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[Story] Vurashdinia Ivgorod

SethSteiner

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3 September 2009
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Vurashdinia Ivgorod

Hoch über den Gipfeln Khanduras, fernab jeden menschlichen Auges, sprossen sechs fragile Arme aus einem unsichtbaren Tropfen Wasser. Ihre winzigen Äste verhakten sich auf dem Weg in die Tiefe mit denen anderer Tropfen und formten eine kleine Schneeflocke. So einzigartig wie jeder ihrer Kristalle auch war, jeder von ihnen gehorchte Gesetzen, die auf der ganzen Welt ihre Gültigkeit besaßen. Tausend und Ein Gott begründeten sie und wachten über ihre Einhaltung. Als Naarivana, die Göttin der Kälte, ihre Hand durch den ersten Fluß zog, schrieb sie ihre Gebote hinein und schuf damit das erste Eis und den ersten Schnee, als sie sie mit dem Wunsch wieder herauszog, dass jeder von ihnen ein Stern mit sechs Strahlen sein sollte, keiner wie der andere. Unter der Wacht dieser göttlichen Augen, getragen von scharfen Gebirgswinden, erreichte die kleine Schneeflocke schließlich eine Stadt im hohen Norden, wo sie sich in den weißen Haaren einer Frau verfing. Wie die anderen achtundsechzig Frauen auf dem Hof, nahm sie keine Notiz von ihr und ihren Geschwistern. Konzentriert auf Ketten von Schlägen und Tritten, galt deren ganze Wahrnehmung der Energie, die durch ihre Glieder floß und an den Enden gebündelt wieder heraustrat. Nur in den Stunden der Meditation am Morgen war der Geist der jungen Frau auf solch minimale Aberrationen fokussiert. Dort spürte sie auch den Atem Naarivanas, der ihre freiliegende Haut an den Armen streichelte und von dem Menschen des Südens behaupteten, er schneide ihnen die Ohrränder auf. Die Einwohner Ivgorods, zu denen Valeria sich zählte, empfanden und nannten ihn schlicht eine milde Kälte.

Im Anschluß an die Übungen auf dem Hof, folgte die Lehrstunde über die Weisung der Götter. Dreimal lasen sie in Gruppen zu dreißig Schülern einen Text über die Mechanik der Natur. In der ersten Stunde las er ihnen vor. In der zweiten Stunde lasen sie alle gemeinsam und in der dritten Stunde in vollkommener Stille. Diesmal ging es jedoch nicht ganz so ruhig zu, wie es Valeria gewohnt war. Wortlos trat einer der höheren Meister herein und berührte eine Schülerin an der Schulter um sie mit einer Geste hinaus zu bitten. Das Schauspiel wiederholte sich im Takt von zehn Minuten, bis sie selbst an der Reihe war. Verwundert folgte sie dem Mann durch die Flure des Klosters. Auf die Frage, was man denn von ihnen wollte, machte er keine Anstalten eine Antwort zu geben. Valeria bemerkte, dass sie den Frauentrakt des Klosters hinter sich ließen und in den Verwaltungsbereich des Klosters traten. Geduldig ließ sie sich in einen der schlanken Türme führen. Einige Schwestern behaupteten ihre Schnee umwehten Kuppeln bestanden aus Gold aber sie war sich sicher, das waren nur Geschichten für die Neuankömmlinge. Zwar konnte sie sich schon lange nicht mehr zu ihnen zählen und hatte sie selbst noch nie ohne den Eispanzer gesehen aber ein paar Schwestern aus den älteren Jahrgänge behaupteten es und sagten sie bestünden aus gelben Holz. Als sie nach vielen Stufen vor einer Tür anhielten, war Valeria sicher sich direkt unter der Kuppel zu befinden. Von der Idee beseelt ein für allemal eine Antwort auf das Rätsel zu finden, ging ihr Blick kaum eingetreten direkt nach oben. Eine blau gestrichene Decke - fantastisch.
„Valeria, setz dich zu uns.“ Verlangte eine Stimme im höflichen Ton. Sie gehorchte und ließ sich im Schneidersitz an einem niedrigen Tisch nieder. Fünf Männer saßen ihr auf Kissen gegenüber, einer älter als der andere. Wären nicht die roten Punkte auf ihrer Stirn und die unterschiedlich großen Kugeln um ihre Hälse, man hätte sie nur anhand der Falten in ihren Gesichtern und der Farbe ihrer spitz hinunterlaufenden Bärte unterscheiden können.
„Valeria, wir haben nur eine Frage an dich.“ sagte der jüngste von ihnen.
„Ich habe mich während des Weges auch gefragt, wie die anderen so schnell zurückkommen konnten.“ Als sie sah wie sich seine Brauen ungehalten zusammenzogen schloß sie ihre, die Frage abwartend die man ihr zu stellen gedachte.
Nach einigen Sekunden fragte der älteste Mönch, ganz rechts von ihr milde im Ton „Was unterscheidet dich von diesen anderen?“
Erstaunt blickte sie von einem zum anderen. Welche Antwort erwarteten die Patriarchen von ihr? War es eine philosophische Frage? Vermutlich, denn die Alternative war trivial und persönlich und -. Ihr Gedankengang wurde je unterbrochen.
„Welche Ideale hast du?“ fragte der zweitälteste.
„Was sind deine Wünsche?“ kam es rau von dem Mann direkt vor ihr. „Nun raus damit, du kannst nichts falsches sagen und erwartest auch keine Sanktionen aber antworte noch heute.“
Das war eine klare Ansage. Dennoch haderte sie, denn dass es keine Sanktionen geben konnte war nicht ganz richtig. Nicht alle Gesetze waren auch gerecht aber alle waren sie rigide.
„Patriarchen, ich trage dieselbe Kleidung wie alle Schüler und verinnerliche dieselben Werte und Lehren aber wir teilen nicht dasselbe Ziel.“
„Und das wäre?“ fragte der jüngste der Patriarchen.
„Ivgorod zu alter Stärke zurückzuführen!“ stieß es aus ihr heraus wie der Atem nach einem vollendeten Stoß. Zu spät Begriff sie was sie sagte und senkte entschuldigend ihr weißes Haupt.

