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Die Protektoren

StalkerJuist

Well-known member
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17 Mai 2001
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Hallo,
nach einer längeren Pause versuche ich wieder zu schreiben. Ich hoffe es gefällt, als Betaleserin konnte ich wieder Reeba gewinnen, sie ist also mitschuldig. :D

Die Protektoren (1)

Tarmon stemmte sich gegen die Böe, federnd schwamm er in ihr. Dieser verdammte Schneesturm! Man sah kaum ein Dutzend Schritte weit, um einen herum war alles eine einzige konturlose weiße Mauer. Schlimmer noch, wenn er so wie jetzt vom Wind gebeutelt wurde, dann verlor er kurz jegliche Orientierung, selbst Oben und Unten verschwammen manchmal für einige Augenblicke. Obwohl er sich hier bestens auskannte, musste er auf der Hut sein, um sich nicht zu verirren. Normalerweise hätte er sich nie bei einem solchen Wetter ins Freie begeben, und schon gar nicht auf den weiten Weg bis in den Wald, um Brennholz zu sammeln, doch dieses Mal war einfach alles zusammen gekommen. Erst wurde seine Frau krank, dann fing dieser Sturm an, und schließlich wurde noch das Feuermaterial knapp. Er hatte gehofft, auf besseres Wetter warten zu können, doch weit gefehlt, es wurde eher schlechter als besser. Jetzt hatten sie nicht einmal mehr genügend Holz zum Kochen, zum Heizen erst recht nicht. So musste er trotz aller widrigen Umstände losziehen, in den Wald und bei diesem Wetter Bruchholz einsammeln. Nun, wenigsten war Dank des Sturmes daran kein Mangel, und er hatte seinen Schlitten damit schnell voll beladen.

Die Böe ließ nach. Tarmon konzentrierte sich kurz, dann packte er seufzend das Zugseil von seinem Schlitten fester und stapfte weiter. Er keuchte ein wenig vor Anstrengung. Es war nicht die Kälte, die ihm zu schaffen machte, denn so kalt war es nicht, wenn auch merklich unter dem Gefrierpunkt. Es war eher der tiefe Schnee, der ihn fast bis zu den Knien einsinken ließ und zu stakendem Schritt zwang. Auch die Kufen vom Schlitten sanken in den lockeren Schnee etwas ein und ließen ihn schwer am Seil ziehen. Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, konnte er den eigentlichen Grund seiner Schwäche nicht verleugnen: Er war alt geworden. Alt und schwächer. Wenn das so weiterginge, würde er bald auf Hilfe angewiesen sein. Doch er war alleine hier, lebte nur mit seiner Frau zusammen, die auch nicht mehr die Jüngste war. Was würde aus ihm werden, wenn sie stürbe? Verdammt, das Schlimmste an diesen Stürmen war die Abgeschiedenheit, die einem solche Gedanken aufzwang. Missmutig ging er weiter, Schritt für Schritt.

Im ersten Augenblick erschrak Tarmon, als er die seinen Weg kreuzende Spur entdeckte. War er im Kreis gelaufen? War er schon so alt geworden, dass er dermaßen die Orientierung verloren hatte? Dann sah er genauer hin. Es fehlten die Spuren von seinem Schlitten, also konnte das nicht seine Spur sein. Doch wessen dann? Von seiner Frau? Das war unmöglich, sie konnte nur mit Mühe im Haus laufen, im Freien wäre sie nie so weit gekommen. Also ein Fremder, auch wenn das noch so unsinnig war, in dieser abgelegenen Gegend lebte niemand außer ihnen, und dann bei diesem Wetter. Er fing an, die Spur zu lesen, das fiel ihm als erfahrenen Waldläufer leicht. Die Eindrücke hatten klare Konturen und es fand sich kaum lockerer Schnee auf ihrem Grund, also waren sie frisch. Sie waren nicht allzu tief, also war der Fremde relativ schmächtig. Vor allem aber sah man ihnen an, dass der Fremde am Ende seiner Kräfte war.
„Bald wirst du tot sein, ein Opfer des Sturms“, murmelte Tarmon unwillkürlich.

Tarmon ging weiter, seinen beladenen Schlitten hinter sich herziehend. Er hatte genügend eigene Probleme und musste zusehen, endlich nach Hause zu kommen. Was ging ihn ein Fremder an?

Doch nach wenigen Schritten verspürte er so etwas wie Neugierde. Das war ungewohnt für ihn. So weit er sich zurückerinnern konnte, kannte er keine Neugierde. Dazu war er wohl zu alt geworden, dachte er, dann drehte er mehr unterbewusst als gewollt ab, kehrte in einem großen Bogen zu der Spur zurück und folgte ihr. Er war nicht mehr der Schnellste, doch so erschöpft wie der Fremde mehr gewankt als gegangen war, würde er ihn dennoch sehr bald eingeholt haben. Wenn er dann überhaupt noch lebte.

*

Sie taumelte und blieb nach Atem ringend stehend. Ihre Augen versuchten etwas zu erkennen, einen Bezugspunkt zu finden, doch es war vergeblich, um sie herum war nur undurchdringliches Weiß. Wirbelndes, wild tanzendes Weiß, dass sie schwindeln ließ, wenn sie zu lange hineinstarrte. Wie lange steckte sie schon in diesem Schneesturm? Es kam ihr ewig vor. Gab es überhaupt etwas davor? Es fiel ihr so schwer, sich zu konzentrieren, die Gedanken zerstoben. Sie löste ihren Blick vom Sturm, blickte auf ihre linke Handfläche, die sie mit leicht gespreizten Fingern eine Unterarmspanne entfernt vor ihr Gesicht hielt. Sie zitterte etwas, doch es war wenigstens etwas Bekanntes, ein Anhaltspunkt in dieser konturlosen Welt. Kurz blitzte ein Gedanke auf, doch bevor sie ihn greifen konnte war er wieder fort.

