Menschen und Minions
Während Amaion sich mit Shar'Tel unterhalten hatte, saßen die anderen noch immer am Tisch.
Morwen war es, die schließlich das Schweigen brach.
__„Wenn wir in ein paar Tagen aufbrechen, was passiert dann, wenn Simon unterwegs getötet wird? Wird dann nicht Yawgmoth freigesetzt?“
Sie sah hilfesuchend von einem der Anwesenden zum nächsten.
__„Wird Yawgmoth sich dann nicht einen neuen Wirt suchen?“
Micaya verzog das Gesicht, und Joreth nickte.
__„Dann sollte wohl einer von uns Yawgmoth in sich aufnehmen, um ihn unter Kontrolle zu behalten.“ schlussfolgerte Morwen.
__„Aber wer wäre dazu geeignet?“
Micaya schüttelte langsam den Kopf.
__„Es geht auch anders. Amaion hat mal was erwähnt, er sprach von mindestens zwei anderen Methoden, die sich aber beide ziemlich ... nervig für den Dämon anhörten. Für genaueres müsstet ihr aber ihn fragen, er ist der Dämon.“
Sie musterte Simon, der der Unterhaltung ein wenig unsicher folgte.
__„Ich bin für die einfache Methode: wir verhindern, dass Simon stirbt.“
Shar'Tel lies ein weiteres Mal das Geheimfach an dem Schwert aufschnappen.
Es ging so einfach, sie konnte nicht glauben, dass dies einer anderen Person nicht gelingen sollte.
Joreth nickte ihr zu und streckte die Hand aus.
Die Amazon gab ihm das Schwert und sah verwundert zu, wie der Necromancer vergeblich versuchte, das Fach zu öffnen. Der Mann musterte die Waffe neugierig von allen Seiten, dann griff er nach Shar'Tels Hand und berührte damit das Schwert.
Jetzt lies sich der Griff öffnen.
__„Es ist an Dich gebunden, an Dein Blut. Ich denke mal, dies ist eine der Möglichkeiten, man kann einen Dämon in solch eine Kammer sperren...“
Er sah Micaya fragend an.
Die funkelte wütend zurück.
__„Ich denke nicht dran! Er hat sich danebenbenommen, und ich werde nicht angekrochen kommen!“
_Was vielleicht Dein Fehler ist...
Die Stimme in ihren Gedanken traf einen wunden Punkt, Micaya zuckte zusammen, als sie die Gesichter vor sich sah, von der ihr Stolz sie trennte.
Shar'Tel streckte sich und stand auf.
__„Also, ich weiß nicht, wie euch das geht, aber ich habe nicht vor, hier die nächsten Tage tatenlos in der Gegend herumzugammeln. Ich gehe ein paar Monster jagen.“
Damit ging sie die Treppe hinauf um sich umzuziehen.
Als sie wieder herunterkam – sie trug einen Brustpanzer über einem weißen Kleid – traf sie Joreth an der Tür.
Der Necromancer grinste.
__„Mir fällt auch ein wenig die Decke auf den Kopf, und ich denke mal, Du wirst gegen ein paar Blocker um Dich herum nichts einzuwenden haben...“
Shar'Tel, die erst ziemlich angetan von ihrer neuen Begleiterin war, beobachtete entgeistert, wie die Valkyrie langsam und unter scheinbar hohem Kraftaufwand den Speer in einen Baum zu rammen versuchte.
Joreth klopfte der Amazone auf die Schulter.
__„Wird schon werden,“ meinte er,
__„Du musst ihr etwas Zeit geben, sich an ihre Existenz zu gewöhnen. Außerdem musst auch Du ein wenig trainieren, um einen Minion entsprechend stärker erschaffen und besser kontrollieren zu können...“
Shar'Tels Miene hellt sich auf.
„Das ist überhaupt die Idee, was hältst Du von einem kleinen Trainingskampf? Du und der Golem gegen die Valkyrie und mich?“
Sie zog das Schwert und ging in Position.
Joreth schüttelte den Kopf.