Nach dem sie den Raum verlassen hatte seufzte der Mann am linken Ende des Tisches. Sein Blick war auf die Aufzeichnungen gerichtet, die Valeria Livia zum Titel hatten. „Sie erfüllt im Grunde alle Voraussetzungen aber sie ist nicht die einzige, ich denke wir können sie abhaken.“
Der Mönch neben ihr stimmte zu und nahm seine Feder zur Hand. „Sie hat Glück dass sie nicht mehr gesagt hat. Aufwiegelnde Intentionen sind das! Es ist mir ein Rätsel, wie sie ihre Energie kanalisieren kann, wenn in ihr solche Gedanken vorgehen.“ Seine Federspitze tauchte in schwarze Tinte, während der zweitälteste von ihnen ihm zustimmte.
„Sehr wohl, ich spürte Zorn und Ungeduld in ihr. Aber wir sollten vor der Entscheidung bedenken, dass sie es doch sehr weit gebracht hat.“
Es zeichnete sich schnell ab, dass die Diskussion ebenso kurz andauern würde wie die anderen zuvor bis der älteste von ihnen zitternd aufstand und herumging um dort Platz zu nehmen wo Valeria gesessen hatte.
„Brüder, meine Sehkraft mag schwinden aber mir scheint ich sehe dort Potential wo ihr Gefahr erkennt.“ Seine vom Alter gekennzeichneten Lieder hoben sich. Ein beinahe erblindetes Augenpaar, zwang sich zu einem ungewohnt wachen Blick. „Es ist wahr, diese Frau will Krieg und hat ein wildes Herz! Und es ist ebenso wahr, dass sie ihre Liebe zu Ivgorod antreibt, im Guten wie im Schlechten. Ich selbst sprach noch mit den alten Patriarchen, die ein Ivgorod kannten, dessen Grenzen weit außerhalb dieser Mauern lagen. Unsere Gesetze vermögen es nicht die Leidenschaft aller zu Zügeln. Unser Ruhm und unsere Größe ist doch in dieser unserer letzten Stadt noch immer allgegegenwärtig. Ich bitte euch, lasst uns nicht vergessen, dass wir unsere Schüler formen und für diese heikle Mission jemanden entsenden wollten, der an der Aufgabe wachsen kann.“
„Es ist ein langer und beschwerlicher Weg.“ Sagte der zweitälteste Patriarch nachdenklich „Sicher warten auch Ruinen am Rand und Gefahr, die Blutvergießen bedingt, wird unweigerlich auftauchen.“
„Denkt Ihr, Sie würde lernen und geläutert zurückkehren?“ fragte der Mann an seiner Seite den Ältesten.
Seine Lippen umspielte ein lausbubenhaftes Lächeln „Niemand kann sagen, welche Erfahrungen sie macht und welches Wissen sie sich auf ihrer Reise aneignet. Wer weiß, vielleicht werden wir es sein, die geläutert werden.“
 
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Viel Unbekanntes, das macht Lust darauf mehr zu erfahren :)

Bleib mal dran, hoffe das wird was längeres :top:

Rechtschreibung: Was ich gefunden habe, ist mit grün richtig dargestellt.

jeder ihrer Kristalle auch war, jeder von ihnen gehorchten gehorchte Gesetzen, die auf der ganzen Welt ihre Gültigkeit besaßen.

ihre Hand durch den ersten Fluß zog, schrieb sie ihre Gebote hinein und schuf damit das erste Eis und den ersten Schnee als sie, sie mit dem und den ersten Schnee, als sie mit dem Wunsch.. Wunsch wieder herauszog, dass jeder von ihnen ein Stern mit sechs Strahlen sein sollte, keiner wie der andere. Unter der Wacht dieser göttlichen Augen,

„Niemand kann sagen, welche Erfahrungen sie macht und welches Wissen sie sich auf ihrer Reise aneignet. Wer weiß, vielleicht werden wir sein es die vielleicht werden wir es sein, die geläutert werden.
geläutert werden.“
 
Danke dir, ich denke ich werde es noch etwas fortsetzten. Tja um 2 Uhr ging ich zwar noch drüber aber wohl keine gute Zeit um die Fehlerchen noch zu finden, ist direkt korrigiert.^^
 
Mit dem Untergehen der Sonne legte sich mitsamt der schleichenden Finsternis eine große Stille über das Sahptev Kloster. Zusammen mit den anderen Schwestern, saß Valeria in tiefer Meditation versunken in einem großen Saal. In wenigen Minuten würden sie hier zu Abend essen, bevor die letzte rituelle Waschung des Tages anstand. Man würde gemeinsam die langen Tische und Stühle hereintragen, Besteck und Geschirr verteilen und dann die beiden großen Glocken neben dem Altar schlagen lassen. Sie enthielten Gravuren mit Dankesformeln an die Götter und ihr Klang war gleichzeitig das Signal, das Essen hereinzubringen. Wer das Pech hatte in der Woche für die Küche eingeteilt worden zusein, kam nun herein um das Essen auszugeben und durfte erst anfangen, wenn jeder seine Portion erhalten hatte. Normalerweise konnte sich Valeria in den Abendmeditationen gut entspannen. Die Atmosphäre war geradezu heimelig. Feingewobene, orangene, Tücher bedeckten die Wände, vor denen mit bunten Stoffen geschmückte Keramiktafel weise Sprüche verkünden. In all den Jahren hier hatte Valeria nicht einmal erlebt, dass sie sich wiederholten. Aber so sehr sie sich auch anstrenge, heute wollte ihr Geist einfach nicht die richtige Balance finden. Die von der Begegnung mit den Patriarchen verursachte Aufregung hatte ihren Kreislauf durcheinander gebracht. Ein ungewohntes Gefühl saß seitdem in ihrem in ihrem Magen und brachte ihn ausgerechnet jetzt beim Gedanken an das baldige Mahl zum Rumpeln. Ihr Gesicht wurde heiss vor Scham, doch das schien es gewesen sein. Ruhe. Erleichtert versuchte sie ihre Gedanken wieder zu ordnen als ein ansteigendes Stottern ihre Eingeweide in Vibration versetzte. Valeria verweigerte sich dem Drang zu fluchen und damit die Situation noch zu verschlimmern als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Küchendienst, sicher ein ganzer Monat, vielleicht zwei wenn sie sich verbal Luft machte. Aufschauend bemerkte sie dass die Hand demselben Mann gehörte, der sie bereits aus der Lehrstunde herausgebeten hatte. Und auch diesmal deutete er schweigend zum Portal. Hörbar atmete Valeria die Luft aus, mit der sie gerade noch einen Fluch ausstoßen wollte und folgte ihm.
„Was geht hier vor?“ fragte sie gereizt als sie Abstand zum Saal gewonnen hatten. Sie erwartete bereits dass er ihr keine Antwort geben würde aber diesmal würde sie sich damit nicht zufrieden geben. „Ihr habt mich inmitten der Meditation gestört. Ich verlange zu erfahren was so wichtig ist, dass mein Tagesablauf systematisch durcheinander gebracht wird!“
„Ihr habt Hunger.“
Natürlich hatte sie Hunger verdammt, in diesem Kloster brauchte niemand Ohren zu haben um das zu erkennen. Wie sehr sie sich auch bemühte etwas , es sollte seine einzige Antwort auf ihre Fragen bleiben.

