barb@work
Guest
Hallo an alle Forenuser...
Bevor sich irgendjemand fragt, wo der gute alte barb geblieben ist präsentier ich euch doch mal lieber die Ergebnisse dessen, was mir in den letzten Monaten durch den Kopf geschwirrt ist...
Aber gleich eine Warnung, es ist viel mehr true-Fantasy als die letzten Geschichten... Sozusagen ein Schritt zurück in die Anfangstage...
Aber jetzt erst mal viel Spaß beim Lesen....
Dunkle Zeit
Teil Eins
Des Kriegers Erwachen
„Wenn die Sonne selbst sich erhebt um mit feurigem Odem die ewigen Eiswüsten des Nordens zu schmelzen, die Dunkelheit, die sich dort verbirgt mit ihren gleißenden Strahlen zu verbannen, dann, ja dann ihr Menschen, nehmt euch in Acht, dann ist sie angebrochen, die Dunkle Zeit.“
Achtes Buch der Prophezeiungen, Kapitel 23
„Ich weiß nicht, wann es begann, diese Kälte, diese unglaubliche Kälte. Ich sitze an einem Feuer, doch ich verspüre seine Wärme nicht mehr. Die glühenden Zungen lecken über meine Haut, verbrennen meinen Körper, meine Haare, aber ich verspüre nur eisige, klirrende Kälte. Keine Liebe, keine Freundschaft vermag den eisigen Panzer, der mich zu umgeben scheint, zu durchdringen. Mein Freund, ich glaube, bald ist es mit mir vorbei.“
Tagebuch des Barons von Antkart
„Der Tod ist letztendlich nichts weiter als ein neues Kapitel in einem Buch, in dem du leider nicht mehr mitspielen darfst.“
Unbekannter Verfasser
„Die schärfste Waffe des wahren Krieges ist sein Verstand.“
Volksmund
-------------------------------------------------------
Einleitung
Die Sonne brannte unbarmherzig heiß in jenen Tagen und verwandelte die fruchtbare Erde im Flussdelta Iljards zu braunen, harten Klumpen.
Nur die Stadt Darheimsgard an der Mündung der Flüsse Iljard und Darheim erhob sich mit ihren dicken, trutzigen Mauern trotzig gegen die Sonnenglut, die das Königreich heimsuchte.
Die einst so grünen Haine der Ländereien aber färbten sich langsam gelb wie reifes Korn und die Flüsse führten immer weniger und weniger Wasser.
Es war wirklich ein außergewöhnlicher Sommer, der das Königreich dieses Jahr heimsuchte. Die Luft flirrte, als hätten sich die Drachen selbst aus den alten Geschichtenbüchern erhoben, um die Welt mit ihrem flammendem Odem zu überziehen und nicht wenige Propheten sahen in diesen Dingen die Vorzeichen einer mächtigen Prophezeiung, die dem Land Tod und Schrecken versprach.
Es waren, so sagten sie, die Vorboten der Dunklen Zeit.
Ulthar stand mit gespreizten Beinen auf den Feldern seines Vaters und rammte den Spaten tief in das vertrocknete Erdreich. Die sengende Sonne machte ihm schwer zu schaffen.
Kurz hielt er inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Arme juckten, als ob er sie in Brennnesseln gesteckt hätte und glänzten noch dazu rötlich, doch auch das kam wohl von der Sonne.
Langsam ließ er den Blick über das bearbeitete Stück Land gleiten. Es war erbärmlich wenig, was er geschafft hatte. Aber das war auch kein Wunder – bei diesen Temperaturen.
Hinter dem kleinen Stück Brache, auf dem er arbeitete, lagen die Rübenfelder, die längst nicht mehr so voll und saftig aussahen wie noch vor wenigen Tagen, und - in einiger Entfernung das Bauernhaus, in dem Ulthar lebte.
Seine dicken, weißgetünchten Mauern versprachen eine erfrischende Kühle, die ihm hier draußen nicht einmal die großen Schatten der Bäume spenden konnte. Ulthar sehnte sich nach dem Moment, da die Sonne die Spitzen der Bäume berührte um sie in ein rotglühendes, feuriges Licht zu tauchen. Doch bis dahin gab es noch viel zu tun, wenn er die Arbeiten, die ihm aufgetragen waren, wirklich schaffen wollte.