Eine Böe fegte eine Wolke aus Eis und Schnee auf sie zu, die sie kalt prasselnd verschluckte. Sie krümmte sich zusammen, versuchte mit steif gefrorenen Fingern ihren kurzen Rock an den Leib zu pressen. Viel half es nicht, der Wind blies durch den viel zu dünnen Stoff hindurch, fast als wenn sie nackt im Sturm wäre. Wie unzureichend sie nur gekleidet war! Dieses Mal konnte sie kurz ihren Gedanken festhalten, gerade lang genug, um den Nachhall der Verwunderung in sich zu spüren.

Als die Böe nachließ und die Wolke sie freiließ, richtete sie sich wieder auf und stapfte weiter durch den tiefen Schnee. Obwohl sie die Orientierung verloren hatte, war sie sicher, in die richtige Richtung zu gehen. Das war das Einzige, was wirklich zählte: Das Ziel zu erreichen. Der Sturm schien alles andere gefressen zu haben, alle anderen Fragen und Nöte. Es blieb nicht einmal mehr Platz, sich zu wundern, warum sie die Richtung wusste, in all ihrer sonstigen Orientierungslosigkeit. Nur weiter, immer weiter.

Aber sie kam nicht mehr viel weiter. Eine besonders starke Böe hieb ihr in den Rücken, sie strauchelte und fiel nach vorne. Ihre Reflexe waren nur noch schwach, sie vermochte den Sturz nicht mit den Armen abzufangen, doch nun zeigte sich der tiefe Schnee von seiner gnädigen Seite, nahm sie sanft in seine weichen Arme.

Kurz lag sie so im Schnee. Ihr Körper war tief eingesunken, sie konnte ihren Atem hören, hastig und etwas keuchend, und ihr Herz, wie es schnell schlug. Wie angenehm, das Schneebett war gar nicht so kalt, viel wärmer als der Sturm. Wie angenehm, einfach so dazuliegen, sich nicht anstrengen zu müssen. Sie war so müde, so unsäglich müde. Einzig das Atmen fiel schwer, auf dem Bauch und mit dem Gesicht im Schnee. Sie wälzte sich mühselig herum, zog die Beine etwas an und klemmte die Hände zwischen sie. Sie starrte in den Himmel, doch auch hier war nur undurchdringliches Weiß, dann schloss sie die Lider und horchte wieder auf ihren Atem und Herzschlag.

*

Tarmon erkannte undeutlich in etwa dreißig Schritten Entfernung die Kuhle am Ende der Spur. Er hielt kurz inne. Zweifel befielen ihn wieder. Was mischte er sich hier ein? Er hatte wahrlich genügend eigene Probleme. Doch noch während er das dachte ging er weiter bis zur Kuhle und blickte auf die reglose Gestalt in ihr. Es war eine junge Frau. Erschrocken kniete sich Tarmon neben sie, riss sich den rechten Handschuh von den Fingern und berührte ihre Wangen mit den Fingerspitzen. Sie waren kalt, aber nicht eiskalt, also lebte sie wahrscheinlich noch. Jetzt sah er auch, dass sich ihr Leib langsam hob und senkte, sie atmete.

Er stand auf und betrachtete die Fremde genauer. Sie trug nur leichte Kleidung, einen kurzen violetten Rock und ein kunstvoll um die Brust geschlungenes grünes Tuch. Ihre kräftigen Farben unterstrichen, dass es sich nur um Sommerkleidung handelte. Wie konnte jemand so verrückt sein und bei solchem Wetter so herumlaufen? Er sah ihr in das Gesicht. Trotz der Blässe und ihrer geschlossenen Augen beeindruckte es ihn. Nein, so sieht keine Verrückte aus. Ob sie überfallen und ausgeraubt worden war? Unsicher genug war die Gegend. Erschrocken sah er sich um, ohne etwas zu entdecken. Die Diebe wären natürlich längst über alle Berge. Egal, es galt, keine Zeit mehr zu verlieren. Entschlossen räumte er seinen Schlitten frei.

Er ging in die Hocke, schob seine Arme unter ihren Leib und hob sie an. Tarmon ächzte unter der Last, aber er schaffte es, sich aufzurichten, sie zum Schlitten zu tragen und dort auf dem Rücken abzulegen, wenn auch etwas unsanft. Schneeflocken fielen auf die Fremde, er beobachtete wie sie auf ihrer blanken Haut von Gesicht und Bauch landeten um vom nächsten Windstoß vertrieben zu werden. Er zog seinen Übermantel aus und wickelte die Frau darin ein. Mit den Seilen, die zuvor das Brennholz gehalten hatten, sicherte er sie vor dem Herunterrollen. Dann brach er auf, wieder zurück zu seinem Haus. Jetzt ließ der Sturm auch ihn frieren, doch es war nicht allzu weit, höchstens eine knappe Stunde, und die Anstrengung würde ihn schon ausreichend erwärmen.

*

Berührung, Umarmung.
Nicht besitzergreifend, nicht lüstern.
Sondern vergewissernd, in zeitloser Stille haltend.
Gedankenfreies Glück. So leer, so schön.
Dann ein Gedanke, erst am Rande, kaum wahrnehmbar. Er eilt herbei, ungebeten, drängt sich in die Leere.
Fällt in sie ein, wie ein Tropfen schwarzer Tinte in ein Glas klaren Wassers.
Er spürt, wie sie sich versteift und löst die Umarmung. Er schaut ihr in das Gesicht und erkennt ihren Schmerz, Schmerz, der sich in seinen Augen widerspiegelt.