Wieder fand sie sich vor der Tür wenige Meter unter der schneebedeckten Kuppel. Diesmal wartete kein Komitee auf sie, nur der älteste Patriarch vor einer unerhört großen, dampfenden Schüssel. Die Glocken wurden geschlagen. Valeria verneigte sich höflich und setzte sich ihm gegenüber auf das orangene Kissen. Um ihren Hunger nicht noch mehr zu demütigen als es durch den Duft schon geschah hielt sie den Blick gesenkt und starrte auf die splitterige Holzkante des niedrigen Tisches.
„Ich habe nicht vor dich zu Foltern, Mädchen. Iss!“ Sagte der Patriarch und hob die Schüssel. Der Inhalt drohte, gefährlich in alle Richtungen schwappend, über ihren Schoß zu kippen. Schnell nahm Valeria das Gefäß in die eigenen Hände und blickte auf die köstliche Möhrensuppe. Riesige, zarte Stücke aus Rindfleisch schwammen wie glühende Eisberge zwischen weichen Karrottenscheiben und zerstreuter Petersilie. Der Duft hatte schon genügt ihren trockenen Mund zu befeuchten aber dieses Bild vor Augen.
„Es.. steht mir nicht zu. Ihr seid doch –“
„Ja?“
Valeria zwang sich aufzusehen „Ihr seid alt, Herr und ich zweifle dass ihr diese Treppe ohne weiteres bewältigen konntet. Es muss ein beschwerlicher Aufstieg gewesen sein, ich will euch vor eurem Abstieg kein stärkendes Mahl vorenthalten.“
Der Patriarch legte den Holzlöffel neben ihre Schüssel „Und ich wollte dich schon für deine Zurückhaltung zu tadeln aber für uns beide gilt: Bewerte ein Buch nicht nach seinem Einband! Wie zerschlissen und abgegriffen er auch aussehen mag. Nun iss und hör zu!“
Sein verblüffend scharfer Tonfall ließ Valeria gehorchen und den Löffel in die Suppe tauchen.
„Ich bin sicher du hast von dem Himmelsphänomen gehört, dass sich im Süden ereignet hat.“
„Daschisch scheit Tagen Gespräschschema Numma Einsch unsch!“ bestätigte Valeria, einen Rindfleischkloß im Mund zerkauend. Sie schluckte ihn hinunter „Wie oft bekommt man schon einen Meteor zusehen?“
„Kein gewöhnlicher Meteor, ein gefallener Stern! Händler aus Westmark erreichten gestern Mittag die Stadt und berichteten von seinem extraordinären Charakter. Er ging in Tristram, einem unbedeutenden Dorf im Südwesten Khanduras nieder. Man sollte meinen sein Einschlag hätte diesen Landstrich verheert aber das ist nicht der Fall. Nein, sein einziges Opfer war die alte Kathedrale. Es heisst er habe sich dort, durch das Fundament hindurch, tief in die Erde gegraben.“ Seine trüben Augen glitten zu einem unscheinbaren Folianten. Valeria fühlte, dass etwas beunruhigendes auf den Pergamentblättern stehen musste, denn er wagte es nicht das Buch zu ergreifen und weiter zu sprechen
„Die Suppe ist köstlich, Herr.“ Sagte sie nach einer Weile und tunkte wie zum Beweis ein weiteres Mal den Löffel hinein. Mit der verblüfften Miene eines Mannes, der sich zu früh aus dem Schlaf gerissen wähnte sah der alte Patriarch auf. Dann hoben sich seine Mundwinkel zu einem nachsichtigen Lächeln.
„Davon werde ich mich selbst überzeugen müssen, nach dem du dich verabschiedet hast. Zu meiner Zeit waren dies unsere Portionen, ich weiß gar nicht wie ich satt geworden wäre, hätte ich aus euren kleinen Schüsselchen essen müssen.“
„Es fordert Disziplin.“ Gab Valeria zu. „Aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Bitte, Herr, sagt mir weshalb ihr mir von dem Gefallenen Stern erzählt.“
Die fleckigen Finger des Patriarchen strichen über die ausgedünnten Haare seines Bartes als er wieder den Folianten ansah. „Du wirst das Kloster verlassen um ihn suchen, Valeria. Ein Schiff, das Marmor über Westmark und Kingsport nach Lut Gholein transportiert, erwartet deine Ankunft zur Mittagszeit. Es wird dich nach Khanduras bringen.“ Irgendwie ahnte sie so etwas aber die Nachricht tatsächlich zu hören ließ ihr Herz einen Sprung machen. Nach über zwei Jahrzehnten des Lernens und Meditierens sollte sie endlich einen Auftrag erhalten. „Ich war nicht damit einverstanden, dass jemanden der die volle Reife noch nicht erlangt ausgewählt werden soll“ seufzte er „aber ich wurde überstimmt. Ich nahm mir daher vor, unter den Schülern denjenigen zu finden der die beste Voraussetzung mit sich brachte und mich für ihn zu verbürgen. Das habe ich getan.“
Valeria stellte die Schüssel vor sich und verneigte sich vor ihm. „Euer Vertrauen ehrt mich, Patriarch.“
„Du bist nun beinahe dreißig Jahre alt, deine Ausbildung neigt sich der letzten Phase zu, doch die Ereignisse verlangen deine sofortige Erhebung in den Status eines Mönchs.“ Mit einer Mischung aus Aufregung und Unglauben sah sie auf. Das Komitee musste Hunderte angehört haben, die doch sicher weitaus bessere Gründe lieferten als sie. Wie wenn ihre Gedanken laut ausgesprochen worden wären erklärte der Älteste „Viele besitzen deine Stärken, sind dir ebenbürtig in Ausdauer, Kraft und Wissen. Aber so sehr ihr euch alle auch gleicht, in euren Antworten war sich keiner eins, was auch bedeutet dass niemand so töricht war wie du und vor unseren Augen das Gesetz brach.“
„Also.. wurde ich ausgewählt weil-“
„Unsinn!“ unterbrach er Valeria, ehe sie den Satz beenden konnte. „In diesen wenigen Worten las ich viel mehr heraus als das. Fehlende Erfahrung, mangelndes Einfühlungsvermögen und Opferbereitschaft. Auf deiner Reise wirst du dies und noch viel mehr selbst erkennen, drum nimm diesen Rat als Weisung an. Dein Auftrag beginnt nicht in Khanduras und er endet nicht in Tristram. Unterhalte dich mit den Menschen, sei hilfsbereit, wenn es die Umstände zulassen aber verliere nie dein Ziel aus den Augen!" Es folgte eine kurze Pause, ehe er weitersprach "Der Gefallene Stern ist nur der Anfang. Sollten sich meine Befürchtungen als wahr herausstellen, wirst du schon bald einen nicht enden wollenden Albtraum mit rar gesäten Hoffnungsschimmer durchleben müssen.“
Valeria nahm die Schüssel unbeeindruckt wieder zur Hand „Gleich was es ist, ich werde euch nicht enttäuschen, Herr. Lasst mich hören, was für Schrecken das Gleichgewicht bedrohen.“
 
