SethSteiner
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Vurashdinia Ivgorod
Hoch über den Gipfeln Khanduras, fernab jeden menschlichen Auges, sprossen sechs fragile Arme aus einem unsichtbaren Tropfen Wasser. Ihre winzigen Äste verhakten sich auf dem Weg in die Tiefe mit denen anderer Tropfen und formten eine kleine Schneeflocke. So einzigartig wie jeder ihrer Kristalle auch war, jeder von ihnen gehorchte Gesetzen, die auf der ganzen Welt ihre Gültigkeit besaßen. Tausend und Ein Gott begründeten sie und wachten über ihre Einhaltung. Als Naarivana, die Göttin der Kälte, ihre Hand durch den ersten Fluß zog, schrieb sie ihre Gebote hinein und schuf damit das erste Eis und den ersten Schnee, als sie sie mit dem Wunsch wieder herauszog, dass jeder von ihnen ein Stern mit sechs Strahlen sein sollte, keiner wie der andere. Unter der Wacht dieser göttlichen Augen, getragen von scharfen Gebirgswinden, erreichte die kleine Schneeflocke schließlich eine Stadt im hohen Norden, wo sie sich in den weißen Haaren einer Frau verfing. Wie die anderen achtundsechzig Frauen auf dem Hof, nahm sie keine Notiz von ihr und ihren Geschwistern. Konzentriert auf Ketten von Schlägen und Tritten, galt deren ganze Wahrnehmung der Energie, die durch ihre Glieder floß und an den Enden gebündelt wieder heraustrat. Nur in den Stunden der Meditation am Morgen war der Geist der jungen Frau auf solch minimale Aberrationen fokussiert. Dort spürte sie auch den Atem Naarivanas, der ihre freiliegende Haut an den Armen streichelte und von dem Menschen des Südens behaupteten, er schneide ihnen die Ohrränder auf. Die Einwohner Ivgorods, zu denen Valeria sich zählte, empfanden und nannten ihn schlicht eine milde Kälte.
Im Anschluß an die Übungen auf dem Hof, folgte die Lehrstunde über die Weisung der Götter. Dreimal lasen sie in Gruppen zu dreißig Schülern einen Text über die Mechanik der Natur. In der ersten Stunde las er ihnen vor. In der zweiten Stunde lasen sie alle gemeinsam und in der dritten Stunde in vollkommener Stille. Diesmal ging es jedoch nicht ganz so ruhig zu, wie es Valeria gewohnt war. Wortlos trat einer der höheren Meister herein und berührte eine Schülerin an der Schulter um sie mit einer Geste hinaus zu bitten. Das Schauspiel wiederholte sich im Takt von zehn Minuten, bis sie selbst an der Reihe war. Verwundert folgte sie dem Mann durch die Flure des Klosters. Auf die Frage, was man denn von ihnen wollte, machte er keine Anstalten eine Antwort zu geben. Valeria bemerkte, dass sie den Frauentrakt des Klosters hinter sich ließen und in den Verwaltungsbereich des Klosters traten. Geduldig ließ sie sich in einen der schlanken Türme führen. Einige Schwestern behaupteten ihre Schnee umwehten Kuppeln bestanden aus Gold aber sie war sich sicher, das waren nur Geschichten für die Neuankömmlinge. Zwar konnte sie sich schon lange nicht mehr zu ihnen zählen und hatte sie selbst noch nie ohne den Eispanzer gesehen aber ein paar Schwestern aus den älteren Jahrgänge behaupteten es und sagten sie bestünden aus gelben Holz. Als sie nach vielen Stufen vor einer Tür anhielten, war Valeria sicher sich direkt unter der Kuppel zu befinden. Von der Idee beseelt ein für allemal eine Antwort auf das Rätsel zu finden, ging ihr Blick kaum eingetreten direkt nach oben. Eine blau gestrichene Decke - fantastisch.
„Valeria, setz dich zu uns.“ Verlangte eine Stimme im höflichen Ton. Sie gehorchte und ließ sich im Schneidersitz an einem niedrigen Tisch nieder. Fünf Männer saßen ihr auf Kissen gegenüber, einer älter als der andere. Wären nicht die roten Punkte auf ihrer Stirn und die unterschiedlich großen Kugeln um ihre Hälse, man hätte sie nur anhand der Falten in ihren Gesichtern und der Farbe ihrer spitz hinunterlaufenden Bärte unterscheiden können.
„Valeria, wir haben nur eine Frage an dich.“ sagte der jüngste von ihnen.