Der Traum zersprang, und seine Splitter waren scharf. Sie riss ihre Augen auf, nicht um zu sehen, sondern um durch das blendende Licht die Erinnerung an den Traum zu verlieren. So lag sie einige Atemzüge da und versuchte, an nichts zu denken, vor allem nicht an den Traum. Doch ein beständiges Jucken im Gesicht, an Nase und Ohren zwang sie zurück in die Umwelt. Sie fuhr mit beiden Händen zum Gesicht um sich zu kratzen, doch ihre Finger waren in Stoff eingewickelt. Ehe sie recht begreifen konnte, tauchte ein Schatten auf, er packt ihre Arme und drückt sie sanft aber bestimmt zurück auf das Bettuch.
„Nicht!“, sagte eine unbekannte Stimme. „Nicht kratzen! Ihr habt leichte Erfrierungen. Ich habe sie versorgt. Aber sie müssen in Ruhe abheilen können, damit keine Narben entstehen.“

Der Schatten beugte sich über sie herab, jetzt konnte sie ihn besser sehen. Es war ein älterer Mann mit einem grau-schwarzen Vollbart und halblangen weißen Haaren. Genaueres war nicht erkennbar, das anfangs so blendende Licht war in Wirklichkeit eine eher trübe Laterne, die auf einem Tisch neben dem Bett stand.
„Versucht, nicht zu sprechen. Am besten, Ihr schlaft noch etwas, morgen ist auch noch ein Tag.“ Er machte eine kurze Pause, sprach dann weiter. „Keine Sorge, die Erfrierungen sind nur Oberflächlich. Die werden völlig verheilen.“
Er ließ ihre Arme los und richtete sich wieder auf. Die Fremde schloss zögernd ihre Augen und kurz darauf wurde ihr Atem langsamer und gleichmäßiger.

Am nächsten Morgen erwachte sie durch leichtes Rütteln an ihrer Schulter.
„Hallo. Ihr solltet aufstehen. Wer zu lange schläft, rostet ein.“
Es war dieselbe Stimme wie beim ersten, nur kurzen, Aufwachen. Sie schlug langsam die Augen auf. Diesmal lag sie halb auf der Seite, sie blickte direkt auf den Sprecher. Tatsächlich, es war wieder der alte Mann. Sie drehte sich auf den Rücken, stützte sich auf ihre Ellbogen auf und sah sich um. Sie konnte alles sehen und erkennen, aber ihre Überlegungen versickerten, noch bevor sie ihren Verstand erreichten.

„Geht es?“, fragte der Mann.
Sie antwortete nicht, stattdessen richtete sie ihren Oberkörper weiter auf. Sie schien nicht zu bemerken, wie das Bettuch herabrutschte.

Der Anblick ihres nackten Oberkörpers verunsicherte ihn. Zwar hatte er sie gestern verbunden und in das Bett gebracht, ihr die vom Schnee nassgewordenen Kleider ausgezogen und sich sogar eine Zeit lang neben sie gelegt, um sie zu wärmen, doch da war sie bewusstlos gewesen und er hatte dabei keinerlei Bedenken gehabt. Sicher, es war eine junge Frau, doch er war aus dem Alter heraus. Außerdem, als Jäger kannte er solche Notlagen, da waren Prüderie und moralische Bedenken fehl am Platz. Doch jetzt war sie wach, und wie würde sie darüber denken? Er versuchte, die Situation möglichst schnell zu beenden.
„Gut, dann nichts wie raus. Eure Sachen liegen dort“, sagte er und deutete auf einen Stuhl neben dem Bett.

Die Fremde sagte immer noch nichts. Überraschend für Tarmon schwang sie ihre Beine aus dem Bett, warf das Bettuch zur Seite und stand in einer fließenden Bewegung auf. Mit einem nachdenklichen und etwas entrückten Blick stand sie jetzt unmittelbar vor ihm.
„Ihr habt Euch aber gut erholt“, entwich es dem verdutzten Jäger, doch er fing sich schnell. Er hob Rock und Brusttuch vom Stuhl und hielt sie der Fremden hin. „Erstaunlich, bei der Kleidung in dem Sturm.“
Sie schien ihn immer noch nicht richtig wahrzunehmen. Ohne ihn anzusehen nahm sie zuerst den violetten Rock und knöpfte ihn sich um die Hüfte, danach schlang sie sich das grüne Tuch um den Oberkörper. Beides tat sie mit geistesabwesenden Bewegungen, den Blick in unergründliche Fernen gerichtet.
„So habe ich Euch gestern im Schneesturm gefunden. Warum lauft Ihr mitten im Winter in Sommerkleidung herum?“
Die Fremde sah sich mit unstet springendem Blick um.
„Wie lautet Euer Name?“, fragte Tarmon weiter, allmählich ungeduldig werdend.
Langsam wandte sie ihm ihr Gesicht zu, doch sah blicklos an ihm vorbei. Tarmon konnte ihre wachsende Unsicherheit erkennen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht an meinen Namen erinnern“, flüsterte sie tonlos.

Alles kam ihr fremd vor. Wer war dieser alte Mann? Was für ein Raum war das? Er war mittelgroß, mit zwei Fenstern, durch die Tageslicht, aber kein Sonnenlicht, fiel. Decke und Wände waren aus hellen, etwas grob bearbeiteten Holzbrettern erbaut. An der den Fenstern gegenüberliegenden Wand war ein aus Bruchsteinen grob gefügter Kamin, in dem ein Feuer brannte und die Luft mit etwas Rauch erfüllte. Abgesehen von einigen Möbeln war der Raum kahl. Nein, an diesen Raum konnte sie sich nicht erinnern.
„Woran könnt Ihr Euch erinnern? Wie seid Ihr hierher und in diesen Sturm gelangt? Hat man Euch überfallen, Eure Ausrüstung gestohlen?“, drang die Stimme des unbekannten Mannes in ihre Gedanken.