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Das ist ein sehr gelungener Anfang, der Lust auf mehr macht!
Weiter so!
 
Kann mich Dame nur anschliessen!

Etwas mehr Absätze würden dem Lesefluss sicherlich gut tun ;) Weiter so :top:
 
Danke für das Feedback, habe es jetzt geschafft meine letzte Zeile zu schreiben (für heute). Mit mehr Absätzen folgt nun die Fortsetzung.
Edit: Einige Korrekturen
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Die Therme des Frauentrakts war über zwei, in die Tiefe führende, Treppen direkt mit dem Gemeinschaftssaal verbunden. Das Zentrum bestimmte ein rechteckiges Schwimmbecken, groß genug dass alle Frauen des Klosters gemeinschaftlich darin Baden konnten, was allerdings nie vorkam da die Nutzung einer Vielzahl von Vorschriften unterlag. Obwohl wie die gesamte Anlage überdacht, befand sich über dem Becken ein offener Streifen gleicher Breite und Länge, der Abends oder bei starken Schneefall durch einen Schirm aus Leder abgedeckt wurde. Große Fenster zwischen den marmornen Säulenreihen fluteten die Therme an sonnigen Tagen mit soviel Licht, dass man nicht mehr das Gefühl hatte in Wasser zu baden. Da es über Ivgorod allerdings zumeist bewölkt war, blieb dies eine seltene Freude.

Direkt an das Bad angeschlossen war ein Netz aus Räumen, die allesamt der rituellen Reinigung dienten. In einem davon stand Valeria bis zu den Knien im Wasser eines kleineren Beckens. Fackeln erleuchteten göttliche Mosaike links und rechts von ihr, auf denen sich Utensilien befanden mit denen der Körper von Haaren ebenso befreit werden konnte, wie von schlechten Gerüchen, die sich durch die vielen Kampfübungen nicht vermeiden ließen. Eigentlich war die Nacht viel zu kühl um das mannshohe Fenster geöffnet zu lassen aber die Therme wurde ständig beheizt und Valeria beschäftigten gerade weder Haare, noch Gerüche und am allerwenigsten die etwas weniger milde Kälte. Nachdenklich sahen ihre grünen Augen auf den wolkenverhangenen Himmel des Tamoe Gebirges, während sie den Schwamm in langsamen Bewegungen über ihre helle Haut zog. In einigen Stunden schon würde sie im Auftrag der Götter nach Süden ziehen, dort wo einst die Zerstörung des Arreat seinen Anfang nahm. Der älteste Patriarch hatte ihr viel erzählt, viele Fragmente einer Geschichte die weder er und noch viel weniger sie zusammensetzen konnte. Aber nach dem sie alles gehört hatte und noch viel mehr, was nicht direkt mit Diablo und seinen Brüdern zusammenhing, verstand sie seine Beunruhigung. Sie selbst sah als kleines Mädchen die Beweise eines zerbrechenden Kontinentes. Tausende von kleinen und großen Trümmerstücken, die wie Vögelschwärme hoch über ihren Köpfen durch den Himmel zogen. Beben die selbst in den Stärksten Säulen Risse zeichneten. Aber noch nie hatte sie die Meerengen gesehen, in die der Petronow, der Fluß unter Ivgorod, seit nun mehr zwanzig Jahren fließen soll.
Jemand stand hinter ihr. Valeria drehte den Kopf und sah eine junge Frau, deren vor der Brust verschränkte Arme nichts gutes bedeuten konnten. Ihre Mimik passte jedoch nicht zur Körpersprache. Schockiert blickten ihre Augen auf eine Tätowierung zwischen Valerias Schulterblätter, knapp unter ihrem Nacken. Zu spät zogen sich ihre Brauen verärgert zusammen.

