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[Story] Saqqara

Reeba

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Karte Sanktuario

d3 be ta

Liebe Leute,
willkommen zu einer neuen Sanktuario-Geschichte. Sie knüpft an den Vorgänger 'Der Gipfel der Welt' an, den man aber nicht zwingend gelesen haben muss.
Oben eine Karte, die das von mir zu eigenen Zwecken umgestaltete Sanktuario zeigt und lediglich der Orientierung dient. Dass die Karte die normale Postbreite 'sprengt', tut mir Leid, aber alle kleineren Versionen wären schlechter zu lesen gewesen.
Bevor es gleich mit dem ersten Kapitel losgeht, möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Betaleser Stalker sowie bei Redinter und LeBigMack bedanken, die sämtlich einen bedeutenden Teil zu den Basisentwürfen beigetragen haben. Dank auch an Schlawiner, der mir mit dem Posten der Pics geholfen hat.
Nun allen, die Lust auf ein neues Abenteuer haben, eine gute Reise ;)

Hier noch einmal der Link zur Vorgeschichte:
Der Gipfel der Welt
Kapitelübersicht

TEIL 1:

I. Zugvögel
II. Der Auftrag
III. Die Falle
IV. Flucht
V. Nach Lhabarna
VI. Wiedersehen
VII. Hadans Geschichte
VIII. Das Fenster nach Osten
IX. Puntra Sanashra
X. Stadt der Tempel
XI. Shatryindjah
XII. Kurast
XIII. Tausend Augen
XIV. Gefangene
XV. Der Kindgott
XVI. In die Wälder
XVII. Das Wegende im Eis
XVIII. Flüsse aus Kupfer
XIX. Die Freiheit der Jäger
XX. Die Welt zu euren Füßen
XXI. Nach Süden

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TEIL 2:

XXII. Neue Gefährten
XXIII. Das Ende der Unschuld
XXIV. Rast ohne Ruhe
XXV. Pundar
XXVI. Blitz und Hammer
XXVII. Die vergessenen Völker
XXVIII. Schwarze Straßen
XXIX. Travincal
XXX. Bhavesh, Herr der Welten
XXXI. Nach der Schlacht
XXXII. Helle Gestade
XXXIII. Zwischen den Fronten
XXXIV. Alte Waffenbrüder
XXXV. Die Offenbarung
XXXVI. Der dunkelste Tag
XXXVII. Wüstenwind
XXXVIII. Lut Gholein

*******

TEIL 3:

XXXIX. Befestigungen
XL. Vorzeichen und Entschlüsse
XLI. Meere aus Sand
XLII. In den Gräbern
XLIII. Die heimlichen Wächter
XLIV. Das Dämonentor
XLV. Rückkehr
XLVI. Der letzte Morgen
XLVII. Verbündete
XLVIII. Ruhe vor dem Sturm
IL. Angriff
L. Das neue Übel
LI. Blut und Asche
LII. Die Last der Lebenden
LIII. In Zeiten des Krieges
LIV. Dämmerung
LV. Der Ritus des Pakhra
LVI. Der wandelnde Gott
LVII. Die rauchende Stadt
LVIII. Zeitenwandel
LIX. Saqqara
LX. Getrennte Wege