Endlich schien sie Tarmon wahrzunehmen, sie sah ihn jetzt an.
„Ich weiß es nicht. Ich kann mich nur noch erinnern, wie ich durch ihn lief“, flüsterte sie.
Er sah das wachsende Entsetzen in ihren Augen.
Plötzlich schlug sie die Hände vor ihr Gesicht. „Ich...ich kann mich an gar nichts mehr erinnern!“ Sie stöhnte verzweifelt auf, kraftlos rutschten die Hände aus ihrem Gesicht.
Tarmon packte sie sanft an den Schultern. „Das ist nicht so schlimm, es wird Euch schon wieder einfallen. Vermutlich hat die Überanstrengung und die Kälte Euer Gedächtnis blockiert. Das kommt vor, das vergeht wieder.“

Tarmon zog die Fremde näher an sich, aber ohne sie an sich zu drücken. Es waren vor allem Zweifel und eine Spur von Misstrauen, die ihm Zurückhaltung auferlegten. Er zweifelte, dass sie ausgeraubt worden war, denn als er sie gestern auszog, da hatte er ihren Gürtel bemerkt, in dem zu seiner grenzenlosen Verwunderung auch einige Goldmünzen waren. Hatte er überhaupt schon einmal Gold in der Hand gehabt? Er kannte doch nur Kupfermünzen, und vielleicht ab und zu Silbermünzen. Sie hatte echte Goldmünzen, für ihn ein kleines Vermögen. Kein Dieb hätte die übersehen. Nein, hier war irgend etwas anderes passiert. Vielleicht ein Racheakt? Ein Eifersuchtsdrama? Ein bizarrer Mordversuch? Hatte er wohlhabende und mächtige Kreise gestört? Kreise, die sich rächen würden?
Schlimmer aber war das Misstrauen, das er empfand. Spielte sie den Gedächtnisverlust nur vor, um sich bei ihm verstecken zu können? So unwahrscheinlich das war, so bohrend war dieser Gedanke.
Er bereute, gestern der Spur gefolgt zu sein und sie gefunden zu haben, und löste den Griff.

„Danke.“
Er sah sie an. Dieses sonst so nichtssagende Wort, in diesem Fall berührte es ihn tief, vertrieb seine trüben Gedanken. Wann hatte er es zum letzten Mal so gehört? So einfach, so ursprünglich ausgesprochen, dass es nur vom Herzen kommen konnte.
„Danke für Eure Hilfe. Es wird bestimmt so sein, wie Ihr meint...hoffentlich.“
Er sah ihr genau in die Augen, die ein wenig hilflos zu ihm aufblickten. Nein, diese Frau log nicht, sie verdiente seine Hilfe, was auch immer passiert war. Er ging zum Ofen und kam mit den Schuhen und Socken der Fremden wieder. „Das Leder ist noch etwas feucht, doch wenn ich sie ganz trockne schrumpft es womöglich. Dafür sind die Socken schön warm.“
Sie nickte und setzte sich auf die Bettkante, um die Schuhe anzuziehen.

Er sah ihr zu, wie sie die Schnürsenkel band. Für so etwas hatte er einen Blick, er konnte aus ihren Fingerbewegungen viel herauslesen. Zweifellos, sie war geschickt mit den Händen, trotz der Verbände, also kaum eine verstoßene Aristokratin. Dazu passten auch die Schwielen, die er gestern an ihnen bemerkt hatte, auch wenn sie für eine Bäuerin zu leicht waren. Langsam bekam er einen neuen Verdacht.
Als sie wieder aufstand sah er ebenfalls scharf hin. Sein Verdacht wurde allmählich zur Gewissheit, so stand keine Dame und keine Bäuerin auf. Nein, vor ihm stand eine Kriegerin. Natürlich, warum war er nicht gleich darauf gekommen?

Tarmon hatte sich nie sonderlich für die Angelegenheiten der Krieger interessiert. Sollten die sich nur gegenseitig die Köpfe einschlagen, solange sie ihn in Ruhe ließen. In letzter Zeit schien das auch vermehrt der Fall zu sein, zumindest hatte er so etwas gehört. Er sah die junge Frau an, wie sie erwartungsvoll vor ihm stand. Erstaunlich, wie sie sich gefangen hatte. Er hatte sich diese Leute immer ganz anders vorgestellt, grob und dümmlich. Tarmon atmete tief ein.
„Kommt, ich möchte Euch meiner Frau Jilana vorstellen. Sie ist sehr krank und kann kaum das Bett verlassen. Wir dürfen sie nicht zu sehr aufregen. Deshalb sollten wir ihr zunächst Euer Problem verschweigen.“
Die Fremde nickte. „Ich verstehe. Doch sie wird mich bestimmt nach meinem Namen fragen. Was soll ich dann sagen?“
„Denkt Euch einen aus, bis Ihr euch wieder erinnert.“
„Ich weiß nicht...Es ist schwierig, sich einen eigenen Namen auszudenken. Bitte, schlagt Ihr einen vor.“
Tarmon nickte nachdenklich. „Würde Euch ‚Sirtis’ gefallen?“
„Sirtis? Gut, der Name gefällt mir. Hat er eine Bedeutung?“
Er nickte etwas bedrückt. „Ja.“

Mehr sagte er nicht. Stattdessen drehte Tarmon sich um und ging aus dem Zimmer auf einen schmalen Gang, Sirtis folgte ihm. Vor einer Tür blieb er stehen, klopfte leise, dann öffnete er die Tür und sie traten ein.

Der Raum war klein, mehr eine Kammer als ein Zimmer. Zunächst war kaum etwas zu erkennen, das einzige Fenster war durch einen dicken Vorhang verdeckt. Tarmon ging zu ihm und zog ihn beiseite, im nun erhellten Raum konnte Sirtis ein Bett erkennen, auf dem eine alte Frau lag, die einen schwachen, aber dennoch wachen Eindruck machte. Offensichtlich war sie schon länger wach gewesen, einschätzend sah sie Sirtis an.
„Ihr seid also die Fremde, von der mein Mann mir erzählt hat?“
„Ja, man nennt mich Sirtis. Ich bin in dem Schneesturm in Schwierigkeiten geraten, doch zum Glück hat Tarmon mich noch rechtzeitig gefunden.“
„Sie wurde überfallen, und man hatte ihr alles gestohlen, auch die warme Kleidung“, fügte Tarmon hastig hinzu. Jilana sah ihn kurz an, dann wandte sie sich erneut der Fremden zu.
„Räuber? Das tut mir Leid, es ist hier unsicher geworden, früher war es besser. Was hat Euch in diese Gegend geführt, Sirtis?“

Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet, auch wenn sie so offensichtlich war. Fieberhaft überlegte Sirtis, dann antwortete sie mehr spontan als überlegt.
„Ich bin eine Kriegerin. Mehr kann ich nicht sagen.“
Sie bemerkte, wie Tarmon bei dieser Antwort zusammenzuckte. Hatte sie etwas falsches gesagt? Dabei kam ihr die Antwort so gut vor. Fast schon zu gut, dachte sie. Vielleicht, weil sie wahr war?