„Du legst es wirklich darauf an, dass man dich irgendwann für deine ganzen Verfehlungen bestraft oder?!“
„Ich kann nichts dafür, dass mich Patriarch Pjotr zu sich holen ließ. Es gibt keine Vorschrift die mir verbietet, die rituelle Reinigung nachzuholen.“
„Du weißt dass das nicht stimmt oder?“
Valeria grinste „Ich weiß, dass du noch viel weniger hier sein solltest als ich. Warum machst du dich nicht nützlich, Katrina und wäschst mir den Rücken? Aber pass oben etwas auf.“
Bevor sie sich sperren konnte flog der jungen Frau auch schon der nasse Schwamm in die Hände. Vom fröhlichen, siegesgewissen Augenpaar überredet, entledigte sich Katrina widerwillig ihrer Kleidung und schlug ihr den Schwamm auf die frische Tätowierung.
„Sieben verdammte Jahre!“ zischte sie. „Wenn du ihnen wirklich gesagt hast, was du mir gesagt hast, was du ihnen gesagt hast.. dann Gratulation.“
„Danke.“ Sagte Valeria leise, die nur einen kurz aufflackernden Schmerz verspürte. So oft wie sie ihre Freundin in Schwierigkeiten brachte hatte sie ihn sich redlich verdient. „Du musst dir keine Sorgen machen mich zukünftig mit Herrin anzusprechen.“

Katrina wusch langsam hinunter zum Steiß und rief etwas zu laut „Soweit kommt’s noch!“ Fluchend wiederholte sie leiser „Govno! Soweit kommt’s noch!“. Valeria begann leise zu lachen bis sie eine salzige Träne in ihrem Mundwinkel schmeckte. Ihr Körper realisierte den Abschied früher als ihr Kopf. Wenn sie morgen in der Früh durch die Tore des Klosters trat, die Straßen hinunterging und zum kleinen Hafen am Fuß des Berges ging, ließ sie nicht nur einen monotonen, streng geregelten Alltag hinter sich, sondern auch eine Reihe geliebter Menschen. Valeria kniete sich ins Wasser damit die kleinere Frau ihren Kopf waschen konnte. Diese Reise konnte Monate dauern. Ein sehr, sehr altes Gefühl sammelte sich in Valerias Brust. Nägel kampferprobter Finger kratzten über ihre Oberschenkel, wütend über die aufkeimende Zweifel formten sie Fäuste. Im Schein der Fackeln, unter den Mosaiken der Götter, begann sie leise Katrina über das was geschehen war und über das was geschehen würde zu berichten. Sie lauschte ihren Ausführungen wie Taub, dirigierten Valeria durch die rituelle Prozedur statt auf das Gehörte zu reagieren. Im Wechselspiel zarter Berührungen und entschlossener Lockerungen, wärmte Wasser dass wie Farbe aus einem Pinsel über Brust und Arme zog, ihren stetig abkühlenden Körper. Valerias Geist glitt in eine Trance, beherrscht von Katrinas Händen und ihrer eigenen Stimme. Irgendwie schaffte ihre Freundin etwas, dass ihr nie gelungen war - Körper und Seele zu reinigen.

Irgendwann schwieg auch Valeria. Mit ausgestreckten Armen lehnte sie an der Wand unter dem Mosaik und blickte wieder in die Nacht. Sie hatte alles erzählt.
„Was machst du wenn du auf deiner Reise einen Paladin triffst und dich in ihn verliebst?“ fragte Katrina, die regelmäßig den Schwamm über ihre Haut führte.
„Das ist die erste Frage die du mir stellst?“ Valeria fixierte ihre Freundin lachend bis sie den Ernst in ihren Augen sah. „Komm schon! Was hätte Parakoscha davon mein Herz mit dem eines stinkenden Zakarumkriegers zu verbinden? Die Götter haben mich ausgewählt damit ich Ivgorod verteidige!“
„In Tristram.“
„Glaubst du dem Patriarchen nicht? Du hast meinen Rücken gesehen, sieben Jahre Katrina! Liebschaften sind das Letzte woran ich jetzt denke.. oder denken sollte.“
Katrina legte mit einem leisen Lächeln den Kopf schief. „Vielleicht ist es wirklich dein Schicksal uns irgendwann anzuführen. Ich habe immer mit dir geschimpft, wenn du von deinen verrückten Ideen phantasiert hast aber eigentlich wusste ich nie ob ich dich dafür nicht eigentlich bewundere. Ich weiß es immer noch nicht aber ich verspreche dir dass ich es tue wenn du zurückgekehrt bist. Egal zu welchen Erkenntnissen dich dein heiliger Auftrag führt auf die eine oder andere Weise wirst du Gesellschaft brauchen und Parakoscha sei meine Zeugin, mein Herz hast du!“
Valeria zog Katrina sanft an sich heran. Diese Worte bedeuteten ihr viel, auch wenn sie sie für ihren Geschmack viel zu theatralisch formulierte aber sie waren echt und deshalb wogen sie schwer.