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SAQQARA



I. Zugvögel





Aus dem Schilf am Rande eines seichten Wasserlaufs stoben kleine Vögel auf.
Sie schwangen sich in fließender Formation über das Ufer und ein angrenzendes Feld hinweg, bevor sie in weißlichem Dunst verschwanden.
Die Sonne stand niedrig in rosig grauem Licht. Ein schrankenloser, verschleierter Himmel ruhte über dem morgendlichen Land, und Frühnebel, den die blasse Sonne kaum vertreiben konnte.
Die Gestalt, die in ihrem schnellen Lauf die Vögel aufgescheucht hatte, hielt kurz an. Der Weg, auf dem sie sich befand, war eine Allee zwischen dicht und dunkelgrün belaubten Bäumen, die Felder und Wiesen nahezu schnurgerade durchschnitt. Nacht und Tag tauschten die Plätze in einer langen und heimlichen Helle.
Zwischen zwei Bäumen der Allee stand sie und schaute weit hinaus in das Land.
Sie war lange gelaufen an diesem Morgen, in einem ausgedehnten Bogen um die Felder und die zusammengewürfelten Häuser, die Gehöfte mit ihrem frühen Federvieh. Ihr Atem ging schnell, aber gleichmäßig. Kein Brennen, nur eine Blutwärme begleitete das Luftholen. Der alte Schmerz war nicht mehr, abgelöst von einem wachen, aber unvermeidlich veränderten Selbst.
Der andere Teil ihrer Aufmerksamkeit richtete sich ganz auf das, was sie sah.
Das weite, flache Tal lag in hellem Dunst, unterteilt durch Hügelrücken oder Baumreihen. Fruchtbares, gut bestelltes Land. Es blühte auf, den kommenden Sommer spürend, doch mit der Langsamkeit einer Region, die dem Norden sehr nah ist. Der Süden aber gastierte hier und färbte das Leben. Bald würden Kraniche kommen und den Frühnebel vieler Morgen mit rauschenden Gefieder füllen.
Noch einen Moment lang blickte sie in die Weite, dann löste sie die Hand von der Rinde des Baumes und fiel wieder in leichten Trab. Doch sie war an diesem Morgen von etwas berührt, das ihre Routine störte. Es schien überall aus der erwachenden Landschaft zu steigen, ohne sich klar zu offenbaren.
Ein einsamer Ochsenkarren begegnete ihr auf einem weiteren, baumgesäumten Weg.
Bauern wanderten vereinzelt gemächlich auf die Felder, schürzten die Röcke, sahen mit aufgekrempelten Ärmeln der Vorbeieilenden nach. Manche, die sie kannten, grüßten lächelnd, bevor sie sich über ihre Hacken und Pflüge bückten.
Ihr Lauf trug sie ihrem Haus zu.
Es lag am Rande eines Waldstücks. Ein kleiner Garten, ein Bretterzaun, mehr trennte das hölzerne Häuschen nicht von den dicht stehenden Laubbäumen, die ihre vordersten Äste über das schräge Dach vorstreckten. Der blasse, stille Morgen ließ vergessen, wie nah die Stadt war – Kalamë, schlicht und geschäftig, am südlichen Ende der Halbinsel Camdra.
Eya atmete noch einmal die kühle Morgenluft ein, dann ging sie ins Innere der alten Bauernkate.
Eine Weile später saß sie auf der Bank vor dem Haus und ließ sich das nasse, schwarze Haar von der bleichen Sonne trocknen. Sie saß still, zurückgelehnt, aber ein Glühen erhitzte ihr das Gesicht, und die Brust hob sich ihr schwer. Es kam nicht vom Laufen.
Sie rührte den Teller neben sich nicht an, und nur gelegentlich setzte sie abwesend einen Becher an den Mund.
Ihre Augen hingen an der morgendlichen Ebene, die schwebend in geheimnisvoller Weite dalag, wie frisch erschaffen.
Sie fragte sich, warum diese Schönheit ihre Unruhe nicht besänftigte. Die Anwandlung, aufzustehen und in diese Weite hineinzulaufen, darin zu verschwinden, griff nach ihr mit einer Heftigkeit, dass sie unwillkürlich tief Luft holte.
Mit der Linken strich sie über das Holz der Bank, als schulde sie dem Haus eine Versicherung, dass es an ihm nicht liege.
Für einen Augenblick streifte sie die Ahnung, dass sie bereits unrettbar in dieser seltsamen Veränderung verloren sei, doch wie alles Unerwartete fasste ihre Seele den Gedanken nicht auf.
Das Land und die Zeiten indes hatten sich spürbar verändert.
Auf den Strassen waren mehr Händler unterwegs, auch Reisende, und Letztere – auf Camdra bislang ein seltener Anblick – ließen eine allerorten angestiegene Bewegung vermuten. Berichte derselben Händler und Reisenden bestätigten dann, dass tatsächlich nicht nur die Regionen der Landbrücke, sondern auch alle anderen, die sie bereist hatten, in Bewegung waren. Sie taten sich schwer, es in Worte zu fassen. Lasten, Menschen, Gruppen zogen, strebten überallhin, wurden herumgeschafft in immer mehr und mancherorts nie zuvor gesehenen Transportmitteln. Riesige, neue Schiffe suchten und fanden frische Passagen, und Eya hatte mit eigenen Augen in der Stadt Fuhrwerke durch die Strassen poltern sehen, die keine einfachen Karren mehr waren, sondern eigens für die Beförderung vieler Menschen oder Güter gebaut schienen.
Vor allem aber die Menschen selbst wirkten verändert.
Eifriger Handel treibend, besorgter noch als ohnehin um ihre Zukunft, ihr Land und ihren Besitz wirkten sie, misstrauischer. Die alte Zeit, in der die Magie das Überwinden großer Entfernungen noch nicht ersonnen und in der die Landbrücke unter durchziehenden Heeren zu leiden gehabt hatte, kam ihnen vielleicht wieder in den Sinn. Jetzt, da die Wegpunkte nicht mehr arbeiteten, mochten solche Tage wiederkehren, munkelten Viele. Selbst einfache Bauern und besitzlose Tagelöhner stützten sich auf ihre Hacken und sahen über die Ränder der Felder hinweg zum Horizont, hinter dem etwas Fernes ihnen jüngst unaussprechliche Sorge bereitete.
Und die kleine Stadt Kalamë, die seit jeher einverstanden mit ihrer abgelegenen Lage und durchaus stolz auf die gemächliche Gangart ihres städtischen Lebens gewesen war, lauschte nach den anderen Gegenden hin, fragte die von weither Kommenden aus, sprach plötzlich dringlicher über Dinge, die sie sonst als Eigenarten der Fremde abgetan hatte.
Eya war es mit einem Mal, als sehe sie die Umrisse der ersten Häuser, die sich in die von hier aus zu überblickende Ebene rechts hineinstreuten, wo die Stadt begann.
Sie konnte es nicht verhindern.
Aus der Landschaft und der Unruhe kam die Erinnerung zu ihr.
Ein hoher Raum, ein riesiges Bauwerk auf schneeigem Gipfel. Todgeweihtes, rotes Leuchten. Eine feiernde Stadt und ein Hafen voll schwankender Schiffe. Gesichter, nah und zugleich fern. Ihre Hand wanderte zu ihrem Hals, wo auf ihrer weißen Haut eine dünne, silberne Kette lag.
Ein Jahr war seitdem vergangen.
Kalamë, das kaum von der an seinem Rande lebenden Assassine wusste, hatte die junge Frau wieder aufgenommen, als sei sie nie fortgewesen. Und tatsächlich hatten nur die benachbarten Bauernfamilien, denen die Kate anvertraut gewesen war, und ihr Mittelsmann in der Stadt Eyas Rückkehr bemerkt und begrüßt. Das Haus hatte sie sauber vorgefunden, ihre Ersparnisse bewahrt, die Region unverändert. Damals.
Sie wusste, dass sie Kalamë Dank schuldete. Nur hier war es ihr, die sie allein lebte und keine Verwandten besaß, möglich gewesen, zu genesen. Die zwei nahen Höfe sorgten sich, gegen Lohn und manchmal aus purer Freundlichkeit, obwohl die Menschen hier nicht viel zu verschenken hatten. Frauen waren gekommen und hatten nach der rätselhaften, verwundeten Nachbarin geschaut, ihr alles Lebensnotwendige vorbeigebracht, nach dem kleinen Garten gesehen, damit er nicht vollends verwilderte.
Auf das junge, helle Gesicht der Assassine stahl sich ein Lächeln. Als Lahme war sie zurückgekehrt, und nur ein halbes Jahr später hatte sie bereits wieder den ersten Auftrag annehmen können. Eine Reihe von gutbezahlten Aufträgen war gefolgt, so dicht, dass sie nach Belieben aus dem hatte wählen können, was ihr Mittelsmann an sie herantrug.
Die Bürger Kalamës verlangten nach Protektion; immer mehr Waren und Personen schienen Schutz zu benötigen. Gelegentlich hatte sie flüchtige Bürger oder Banditen verfolgt, aber sie wusste, dass Erek solche Aufträge meist von ihr fernhielt.
Ihr Lächeln wurde trotz ihrer Unruhe wärmer. Für Erek musste sie wahrlich dankbar sein.
Der Schmied, der sie nebenbei als Mittler vertrat, war eigens ein halbes Dutzend Male zu ihrer Kate hinausgekommen, um zu sehen, wie ihre Genesung voranging.
Sie war vorangegangen, aber langsam. Eine alte Einsicht, obgleich lange verwunden und mittlerweile durch eine Lösung gemildert, trübte das Lächeln ein. Eyas Hand fühlte unter der Kette nach Schlüsselbein und Rippenansatz der rechten Körperhälfte.
Die Einsicht war nach den ersten Wochen gekommen, in denen sie wieder übte, unbarmherzig und bitter. Fast bitter genug, um sie in tiefe Dunkelheit zu stürzen. Ihre Bewegungsfähigkeit, ihre alte Geschmeidigkeit, ließen sich nicht wieder vollständig herstellen. Ihr alter Leib war verloren.
Anfangs hatte sie sich gegen diese Einsicht gewehrt. Dann war sie verzweifelt.
Erek hatte an einem Winterabend nur noch einen Schatten der Frau vorgefunden, die er kannte. Der Schmied hatte verstanden, dass dieses Letzte sie besiegen würde. Wo sie gewesen war, ahnte er nur, und was die Kette an ihrem Hals bedeutete, die wirkte wie das Geschenk eines Unbekannten, wusste er nicht. Hier jedoch brauchte er nicht zu fragen.
Er war kein Mann vieler Worte.
Nach seinem nächsten Besuch aber hatten Wurfmesser auf ihrem Tisch gelegen, eingewickelt in schwarzen Samt. Schwarz, ihre Farbe.
Eine Woche lang hatte sie sie nicht angerührt, stumpf brütend, grabend in Erinnerungen. Nichts davon gab ihr Halt. Sie hatte noch nicht lange genug gelebt. Und das Einzige, was ihr aus der Vergangenheit geblieben war als etwas, das auch ihre Zukunft bestimmen konnte, ließ sich nicht wiedererlangen, wenn sie sich aufgab.
So hatte sie mit dem Training begonnen.
Und nun füllte sie die Nische wieder aus, die sie sich geschaffen und in der sie gelebt hatte, bevor das wachsende Dunkel sie hinauslockte – die einer Attentäterin ohne Orden. Die einer Schattenkriegerin, die nachts auf geordnete Jagd ging und tags den Bauern der Gegend ihr Gemüse abkaufte.
Ihre schwarzen Augen wateten in die Helle und Weite des Tages.
Ein Entenschwarm teilte den Himmel wie ein Keil.
Das Holz der Bank, sich aufwärmend, fing die Sonnenstrahlen ein.
Sie schloss die Augen, Nässe unter den Lidern.
Du wirst ja doch gleich wieder in die Weite schauen. Warten, dass sie sich mit Frieden füllt. Oder die Zugvögel sehen und einer von ihnen sein wollen.
Abrupt stand sie auf, und der Becher fiel ins Gras.
Eya ging ins Haus und schloss die Tür fest hinter sich.