Es war still geworden. Jilana starrte Sirtis an. „Eine Kriegerin...“, murmelte sie.
„Bitte, Jilana, reg dich nicht auf. Sirtis ist bestimmt kein schlechter Mensch, sie wird uns nichts tun“, warf Tarmon hastig ein.
Jilana blickte zu ihrem Mann. Sie sagte kein Wort, doch schienen sie sich miteinander zu verständigen. Sie wandte sich wieder der verunsichert dastehenden Sirtis zu.
„Ihr seid also eine Kriegerin...Ja, das sehe ich Euch an. Bitte, setzt Euch zu mir auf die Bettkante, ich würde Euch gerne besser sehen können und mich gerne ausführlich mit Ihnen unterhalten.“

Sirtis kam der Bitte nach. Tarmon zog sich einen Stuhl herbei und setzte sich neben das Kopfende des Bettes.
„Ihr seid also eine Kriegerin. Das finde ich interessant, ich dachte immer, Krieg sei Männersache. Ist es euer Beruf, lebt ihr davon?“
Für Tarmon war der eigentliche Sinn dieser Frage klar, doch Sirtis begriff ihn überhaupt nicht. Wie konnte sie auch? Er spürte, wie seine Frau sich aufregte. Es hatte einfach keinen Zweck, es war von Anfang an naiv gewesen, sie anzulügen, wo sie so lange zusammenlebten.
„Jilana“, er nahm ihre Hand und streichelte sie sanft, „sie hat im Schneesturm eine Gedächtnisblockade erlitten. Sie weiß nicht mehr, auf welcher Seite sie steht. Verstehst du, sie weiß nicht einmal mehr ihren Namen.“

Es entstand eine merkliche Pause.
„Stimmt das?“, fragte Jilana die Fremde und sah sie an.
Sie nickte. „Ja. Deswegen nenne ich mich ersatzweise Sirtis. Und ich weiß nicht, was Ihr mit ‚Seite’ meint. Bitte, sagt es mir.“
„Ihr könntet eine der zahllosen Söldner des Herrschers sein. Oder eine von denen, die ihn bekämpfen. Das sind die beiden Seiten, von denen Tarmon sprach.“
„Und auf welcher Seite meint Ihr, das ich stehe?“
Jilana sah Tarmon an, nur ein kurzer Blick der Versicherung, dann sprach sie weiter. „Auf der richtigen.“ Sie sah ihren fragen Blick und schüttelte den Kopf. „Aber das spielt jetzt keine Rolle.“
„Ihr könnt unser Gast bleiben, bis Ihr Euch erholt habt“, fügte Tarmon hinzu.

Die nächsten Tage verbrachte Sirtis im Haus. Sie konnte mit ihren verbundenen Fingern anfangs nicht viel tun, und Tarmon war meistens bei seiner Frau. Ab und zu setzte sie sich dazu, und sie unterhielten sich über alles mögliche. So erfuhr sie etwas über das Land Al-Amaris, in dem sie lebten, und über den Herrscher und sein Gefolge. Es war aber nicht viel, Tarmon war schon lange nicht mehr weiter als bis zur nächsten Stadt Gom gekommen, er kannte kaum einen Menschen außer seiner Frau. Jilana war auch nicht weiter gekommen, und seit sie immer schwächer geworden war, war sie kaum noch aus dem Haus gekommen.

So wie Sirtis Verletzungen abheilten, so erholte sich zu ihrer Freude auch Jilana. Immer öfter und länger konnte sie ihr Bett verlassen, sie gingen dann in das Wohnzimmer und sprachen dort weiter. Jilana strickte dabei an einem grauen Pullover, Tarmon kümmerte sich um den Kamin. Sirtis fing an, das Zimmer aufzuräumen und zu reinigen, auch reparierte sie allerlei Dinge, wie Kessel und eine Wasserpumpe. Es machte ihr Spaß, doch es war auch wie ein Zwang, manchmal störten ihre Gastgeber sich daran, so sehr sie auch ihre Hilfe gebrauchen konnten, war doch durch Jilanas Kränklichkeit das Haus etwas heruntergekommen.
„Kannst du nicht ein Mal aufhören und dich ausruhen?“, mahnte Tarmon. Sie hatten längst die förmliche Anrede aufgegeben. „Du hast diese Ecke bestimmt schon zweimal geputzt.“
„Was soll ich denn sonst machen? Morgen werde ich euer Dach flicken, an zwei Stellen sind Löcher“, antwortete Sirtis ohne sich umzudrehen.
„Hm“, brummte Tarmon, von mir aus. Ich kann das nicht mehr. Aber jetzt höre endlich auf! Warum bist du dermaßen ruhelos?“