Es war noch dunkel als sie das Kloster verließ. Die Straßen machten einen ausgestorbenen Ausdruck, nur einige wenige Händler bereiteten schon ihre Stände vor. Aus einer Bäckerei drang warme, herrlich duftende Luft, die Valeria dazu verleiteten stehen zu bleiben. Sie stellte sich vor, wie sie hier zufällig ihrer Familie begegnete. Stolz würde sie ihnen ihre hölzernen Kugeln präsentieren und den Stoff des leuchtend gelben Gewandes fühlen lassen. Ihre Geschwister würden sicher als erstes fragen, ob ihr der breite, dunkelrote Gürtel nicht die Luft zum Atmen nahm und das Frühstück aus ihr herauspresste. Natürlich tat er das nicht, sie konnte schließlich länger als jeder andere die Luft anhalten und den Luxus eines Frühstücks hatte sie nicht, sie war in heiliger Mission unterwegs! Kopfschüttelnd entledigte sie sich diesen unsinnigen Gedanken. Prahlerei war untersagt, die Stadt zu groß und der Tag zu früh um irgendjemanden anzutreffen, den sie zuletzt vor über zwanzig Jahren gesehen hatte. Vermutlich erkannte sie nicht mal mehr das Gesicht ihrer eigenen Mutter, selbst wenn sie direkt vor ihr stehen würde.

„Nun habt Ihr Euren Willen, Pjotr! Da geht Sie hin, die unreifste Kandidatin die wir uns ausmalen konnten! Wir hätten uns doch nicht für eine Schülerin entscheiden sollen.“ Geiferte der jüngste der Patriarchen, der am Fenster eines hohen Turms zusah, wie Valeria die Tore der Stadt passierte.
„Ihr irrt. Weder ist sie die unreifste, noch ist sie eine Schülerin. Sie ist ein Mönch und sie hat uns wenigstens nicht mit einem halbstündigen Monolog in den Schlaf geredet.“
„Was?! Ihr habt Ihre Ausbildung ohne unsere Zustimmung beendet und -“
„Ja, ja das habe ich alles.“ Sagte der alte Mann gelangweilt und wedelte genervt in der Luft um ihn zum Schweigen zu bringen. „Ein Patriarch hat das Recht wen er will und wann er will zum Mönch zu machen. Erhebt eure Stimme nicht in belehrender Weise, wenn ihr es in unlauterer Absicht tut. Ich kenne alle unsere Vorschriften, selbst die einfältigsten.“
„Verzeiht aber ohne eine Prüfung.“

„Ihre Prüfung war unsere Befragung. Narrt mich nicht, Wassjew! Ihr hättet dasselbe getan. Jeder von uns!“ Deutlich bemerkte er, wie die falsche Reue des Mannes neben ihm abfiel. „Noch nie verließ ein Schüler Ivgorod in offizieller Mission. Solche Aufgaben sind Mönchen vorbehalten, selbst wenn noch keinen so jung wie Valeria Livia gab.“
Schnaubend stieß sich der junge Patriarch vom Fenster ab „Mit Arreat sind auch die großen Übel verschwunden! Ihr glaubt die Götter wollen, dass wir Mönche entsenden um mehr als Dämonen zu bekämpfen aber was diese Frau finden wird ist nichts als ein Stück Eisen in einer zerstörten Kathedrale.“
„Wir haben denselben Glauben aber das heisst nicht, dass wir aus den Zeichen dasselbe schließen. Ich wünsche mir mehr als alles andere, dass ihr Recht habt.“
„Pah!“ Patriarch Wassjew ging zur Tür „Ihr könnt es verleugnen wie Ihr wollt, ich habe mich um wichtigere Aufgaben zu kümmern. Nicht jeder kann es sich leisten, seine Zeit mit solchen Spielen zu vergeuden!“
Laut schlug die Tür hinter ihm zu. Pjotr sollte es Recht sein. Er konnte Valeria dort unten nicht sehen aber er spürte ihre unstete Aura. Natürlich spielte er aber er tat nur das, was alle Patriarchen taten. Nur lag ihm tatsächlich etwas am Willen der Götter.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wow, gefällt mir wirklich sehr!! Ich finde deinen Schreibstil hervorragend. Ich hoffe, das geht bald weiter! :go:

3. Letzter Absatz:

SethSteiner schrieb:
Ihre Geschwister würden sicher als erstes fragen, ob ihr der breite, dunkelrote Gürtel nicht die Luft zum Atmen war nahm und das Frühstück aus ihr herauspresste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da sind ein paar sehr schöne Bilder dabei :)

Mehr Absätze hat es jetzt auch. Die gelegentlichen fehlenden Worte oder unklare Formulierungen stören etwas, aber nicht sehr.

Sie lauschte ihren Ausführungen wie Taub, dirigierten Valeria durch die rituelle Prozedur statt auf das Gehörte zu reagieren

Ist mir ansatzweise klar, könntest Du aber noch deutlicher herausarbeiten.

Weiter so!
 
Der letzte Teil wurde überarbeitet und gemeinsam mit dem Edit gibt es einen neuen Storyteil.
@DameVenusia
Ich hatte überlegt ob ich da mehr schreibe oder nicht, habe mich dann aber dagegen entschieden um eine allzu sexuell aufgeladene Stimmung zu vermeiden, die sonst leicht hätte aufkommen können.

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Der Hafen, auf halber Strecke zwischen dem Schlangenkanal und Ivgorod, besaß keinen Namen. Schon immer war die Stelle, wo sich der Petronow rasant vom zwanzig Fuß breiten Bach zum großen Strom entwickelte, ein beliebter Platz der Fischer aus der Umgebung. Ausgedehnt ragten ihre kleinen Stege ins Wasser, weit genug voneinander entfernt dass sie von vorbeifahrenden Booten kaum wahrgenommen wurden. Dann riss das Land auseinander. Unversehens mündete der Fluß in eine gewundene Meerenge. Eine Gelegenheit tat sich auf, der nur von wenigen eine besondere Tragweite zugemessen wurde, doch diejenigen die die Zeichen der Zeit erkannten nutzten sie. Zwischen den Stegen entstanden erste Häuser, irgendwann wurden es genug um sie mit Straßen zu verbinden. Ein Teil des Waldes verschwand mit den kleinen Dörfern als sich der Hafen entwickelte und Lager entstanden. Als diese sich füllten, begann ein Kontor Gestalt anzunehmen, das sich mit jedem Jahr höher und weiter streckte. Mit jedem neuen Schiff wurden die Stege länger und ausgedehnter, mit jedem Mast robuster und tragfähiger.