Die wilde Horde stürmte die Küche, das markerschütternde Geschrei des Säuglings mit ihrem Gebrüll spielend übertönend. Sie schaffte eine Runde um den Holztisch.
Dann griff sich Rezia mit eisernem Arm das dritte Mitglied der Viererformation. Ihr Sprössling, am Schopf gepackt, stolperte aus der Reihe.
Die Horde, aufgelöst, stob auseinander.
„Ihr Saufratzen!“ Rezia ignorierte das sich protestierend verstärkende Gellen, das aus den Wickeltüchern an ihrem ausladenden Busen drang, und scheuchte ihre Söhne Richtung Betten fort. „Jetzt ist es aber genug! Wer noch muckt, wenn Silme nachher schaut, kann morgen früh gleich ohne Frühstück aufs Feld!“ Die Drohung saß. Alles nahm die Beine in die Hand.
Befriedigt sah die Bäuerin das hektische Gewusel am Waschzuber, dann beruhigte sie den Säugling, die Faust der freien Hand in einen Teigklumpen stoßend.
Er war kaum still, da pochte es leise an den Fensterladen, und eine Frauenstimme meldete sich.
Sich abklopfend, in eine Wolke aus Mehl gehüllt, ging Rezia zur Tür. Kühlere Abendluft drang in die ofenwarme Küche.
Draußen senkte sich die Nacht herab, schon mit Sternen gesprenkelt, und nur am Horizont ringsum lag ein Streifen Himmels wie glühende Kohle. Das Stubenlicht fiel auf eine junge Frau mit kurzem Haar und schimmernden schwarzen Augen. Sie blickte schüchtern drein.
„Eya!“ Die Bäuerin lächelte und holte sie herein. „Komm in die Stube!“
Die schwere Holztür fiel zu.
Rezia wischte sich noch einmal, recht erfolglos, die Hand an der Schürze ab. Während sie den Korb aus der Kammer holte, stand die Assassine in der großen Küche, die den zentralen Raum des Gehöftes bildete, sah in die Runde, schnupperte und lächelte. In den entlegeneren Räumen huschte es noch, tappten nackte Sohlen auf Steinboden. Das Geschrei der Kinder war zu hören gewesen, noch bevor sie in den Karrenweg eingebogen war, an dem das Gehöft lag.
Eine riesige Feuerstelle, Esse, Kochstelle und Kamin zugleich, füllte die Küche mit bulliger Wärme. Es roch nach Holzkohle, Teig und süßlich nach Apfelessig. Rezias Stimme drang die ganze Zeit über zu ihr, während sie dort stand. Eya mochte die resolute, warmherzige Frau, die mit ihrem Lachen über ganze Äcker hinweg zu hören war.
Jetzt kam sie zurück, stellte den Korb auf den Tisch und roch geradezu herausfordernd heimelig nach Milch und Mehl. Sie ließ Eya das faltige, immer noch etwas gerötete Köpfchen des Säuglings bewundern und hob dann das Tuch vom Korb.
„Kartoffeln, Rüben, ein paar Kräuter, Eier, und Winteräpfel habe ich dir noch hineingetan, und –„ Sie zwinkerte. „-einen Hefezopf.“
„Danke, Rezia. Frisches Gebäck.“ Eya schaute in den mehlbestäubten Korb. „An Brot liegt bei mir nur noch ein harter Kanten.“
„Du solltest doch wissen, dass ich hellsehen kann.“ Die Frauen lächelten sich kurz zu.
Rezias Bemerkung war auch eine Anspielung auf das in jüngster Zeit deutlich gestiegene Interesse, das allerorten für die Wahrsagerei und andere Dinge bekundet wurde, die dem Aberglauben – oder sogar der Lehre des Lichts, der fernen fadraîschen Religion – angehörten.
„Da ist noch etwas.“
Eya sah fragend auf die Bäuerin, die in einer ihrer Schürzentaschen nach etwas fingerte. Sie zog es hervor und hielt es der Anderen hin, entschuldigenden Blickes. „Es ist wohl etwas Mehl daraufgekommen, aber wenn ich es hätte herumliegen lassen....die Kinder....“
Die Assassine war zu gefangen, um der Entschuldigung zu begegnen.
Aus der runden Faust der Frau ragte ein Brief.
Ringsum schien es mit einem Mal still zu werden.
Sie nahm den Umschlag, abwesend einen Dank murmelnd, aus Rezias Hand.
Er trug ihren Namen und den der Stadt. Die Schrift war die einer gebildeten Person, das Verschlusssiegel jedoch aus einfachem Kerzen-, nicht aus Siegelwachs, und es zeigte kein Muster. Vermutlich war ein gerade zur Hand gewesener Gegenstand anstelle eines Siegels verwendet worden.
Eya sah auf und in Rezias Augen. Obwohl sie sich bemühte, nicht direkt auf den Brief zu schauen, konnte die Bäuerin ihre Neugierde ebenso wenig verbergen wie Eya ihre Überraschung. Briefe waren eine Seltenheit, Papier kostbar, die Beförderung so schwierig, unsicher und langwierig, dass viele Menschen es vorzogen, sich stattdessen selbst mit Nachrichten auf den Weg zu machen.
Erst in jüngerer Zeit wurde die Beförderung von Schriftstücken offenbar unerlässlich und, wie jeglicher anderer Austausch auf Sanktuario auch, häufiger. Händler mochten sich wohl etwas hinzuverdienen, indem sie neben Waren nun auch Schriftstücke beförderten.
„Erek gab mir den Brief“, unterbrach Rezia die stumme Verblüffung der Assassine. „Er traf dich nicht an und wollte ihn wohl nur an einem sicherem Ort belassen.“
Eya murmelte erneut einen Dank. „Willst du ihn nicht öffnen?“ fragte die Bäuerin. „Ich gehe gern nach nebenan.“
Die Assassine musste trotz ihrer Benommenheit lächeln. Beide Frauen wussten, dass Rezia nicht lesen konnte – ebenso wenig wie der Großteil der Landbevölkerung. Ihr Angebot entsprang um so fühlbarer einer freundlichen Rücksichtnahme und einem feinen Gespür für Privatsphäre.
„Bleib ruhig.“ Eya zwang sich zu einem Schlucken. „Ich öffne ihn...und sehe zumindest nach, von wem er ist.“
Mit fahrigen Händen brach sie das Siegel auf, zog ein einzelnes Blatt gelblichen Papiers hervor und faltete es auseinander. Sie wurde namentlich angeredet, und unten am Ende des Blattes stand der Name des Schreibers.
Rezia, die den Säugling wiegte und zwischen Neugier und Zurückhaltung schwankte, sah das blasse Gesicht der jungen Besucherin noch blasser werden. Dann überflog Röte die sanften Wangen. „Und von wo stammt der Brief?“ konnte sie sich nicht enthalten zu fragen.
„Von sehr weit her. Von einer alten Gefährtin.“
Eya brachte das Papier wieder im Umschlag unter und barg ihn unter ihrem Hemd.
Die Bäuerin nickte verständnisvoll auf die Erklärung hin, dass die Andere nun gehen wollte, um sich in Ruhe mit dem Brief zu befassen. Es schien ja nichts Schlimmes zu sein. Nein, besorgt wirkte die junge Nachbarin nicht, jedoch verstört und gedankenvoll, und ihre schwarzen Augen waren nach innen gerichtet. Rezia drückte ihr den Korb in die Hand, plauderte versuchshalber noch ein wenig, dann entließ sie sie in die mittlerweile vollständige Dunkelheit. Der Mond stand bereits über dem nahen Wald.
Eben wollte sie die schwere Tür schließen, da fiel Rezia noch etwas ein, und sie rief die Assassine, die bereits mit der Dunkelheit verschmolz, noch einmal zurück. „Fast hätte ich es vergessen: Erek lässt dir noch ausrichten, dass er eine Arbeit für dich hat.“
„Dank dir, Rezia. Gute Nacht.“
„Gute Nacht.“ Die Tür verbarg die füllige Gestalt der Bäuerin.
Eya wandte sich ab. Dieses Mal schob sich vor das schneidende Gefühl, auf immerdar einsamer Zaungast des gemeinschaftlichen Lebens der anderen Menschen zu sein, eine Reihe neuer Gedanken. Sie eilte durch die nächtlichen Alleen, ohne ihre Umgebung recht wahrzunehmen. Mit Macht kehrten die Empfindungen des Morgens zurück.
Ein Lebenszeichen, gerade jetzt.
Ihr Herz schlug schwer.
Im Haus zündete sie eine Kerze an, stellte den Korb ab, setzte sich und entfaltete den hervorgezogenen Brief. Der Kerzenschein fiel leise bewegt auf ihr Gesicht und den Brief und ließ die Buchstaben braungolden schimmern.