__„Ich bin Summoner, Du musst mir dabei schon meine Skelette erlauben...“
Auf eine Kopfbewegung von ihm hin sammelten sich die Skelette um ihn.
Die Magier scheuchte er mit einem Kopfschütteln zurück.
Shar'Tel nickte, sollte doch der Necromancer auch seine eigentliche Waffe nutzen.
Sie rief ihre Valkyrie und schickte sie los.
Fassungslos sah sie zu, wie die von ihr erschaffene Speerträgerin an Joreth vorbeilief und unkoordiniert in den Büschen herumstocherte...
Morwen und Micaya saßen noch immer an dem Tisch in der Taverne.
__„Ich frage mich, wie Shar'Tel mit ihrer Valkyrie klar kommt...“ murmelte Morwen.
__„Wir haben ihr nicht gesagt, dass sie ein neues Lebewesen mit eigenem Willen und Gefühlen erschaffen hat...“
Micaya senkte den Kopf.
__„So viel zu unserem letzten Gesprächsthema. Das war definitiv Grausamkeit, und zwar von uns.“
Sie packte die jüngere am Arm.
__„Ich glaube, wir sollten besser nachsehen, wie es ihr so geht...“
Tscha erhob sich.
__„Ich komme mit.“
Sie fanden Joreth und Shar'Tel auf einer Waldlichtung.
Die Mages hatten sich gemütlich am Rand niedergelassen, dies wies darauf hin, dass das, was hier zu sehen war, einen Übungskampf darstellen sollte.
Joreth koordinierte mit kleinen Handbewegungen die Aufstellung seiner Skelette, während Shar'Tel sich umsah und den Gegner wählte, der zuerst auszuschalten war.
Da war er, der Golem.
Er stand alleine, und ohne seine bremsende Wirkung hatte sie mehr Möglichkeiten...
Shar'Tel rief ihre Magie an, konzentrierte sich und schwang ihr Schwert.
Ein gezielter Hieb traf ihn an einer bestimmten Stelle der Schulter, und der Golem zerfiel zu kleinen, bröseligen Erdklumpen.
Shar'Tel hob das Schwert, um nun den Hauptgegner, Joreth, anzugreifen.
Knöcherne Hände schlossen sich um ihre Handgelenke und nahmen ihr das Schwert aus der Hand.
Irritiert blieb die Amazon stehen.
Der Necromancer nickte, dann machte er eine Handbewegung, und ein neuer Golem erhob sich aus der Erde.
Dieser warf Shar'Tel einen bitterbösen Blick zu und verschwand in Richtung Taverne.
Auf eine Kopfbewegung von Joreth hin reichte ein Skelett das Schwert seiner Besitzerin zurück.
Die war ein wenig bleich geworden, versuchte aber gleich, dies zu überspielen.
__„Joreth, Dein Golem hat da eine entscheidende Schwachstelle, wenn man sie trifft, zerbröselt einfach.“
Der Necromancer nickte wieder.
__„Ich weiß, aber im Normalfall ist er auch auf höherem Level beschworen. Ich war nachlässig, weil ich nicht mit Gegnern gerechnet habe. Allerdings ist er jetzt beleidigt.“
Er streckte der jungen Frau die Hand entgegen.
__„Du bist Deiner Waffe mehr als würdig. Sieh es nicht als Deinen Fehler, dass Du den Kampf nicht gewonnen hast, es wird andere geben...“
Damit zog er sich ein Stück zurück um zu grübeln.
Etwas am Verlauf dieses Kampfes hatte ihm ein Rätsel aufgegeben...
Tscha ging auf die junge Amazon zu.
__„Das war nicht besonders nett von Dir.“ kommentierte er.
Shar'Tel rümpfte die Nase.
__„Wenn der Golem aber auch so eine Schwachstelle hat...“
Tschas Blick verfinsterte sich.
__„Ach ja? Und deshalb ist es nicht nötig, gegenüber den Leuten Deines Trupps und ihren Minions eine gewisse Höflichkeit walten zu lassen?“
Er kraulte einen seiner Wölfe und musterte die Valkyrie, die mit erhobenem Speer angelaufen kam.