Sirtis drehte sich um. Kurz horchte sie in sich hinein. „Du hast recht, ich bin so rastlos. Das war im Schneesturm auch so, es zieht mich fort in diese Richtung.“ Sie deutete nach Nordwesten.
„Dort liegt Gom. Was willst du dort?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht komme ich von dort und es ist meine Heimat?“
„Und da möchtest du hin, verstehe“, sagte Jilana und sah sie aus zusammengekniffenen Augen abschätzend an, wie sie es in den letzten Tagen öfters getan hatte. Sie lächelte leicht und strickte weiter. „Leider kann ich dich nicht begleiten, aber mein Mann...“
„Nein!“, entfuhr es Tarmon. „Ich kann dich nicht alleine lassen.“ Er wandte sich mit entschuldigendem Blick Sirtis zu. „Sie ist noch zu schwach und bis Gom ist es eine Tagesreise. So lange möchte ich meine Frau nicht alleine lassen.“
Sirtis machte eine beschwichtigende Geste. „Ist schon gut. Ich mag meinen Namen und einiges anderes vergessen haben, aber ich bin nicht dumm und hilflos geworden. Das schaffe ich schon, und in Gom habe ich bestimmt alte Bekannte, auch wird es dort Heiler geben. Ihr habt mehr als genug für mich getan.“
„Du könntest auch bleiben, bis ich wieder gesund bin. Es geht mir schon viel besser“, schlug Jilana vor.
Sirtis lächelte. „Das hoffe ich. Doch, wie gesagt, ich schaffe das schon.“
„Na schön. In der großen Truhe dort ist noch genügend Stoff für einen Mantel. Könnt Ihr nähen? Ich kann Euch dabei leider nicht helfen, meine Augen sind nicht mehr die besten. Zum Stricken reicht es noch gerade, aber zum Nähen leider nicht mehr.“

Sirtis ging zu der Truhe und klappte sie auf.
„Den dunkelblauen meine ich“, hörte sie Jilana sagen.
Sie zog den Stoff heraus, es war dicke Winterwolle von guter Qualität.
„Das ist gutes Material, war bestimmt teuer. Was kann ich euch dafür geben?“
„Ich schenke ihn dir.“
Sie wandte den Kopf und sah ihre Gastgeberin an. „Das kann ich nicht annehmen, ihr seid arme Leute.“
„Ach was, wir können ihn ohnehin nicht mehr gebrauchen. Dafür kannst du dann das Dach machen, wenn du willst.“

Sie schneiderte sich aus dem Stoff in den nächsten zwei Tagen einen knielangen Mantel mit Kapuze.
„Nicht schlecht, du bist eine geschickte Frau“, lobte Tarmon, als sie den Mantel zur Probe anzog und sich spielerisch vor ihren Gastgebern im Kreis drehte. Der Mantel passt und steht dir. Jetzt brauchst du noch etwas für die Beine. Warte.“ Er ging in sein Zimmer und kam mit einer seiner schwarzen Hosen zurück. „Die könnte einigermaßen passen. Dein Becken ist natürlich etwas kräftiger.“
„In der Truhe sind noch einige Stoffreste, damit kannst du die Hose anpassen“, meinte Jilana.

Am Morgen des Abschieds stand Sirtis früh auf. Der Marsch nach Gom würde wegen des Schnees lange dauern, und sie wollte nicht im Freien übernachten müssen. Sie zog sich die Hose an, die sie durch zwei seitliche dunkelgrüne Einsätze im oberen Teil passend gemacht hatte. Dann schlang sie sich das Brusttuch um und zog ihre Socken und Schuhe an. So ging sie in die Küche. Zu ihrer freudigen Überraschung war nicht nur Tarmon, sondern auch Jilana so früh auf.
„Schon auf, Jilana? Du siehst gut erholt aus.“
„Ja, so fühle ich mich auch. Irgendwie hat wohl deine Anwesenheit heilsam gewirkt. Vielleicht hat dein jugendliches Feuer mich auf Trab gebracht?“ Sie lächelte. „Nun, meine Finger auf jeden Fall. Komm her, der ist noch für dich.“ Gut gelaunt hielt sie Sirtis einen Pullover entgegen.
Sirtis nahm den Pullover und hielt ihn sich vor den Leib. „Der ist aber schön, sogar mit einem Zopfmuster. Ist der wirklich für mich?“ Sie drehte mit einem Anflug von Koketterie ihren Oberkörper hin und her, ihre Augen strahlten.
„Natürlich. Ich stricke sehr gerne, und Tarmon hat schon genügend Pullover.“
Ihr Mann knurrte dazu etwas unverständliches, doch in Wirklichkeit genoss er Sirtis Anblick. Wann hatte er zuletzt einen Menschen sich so offen und schön freuen sehen? Einen solch schönen Augenblick hatte er schon lange nicht mehr erleben dürfen.
Sirtis schlüpfte in den Pullover. Er reichte ihr bis zu den Oberschenkeln und Fingerknöcheln.
„Ich habe ihn absichtlich so lang gemacht, damit er schön warm ist. Die Ärmel kannst du bei Bedarf natürlich hochrollen. Leider sind mir in der Eile und durch meine schlechten Augen einige Maschen heruntergefallen“, sagte Jilana.
„Wunderschön...“, sagte Sirtis nur und strich mit den Fingern am Pullover herab.

Nach dem gemeinsamen Frühstück nahte der Moment des Abschieds. Sirtis holte ihren Rucksack, den sie sich aus Stoffresten zusammengesetzt hatte, aus dem Zimmer. In ihm fand sie noch ein heimlich hineingestopftes Paar Socken, die sie überzog. Eine Decke und etwas Verpflegung hatte sie noch am Vortag bekommen. Jetzt war sie gut ausgerüstet. Als Dank legte sie eine Silbermünze auf den Stuhl im Zimmer. Sie wusste, dass ihre Gastgeber sie nie persönlich angenommen hätten, doch so würde ihnen keine Wahl bleiben.

Es würde ein schöner Wintertag werden. Um die Zeit war es noch dunkel, doch die Sterne waren zu sehen. Es war zwar kalt, aber windstill. In zwei Stunden würde die Sonne am wolkenlosen Himmel erscheinen. Sirtis stand zum Abschied vor ihren Gastgebern. Sie spürte, wie die Schwermütigkeit der Trennung von ihnen auf sie übergriff und sich gegenseitig verstärkte. Sirtis strich Jilana mit den Fingerspitzen über die Wange, berührte Tarmon an der Schulter, dann drehte sie sich abrupt um, öffnete die Tür und ging ohne ein weiteres Wort nach Nordwesten davon.
 
Und damit auch mal wer was zur Story schreibt: Schöne Einleitung! Sie hat zwear ihre Längen, verliert aber nie ihre Menschlichkeit. ich finde es schön, wie du immer in Momentaufnahmen erzählst.