Liebe Eya,

weder vertraue ich dem Versprechen seiner sicheren Beförderung, noch ist
mir gänzlich wohl dabei, ein Dokument, dessen Ursprung und Ziel leicht
ausgemacht werden können, auf direkten Weg zu setzen.
Dennoch tue ich es und hoffe, dass dieser Brief dich erreicht. Vorbei an den
Händen und Augen jener, so bete ich, deren Kreis du lange und mutig verlassen hast.
Unruhe ist es, die mich trieb, dir auf diesem Wege mitzuteilen, dass ich mich mit
dem Gedanken trage, wieder auf Wanderschaft zu gehen – oder nein, nenne es
vielleicht eine Suche. Den Anderen sende ich ebenfalls einen Brief zu, bin in ihrem
Falle jedoch noch weniger zuversichtlich, denn das Hochland ist wieder wildes
Gebiet und SEIN Aufenthaltsort ungewiss, und der Osten ist fern.
Die Unruhe, von der ich spreche, will ich dir erläutern, so gut ich kann. Du magst
durch ähnliche Erfahrungen ahnen, was ich als so beunruhigend erachte, auch wenn ich es schwerlich in Worte fassen kann.
Du, Liebes, wo magst du indes leben? Es ist nicht mein Recht, dir die Vergangenheit wieder in Erinnerung zu rufen, und vielleicht lade ich damit viel
Schuld auf mich. Nun aber, da ich mich zu diesem Schritt entschlossen habe, muss
er auch getan werden.
Somit bitte ich dich, zurückzudenken in der Zeit, hinein in eine andere – so will
es mir zunehmend scheinen. Was ist damals geschehen? Denn entgegen einer
heimlichen Hoffnung festigte sich nicht, wofür gekämpft wurde, und das Unbehagen,
das damals das Entsetzen ablöste, verflüchtigte sich nicht wieder. Zumindest nicht
in mir. Ich kann noch nicht selbst auf Reisen gehen, nicht sofort, erst zur Mitte des
Jahres hin. Auch zögere ich noch meines Kindes wegen. Was, wenn in Wahrheit
andere Dinge mich wiederum forttreiben und ich mich unnötig über die
Veränderung im Lande sorge?
Dennoch ist es so – der friedlichste Tag nach dem Ende der Dunkelheit war der
gleich kommende, und seither wächst die Unruhe wieder, wohin ich auch blicke,
selbst wenn meine Augen vielleicht die einer Erkrankten sind.
Hier in Selthe wird der Einfluss der alten Königsstadt immer größer. Im Norden
hört man von wieder aufflackernden Konflikten zwischen Barbaren und Druiden.
Aus dem Osten kommen widersprüchliche Nachrichten.
Ich habe, auch wenn ich nicht über Einsamkeit klagen kann, niemanden außer
dir, niemanden außer euch, mit dem ich darüber sprechen kann und zu sprechen
wage.
Daher werde ich mich zum Monat der Sommersonnenwende nach Kurast aufmachen,
so es mir gelingt, und von dort aus, sollte ich bis dahin keine Nachricht erhalten
haben, in eure Heimatorte.
Mir ist es nicht mehr möglich, länger still in Selthe zu bleiben.
Ich schreibe dies am ersten Tag des Neujahrsmonats in Selthe, hoffend, dass du
dich wohl befindest.

Ifrah al Dhakir




Die Assassine ließ die Hand mit dem Brief sinken.
Klarer als alle sichtbaren Worte war, dass Ifrah davor zurückschreckte, deutlicher zu schreiben.
Der Umschlag war gewiss nicht geöffnet worden, aber Eya wusste auf wen die Magierin zuvorderst anspielte. Jene, deren Kreis du lange verlassen hast. Der Orden.
Es schien, dass Ifrah Neuigkeiten sammelte und versuchte, ein Gesamtbild der Situation in allen Landen zusammenzufügen. Ihre Worte zeigten, dass sie die Fragen, mit denen die Welt zurückgeblieben war – zu unergründliche, zu ferne Fragen, unlösbar vielleicht – nicht niederhalten, nicht im Mahlstrom der Scharen von Völkern und Ländern versenken konnte.
Die Assassine saß fast reglos am Tisch, während die Kerze langsam herunterbrannte.
Von tief innen hob sich in ihr etwas empor, breitete sich in ihr aus, dass sie sich nicht regen konnte. Sie atmete flach, als ob jedes Geräusch, jede Bewegung die Bilder vertreiben könnte. Und doch waren diese Bilder nicht deutlich, vielmehr ein einziges Etwas, nicht gut, nicht übel, und sie wusste nicht, was es sei. Nur, dass ihr das Blut wie Gold durch die Adern strömte.
Nach einer Ewigkeit stand sie auf und ging nach draußen.
Das Land lag schlafend in der Weite der Nacht. Es riss ihr fast die Brust auseinander.
Sie brauchte etwas, das wieder näher stand. Ein Tun, dass sie zwang, nicht aus dem Hier herauszuspringen. Eine kleine Zeitspanne, die sie vor dieser herrlichen, entsetzlichen Weite bewahrte.
Gleich am nächsten Morgen würde sie zu Erek gehen. Den Auftrag, sofern er angemessen war, annehmen.
 
juhuuu!!!! endlich geht's weiter! :D so ein tag pause ist schon lange *g*

kritikmäßig ist mir noch nichts aufgefallen. ich finds schön wieder die alten charaktere zu sehen und auch von einer änderung in deinem schreibstil ist nichts zu bemerken. und du hattest wirklich ein jahr pause? ;)

freu mich auf die kommenden teile! immer so brav weitermachen :D
 
oh nein, es geht schon wieder los.
kaum kann man sich von der einten geschichte losreissen, schon wird man von der nächsten gefesselt.
das schöne, diesmal man hat keine ahnung, was auf einem zu kommen mag.
der einstieg, ist dir auf jeden fall gelungen.
thx hier nochnmal für den gipfel.

einsichfreunderaufdiegeschichte

holy
 
ARGH!!! Du lässt deinen Neidern aber auch keine noch so kleine Ruhepause ;)

Ich geh ne AntipimpericitiN schlucken...
 