Dann trat er schnell und gezielt zu.
Die Valkyrie löste sich auf, sobald der Fuß des Druiden ihr Schienbein traf.
Shar'Tel beschwor mit leicht verärgertem Gesicht eine neue Valkyrie.
Diese warf – zum Erstaunen ihrer Schöpferin – Tscha einen bitterbösen Blick zu, trat der Amazone heftig gegen das Schienbein und lief davon.
Joreths Blick wanderte zwischen Shar'Tel und den beiden Assassins hin und her.
__„Ihr habt ihr nicht gesagt, dass sie eine Persönlichkeit hat, und das Summons durchaus beleidigt sein können.“ stellte er fest.
__„Und ihr habt sie nicht gewarnt, dass ein neu gecasteter Shadow – der zur gleichen Klasse gehört, wie ihre neue Dienerin – die Persönlichkeit und die Erinnerungen des alten übernimmt...“
Micaya senkte den Kopf.
Morwens Augen funkelten belustigt.
__„Ein bisschen gönne ich es ihr ja. Ich meine, es kostet viel Zeit und Übung, perfekte Summons zu erschaffen, und wir konnten ja nicht wissen, dass Tscha die Schwachstelle der Unfertigen ausnutzt..“
Sie lachte.
__„Als meine Meisterin meinen ersten Shadow so erledigt hat, hat der Neue mir das Schienbein gebrochen...“
Jetzt musste auch Micaya lachen.
__„Ich habe bei meinem das Schienbein versehentlich erwischt. Sie hat sich eine geschlagene Woche geweigert, mit mir zu kommunizieren...“
Joreth stimmte in das Gelächter ein.
__„Sie werden sich alle wieder beruhigen. Ich würde mal vermuten, dass die Valkyrie mit den Shadows und meinem Golem hinterm Haus sitzen. Der hat mir grad meine Skatkarten geklaut...“
Morwen sah sich sehnsüchtig um.
__„Ich weiß, dass die Schwachstelle durch Übung zu beseitigen ist. Aber ich weiß nicht, wo mein Shadow ist...“
Joreth legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Mehr denn je kam ihm Morwen wie ein kleines Mädchen vor.
__„Hinter dem Haus. Mit meinem Golem und Micayas Shadow. Die beiden passen schon auf sie auf...“
__„Leute, ihr könnt mich alle mal, ich hab Hunger“ kommentierte Micaya.
__„Ihr könnt machen was ihr wollt, ich gehe zurück!“
Tscha bemerkte, dass irgendetwas Joreth beschäftigte.
Er verlangsamte seine Schritte, um sie denen des Älteren anzupassen.
__„Sie hat sie nicht gesehen!“
Joreth schüttelte den Kopf.
__„Drei meiner Skelette sind um sie herumgelaufen, und auch wenn ihre Hauptaufmerksamkeit auf dem Golem und dann mir lag, aus dem Augenwinkel hätte sie sie sehen
müssen.“
Er blieb ruckartig stehen, aber es war Tscha, der die Schlussfolgerung aussprach.
__„Außer sie hat irgendein Problem mit ihren Augen, was ihr Gesichtsfeld einschränkt...“
Die beiden Männer wechselten einen kurzen Blick.
Joreth beschleunigte seine Schritte, als er die Hand den Jüngeren auf seiner Schulter fühlte.
__„Joreth, ...“
Der Necromancer blieb stehen und musterte seinen Begleiter.
__„Es ist Micaya, nichtwahr?“
Der Druide nickte langsam.
__„Du wärst mir nicht böse?“
Joreth lächelte gezwungen.
__„Du wirst verstehen, wenn ich ihn zumindest warnen werde... Er ist immerhin mein Bruder.“
Ein erleichterter Seufzer entfuhr dem Jüngeren.
__„Ich hatte Angst, Dich deswegen zu verlieren...“
Joreth legte Tscha kurz die Hand auf die Schulter, dann setzte er sich wieder in Richtung der Taverne in Bewegung.