Er wandte sich wieder dem Spaten zu, aber schon nach wenigen Stichen merkte er, dass ihm die Lust am Umgraben nun doch vollständig verloren gegangen war.
Wieso musste auch unbedingt er, der kleine und schmächtige Ulthar diese Knochenarbeit machen, während Marco, sein Bruder auf den Nebenfeldern aussäte?
Ausgerechnet Marco, der so ungeschickt war, dass sicher wieder die Hälfte der Samen im Graben oder auf den Wegen landen würde, anstatt in den Furchen.
Ulthar seufzte. Er mochte die Arbeit auf den Feldern nicht besonders. Viel lieber saß er in den schützenden Wänden des Hauses und las die Bücher, die auf den Regalen standen. Es war für Bauernsöhne in diesen Zeiten nicht unbedingt üblich eine Schulbildung zu bekommen, aber Ulthars Vater hatte schnell gemerkt, dass in diesem Junge mehr steckte, als ein gewöhnlicher Bauer und er gab sich alle Mühe, ihn zu seinem Nachfolger zu erziehen, damit er eines Tages die Geschäfte auf dem Hof würde übernehmen können.
Ulthar verscheuchte die Gedanken verärgert und schalt sich selbst einen Tor, in dieser Hitze auch noch zu fantasieren, anstatt seine Arbeit zu beenden, da sah er Marco in einiger Entfernung auf ihn zulaufen, die kräftigen Arme wild durch die Luft rudernd.
Ulthar überprüfte verwirrt den Stand der Sonne, aber für das Ende der Arbeit war es noch viel zu früh. Die Sonne hatte den Zenit noch nicht lange überschritten.
Es sei denn, sie hätten heute eher frei.
Ulthar griff sich den Spaten und ging seinem Bruder entgegen.
Marco schien schon eine ganze Weile gelaufen zu sein, denn sein nackter Oberkörper wirkte ölig von Schweiß und auch seine Haare funkelten nass im Sonnelicht.
Ulthar wollte gerade zu einer Grußformel ansetzen, als ihn Marco atemlos unterbrach:
„ Vater lässt uns rufen. Er will mit uns sprechen.“
Ulthar runzelte die Stirn:
„ Weißt du, worum es geht?“, fragte er, aber Marco schüttelte nur verneinend den Kopf.
„ Das Hausmädchen ist auf die Felder gekommen und hat es mir gesagt. Mehr weiß ich nicht.“
Ulthar zuckte mit den Achseln, lud sich den Spaten auf die Schultern und ging seinem Bruder nach.
Das Bauernhaus umfing sie mit einer sanften, wohltuenden Kühle, die Ulthar wohlige Schauer über den Rücken jagte. Es war eine schlichte, aber robuste Fachwerkkonstruktion mit einem Strohdach und weißgetünchten, dicken Wänden, die von außen fast schon festungsartig wirkten, aber genau diese kräftigen Mauern verwehrten sowohl Kälte als auch Hitze zuverlässig den Zutritt zu den Wohnstuben..
Der wuchtige Stil der Außenmauern setzte sich auch im Inneren fort. Die wenigen Möbel waren handgefertigte Stücke, bäuerlicher Machart. Klobig, aber robust funktional.
Es war nicht so, dass die Familie ärmlich lebte, aber einen besonderen Luxus konnte sich in diesen Tagen eben niemand leisten und selbst wenn dem nicht so wäre, so wäre Ulthars und Marcos Vater der letzte gewesen, der ihn sich geleistet hätte.
Er hatte seine Söhne stets dazu erzogen, mit allem, was sie besaßen sparsam umzugehen, immer etwas für schlechte Zeiten zurückzulegen und allem Luxus abzuschwören und bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie damit gut überleben können.
Die Sonne schien durch die Fenster und ließ die kleinen Staubkörnchen im Licht tanzen und, eingehüllt in den Duft von Holz und Stroh, fühlte sich Ulthar in diesem Moment geborgen und glücklich wie selten in seinem Leben.
Von dem offenen Dachboden klang ein leises Husten, dass den Vater ankündigte. Mit seinen fünfundfünfzig Jahren galt er unter den Bauern schon als Methusalem und man sah ihm jedes Jahr seines Lebens an. Er lief stets gebückt und hinkend, seitdem ihm ein durchgegangenes Pferd fast die Beine zerschmettert hatte. Sein Haar war schlohweiß und der Gram unzähliger Niederlagen in seinem langen Leben hatte tiefe Furchen in sein Gesicht getrieben. Nachdem ihm zuerst die ältesten Söhne und dann die Frau gestorben waren, hatte man ihn selten lächeln sehen.