„Ich habe mich während des Weges auch gefragt, wie die anderen so schnell zurückkommen konnten.“ Als sie sah wie sich seine Brauen ungehalten zusammenzogen schloß sie ihre, die Frage abwartend die man ihr zu stellen gedachte.
Nach einigen Sekunden fragte der älteste Mönch, ganz rechts von ihr milde im Ton „Was unterscheidet dich von diesen anderen?“
Erstaunt blickte sie von einem zum anderen. Welche Antwort erwarteten die Patriarchen von ihr? War es eine philosophische Frage? Vermutlich, denn die Alternative war trivial und persönlich und -. Ihr Gedankengang wurde je unterbrochen.
„Welche Ideale hast du?“ fragte der zweitälteste.
„Was sind deine Wünsche?“ kam es rau von dem Mann direkt vor ihr. „Nun raus damit, du kannst nichts falsches sagen und erwartest auch keine Sanktionen aber antworte noch heute.“
Das war eine klare Ansage. Dennoch haderte sie, denn dass es keine Sanktionen geben konnte war nicht ganz richtig. Nicht alle Gesetze waren auch gerecht aber alle waren sie rigide.
„Patriarchen, ich trage dieselbe Kleidung wie alle Schüler und verinnerliche dieselben Werte und Lehren aber wir teilen nicht dasselbe Ziel.“
„Und das wäre?“ fragte der jüngste der Patriarchen.
„Ivgorod zu alter Stärke zurückzuführen!“ stieß es aus ihr heraus wie der Atem nach einem vollendeten Stoß. Zu spät Begriff sie was sie sagte und senkte entschuldigend ihr weißes Haupt.
Nach dem sie den Raum verlassen hatte seufzte der Mann am linken Ende des Tisches. Sein Blick war auf die Aufzeichnungen gerichtet, die Valeria Livia zum Titel hatten. „Sie erfüllt im Grunde alle Voraussetzungen aber sie ist nicht die einzige, ich denke wir können sie abhaken.“
Der Mönch neben ihr stimmte zu und nahm seine Feder zur Hand. „Sie hat Glück dass sie nicht mehr gesagt hat. Aufwiegelnde Intentionen sind das! Es ist mir ein Rätsel, wie sie ihre Energie kanalisieren kann, wenn in ihr solche Gedanken vorgehen.“ Seine Federspitze tauchte in schwarze Tinte, während der zweitälteste von ihnen ihm zustimmte.
„Sehr wohl, ich spürte Zorn und Ungeduld in ihr. Aber wir sollten vor der Entscheidung bedenken, dass sie es doch sehr weit gebracht hat.“
Es zeichnete sich schnell ab, dass die Diskussion ebenso kurz andauern würde wie die anderen zuvor bis der älteste von ihnen zitternd aufstand und herumging um dort Platz zu nehmen wo Valeria gesessen hatte.
„Brüder, meine Sehkraft mag schwinden aber mir scheint ich sehe dort Potential wo ihr Gefahr erkennt.“ Seine vom Alter gekennzeichneten Lieder hoben sich. Ein beinahe erblindetes Augenpaar, zwang sich zu einem ungewohnt wachen Blick. „Es ist wahr, diese Frau will Krieg und hat ein wildes Herz! Und es ist ebenso wahr, dass sie ihre Liebe zu Ivgorod antreibt, im Guten wie im Schlechten. Ich selbst sprach noch mit den alten Patriarchen, die ein Ivgorod kannten, dessen Grenzen weit außerhalb dieser Mauern lagen. Unsere Gesetze vermögen es nicht die Leidenschaft aller zu Zügeln. Unser Ruhm und unsere Größe ist doch in dieser unserer letzten Stadt noch immer allgegegenwärtig. Ich bitte euch, lasst uns nicht vergessen, dass wir unsere Schüler formen und für diese heikle Mission jemanden entsenden wollten, der an der Aufgabe wachsen kann.“
„Es ist ein langer und beschwerlicher Weg.“ Sagte der zweitälteste Patriarch nachdenklich „Sicher warten auch Ruinen am Rand und Gefahr, die Blutvergießen bedingt, wird unweigerlich auftauchen.“
„Denkt Ihr, Sie würde lernen und geläutert zurückkehren?“ fragte der Mann an seiner Seite den Ältesten.