Valeria blickte fasziniert von ihrer kleinen Fähre auf diesen menschgemachten Wald aus wankenden Stämmen und gewaltiger, schalenförmigen Wurzeln. Ihr Land hatte nie etwas mit der Seefahrt zutun gehabt aber der Hafen hatte sich trotzdem strategisch günstig entwickelt, in militärischer ebenso wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Einige Münzen wechselten den Besitzer bevor sie aus der Fähre stieg. Auf dem Weg zum Kai kam sie an einigen Seeleuten vorbei, die hoch auf dem Rah des Masts sitzend ein strahlend weißes Segel hinaufzogen. Ein angeregtes Gespräch zweier Männer zog ihre Aufmerksamkeit an anderer Stelle auf sich. Die purpurne Kleidung des einen, mit einem Kragen aus goldglänzenden Pelz, zeugten vom hohem Rang. Der Andere, unrasiert und in Gewändern gehüllt die seiner Arbeit mehr entgegenkamen, interessiert sich dafür kein Stück. Mit kräftiger Stimme verlangte er einen besseren Anlegeplatz für sein Schiff, für den schließlich bereits im Frühling bezahlt worden war. Valeria konnte sich nicht erinnern wann sie je zuvor eine solche Betriebsamkeit erblickt hatte. Egal wohin sie ihren Blick richtete, nirgends gab es auch nur eine ruhige Stelle, irgend etwas war immer in Bewegung und wenn es nur die baumelnden Füße faulenzender Arbeiter waren.

Nachdenklich blieb Valeria an einer Straßenecke stehen, wo sie niemanden im Weg stand. Man hatte es ihr versäumt mitzuteilen wo sie die Ledokol, die Eisbrecher, erwarten würde. Am Namen erkannte sie zumindest dass es eines ihrer Schiffe sein musste aber das machte die Suche nicht einfacher. Im Gegensatz zu den ausländischen Kähnen war Ivgorod für bunte Segel bekannt und schillernde Stoffe flatterten soweit sie sehen konnte. Bürokratie bestimmte jeden Teil ihrer Gesellschaft, warum nur musste die einzige Ausnahme dieser kilometerlange Kai sein?
„Diese Bescheinigung trägt den Stempel des Kontoristen Matovic und er enthält das Datum!“
„Wie oft wollt ihr mir diesen Wisch noch entgegenhalten?! Ein Stempel ist ohne die Unterschrift nichts wert! Gebt endlich Frieden und lasst mich meine Arbeit erledigen!“
„Aber er trägt das Datum!“
„Der Stempel aber nicht der Schein!“
Der hitzige Streit war dabei sich vom Steg auf die Straße zu verlagern, da erinnerte sich Valeria an das Schreibbrett in der Hand des einen, vielleicht wusste er wo ihr Schiff zu finden war. Die beiden Männer rannten sie fast um als sie plötzlich vor ihnen auftauchte.
„Seid Ihr der Hafenaufseher?“
„Hafenmeister.“ Berichtigte er sie und verbeugte sich respektvoll „Hafenmeister Odo, kann ich Euch irgendwie behilflich sein?“ fragte er sichtlich erfreut endlich eine Ablenkung gefunden zu haben.
„In der Tat. Ich bin auf der Suche nach einem Schiff, der Ledokol.“ Im Augenwinkel bemerkte sie genau wie schwer es dem Seemann fiel ihr nicht ins Wort zu fallen. Es war nur ihrer Erscheinung als Mönch zu verdanken, dass er sich zurückhielt.
„Natürlich, lasst mich nachsehen und uns einige Schritte gehen.“
„Nein.“

„Oh.. nun gut.“ Der Hafenmeister schürzte verunsichert die Lippen, dann wandte er sich den Papieren zu. Seine Finger zeigten Verletzungsspuren, offensichtlich von der widerstandsfähigen Klemme, die einen Stapel von der Dicke eines halben Buches zusammenhalten musste.
„Was ist eigentlich das Problem?“ fragte Valeria, da es scheinbar eine Weile dauern würde und sah dabei den Seemann an.
„Was das Problem ist?“ Augenblick kam die Schärfe in seiner Stimme zum tragen. „Ich habe im Frühjahr einen Anlegeplatz direkt am Kai für mein Schiff gekauft. Fünftausend Goldstücke hat das gekostet.“
„Nicht wenig.“
„Kann man wohl sagen! Mitinbegriffen ist ein guter Stellplatz im Lager neben dem Kontor, außerdem Verpflegung für die Mannschaft.“
Nun verstand sie auch warum niemand geringeres als der Hafenmeister sich mit ihm auseinandersetzen muss. Ungeduldig riss sie diesem das Brett aus der Hand.
„Lasst mich selbst einen Blick drauf werfen.“
„Heh! Herrin, dies ist..“ Ein strenger Blick brachte ihm zum Schweigen. Flink stießen ihre Finger die Blätter in die Luft bis sie bei einem Eintrag ankam. Kein Wunder dass er so lange gebraucht hatte, die Ordnung wurde durch Schiffstypus und Herkunftsland bestimmt und die Namen waren durch die Klemme nach einer Weile nur noch in den riesigen Textblöcken in winziger Schrift zu entdecken.
„Hier steht die Ledokol ankerte an einem der Anlegeplätze für den ihr meint bezahlt zu haben, Kapitän. Wäre es Euch recht ihren Platz einzunehmen? Sie wird nach meiner Ankunft sofort ablegen.“