Der Titel macht mich schon wieder neugierig: Sind Protektoren irgendwelche magischen Wesen? Spezial-Einheiten wie "Schläfer"? Sind das die Heinis von jenem erwähnten Herrscher? Die anderen?!
 
Schliesse mich Saturn und HDP_player an.

Teilweise etwas langatmig, die inneren Vorgänge der Charaktere sind zwar schön beschrieben(ja, das ist ein Kompliment ;)), allerdings bin ich sicher, man hätte es an manchen Stellen etwas kürzen können.
Ausdauernde Leser schreckt das sicher nicht ab, aber da nicht Jeder über dieses besondere Durchhaltevermögen verfügt...

Nun, bei der 'Vorstellung' der Charaktere ist es sicher keine schlechte Idee, sich etwas länger und ausführlicher zu fassen, um ein umfassenderes Bild zu schaffen.

Fasse meinen Beitrag also nur als Hinweis für die Zukunft, nicht als direkte, negative Kritik auf. ^^
 
Ich finde die Geschichte wundervoll!

Die bereits angesprochenen Längen empfinde ich keineswegs als Belastung, sondern als gute Möglichkeit, die Darsteller genug kennen zu lernen.
Der Plot scheint gut zu sein und einen Sinn zu erfüllen, dazu kann ich natürlich erst nach mindestens 5 weiteren Teilen was sagen...:D
Dein Schreibstil ist flüssig, bunt, abwechslungsreich und fehlerfrei :D

Ich freue mich schon darauf zu erfahren, wie es mit der erinnerungslosen Kriegerin weitergeht!!
Schreib auf jeden Fall weiter! So, wie der Anfang geschrieben ist, kann ich mir den Rest durchaus in gedruckter und gebundener Form vorstellen.

Greetz :hy: - Insidias
 
Huhu

Also erst mal zur länge: Zu lange Storys gibt es grundsätzlich nicht. Ich finde sie genau richtig wobei es mich auch nicht stören würde wenn sie noch viel länger wäre :)

Die Story lässt sich sehr schön lesen wobei es am anfang fast etwas holperig ist. Nach den ersten paar Sätzen ist sie aber sehr gut. Weiter so :)

2 Fehler:

>>
... weiter. Jilana strickte dabei an einem grauen Pullover weiter, Tarmon kümmerte sich um den Kamin.
>>

2x weiter


Ist es nicht etwas unlogisch, im Schneesturm holz zu suchen, wenn ca 50 cm Schnee liegen? Auch wenn es herunter geweht wird, versinkt es im schnee und wir auch sehr schnell zugeweht.


So das war es meinerseits. Weiter so.

Gandalf
 
Mir ist das Kapitel ebenfalls nicht zu ausführlich, aber da bewegen wir uns einfach in der Geschmackszone. :)
Da sich bei Stalker Wendungen so gut wie nie wiederholen und die Beschreibungen meist unmittelbaren Bezug zur Atmosphäre oder den Personen haben, ermüden mich als Leser die längeren Passagen nicht, im Gegenteil.
Sprachlich wie immer :kiss:
Ein Einstiegskapitel, das gleich neugierig auf die Fortsetzung macht, weil der Einblick in die Welt gut dosiert ist.

Schön, dass du wieder die Feder schwingst :top: ;)

Reeba
 
Danke an Alle für die Kritiken.
Den Fehler mit dem doppeltem "weiter" habe ich korrigiert.
Holz bei den Bedingungen zu suchen ist sicherlich schwierig, da die Wege verschneit sind und viel Bruchholz versunken ist. Andererseits dürften durch die hohe Schneelast auch größere Äste abgeknickt oder abgebrochen sein, die noch auffindbar sind. Tarmon ist auch nur gezwungenermaßen aufgebrochen, da ihm das Feuerholz ausging. (Übrigens, nachdem er Sirtis gerettet hatte, ist er zurückgekehrt um das Holz zu holen. Das habe ich im Text wieder gestrichen, damit er nicht noch länger wird :D).
Der hintere Abschnitt dieses Teils hat auch nach meinem Geschmack leichte Längen. Doch der Versuch, es zu straffen, ist mir nicht gelungen. Es ging immer irgend etwas Wichtiges mit kaputt, z.B. die Glaubwürdigkeit von Sirtis Gedankenwelt. Auch ist das Einkleiden von Frauen nie eine kurze Angelegenheit. ;)
Zur Überschrift kann ich jetzt nichts sagen, ohne der Handlung vorzugreifen.
 
Stalker_Juist schrieb:
Auch ist das Einkleiden von Frauen nie eine kurze Angelegenheit. ;)


:lol:

Was heißt hier zu lang?

Viiel zu kurz! ( Zumindest abends, wo ich mehr Muße zum Lesen habe)

Eine schöne Geschichte mit stimmigen Bildern, z.B. wie Tarmon gleich am Anfang im Schneesturm "schwimmt" oder wie "Sirtis" in den Schnee sinkt und kurz vorm Erfrieren ist. Einige, ganz wenige holprige Stellen (Geschmackssache)

Und spannend.


Davon hätte ich gerne mehr ;)


DV
 
wow echt gut zu lesen :top:
bin schon total auf die fortsetzung gespannt :D

weiter so
 
Etwas kurz diesmal, doch es leitet das vorläufige Ende der langweiligen Beschaulichkeit ein.