Dennoch schmunzelte er heute, als er die beiden ungleichen Brüder in der Stube stehen sah.
Der große, breitschultrige Marcos, der Ulthar fast um zwei Haupteslängen überragte und Ulthar dessen Kopf so voller Wissen war, dass er vor lauter Gedanken manchmal einfach mit offenen Augen wegträumte. Sie waren ein ungleiches Paar und trotzdem hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel.
Er war stolz auf seine Söhne.
„ Meine Jungen.“, er hinkte langsam die Treppe hinab und kam auf sie zu. „ Für euch ist heute ein großer Tag.“.
Vorsichtig griffen die etwas zittrigen Hände nach den Fingern seiner Söhne.
„ Ihr habt die Ausbildung auf meinem Hof abgeschlossen und ich habe vor dem Stadtrat meine Zustimmung gegeben, euch volljährig zu sprechen.“
Es gelang ihm nicht ganz die Traurigkeit zu verbergen, die sich hinter seinen Worten verbarg, wie ein Räuber im Schatten. Er nickte ihnen zu. Ulthar und Marco hatten von seiner Entscheidung gewusst, aber es war trotzdem ein erhabenes Gefühl, die Worte, die sie so oft von anderen gehört hatten, endlich selbst zu hören.
„ Es ist nun an euch, auf Wanderschaft zu gehen und einen Beruf zu lernen. Auch ich habe Lehrlinge bei mir aufgenommen, aber ich hoffe, dass wenigstens einer von euch zu mir zurückkehren wird, um den Hof zu übernehmen. Sonst lasten alle Hoffnungen auf den Schultern des kleinen Rico. Und ich befürchte, diese Schultern sind noch zu schwach um eine solche Bürde zu tragen.“
Langsam ging er zu einer großen Eichenkiste, öffnete sie ächzend und zog zwei kleine Beutel hervor.
„ Nun habe ich heute nicht umsonst jedem von euch eine besonders schwere Aufgabe gegeben.“, fuhr er fort. „Ich wollte euch damit zeigen, dass ihr zwar schon viel gelernt habt, aber dass es immer noch etwas geben wird, dass ihr noch nicht könnt. Behaltet diese Worte stets im Kopf. Kein Mensch ist perfekt, nur der, der das weiß, ist wirklich weise.“. Er machte eine lange Pause als müsse er nachdenken, was er noch zu sagen habe, dann lächelte er wieder. „Und nun, genug der langen Worte. Hier habt ihr eine kleine Unterstützung für die Reise, meine Söhne.“
Ulthar zuckte unter diesen Worten fast unmerklich zusammen.
„ Danke Vater.“. Sagte Marco.
„ Danke.“. Murmelte Ulthar verschämt.
„ Ich werde euch morgen auf den Feierlichkeiten offiziell verabschieden, für den Rest des Tages aber habt ihr frei. Genießt diese letzten Stunden eurer Jugend.“
Marco wollte noch etwas sagen, aber sein Vater hob beschwichtigend die Hand.
„ Keine Worte jetzt. Nichts soll den Augenblick stören, indem die Söhne der Väter selbst zu Männern werden, Marco. Das solltest du wissen. Geht. Beide.“
In seinen Augen glitzerte eine kleine Träne und auch seine Stimme wirkte plötzlich brüchig und schwach, sodass sich Marco und Ulthar schnell umdrehten und das Haus verließen.
Sie hatten beide einen Kloß im Hals. Ihr Vater war immer der gewesen, der Niederlagen leicht weggesteckt hatte, der die Familie zusammengehalten und ihnen Kraft gegeben hatte, wenn sie nicht mehr weiter wussten. Ihn so traurig und kraftlos zu sehen, war ein schwerer Schlag für sie. Sie hatten es beide gespürt, als er ihre Hände ergriffen hatte. Dieser Mann hatte nicht mehr lange zu leben. Von nun an konnte jede Stunde seine Letzte sein.
„ Zum Sonnenuntergang am Stadttor.“, sagte Marco leise, bevor er sich langsam umdrehte und in den hinteren Teil des Hauses ging, um seine Sachen zu packen.
