eingeschnitten. Wie lange es wohl gedauert haben mochte, fragte er sich plötzlich. Er sah die Welt jetzt durch einen rosa Schleier. Sie hatte ihn bis an die Haarspitzen voll mit Morphium gepumpt. Und war wohl gerade nicht da. Er schaute sich um, um auch ganz sicher zu gehen, dass sie tatsächlich nicht da war. Nichts zu sehen. Er ruckte wie ein Irrer an den Handfesseln und zerrte daran als würde es um sein Leben gehen. Und das ging es auch. Wenn sie zurückkam, dann würde sie ihn umbringen. Das wusste er. Denn sie war verrückt. Schon immer gewesen. Nur hatte er das leider viel zu spät bemerkt. Was für ein Dummkopf er doch gewesen war. Aber für Selbstmittleid hatte er später noch Zeit. Jetzt musste er die Chance nutzen und versuchen hier rauszukommen. Und seine Chancen standen gar nicht schlecht als er zur Seite blickte und das Skalpell auf dem kleinen Tischchen liegen sah. Das hatte sie wohl vergessen wegzuräumen. Oder lag es da einfach nur so und sie wollte sich ein Spielchen mit ihm erlauben? Egal. Es lag da und wartete darauf ergriffen zu werden. Er versuchte mit der linken Hand dranzukommen, aber seine Fesseln saßen immer noch zu stramm. Er ruckte weiter an ihnen, bis er merkte wie sich die Fesseln der linken Hand plötzlich anfingen zu lösen. Wahrscheinlich hatte sie im Baumarkt einfach nur billiges Seil genommen. Tja, das hätte sie besser nicht tun sollen. Er beglückwünschte sich zu seinem Glück und ruckte weiter. Er bekam immer mehr Spielraum bis schließlich das Seil ganz abging und er sich nach dem Skalpell ausstrecken konnte. Er ergriff es wie ein Betrunkener eine Flasche Whisky und hoffte das die Wirkung des Morphiums noch ein bisschen anhalten würde. So lange bis er hier raus war. Als er das rechte Bein von dem Seil befreit hatte, gelangte er zu einem neuen Problem. Womit sollte er sich abstützen, jetzt wo ihm ein Bein fehlte? Soweit er das überblickte gab es in dem Raum keine Krücke oder Ähnliches. In der Nähe seiner Liege gab es einen Tisch. Vielleicht würde er es ja schaffen sich daran abstützen zu können. Er schwang sich mit seinem gesunden Bein über den Tisch und trat dann auf. Der Tisch war keine zwei Meter von seiner Liege entfernt und er hoffte, dass er es bis zu dem Tisch schaffen würde bis entweder seine Ex zurückkam oder aber die Wirkung des Morphiums nachließ. Er hüpfte los. Er wäre fast gestolpert, schaffte es aber trotzdem den Tisch zu erreichen. Diese ganze Aktion kam ihm irgendwie sehr skurril vor. Er dachte sich die ganze Zeit über, dass er sich doch einfach nur kneifen müsste und dann würde er aufwachen. Und feststellen dass das hier alles nur ein Traum gewesen war. Einfach nur ein böser Traum. Aber er tat es nicht, nachdem er sich probehalber in die Seite gekniffen hatte. Er hatte angenommen, dass er extreme Schmerzen haben würde, wenn er sich in die Seite kneifen würde. Dank des Morphiums merkte er jedoch nichts von den Schmerzen. Und er hoffte immer noch dass er die Wohnung verlassen konnte, bevor seine Ex wieder auftauchte. Diese kranke Person. Diese kleine Hure. Er fragte sich, während er nach Atem rang und sich auf das gefasst machte, was noch auf ihn zukommen würde, was er seiner Ex getan hatte, dass sie ihn so behandeln musste. Er hatte sie doch nur verlassen. Sie nicht etwa verletzt oder dergleichen. Nur verlassen verdammt nochmal. Und dafür schnitt sie ihm mal eben schnell ein scheiß Bein ab. Sein scheiß Bein. Seine Hand verkrampfte sich als er sich endlich bereit machte. Er stieß sich von dem Tischchen ab und hüpfte Richtung Tür. Wenn er die erreicht hatte, dass wusste er, dann würde er in den Flur des Lofts gelangen. Und von da war es nicht mehr weit bis zu der Küche. Und dort würde er vielleicht eine Krücke finden. Oder irgendwas Anderes mit dem er sich abstützen konnte. Als er endlich den Rahmen der Tür wie ein Ertrinkender ergriff, kam es ihm so vor, als hätte er gerade einen verdammten Marathon hinter sich gebracht. Und das ohne sich auf ihn vorbereitet zu haben. Seine Hand rutschte ab denn sie war schweißig. Er versuchte es erneut und endlich gelang es ihm sich sicher festzuhalten. Jetzt zitterte er am ganzen Körper. Und dieses Zittern drohte ihn ohnmächtig werden zu lassen. Aber er musste weiter machen. Wahrscheinlich hatte er nicht mehr viel Zeit bis seine Ex zurückkam. Und daran wollte er jetzt auch nicht denken. Er musste sich auf Ziel konzentrieren diese Wohnung zu verlassen. Nein, es ist keine Wohnung. Es ist die sprichwörtliche Hölle. Die Tür stand offen und so konnte Marty auf den Flur blicken. Und er sieht auch die Küche. Und Gott sei Dank ist die Küchentür offen denn sie hat einen Türknauf. Wäre sie geschlossen gewesen, hätte er sie ohne weitere Anstrengungen nicht aufbekommen. Und er merkte auch wie das Morphium nachließ. Wie eine kleine Flutwelle die vor und zurück schwappt, machte sich eine Schmerzenswelle in seinem Körper breit. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher ob er es noch schaffen würde. Aber alles war besser als hier in dieser Wohnung ohnmächtig zu werden und dann von seiner wahnsinnigen Ex gefunden zu werden. Denn wenn er erstmal ohnmächtig war, da war er sich hundertprozentig sich, würde ihn seine Ex umbringen.