:hy: Ihr!
Nett, dass sich schon erste Leser eingefunden haben.
@Saturn: keine Sorge, hier wird es ruhiger zugehen als bei GdW, ich klatsch euch mit Sicherheit nicht jede Woche ein neues Kapitel auf den Tisch. Ginge auch garnicht, da die Kapitelposterei mich bald eingeholt haben wird.
Und NeoLucius hat selbstverständlich recht damit, dass man real nicht wöchentlich ein paar Seiten schreiben kann (zudem noch durch zwei Betaleser hindurch) - nicht neben Studium und Job. In den Kapiteln steckt auch teils viel mehr Arbeit drin...
Also lasst euch nicht hetzen.
;) Reeba
 
Dass du ab jetzt weniger Updates bringst, ist für mich weniger schlimm - so habe ich mehr Zeit, die Kapitel zu studieren und mir deine unbeschreiblichen Formulieren zu stibitzen... ;)

Saturn schrieb:
ARGH!!! Du lässt deinen Neidern aber auch keine noch so kleine Ruhepause ;)

Ich geh ne AntipimpericitiN schlucken...
Was immer Antipimpericitin auch sein mag, mir wird es wohl ebenfalls helfen, da ich nicht weniger neidisch auf die liebe Reeba bin, als du. ^^

edit: Google hat bei dem Begriff keine einzige Seite gefunden... Ich hoffe, das Zeug ist kein Hausmittel von dir, um einen schnellen Tod herbeizuführen...
 
Endlich hatte ich Zeit, die Geschichte noch einmal genau durchzugehen.

Sofort ist zu merken, dass hinter diesem Projekt viel Arbeit steckt. Der Titel klingt sehr geheimnisvoll, ganz im Gegensatz zu Geschichten mit Namen wie "Der Drachentöter" oder "Das Vermächtnis des Druiden". Was nicht heissen soll, dass diese schlechter seien, ich will sie nicht einmal vergleichen(Oh, du Narr, genau das hast du eben getan).
Doch bei dem Wort Saqqara kann man nur mutmaßen. Eine Bestie? Eine gewaltige Waffe? Ein sagenumwobenes Land?
Das Logo hat sicherlich einige Zeit erfordert, ebenso wie die selbst(oder?) gezeichnete Karte von Sanktuario.
Scheint mir sehr umfangreich zu werden.

Der Wandel der Welt nach der Verseuchung und anschliessenden Zerstörung des Weltsteins kommt gut zum Ausdruck, nicht zu aufdringlich, aber kontinuierlich. Der ungewisse Fortlauf der Geschichte bietet größeren Anreiz zum Weiterlesen, als es Der Gipfel der Welt tat. Es wird hoffentlich noch abwechslungsreicher und spannender als dein voriges Werk. Ich bin da recht zuversichtlich.
Weiterhin fällt mir dein ungeheurer Wortschatz auf - Bis jetzt habe ich noch keine einzige Formulierung ein zweites Mal entdecken können. Ich denke, das zeichnet einen Meister aus.

Viel Erfolg! :hy:
 
Danke für die Anerkennung zum ersten Teil und der (selbstgekritzelten) Karte.
Tatsächlich hole ich mit 'Saqqara' weit aus, weit, weit....
Dieser Umstand versorgt mich mit zweierlei: der Befürchtung, dass die Ausdehnung der Geschichte die Leser ermüden könnte, aber auch der Hoffnung, eine 'glaubwürdige' und vielleicht gerade deshalb interessante Welt entwerfen zu können. Wir werden sehen ;)
Aber ich schwatze wieder zuviel-
Liebe Grüße,
Reeba :hy:
 
Ich glaube nicht, dass die Geschichte ermüden wird, aber das Spiel. Damit werden auch die Fan-Server leer werden. Daher meine Frage an alle: Kennt jemand einen öffentlichen Server, der Geschichten in einem etwas breiterem Rahmen, also mindestens Fantasy, hostet?
 
Stalker_Juist schrieb:
Ich glaube nicht, dass die Geschichte ermüden wird, aber das Spiel. Damit werden auch die Fan-Server leer werden. Daher meine Frage an alle: Kennt jemand einen öffentlichen Server, der Geschichten in einem etwas breiterem Rahmen, also mindestens Fantasy, hostet?
www.drachental.de

Dort gibt es auch alle Jahre wieder einen Preis zu gewinnen. Der ist allerdings nicht materieller Natur.
 
Mal Zeit für einen neuen Teil ;)