Das Leben musste weitergehen, hatte ihr Vater sie stets gelehrt. Was auch immer passiert, das Leben muss weitergehen.
Ulthar blieb noch eine Weile vor der Tür stehen.
Der Wind raschelte leise in den Bäumen und hier im Schatten war es sogar angenehm kühl, aber trotzdem fanden seine Gedanken keine Ruhe. Er atmete tief ein und aus, aber sie rasten trotzdem weiter, wie gehetzte Tiere.
Er lebte schon so lange bei Marco und seiner Familie, dass er es selbst manchmal vergaß, aber es gab immer wieder Momente in denen er sich daran erinnerte, dass er eigentlich nicht in dieses Haus gehörte. Nicht einmal in dieses Land.
Er kam aus den Norden aus Antkart, dem Königreich des Frostes, aber dass war alles, was er über seine Kindheit wusste. Jegliche Einzelheiten dieses Lebens waren hinter grauen Schleiern des Vergessens verborgen, hinter denen immer wieder ein Gesicht, oder ein Bild aufblitzte.
Aber diese Erinnerungen waren weder schön noch aufschlussreich, sodass Ulthar versuchte, sie zu vergessen, so schnell es nur ging.
Nur ein Gesicht tauchte immer wieder, wieder und wieder aus den Schatten. Ein bärtiges, doch junges Gesicht voller Dunkelheit mit rotglühenden Augen die ihm nachts den Schlaf raubten. Augen, die kein Mensch jemals sehen sollte und die erst recht niemand besitzen durfte, Augen aus denen die Verdammnis schrie und die jeden, den sie trafen in unendliches Leid und Verderben stürzten.
Allein die Erinnerung ließ ihn frösteln. Die Hand in seiner Hosentasche umschloss vorsichtig das einzige Stück, dass ihm aus dieser Zeit geblieben war.
Er holte ein kleines Stück Holz hervor und blies vorsichtig hinein.
Seine Finger fanden wie von selbst die kleinen Löcher, so wie sie es stets taten und eine leise, klagende Weise zog über die friedliche Landschaft, an deren Horizont sich die Sonne langsam dem Untergang neigte.
So, vielen lieben dank an alle, dies bis hierher geschafft haben!
Liebe Grüße, bis bald... barb
Bevor sich irgendjemand fragt, wo der gute alte barb geblieben ist präsentier ich euch doch mal lieber die Ergebnisse dessen, was mir in den letzten Monaten durch den Kopf geschwirrt ist...
Aber gleich eine Warnung, es ist viel mehr true-Fantasy als die letzten Geschichten... Sozusagen ein Schritt zurück in die Anfangstage...
Aber jetzt erst mal viel Spaß beim Lesen....
Dunkle Zeit
Teil Eins
Des Kriegers Erwachen
„Wenn die Sonne selbst sich erhebt um mit feurigem Odem die ewigen Eiswüsten des Nordens zu schmelzen, die Dunkelheit, die sich dort verbirgt mit ihren gleißenden Strahlen zu verbannen, dann, ja dann ihr Menschen, nehmt euch in Acht, dann ist sie angebrochen, die Dunkle Zeit.“
Achtes Buch der Prophezeiungen, Kapitel 23
„Ich weiß nicht, wann es begann, diese Kälte, diese unglaubliche Kälte. Ich sitze an einem Feuer, doch ich verspüre seine Wärme nicht mehr. Die glühenden Zungen lecken über meine Haut, verbrennen meinen Körper, meine Haare, aber ich verspüre nur eisige, klirrende Kälte. Keine Liebe, keine Freundschaft vermag den eisigen Panzer, der mich zu umgeben scheint, zu durchdringen. Mein Freund, ich glaube, bald ist es mit mir vorbei.“
Tagebuch des Barons von Antkart
„Der Tod ist letztendlich nichts weiter als ein neues Kapitel in einem Buch, in dem du leider nicht mehr mitspielen darfst.“
Unbekannter Verfasser
„Die schärfste Waffe des wahren Krieges ist sein Verstand.“
Volksmund
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Einleitung
Die Sonne brannte unbarmherzig heiß in jenen Tagen und verwandelte die fruchtbare Erde im Flussdelta Iljards zu braunen, harten Klumpen.
Nur die Stadt Darheimsgard an der Mündung der Flüsse Iljard und Darheim erhob sich mit ihren dicken, trutzigen Mauern trotzig gegen die Sonnenglut, die das Königreich heimsuchte.