Seine Lippen umspielte ein lausbubenhaftes Lächeln „Niemand kann sagen, welche Erfahrungen sie macht und welches Wissen sie sich auf ihrer Reise aneignet. Wer weiß, vielleicht werden wir es sein, die geläutert werden.“
Hoch über den Gipfeln Khanduras, fernab jeden menschlichen Auges, sprossen sechs fragile Arme aus einem unsichtbaren Tropfen Wasser. Ihre winzigen Äste verhakten sich auf dem Weg in die Tiefe mit denen anderer Tropfen und formten eine kleine Schneeflocke. So einzigartig wie jeder ihrer Kristalle auch war, jeder von ihnen gehorchte Gesetzen, die auf der ganzen Welt ihre Gültigkeit besaßen. Tausend und Ein Gott begründeten sie und wachten über ihre Einhaltung. Als Naarivana, die Göttin der Kälte, ihre Hand durch den ersten Fluß zog, schrieb sie ihre Gebote hinein und schuf damit das erste Eis und den ersten Schnee, als sie sie mit dem Wunsch wieder herauszog, dass jeder von ihnen ein Stern mit sechs Strahlen sein sollte, keiner wie der andere. Unter der Wacht dieser göttlichen Augen, getragen von scharfen Gebirgswinden, erreichte die kleine Schneeflocke schließlich eine Stadt im hohen Norden, wo sie sich in den weißen Haaren einer Frau verfing. Wie die anderen achtundsechzig Frauen auf dem Hof, nahm sie keine Notiz von ihr und ihren Geschwistern. Konzentriert auf Ketten von Schlägen und Tritten, galt deren ganze Wahrnehmung der Energie, die durch ihre Glieder floß und an den Enden gebündelt wieder heraustrat. Nur in den Stunden der Meditation am Morgen war der Geist der jungen Frau auf solch minimale Aberrationen fokussiert. Dort spürte sie auch den Atem Naarivanas, der ihre freiliegende Haut an den Armen streichelte und von dem Menschen des Südens behaupteten, er schneide ihnen die Ohrränder auf. Die Einwohner Ivgorods, zu denen Valeria sich zählte, empfanden und nannten ihn schlicht eine milde Kälte.
Im Anschluß an die Übungen auf dem Hof, folgte die Lehrstunde über die Weisung der Götter. Dreimal lasen sie in Gruppen zu dreißig Schülern einen Text über die Mechanik der Natur. In der ersten Stunde las er ihnen vor. In der zweiten Stunde lasen sie alle gemeinsam und in der dritten Stunde in vollkommener Stille. Diesmal ging es jedoch nicht ganz so ruhig zu, wie es Valeria gewohnt war. Wortlos trat einer der höheren Meister herein und berührte eine Schülerin an der Schulter um sie mit einer Geste hinaus zu bitten. Das Schauspiel wiederholte sich im Takt von zehn Minuten, bis sie selbst an der Reihe war. Verwundert folgte sie dem Mann durch die Flure des Klosters. Auf die Frage, was man denn von ihnen wollte, machte er keine Anstalten eine Antwort zu geben. Valeria bemerkte, dass sie den Frauentrakt des Klosters hinter sich ließen und in den Verwaltungsbereich des Klosters traten. Geduldig ließ sie sich in einen der schlanken Türme führen. Einige Schwestern behaupteten ihre Schnee umwehten Kuppeln bestanden aus Gold aber sie war sich sicher, das waren nur Geschichten für die Neuankömmlinge. Zwar konnte sie sich schon lange nicht mehr zu ihnen zählen und hatte sie selbst noch nie ohne den Eispanzer gesehen aber ein paar Schwestern aus den älteren Jahrgänge behaupteten es und sagten sie bestünden aus gelben Holz. Als sie nach vielen Stufen vor einer Tür anhielten, war Valeria sicher sich direkt unter der Kuppel zu befinden. Von der Idee beseelt ein für allemal eine Antwort auf das Rätsel zu finden, ging ihr Blick kaum eingetreten direkt nach oben. Eine blau gestrichene Decke - fantastisch.
„Valeria, setz dich zu uns.“ Verlangte eine Stimme im höflichen Ton. Sie gehorchte und ließ sich im Schneidersitz an einem niedrigen Tisch nieder. Fünf Männer saßen ihr auf Kissen gegenüber, einer älter als der andere. Wären nicht die roten Punkte auf ihrer Stirn und die unterschiedlich großen Kugeln um ihre Hälse, man hätte sie nur anhand der Falten in ihren Gesichtern und der Farbe ihrer spitz hinunterlaufenden Bärte unterscheiden können.
„Valeria, wir haben nur eine Frage an dich.“ sagte der jüngste von ihnen.