II. Der Auftrag





Bedeutendster Schmied der Stadt Kalamë zu sein, war in neuerer Zeit eine einträgliche Profession.
Mit dem auflebenden Handel kam das Geld, und jegliche Häuser, die Bewaffnete zum Personal zählten, die Stadtwache und sogar einfachste Haushalte zeigten großes Interesse an allem, was die Schmiede zu bieten hatte. Die, die keine Waffen besessen hatten außer Forken und Fleischmessern, schauten neuerdings auf die aufgereihten Klingen, Piken und Streitkolben und zählten an den schwieligen Händen ab, was sie sich leisten konnten. Und die Berufswachen tauschten ihre alten Schwerter und ihr Lederzeug gegen Besseres.
Da floss das Geld herein, die Esse glühte unablässig. Ihm kamen beim Arbeiten unwillkürlich flotte Lieder auf die Lippen. Seine Frau lugte verwundert, wenn sie ihn pfeifen oder dröhnend singen hörte, aus den hinteren Räumen hervor und lächelte.
Nur manchmal hielt er inne, nachdenklich geworden. Konnte man sagen, die Region rüste sich – wie für einen Krieg? Dann aber schüttelte er den Kopf, schüttelte die Besorgnis ab. Nein, so weit war es noch nicht. Die Zeiten änderten sich. Mit dem Handel kamen mehr Fremde, unter sie auch Diebsvolk und merkwürdige Leute gemischt. Da fühlten die Menschen sich wohler, wenn eine gute Waffe zur Hand war.
Alles andere, auf kommende Unruhen oder auch nur eine tatsächlich gewandelte Geisteshaltung der Camdraer Hinweisende hätte ihm die Freude an den gutgehenden Geschäften verdorben.
Erek war ein ehrlicher Mann.
Fröhlich strich er die Gewinne ein, aber nicht wie ein skrupel- und bedenkenloser Geschäftemacher. Wenn ihm Privatpersonen, gar Bauern, Langschwerter und Streitäxte abkaufen wollten – ungeeignete, nutzlose Waffen in den Händen Unerfahrener – riet er ihnen davon ab. Zeigte den Entschlossenen, denen es wahrscheinlich nur darum ging, Haus und Hof zu schützen, die Langmesser und Dolche, mit denen sie weit besser bedient waren. Und er führte immer noch eine Liste, die er regelmäßig dem Stadtrat vorlegte und auf der alle Waffen, die er verkaufte, festgehalten waren.
Nun, fast alle. Was er unter der Hand an ein, zwei ausgewählte Kunden vertrieb, ging niemanden etwas an.
Erek rief nach seinem neuen Lehrling, den er kürzlich hatte einstellen müssen, um die immense Nachfrage noch bedienen zu können. Dann fachte er den kleineren der zwei Öfen neu an.
Er war ein Hüne von einem Mann. Auf die gewölbte Brust fiel ein rotblonder, krauser Bart, der sein sich nach unten verbreiterndes Gesicht mit den festen, aber unleugbar feisten Wangen sinnreich fortzusetzen schien. Helle Haut und blondes oder rötliches Haar waren längs der Landbrücke, wo sich beide Kontinente am stärksten vermischten, keine Ausnahme. Dennoch sahen die Menschen sich nach dem Schmied um, wenn er durch die gepflasterten Straßen Kalamës ging und dabei mit seinem fast kahlen Scheitel die Markisen der Läden streifte.
Unbekümmert um die fliegenden Funken und die Gluthitze, die das Haar auf seinen Unterarmen kräuselte, schob Erek die Asche an die rückwärtige Ofenklappe und begann wieder zu summen. Der Tag war jung, und die Arbeit machte ihm Freude.
Als er sich der Straße zuwandte, zu der hin sich die Schmiede öffnete, erblickte er Eya.
Die junge Assassine fiel unter den Städtern nicht weiter auf, denn mit ihrem kurzen Haar und den einfachen Leinensachen glich sie den Dienstbotinnen höherer Häuser oder auch den Gerberinnen und Wäscherinnen, deren Viele das Haar ebenfalls abschnitten. Nur der aufmerksamere Beobachter musste den geschmeidigen Schritt der jungen Frau bemerken, der eher an eine Tänzerin denn an eine Arbeiterin denken ließ, und den Schimmer unablässiger Aufmerksamkeit in ihren kohlfarbenen Augen.
Sie verstand es meisterlich, sich so gut wie unsichtbar zu machen, selbst am helllichten Tage. Für die Mehrheit der Menschen musste sie vorbeiwehen wie ein Hauch, sacht auftretend, fast unbemerkt und rasch aus der Erinnerung verschwindend. Sie sprach mit leiser Stimme, gestattete sich selten Gefühlsausbrüche. Eine nahezu lückenlose Beherrschtheit, ein beständiges Zurücknehmen ihrer Selbst umgab sie. Doch der Schmied, der ihr ohne Hintergedanken, in freundschaftlich-väterlicher Weise, zugetan war, mochte nicht glauben, dass diese Larve, in der sie umherwandelte, Spiegel ihrer Seele und ihrer eigentlichen Natur sein sollte.
Zu ungewöhnlich waren, soweit er davon wusste, die Umstände ihres Werdegangs und ihres Lebens, zu besessen arbeitete sie Auftrag um Auftrag ab, zu friedlos verharrte sie in ihrer gefährlichen, doch zugleich eigenartig unfertigen Existenz.
Jetzt war sie herangekommen und schaute ein weiteres Mal wohlwollend in die jüngst vergrößerte Schmiede.
Erek und sie grüßten sich, und er bat sie in das glutwarme, nach Metall und Asche riechende Halbdunkel. Ferner vom offenen Ladeneingang, hinten zwischen einem Arbeitstisch und einer von aufgehängten Rüstungsteilen übersäten Wand, setzten sie sich nieder.
Dem Gesicht der jungen Frau, die den angebotenen Becher heißen Apfelweins fest in beiden Händen hielt, fehlte heute die übliche, beherrschte Blässe. Ihre Lippen waren von schnellem Blut purpurn, ihre Augen die eines Menschen, der, anstatt zu schlafen, einen Großteil der Nacht in innerer Erregung gewacht hat.
Ereks Blick streifte blitzartig das silberne Funkeln an ihrem Hals, aber er fragte nicht.
Es stand ihm nicht zu.
Stattdessen berichtete er ihr von dem neuen Auftrag, der von solcher Art war, dass er ihr zusagen musste. Er betraf das Gebiet der Protektion und bedeutete eine Reise von etwa acht bis zehn Wochen. Der angeforderte Protekteur sollte nach Wunsch des Auftraggebers idealer Weise weiblichen Geschlechts sein. Dies und die Wahrnehmung einer halb niedergehaltenen, aber reißenden Unruhe bei seinem Gegenüber überzeugte Erek, während er sprach, wiederum davon, dass Eya für diesen Auftrag wie geschaffen war – und dieser wie geschaffen für sie. Zudem würde sie so viel verdienen, dass sie auf Monate hinaus in keine weiteren Dienste zu treten brauchte.
„Und wer ist der Mann, der den Auftrag gab?“, fragte die Assassine wachsam. Nicht alle Auftraggeber waren günstige Geschäftspartner, ganz gleich, wie ehrenhaft Erek sie einschätzte und wie tadellos die Auftragsumstände anmuteten. Weit besser, als die Stadt sie kannte, kannte Eya Kalamë und seine Bewohner.
„Samuel tan Naehmë, Hoher Magistrat und Stadtrat”, erwiderte der Schmied. Er selbst war persönlich bekannt mit dem Genannten, der regelmäßig gute und teure Waffen bei ihm anfertigen ließ. Dieser war einer der hochrangigsten Kalamëer Bürger überhaupt, und Erek sah, wie sein Gegenüber die Brauen hob. „Dringende Geschäfte erfordern eine Reise nach Fadraîs, auf der ihn nur sein Diener, sein Schreiber und ein Bewaffneter begleiten sollen. Du wärest die fünfte Person. Die Gruppe will sich für etwaige Routenänderungen beweglich halten, darum bleibt die Familie des Magistrats hier“, begann der Schmied die Einzelheiten zu erläutern. „Es ist vorgesehen, dass du vor Fremden als eine Magd ausgegeben wirst. Dein Hauptaugenmerk soll auf der Sicherheit des Magistrats ruhen. Ob sein Leben unmittelbar in Gefahr ist, klang nicht an, jedoch war durchaus von der Notwendigkeit verstärkter Vorsicht die Rede.
Die Reise soll folgendermaßen verlaufen: per Schiff von der Südspitze aus über den schmalen Arm zum Westkontinent hinüber, dann mit dem Wagen weiter über Santére und die alte Handelsstrasse nach Fadraîs. Die Bezahlung dürfte deine Erwartungen übertreffen. Woran es allerdings fehlt, ist Bedenkzeit, daher muss ich dich gleich hier und jetzt fragen, ob du annehmen willst.“
Sie zögerte, er sah es deutlich. Es schien, dass mitsamt allem anderen auch ihre Entscheidungsfähigkeit in einer sonderbaren Schwebe hing. Er war sich sicher, dass sie kurz an etwas anderes, ganz und gar anderes, dachte.
Der Impuls, ihr die Beendigung dieses Zustandes ans Herz zu legen, war stark, aber er wollte ihr nicht zu nahe treten. So setzte er nur nach: „Das klingt nach leicht verdientem Geld, Eya. Ich verbürge mich für den guten Ruf des Hauses Naehmë. Die Reise wird eine rechte Abwechslung sein. Und der Magistrat ist ein gebildeter, welterfahrener Mann, den man weithin für seine Offenheit schätzt. Da mag sich so manches interessante Gespräch ergeben, während du ihn begleitest.“
Die schwarzen Augen gingen kurz zum kleinen Seitenfenster, durch das ermunterndes Tageslicht fiel. Dann schauten sie ihn plötzlich an, nicht befreit, aber voller Entschlossenheit.
„Gut“, sagte sie. „Ich nehme an.“
„Ich denke nicht, dass du es bereuen wirst.“ Erek erhob sich, ging zu einer verschließbaren Geldkassette und kehrte mit einem Stück Papier zurück. Es trug ein Wappen, geprägt in blauer und grüner Tinte. Eya überflog die wohlgesetzten Formulierungen. Es ging recht deutlich daraus hervor, dass man um sie bat, und niemand anderen, auch wenn es nicht direkt erwähnt wurde.
„Wann und wo wird der Auftrag seinen Anfang nehmen?“
„Wie ich bereits sagte, die Zeit ist knapp“, antwortete Erek. „Der Diener, der mit dem Auftrag zu mir kam, sagte, der Magistrat lasse die ausgewählte Person im Falle einer Zusage für morgen Abend ins Haus der Naehmë bitten. Nach Einbruch der Dunkelheit, und inkognito.“
Dies war nicht unüblich. Besonders bei Protektionsaufträgen für Personen war den Auftraggebern sehr daran gelegen, die Umgebung über etwaige Maßnahmen möglichst im Dunkeln zu lassen.
„An der Ostseite des Hauses schließt sich eine Gartenmauer an, darin findest du, so der Diener, ein Tor. Die Gasse dort ist schmal und selten befahren. Der Diener wird dich einlassen, wenn du ihm das Schriftstück vorzeigst. Die Nacht wirst du im Hause verbringen, da der Magistrat dich für mögliche Besprechungen verfügbar haben will. Früh am nächsten Morgen werdet ihr aufbrechen.“
Die Assassine überdachte die Einzelheiten kurz, dann nickte sie und steckte das Schriftstück ein. Den Schmied schien dies an etwas zu erinnern, und er fragte: „Hat dich der Brief erreicht, den ich bei Rezia ließ?“
„Das hat er, danke, Erek.“ Sie stand auf. Die Unruhe war nicht von ihr gewichen, aber es machte den Eindruck, als festige sie der Entschluss ein Weniges.
Einmal noch verspürte der Schmied ein inneres Aufwallen von Sorge, eine Ahnung, unbeholfener Zeuge zu sein, wie ein Mensch sich nicht mehr wiederzufinden vermochte. Wirklich, ich wollte, ich wäre dein Vater, richtete er stumm einen Gedanken an die junge Frau vor sich. Auch wenn ich dann vermutlich nicht klarer sähe, ob dir gerade Gutes oder Schlechtes widerfährt.
Dann wischte er dies fort und wünschte ihr eine gute Reise, versprach, ein ums andere Mal nach dem Haus zu sehen. Nach einem kurzen Wortwechsel verließ sie das Halbdunkel mit einem kleinen Winken. Er sah ihr nach, wie sie davonging. Geraden Rückens, die Schultern, der Nacken gestrafft, mit ihren mühelosen Schritten. Rasch war sie im Gewirr der belebten Gassen untergetaucht.
Der riesige Mann ging wieder an die Arbeit. Von ihr beruhigt, holte er Wassereimer und Schmiedehammer herbei und begann ein Stück Eisen zu erhitzen.
Nach einer kurzen Weile pfiff er wieder.