„Selbstverständlich!“
„Kommt gar nicht in Frage!“ Rief der Hafenmeister in einem Ton der einer Explosion nahe kam. „Ihr habt keine Befugnis Euch in diese Angelegenheit einzumischen, soweit kommt es noch! Solange dort kein Vermerk zu seiner ominösen Zahlung von fünft-“
Unbeeindruckt unterbrach ihn Valeria „Eure Bürokratie ist ineffizient und fehleranfällig. Keine chronologische oder alphabetische Ordnung, keine Listen, Tabellen oder Akronyme. Leistet meiner Order folge oder all diese Vermerke gehen buchstäblich den Petronow runter!“
Für einen Moment wich sein Zorn und seine Hände hoben sich zu einer beruhigenden Geste. „Halt!“ Seine Augen sahen mit zurückkehrender Verärgerung zum Kapitän „Ihr könnt Anlanden.“
Valeria warf achtlos das Brett mit allen Papier ins Wasser und ging zurück zur Straße „Schön das Ihr fähig zur Einsicht seid, nun habt Ihr genügend Zeit Euch über den Rest Gedanken zu machen.“
Ein grollendes Lachen mischte sich unter der anbrandenden Welle aus Wut. „Seid Ihr des Wahnsinns?! Ich werde mich bei den Patriarchen beschweren. Wie ist Euer Name, Mönch?!“
Kurzzeitig spielte sie mit dem Gedanken ohne ein weiteres Wort im chaotischen Hafenbetrieb zu verschwinden, doch was würde das für ein Licht auf die Sahptev Klöster werfen? Sie entschied sich anders und rief, ohne sich noch einmal umzuwenden: „Ivanova.“

Nach etwas weniger als einer Viertelstunde erreichte sie ein seltsam anmutendes Holk. Auf den schwarz-weiß gevierten Segeln prangte ein dunkelblauer Adler, der seinen ehrerbietungswürdigen Kopf zum Fluß reckte. Die Ledokol war ein Dreimaster mit einem ausgedehnten Rumpf aber das besondere war ein breiter metallverkleideter Bug, wie ihn kein anderes Schiff besaß. Zwischen den etwas mehr als ein Dutzend Männern stach einer besonders hervor. Er trug einen Rollkragenpullover in derselben Farbe des Adlers und war der einzige der genüsslich an einer Pfeife zog. Seine scharfen, grauen Augen erblickten Sie sofort.
„Ah, na endlich. Fertig machen zum Ablegen!“ krakeelte er lautstark über das Deck.
Valeria sprang über die Rehling und machte sich daran aus ihrem großen, ledernen Tornister den zerknitterten Brief herauszuholen der ihr mitgegeben wurde.
„Nicht nötig, ich seh’ ja wer Ihr seid. Kapitän Lupacz.“
„Valeria Livia.“ Sie schüttelte seine Hand und entfernte sich mit ihm ein paar Meter von der Rehling um der Mannschaft nicht im Weg zustehen.
„Ungewöhnlicher Name für eine Ivgoroderin, stammt Eure Familie von Philios?“
„Es heisst die Großmutter meines Vaters kam von einer der Skovos Inseln, ich konnte nie herausfinden von welcher. Am einen Tag hieß sie Skartara, am anderen Philios. Seid ihr sicher dass ihr meine Depesche nicht sehen wollt?“ Aufgewachsen in der Bürokratie des Klosters war es ihr irgendwie unangenehm, dass er ihr Erscheinen einfach für gegeben hinnahm.
„Absolut.“ Versicherte er ihr schmunzelnd. „Ein Schiff bietet nicht viel Komfort, der einzige Schlafplatz der Euren Gewohnheiten entspricht dürfte auf den geladenen Fellen sein.“
„Danke, Kapitän. Im Gegenzug für Eure Gastfreundschaft könnt ihr mich bis ich wieder von Bord gehe als Teil der Mannschaft begreifen.“

Seine buschigen hellen Augenbrauen zogen sich kritisch zusammen „Ihr wollt arbeiten? Habt Ihr schon einmal auf einem Schiff gestanden?“
„Nein aber ich kann anpacken, gehorchen und kenne die Begriffe. Steuerbord,“ sie zeigte nach rechts „Backbord,“ sie zeigte nach links „Bug,“ ihr Finger zeigte nach vorn „Heck,“ ihr Daumen nach hinten „Rah,“ er zeigte hoch „dass da ist ’ne Kogge,“ ihr Kinn reckte sich zum nächsten Schiff „wir stehen auf einem Holk und haben Vollzeug. Wenn ihr mir ein Tau gebt, mach ich Euch einen Knoten.“
Kapitän Lupacz zog regungslos an seiner Pfeiffe bevor er kehlig rief „Anton, gib mir mal ’ne Leine!“ Ein kräftig aussehender Arm warf ihm ein dünnes Seil zu, welches er an Valeria weitergab. Sie formte ein Auge, zog das herunterhängende Ende durch, wand es um das kurze Ende und wieder zurück durch das Auge.
„Den konnte ich schon bevor ich ins Kloster ging.“
„Könnt Ihr das auch ohne hinzuschauen?“
„Auch wenn mir die Gischt ins Gesicht schlägt.“
Ihr Gegenüber nickte zufrieden „Gut, dann Willkommen auf der Ledokol. Ist mir neu dass Mönche was vom Segeln verstehen.“
Valeria nahm es als Kompliment und lächelte begeistert „Wir kommen als Schüler zwar nicht raus aber unser Unterricht deckt alles ab. Ich würde mich allerdings nicht darauf verlassen dass es außer mir noch viel mehr gibt die ein Palstek von einem Rundtörn unterscheiden können. Ich habe mir das meiste Wissen außerhalb der Lehrstunden angeeignet.“
Lupacz pustete eine graue Wolke in die Luft „Einer meiner Jungs ist im Kloster, schön zu wissen dass er dort was anständiges lernt. Bringt Eure Habseligkeiten unter Deck und seid rechtzeitig zurück, wenn wir Wodnatrim um eine schnelle, sichere Fahrt bitten.“
 
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Sehr gut geschrieben, das gefällt mir je länger je mehr :)

Schön mal wieder eine Qualitätsstory zu lesen :D :top:

Bitte mehr!
 
So, jetzt kam ich auch dazu.
Wieder schön geschrieben. Auch mir gefallen die Details, die gleich etwas von der Stimmung vermitteln.
 
Kann ich mich nur anschließen. Wäre schön, noch mehr zu lesen, hat echt Spaß gemacht.
 
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