Die einst so grünen Haine der Ländereien aber färbten sich langsam gelb wie reifes Korn und die Flüsse führten immer weniger und weniger Wasser.
Es war wirklich ein außergewöhnlicher Sommer, der das Königreich dieses Jahr heimsuchte. Die Luft flirrte, als hätten sich die Drachen selbst aus den alten Geschichtenbüchern erhoben, um die Welt mit ihrem flammendem Odem zu überziehen und nicht wenige Propheten sahen in diesen Dingen die Vorzeichen einer mächtigen Prophezeiung, die dem Land Tod und Schrecken versprach.
Es waren, so sagten sie, die Vorboten der Dunklen Zeit.
Ulthar stand mit gespreizten Beinen auf den Feldern seines Vaters und rammte den Spaten tief in das vertrocknete Erdreich. Die sengende Sonne machte ihm schwer zu schaffen.
Kurz hielt er inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Arme juckten, als ob er sie in Brennnesseln gesteckt hätte und glänzten noch dazu rötlich, doch auch das kam wohl von der Sonne.
Langsam ließ er den Blick über das bearbeitete Stück Land gleiten. Es war erbärmlich wenig, was er geschafft hatte. Aber das war auch kein Wunder – bei diesen Temperaturen.
Hinter dem kleinen Stück Brache, auf dem er arbeitete, lagen die Rübenfelder, die längst nicht mehr so voll und saftig aussahen wie noch vor wenigen Tagen, und - in einiger Entfernung das Bauernhaus, in dem Ulthar lebte.
Seine dicken, weißgetünchten Mauern versprachen eine erfrischende Kühle, die ihm hier draußen nicht einmal die großen Schatten der Bäume spenden konnte. Ulthar sehnte sich nach dem Moment, da die Sonne die Spitzen der Bäume berührte um sie in ein rotglühendes, feuriges Licht zu tauchen. Doch bis dahin gab es noch viel zu tun, wenn er die Arbeiten, die ihm aufgetragen waren, wirklich schaffen wollte.
Er wandte sich wieder dem Spaten zu, aber schon nach wenigen Stichen merkte er, dass ihm die Lust am Umgraben nun doch vollständig verloren gegangen war.
Wieso musste auch unbedingt er, der kleine und schmächtige Ulthar diese Knochenarbeit machen, während Marco, sein Bruder auf den Nebenfeldern aussäte?
Ausgerechnet Marco, der so ungeschickt war, dass sicher wieder die Hälfte der Samen im Graben oder auf den Wegen landen würde, anstatt in den Furchen.
Ulthar seufzte. Er mochte die Arbeit auf den Feldern nicht besonders. Viel lieber saß er in den schützenden Wänden des Hauses und las die Bücher, die auf den Regalen standen. Es war für Bauernsöhne in diesen Zeiten nicht unbedingt üblich eine Schulbildung zu bekommen, aber Ulthars Vater hatte schnell gemerkt, dass in diesem Junge mehr steckte, als ein gewöhnlicher Bauer und er gab sich alle Mühe, ihn zu seinem Nachfolger zu erziehen, damit er eines Tages die Geschäfte auf dem Hof würde übernehmen können.
Ulthar verscheuchte die Gedanken verärgert und schalt sich selbst einen Tor, in dieser Hitze auch noch zu fantasieren, anstatt seine Arbeit zu beenden, da sah er Marco in einiger Entfernung auf ihn zulaufen, die kräftigen Arme wild durch die Luft rudernd.
Ulthar überprüfte verwirrt den Stand der Sonne, aber für das Ende der Arbeit war es noch viel zu früh. Die Sonne hatte den Zenit noch nicht lange überschritten.
Es sei denn, sie hätten heute eher frei.
Ulthar griff sich den Spaten und ging seinem Bruder entgegen.
Marco schien schon eine ganze Weile gelaufen zu sein, denn sein nackter Oberkörper wirkte ölig von Schweiß und auch seine Haare funkelten nass im Sonnelicht.
Ulthar wollte gerade zu einer Grußformel ansetzen, als ihn Marco atemlos unterbrach:
„ Vater lässt uns rufen. Er will mit uns sprechen.“
Ulthar runzelte die Stirn:
„ Weißt du, worum es geht?“, fragte er, aber Marco schüttelte nur verneinend den Kopf.