Der Mond begann draußen über den Kamm der Wälder zu steigen.
Kalamë ließ sich aufatmend in die Heimeligkeit des Abends sinken.
Die Bürger schlenderten gelassener ihren Häusern zu, Händler verriegelten ihre Läden und Stände, während daneben die Wirte die Blenden ihrer niedrigen Schankstubenfenster aufstießen.
Eya zog die Kapuze ihres Mantels tiefer ins Gesicht und mühte sich, nicht zu schnell zu gehen.
Einen Tag und eine Nacht lang hatte sie zwischen zwei Neigungen geschwankt. Da war der sehnsüchtige Wunsch, auf dem Fleckchen Erde zu bleibe, das sie sich ausgewählt hatte, weiter nachsinnend, träumend. Aber der Ruf, der sie in die Fremde zog, riss geradezu gewaltsam an ihr. Jetzt sehnte sich jede Faser ihres Wesens danach, diesem unseligen Zustand den Rücken zu kehren, und wenn es nur für die Dauer einiger Wochen war. In diesen mochte sich Neues ereignen, das die fiebrige Ungewissheit – nein, du Lügnerin, eine zu starke Gewissheit ist es stattdessen – mit einer Richtung versah.
Sie eilte durch die nur noch spärlich belebten Gassen. Am Marktplatz blieb sie jedoch kurz stehen.
Sah mit gesammelter Aufmerksamkeit, die rasch abkühlende Luft einatmend, auf die von Häusern umstandene, bucklig gepflasterte Fläche mit dem Brunnen und den Laternen, die auch nächtens brannten. Schaute, wie um sich alles noch einmal einzuprägen. Dann nahm das Dunkel einer schmalen Gasse sie auf.
Am Haus des Magistrats war sie schon häufig vorbeigekommen. Es war ein altes, einstmals von einem Wassergraben umgebenes Herrenhaus. Den Graben hatte man zugeschüttet, und über die Fläche drängten sich jetzt die benachbarten Häuser dicht heran. Der aus sandfarbenen Steinen gefügte Bau wirkte in der Dunkelheit und von einer schmalen Gasse aus betrachtet bedrohlich, trutzig, wie eine halbe Festung. Viele Fenster waren vergittert. Das geschulte Auge der Assassine erfasste die Lage und wahrscheinliche Einteilung des Bauwerks. Es bestand aus zwei Gebäuden – einem mächtigen, L-förmigen, dessen lange Seite nach Süden hin hart und abweisend aufragte, und einem kleineren, alleinstehenden Komplex, vermutlich dem Gesinde- oder Wachhaus. Ein Haupteingang, von einer Mauer doppelter Manneshöhe umrahmt, schloss die beiden Teile nach Westen hin ab, östlich und nördlich mochte sich das Haus zu einem Garten hin öffnen.
Licht fiel aus zahlreichen Fenstern.
An der Ostseite fand Eya die Gartenmauer und darin ein halbrundes Tor. Fern aus dem Herrenhaus drangen Stimmen, kam das Klappern von Tellern und gelegentliches Lachen. Die Küche konnte nicht weit sein, es roch nach Braten und Abwaschwasser.
Sie hob die Faust und klopfte.
Eine Weile verging, in der nichts geschah und in der sie sich rasch umschaute. Die Gasse war leer.
Von innen näherten sich Schritte, eine Männerstimme fragte, wer außen sei. Sie schob das Schriftstück zwischen zwei Balken des Tors hindurch und nannte ihren Namen.
Die Tür öffnete sich. Ein älterer, freundlich dreinblickender Mann, dem Gehabe nach ein Dienstbote, bat sie mit einladender Geste, einzutreten. „Rasch und leise“, raunte er ihr zu. „Die Herrschaften wünschen nicht, dass alles Volk hier von Eurem Hinzukommen erfährt.“
Eya erahnte im Mondlicht das geschnittene Gras und die ordentlich gesetzten Ziersträucher eines gepflegten Gartens. Der Diener führte sie durch eine kleine Seitentür in die warme Helle erleuchteter Steinflure.
Als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, sprach er lauter. „Willkommen im Hause des Hohen Magistrats. Mein Herr erwartet Euch schon. Wie ich sehe, habt Ihr nur geringes Gepäck, ganz wie der Schmied es Euch auftragen sollte. Mehr ist auch nicht vonnöten, für alles Weitere wird bestens gesorgt werden.“
Der Mann musste also eben jener Diener sein, der mit dem Auftrag zu Erek gekommen war. Eya, die steifere, misstrauische Zurückhaltung gewohnt war, wunderte sich über seine dienstbeflissene Freundlichkeit. Er starrte sie auch nicht an, als unter ihrem Mantel ihre Ausrüstung teilweise sichtbar wurde. Die Zufriedenheit, seinem Herrn die gewünschte Person erfolgreich zugeführt zu haben, umgab ihn ganz. Vage erwiderte sie sein ausdauerndes Lächeln.
Mit den Worten „Kommt, mein Herr will Euch sehen“, lud er sie ein, ihn tiefer in das Innere des Hauses zu begleiten. Sie folgte ihm durch helle Gänge, die mit Wandteppichen und Zierrat ausgeschmückt waren, durch einen größeren Saal und schließlich eine kleine Treppe hinauf. Niemand begegnete ihnen, doch fernere Laute menschlicher Bewegung waren von überallher zu vernehmen.
Eya nahm die Umgebung automatisch mit kundigem Blick auf, wachsam, doch vorsichtig beruhigt. Nirgendwo sah oder spürte sie Besorgniserregendes.
Vor der offenen ersten Tür eines nächsten Ganges jedoch, in den sie einbogen, stießen der Diener und sie auf einen hochgewachsenen, soldatisch gekleideten Mann. Er nickte dem Diener zwar erkennend zu, bei Eyas Anblick jedoch verfinsterte sich sein Gesicht.
Die Assassine sah, dass seine Rechte zu seinem Waffengurt zuckte, und versteifte sich alarmiert.
„Was soll das, Lenard?“ herrschte der Bewaffnete den Diener an. „Wieso bringst du die Frau ins Haus, ohne dass die Wachen davon unterrichtet sind? In Kenntnis gesetzt war ich wohl, doch nahm ich an, dass sie das Anwesen durch das Haupttor betritt“ – der Mann richtete einen Blick unverhohlener Abneigung auf Eya – „wie jeder anständige Mensch!“
Sie rührte keine Braue, empfing die Geringschätzung aber wie den Ton einer altvertrauten Glocke, von der man sich verwundert gefragt hat, wann sie endlich anschlagen will.
„Was fragt Ihr mich?“, gab der Diener mit einem Gesichtsausdruck zurück, der jede Schuld abwies. „Der Herr wollte es so. Ich habe leider nicht das Sagen in diesem Haus. Auch nicht darüber, wen der Herr sich einlädt und auf welche Weise. Er wird schon seine Gründe haben.“
Eya warf dem Mann vor ihr, der jetzt mit einem Achselzucken an dem widerwillig zurückweichenden Wächter vorbeitrat, einen heimlichen, verwunderten Blick zu. Die eben gesprochenen Worte und ihr Tonfall standen in scharfem Gegensatz zu seiner anfänglichen Freundlichkeit.
Bevor sie jedoch Zeit hatte, sich darob Gedanken zu machen, bat der Diener sie durch die offene Tür, und von da an nahm die Gegenwart Samuel tan Naehmës sie gefangen. Nur flüchtig verfolgte ihr inneres Auge, dass Lenard wieder hinausging und die Tür schloss, vor der zweifellos der Wachmann ausharrte.
Samuel tan Naehmë war ein großer Mann fortgeschrittenen Alters, breitschultrig und so beleibt, dass jeder andere Mann neben ihm schmal und schmächtig erscheinen musste. Doch vermittelte seine Leibesfülle nicht den Eindruck von Trägheit. Vielmehr nahm die hierin geübte Beobachtung Eyas eine ungeheure Kraft und erstaunliche Beweglichkeit an ihm wahr. Mit einer schweren Waffe in der Hand musste er ein fürchterlicher Gegner sein.
Das Haar trug er, wie viele Männer höheren Ranges, halblang. Ein gepflegter, hellbrauner Bart, bis weit auf die unteren Wangen heruntergestutzt, umrahmte ein breites Gesicht mit etwas schlaffen, geschwungenen Lippen und kurzer, starker Nase. Das Faszinierendste an diesem lebemännischen Gesicht waren die übergroßen, wasserhellen Augen.
Sie bedachten die eingetretene Assassine mit einem prüfenden, gründlichen, aber keineswegs unfreundlichen oder taktlosen Blick. Sacht, um einen Millimeter, entspannte sie sich.
„Eya, die Assassine?“ Die Stimme des Magistrats war volltönend und tief.
Sie schlug die Faust vor die Brust und verbeugte sich.