„Ich habe mich während des Weges auch gefragt, wie die anderen so schnell zurückkommen konnten.“ Als sie sah wie sich seine Brauen ungehalten zusammenzogen schloß sie ihre, die Frage abwartend die man ihr zu stellen gedachte.
Nach einigen Sekunden fragte der älteste Mönch, ganz rechts von ihr milde im Ton „Was unterscheidet dich von diesen anderen?“
Erstaunt blickte sie von einem zum anderen. Welche Antwort erwarteten die Patriarchen von ihr? War es eine philosophische Frage? Vermutlich, denn die Alternative war trivial und persönlich und -. Ihr Gedankengang wurde je unterbrochen.
„Welche Ideale hast du?“ fragte der zweitälteste.
„Was sind deine Wünsche?“ kam es rau von dem Mann direkt vor ihr. „Nun raus damit, du kannst nichts falsches sagen und erwartest auch keine Sanktionen aber antworte noch heute.“
Das war eine klare Ansage. Dennoch haderte sie, denn dass es keine Sanktionen geben konnte war nicht ganz richtig. Nicht alle Gesetze waren auch gerecht aber alle waren sie rigide.
„Patriarchen, ich trage dieselbe Kleidung wie alle Schüler und verinnerliche dieselben Werte und Lehren aber wir teilen nicht dasselbe Ziel.“
„Und das wäre?“ fragte der jüngste der Patriarchen.
„Ivgorod zu alter Stärke zurückzuführen!“ stieß es aus ihr heraus wie der Atem nach einem vollendeten Stoß. Zu spät Begriff sie was sie sagte und senkte entschuldigend ihr weißes Haupt.
Nach dem sie den Raum verlassen hatte seufzte der Mann am linken Ende des Tisches. Sein Blick war auf die Aufzeichnungen gerichtet, die Valeria Livia zum Titel hatten. „Sie erfüllt im Grunde alle Voraussetzungen aber sie ist nicht die einzige, ich denke wir können sie abhaken.“
Der Mönch neben ihr stimmte zu und nahm seine Feder zur Hand. „Sie hat Glück dass sie nicht mehr gesagt hat. Aufwiegelnde Intentionen sind das! Es ist mir ein Rätsel, wie sie ihre Energie kanalisieren kann, wenn in ihr solche Gedanken vorgehen.“ Seine Federspitze tauchte in schwarze Tinte, während der zweitälteste von ihnen ihm zustimmte.
„Sehr wohl, ich spürte Zorn und Ungeduld in ihr. Aber wir sollten vor der Entscheidung bedenken, dass sie es doch sehr weit gebracht hat.“
Es zeichnete sich schnell ab, dass die Diskussion ebenso kurz andauern würde wie die anderen zuvor bis der älteste von ihnen zitternd aufstand und herumging um dort Platz zu nehmen wo Valeria gesessen hatte.
„Brüder, meine Sehkraft mag schwinden aber mir scheint ich sehe dort Potential wo ihr Gefahr erkennt.“ Seine vom Alter gekennzeichneten Lieder hoben sich. Ein beinahe erblindetes Augenpaar, zwang sich zu einem ungewohnt wachen Blick. „Es ist wahr, diese Frau will Krieg und hat ein wildes Herz! Und es ist ebenso wahr, dass sie ihre Liebe zu Ivgorod antreibt, im Guten wie im Schlechten. Ich selbst sprach noch mit den alten Patriarchen, die ein Ivgorod kannten, dessen Grenzen weit außerhalb dieser Mauern lagen. Unsere Gesetze vermögen es nicht die Leidenschaft aller zu Zügeln. Unser Ruhm und unsere Größe ist doch in dieser unserer letzten Stadt noch immer allgegegenwärtig. Ich bitte euch, lasst uns nicht vergessen, dass wir unsere Schüler formen und für diese heikle Mission jemanden entsenden wollten, der an der Aufgabe wachsen kann.“
„Es ist ein langer und beschwerlicher Weg.“ Sagte der zweitälteste Patriarch nachdenklich „Sicher warten auch Ruinen am Rand und Gefahr, die Blutvergießen bedingt, wird unweigerlich auftauchen.“
„Denkt Ihr, Sie würde lernen und geläutert zurückkehren?“ fragte der Mann an seiner Seite den Ältesten.
Seine Lippen umspielte ein lausbubenhaftes Lächeln „Niemand kann sagen, welche Erfahrungen sie macht und welches Wissen sie sich auf ihrer Reise aneignet. Wer weiß, vielleicht werden wir es sein, die geläutert werden.“
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