„ Das Hausmädchen ist auf die Felder gekommen und hat es mir gesagt. Mehr weiß ich nicht.“
Ulthar zuckte mit den Achseln, lud sich den Spaten auf die Schultern und ging seinem Bruder nach.
Das Bauernhaus umfing sie mit einer sanften, wohltuenden Kühle, die Ulthar wohlige Schauer über den Rücken jagte. Es war eine schlichte, aber robuste Fachwerkkonstruktion mit einem Strohdach und weißgetünchten, dicken Wänden, die von außen fast schon festungsartig wirkten, aber genau diese kräftigen Mauern verwehrten sowohl Kälte als auch Hitze zuverlässig den Zutritt zu den Wohnstuben..
Der wuchtige Stil der Außenmauern setzte sich auch im Inneren fort. Die wenigen Möbel waren handgefertigte Stücke, bäuerlicher Machart. Klobig, aber robust funktional.
Es war nicht so, dass die Familie ärmlich lebte, aber einen besonderen Luxus konnte sich in diesen Tagen eben niemand leisten und selbst wenn dem nicht so wäre, so wäre Ulthars und Marcos Vater der letzte gewesen, der ihn sich geleistet hätte.
Er hatte seine Söhne stets dazu erzogen, mit allem, was sie besaßen sparsam umzugehen, immer etwas für schlechte Zeiten zurückzulegen und allem Luxus abzuschwören und bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie damit gut überleben können.
Die Sonne schien durch die Fenster und ließ die kleinen Staubkörnchen im Licht tanzen und, eingehüllt in den Duft von Holz und Stroh, fühlte sich Ulthar in diesem Moment geborgen und glücklich wie selten in seinem Leben.
Von dem offenen Dachboden klang ein leises Husten, dass den Vater ankündigte. Mit seinen fünfundfünfzig Jahren galt er unter den Bauern schon als Methusalem und man sah ihm jedes Jahr seines Lebens an. Er lief stets gebückt und hinkend, seitdem ihm ein durchgegangenes Pferd fast die Beine zerschmettert hatte. Sein Haar war schlohweiß und der Gram unzähliger Niederlagen in seinem langen Leben hatte tiefe Furchen in sein Gesicht getrieben. Nachdem ihm zuerst die ältesten Söhne und dann die Frau gestorben waren, hatte man ihn selten lächeln sehen.
Dennoch schmunzelte er heute, als er die beiden ungleichen Brüder in der Stube stehen sah.
Der große, breitschultrige Marcos, der Ulthar fast um zwei Haupteslängen überragte und Ulthar dessen Kopf so voller Wissen war, dass er vor lauter Gedanken manchmal einfach mit offenen Augen wegträumte. Sie waren ein ungleiches Paar und trotzdem hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel.
Er war stolz auf seine Söhne.
„ Meine Jungen.“, er hinkte langsam die Treppe hinab und kam auf sie zu. „ Für euch ist heute ein großer Tag.“.
Vorsichtig griffen die etwas zittrigen Hände nach den Fingern seiner Söhne.
„ Ihr habt die Ausbildung auf meinem Hof abgeschlossen und ich habe vor dem Stadtrat meine Zustimmung gegeben, euch volljährig zu sprechen.“
Es gelang ihm nicht ganz die Traurigkeit zu verbergen, die sich hinter seinen Worten verbarg, wie ein Räuber im Schatten. Er nickte ihnen zu. Ulthar und Marco hatten von seiner Entscheidung gewusst, aber es war trotzdem ein erhabenes Gefühl, die Worte, die sie so oft von anderen gehört hatten, endlich selbst zu hören.
„ Es ist nun an euch, auf Wanderschaft zu gehen und einen Beruf zu lernen. Auch ich habe Lehrlinge bei mir aufgenommen, aber ich hoffe, dass wenigstens einer von euch zu mir zurückkehren wird, um den Hof zu übernehmen. Sonst lasten alle Hoffnungen auf den Schultern des kleinen Rico. Und ich befürchte, diese Schultern sind noch zu schwach um eine solche Bürde zu tragen.“
Langsam ging er zu einer großen Eichenkiste, öffnete sie ächzend und zog zwei kleine Beutel hervor.