Nur kurze Zeit später stand sie in einem Zimmer, das man ihr für die Nacht zugewiesen hatte. Es war ein mittelgroßer, schöner Raum, das breite, hohe Bett ein ungewohnter Luxus.
Viel hatte der Magistrat nicht mehr mit ihr zu besprechen gehabt, schien sich vor dem Zubettgehen auch noch anderen Geschäften zuwenden zu wollen. Sie ahnte, warum Erek so gut von diesem Mann sprach.
Fast begann sie sich auf die Reise zu freuen.
Früh, im Morgengrauen des nächsten Tages, wollte man aufbrechen. Von der Familie sah sie weiter niemanden.
Rasch trat die junge Frau zu den Fenstern und der Tür, die sich auf einen Balkon hinaus öffneten. Die Fenster waren unvergittert, die Tür nicht verschlossen. Das Zimmer blickte aus dem zweiten Stockwerk in den Innenhof hinunter. Auf der Mauer, die das zur Straße hinausgehende Haupttor umrahmte, hielten zwei Männer gelassen Wache.
Eya atmete aus und ließ noch einen Blick durch das Zimmer gehen. Nun bist du hier, und fast schon fort. Die Nacht stand weit und dunkel über der Stadt.
Sie löschte alle Kerzen bis auf eine, legte den Schulterpanzer und die starren Teile ihrer Rüstung ab, streifte die Stiefel von den Füssen und schlüpfte unter die schwere, bestickte Decke. Die Laken empfingen sie kühl und angenehm. Ihre Tür war verriegelt. Ein Dolch in einer Leibscheide ruhte an ihrem Körper, bis zu den anderen Waffen war es nur ein Griff.
Kurz durchzuckte sie Sorge.
Es schien jedoch sicher. Sie durfte ein wenig schlafen.
Langsam ließ sie sich in tiefere Entspannung hinabgleiten, bis diese sie warm umschloss. Außerhalb standen nur ein immerwährender Rest gespannter Wachsamkeit und das nun mattere, doch unverändert anwesende innere Glühen. Nun bist du hier. Es ist sicher richtig so.
Sie schlief ein.
 
Wieder mal ein sehr schönes Update von dir, wie das eigentlich immer der Fall ist. :D
Finde es immer wieder krass, wie du mit der Spannung in den verschiedenen Situationen umgehst :top:
Natürlich auch hier noch mal ein Gratz zu deinem Brutzeltag :clown:

mfg holy
 
Jippie, ein Update :) werde es später lesen und dann meine Meinung reineditieren.

uuund nochwas.. ALLES GUTE ZU DEINEM 28. GEBUUUURTSTAG :kiss: ich wünsch dir weiterhin viel Glück im Leben und Gesundheit und vieles mehr :) feier schön!
Meine Cousine hat heute auch Geburtstag, aber die wird erst 17 :D

// scaerry

Edit: Sodala, hab Kapitel 2 nun durch und ich muss sagen, einfach nur toll :) alles schön beschrieben, kann mir bei jeder Situation ein Bild davon machen, genau so soll es sein.. mach weiter so :)
 
Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag.
Bei mir ist das 4 Tage her... Allerdings trennen uns immernoch 11 weitere Jahre. ;)

Nun, das zweite Kapitel ist wie immer ein Meisterstück, viel Kritik kann ich da nicht geben(es sei denn, deine Fähigkeiten bedürfen eines weiteren Lobes).
Mir sind nur die guten Waffen aufgefallen, die sich der Herr Magistrat anscheinend bei dem Schmied bestellt. Hochqualitativ passte in diesem Fall besser, denke ich.

Ich denke, du solltest tatsächlich ein Buch schreiben...
 
Huhu Reeba :)

Thx für das update :kiss:

Außerdem wünsche ich dir noch alles gute zu deinem Geburtstag.

mfg

Gandalf
 
Manchmal versuche ich mir ja vorzustellen wie das so aussieht wenn Reeba am Schreiben ist.
Fliegen da lauter Feen und Musen im Zimmer um die Lampe wie die Motten und verteilen Inspriationen?! Stehen dir zur rechten Thesaurus, zur linken Herr Konrad Duden und beratschlagen wie man das Wort schreibt und welcher Ausdruck besser wäre?!
ist im keller eine ganze Agentur von Dichtern und Denkern versteckt, die sie dem deutschen Bildungssystem entzogen hat bevor die PISA-Studie kam (daher der schlechte Schnitt) und die ihr zum Gefallen Tag und Nacht an Formulierungen und Situationsbeschreibungen arbeiten?!

Fragen über Fragen...
 
Großartig, wieder ein Update. Ich werde es nachher lesen und dann meine Meinung dazu schreiben. Aber wenn es so gut wie der erste Post ist, dann werde ich wohl nichts daran auszusetzen haben... ;)

Auf jeden Fall auch von mir alles Gute zum Geburtstag!
 
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