19.
Marty hielt sich immer noch an der Tür fest. Er musste weiter. Er stieß sich kurz von der Tür weg und versuchte dann sein Gleichgewicht zu finden. Fast wäre er umgefallen und dann wäre alles vorbei gewesen, denn es befand sich nichts in der Nähe an dem er sich hätte wieder aufrichten können, aber er fand sein Gleichgewicht und hüpfte auf die Küche zu. Als er aus dem Wohnzimmer hinaus hüpfte hielt er kurz inne und schaute sich nach links und rechts um. Vorsichtig, denn es konnte ja sein, dass seine Ex gar nicht weggegangen war sondern hier irgendwo lauerte. Einfach nur um sich einen Spaß zu machen. Aber es war nichts zu sehen. Also weiter. Er erreichte die Küche. Unterwegs hatten ihn erneut kleine Schmerzenswellen überschwemmt aber er hielt ihnen trotzig stand, nicht bereit sich von ihnen ins Boxhorn jagen zu lassen. Er musste hier raus. Koste es was es wolle. Er betrat hüpfend die Küche und schaute sich dabei nach einer Art Krücke um. Und wie durch ein Gott verdammtes Wunder lehnte, als er die Tür zugemacht hatte, dort ein Golfschläger. Nicht ganz so groß wie Marty aber doch ausreichend das er sich auf ihm abstützen konnte. Es fehlte nur noch der Heiligenschein. Marty griff nach dem Schläger, schaute sich noch mal kurz in der Küche um, suchte nach einem griffbereiten Messer, fand keines und verließ sie wieder, sich an dem Golfschläger abstützend. Er humpelte zur Eingangstür und machte sie auf. Und wieder ergriff ihn eine Welle des Schmerzes. Diesmal war sie heftiger als die anderen zuvor. Er stöhnte. Und drohte den Golfschläger fallen zu lassen, weil sich seine Hände automatisch entspannte. Er versuchte den Golfschläger fester zu packen und es gelang ihm in aller letzter Sekunde. Dann stand er am Ende der Treppe. Es waren zwei Stockwerke die er überwinden musste, bevor er wieder Kontakt mit der Außenwelt haben würde. Zwei Stockwerke bei denen er hoffte, keine Krämpfe oder Schwächeanfälle zu bekommen. Aber hatte er das erstmal geschafft, war heil unten angekommen, konnte er vielleicht auch Hilfe holen. Konnte vielleicht den Hausmeister bitten ihn so schnell wie möglich in ein Krankenhaus zu fahren. Marty schüttelte sich. Er musste sich so sehr konzentrieren wie noch nie, wenn er das hier jetzt schaffen wollte. Musste alles Andere ausblenden. Er stütze sich auf den Golfschläger und nahm die erste Stufe. Die ersten dreißig Stufen waren für ihn kein Problem gewesen. Die nächsten Zehn auch nicht. Als er aber die letzen Zwanzig in Angriff nahm passierte es. Marty war gerade bei sein verbliebenes Bein auf die nächste Stufe zu ziehen, da ereilte ihn ein so großer Schmerz der durch seinen ganzen Körper fuhr, dass er den Golfschläger losließ, nach vorne fiel und das Gleichgewicht verlor. Wie ein nasser Sack Mehl fiel er nach vorne. Er fiel wie in Zeitlupe. Er konnte die abgeblätterte Tapete an der Seite der Treppe erkennen als er panisch seinen Kopf nach rechts warf um nach dem Golfschläger zu suchen, sich vielleicht doch noch irgendwie an ihm abzustützen. Doch dummerweise lag der auf der linken Seite. Jeden einzelnen Riss in der Treppe konnte er erkennen, kurz bevor er mit dem Gesicht nach vorne aufschlug und sich das Genick brach. Es gab ein lautes knirschendes Geräusch.
20.
Sie war nur kurz einkaufen gegangen. Sie dachte für fünf Minuten konnte sie ihn ruhig alleine lassen. Denn sie brauchte noch einen Dildo, mit Noppen. Damit würde sie ihn vergewaltigen, würde ihm das Ding schön in seinen Arsch rammen. Ohne Gleitcreme. Bei diesem Gedanken wurde sie leicht feucht. Ja auf so was stand sie. Als sie an einer Ampel stand, sie hatte es nicht mehr weit bis zu ihrem Arpartment, sprang diese auf Grün und sie ging los. Immer noch leicht benebelt von dem Gedanken, wie sie es ihrem Ex gleich „besorgen“ würde, merkte sie nicht wie ein Van über die Straße geschossen kam. Direkt auf sie zu. Er erfasste sie und schleuderte sie hoch in die Luft. Erst dort kam sie für zwei Sekunden wieder zu sich. Verdutzt bemerkte sie dass sie sich in der Luft befand, bevor die Schwerkraft sie wieder einholte und sie drei Meter entfernt von der Ampel wieder auf den Boden knallte. Und zwar mit einer solchen Wucht, dass sie sofort tot war. Der Fahrer des Wagens würde später der Polizei berichten, er hätte noch wie verrückt gehupt denn eine geistig wohl nicht ganz richtige Frau sei einfach bei Rot über die Ampel geschlendert.
15. April 2011 begonnen
7.November 2011 beendet