„ Nun habe ich heute nicht umsonst jedem von euch eine besonders schwere Aufgabe gegeben.“, fuhr er fort. „Ich wollte euch damit zeigen, dass ihr zwar schon viel gelernt habt, aber dass es immer noch etwas geben wird, dass ihr noch nicht könnt. Behaltet diese Worte stets im Kopf. Kein Mensch ist perfekt, nur der, der das weiß, ist wirklich weise.“. Er machte eine lange Pause als müsse er nachdenken, was er noch zu sagen habe, dann lächelte er wieder. „Und nun, genug der langen Worte. Hier habt ihr eine kleine Unterstützung für die Reise, meine Söhne.“
Ulthar zuckte unter diesen Worten fast unmerklich zusammen.
„ Danke Vater.“. Sagte Marco.
„ Danke.“. Murmelte Ulthar verschämt.
„ Ich werde euch morgen auf den Feierlichkeiten offiziell verabschieden, für den Rest des Tages aber habt ihr frei. Genießt diese letzten Stunden eurer Jugend.“
Marco wollte noch etwas sagen, aber sein Vater hob beschwichtigend die Hand.
„ Keine Worte jetzt. Nichts soll den Augenblick stören, indem die Söhne der Väter selbst zu Männern werden, Marco. Das solltest du wissen. Geht. Beide.“
In seinen Augen glitzerte eine kleine Träne und auch seine Stimme wirkte plötzlich brüchig und schwach, sodass sich Marco und Ulthar schnell umdrehten und das Haus verließen.
Sie hatten beide einen Kloß im Hals. Ihr Vater war immer der gewesen, der Niederlagen leicht weggesteckt hatte, der die Familie zusammengehalten und ihnen Kraft gegeben hatte, wenn sie nicht mehr weiter wussten. Ihn so traurig und kraftlos zu sehen, war ein schwerer Schlag für sie. Sie hatten es beide gespürt, als er ihre Hände ergriffen hatte. Dieser Mann hatte nicht mehr lange zu leben. Von nun an konnte jede Stunde seine Letzte sein.
„ Zum Sonnenuntergang am Stadttor.“, sagte Marco leise, bevor er sich langsam umdrehte und in den hinteren Teil des Hauses ging, um seine Sachen zu packen.
Das Leben musste weitergehen, hatte ihr Vater sie stets gelehrt. Was auch immer passiert, das Leben muss weitergehen.
Ulthar blieb noch eine Weile vor der Tür stehen.
Der Wind raschelte leise in den Bäumen und hier im Schatten war es sogar angenehm kühl, aber trotzdem fanden seine Gedanken keine Ruhe. Er atmete tief ein und aus, aber sie rasten trotzdem weiter, wie gehetzte Tiere.
Er lebte schon so lange bei Marco und seiner Familie, dass er es selbst manchmal vergaß, aber es gab immer wieder Momente in denen er sich daran erinnerte, dass er eigentlich nicht in dieses Haus gehörte. Nicht einmal in dieses Land.
Er kam aus den Norden aus Antkart, dem Königreich des Frostes, aber dass war alles, was er über seine Kindheit wusste. Jegliche Einzelheiten dieses Lebens waren hinter grauen Schleiern des Vergessens verborgen, hinter denen immer wieder ein Gesicht, oder ein Bild aufblitzte.
Aber diese Erinnerungen waren weder schön noch aufschlussreich, sodass Ulthar versuchte, sie zu vergessen, so schnell es nur ging.
Nur ein Gesicht tauchte immer wieder, wieder und wieder aus den Schatten. Ein bärtiges, doch junges Gesicht voller Dunkelheit mit rotglühenden Augen die ihm nachts den Schlaf raubten. Augen, die kein Mensch jemals sehen sollte und die erst recht niemand besitzen durfte, Augen aus denen die Verdammnis schrie und die jeden, den sie trafen in unendliches Leid und Verderben stürzten.
Allein die Erinnerung ließ ihn frösteln. Die Hand in seiner Hosentasche umschloss vorsichtig das einzige Stück, dass ihm aus dieser Zeit geblieben war.
Er holte ein kleines Stück Holz hervor und blies vorsichtig hinein.
Seine Finger fanden wie von selbst die kleinen Löcher, so wie sie es stets taten und eine leise, klagende Weise zog über die friedliche Landschaft, an deren Horizont sich die Sonne langsam dem Untergang neigte.
So, vielen lieben dank an alle, dies bis hierher geschafft haben!
Liebe Grüße, bis bald... barb