Die Protektoren (2)
Ich bin Sirtis

Namensliste:
Sirtis: Eine Fremde ohne Erinnerung
Tarmon: Ein alter Jäger
Jilana: Tarmons Frau
Batrast: Ein Gast

Gom: Eine kleine Stadt in Al-Alamaris
Al-Amaris: Ein für Sirtis unbekanntes Land

Gegen Mittag legte Sirtis eine kurze Rast auf einem Baum in einem kleinen Hain ein. Sie saß etwa einen Meter über der Schneeoberfläche auf einem dicken Ast. Nachdenklich lehnte sie mit dem Rücken am Baumstamm, ließ ihre Beine ein wenig pendeln und aß zwei der mitgenommenen Brote. Es war still, sie hörte kein Geräusch. Herrlich! So gut hatte sie sich noch nie gefühlt. Die kühle Luft mit der strahlenden, aber nicht erhitzenden Sonne, die durch keine Blätter behindert den Hain in helles Licht tauchte. Die besinnliche Stille, die Einsamkeit und Friedfertigkeit, sie mochte das alles sehr. Sie durfte nur nicht zu sehr über sich selbst nachdenken und ihr verlorenes Gedächtnis. Sicher, es war zunächst schrecklich gewesen, sich nicht an sich selbst erinnern zu können, doch andererseits entlastete es von vielen Sorgen. Hatte sie nicht alles, was gebraucht wird: einen Namen, einen klaren Verstand und ein Ziel, dachte sie. Schlagartig hörte sie auf mit den Beinen zu spielen. Ja, ein Ziel. Aber welches? Warum wollte sie überhaupt dort hin? War die Hoffnung auf Freunde und Heilung nicht nur ein Strohhalm, mehr vorgeschoben um Tarmon und Jilana zu beruhigen, als wirklich geglaubt? Sie merkte, wie ihre Laune umzuschlagen drohte, und sprang mit federnden Knien vom Ast herab. Sie wollte lieber weitergehen als sich in ebenso düsteren wie sinnlosen Grübeleien verlieren.

Der Schnee war schon lange nicht mehr so tief wie zu Anfang, sie sank bei jedem Schritt nur noch bis auf halbe Wadenhöhe ein. Dennoch blieb der Marsch anstrengend, und als sie am späten Abend, es war schon lange dunkel geworden, endlich die Stadt erreichte, war sie erschöpft. Wenigstens war der Weg trotz der Dunkelheit einfach zu finden gewesen, da sie ab dem frühen Nachmittag nur dem Verlauf eines kleinen zugefrorenen Flusses hatte folgen müssen.

Was Tarmon Stadt genannt hatte, war in Wirklichkeit eher ein Dorf. Sirtis fand in den um diese Zeit leeren Straßen nach einigem Suchen eine Gaststätte mit Betten, vermutlich die einzige in der ganzen Siedlung. Kurz stand sie vor dem Eingang, blickte auf das Schild und horchte in sich hinein, in der Hoffnung, dass irgendeine Erinnerung geweckt würde. Doch da war nichts. Mit einem leisen Seufzer öffnete sie die Tür und trat ein.

Der Schankraum war klein, mit nur vier Tischen und einer hohen Theke. Von den Tischen waren drei besetzt. Einer mit einem etwa vierzigjährigen Mann, der irgend etwas aus einem Steingutteller löffelte, ein weiterer mit drei älteren Männern, die Karten spielten und dabei Bier tranken. Der dritte besetzte Tisch beherbergte eine größere Gruppe, die offensichtlich schon reichlich angeheitert war. Als Sirtis die Kapuze ihres Mantels zurückschlug und so ihr Gesicht und das lange blonde Haar sichtbar wurden, erstarben alle Gespräche. Köpfe ruckten herum, Augen starrten sie an. Offensichtlich waren allein reisende Frauen hier ungewöhnlich. Es war ihr unbehaglich zumute, aber es blieb keine Wahl. Sie ging nach einem unmerklichen Zögern weiter auf die Theke zu, hinter der sie der Wirt abschätzend ansah.
„Was willst du?“, fragte er mit wenig freundlicher Stimme.

Sirtis sah den Wirt genauer an. Wie erwartet weckte auch er keinerlei Erinnerung. Doch in seinem Fall war sie fast froh darüber, so schmierig wie er wirkte. Nicht Vertrautheit, sondern schiere Geringschätzung hatte ihn sie duzen lassen. Am liebsten hätte sie es ihm ebenso zurückgegeben, doch sie war müde, und sie wollte Streit aus dem Wege gehen, solange sie nicht ihre Erinnerung wiedergefunden hatte.
„Ich hätte gerne ein Zimmer.“
„Ein Zimmer? Kannst du überhaupt zahlen?“
„Was kostet es pro Nacht?“
„Hm...zehn Kupferstücke.“
„Wie schwer?“
Diese Frage verwirrte den Wirt. Sirtis bemerkte es und erklärte sie ihm. „Die Kupfermünzen. Ich komme von weiter weg, da werden meine Münzen ein anderes Gewicht als hier üblich haben.“

In dem Moment kam der einzelne Fremde an die Theke rechts neben Sirtis und stellte den halbvollen Teller etwas unsanft ab. Der Wirt und Sirtis sahen zu ihm.
„Wirt, woraus besteht eigentlich dieser Hirsebrei? Deinen abgetragenen Socken?“
Der Wirt zuckte mit den Schultern. Sirtis beugte sich über den Teller und schnüffelte kritisch, der Brei roch nicht sonderlich gut. Der Fremde legte überraschend seine linke Hand auf ihren rechten Arm und glitt mit ihr über den Ärmel hinauf.
„Guter Mantel.“
„Finger weg!“ Sirtis Augen blitzten ihn an.
„Oh, Entschuldigung!“ Er lächelte sie leicht an. „Als kleine Wiedergutmachung: eines der Zimmer hier kostet normalerweise vier Kupfermünzen zu je zwei Gramm.“ Er drehte seinen Kopf dem Wirt zu und grinste ihn an.
Der Wirt funkelte böse zurück, sagte aber nichts. Vermutlich wollte er keine offene Auseinandersetzung mit diesem Hünen anfangen, der ihn um Haupteslänge überragte.

*

„Darf ich mich zu Euch setzen?“
Sirtis sah auf. Es war der Fremde, der ihr beim Zimmer geholfen hatte. Er war wohl neugierig geworden. Eigentlich wollte sie ihre Ruhe haben, doch ihn abzuweisen wäre vielleicht noch schlechter gewesen. Sie nickte ihm kurz zu.
„Danke. Ich heiße Batrast. Und Ihr?“, fragte er.
Sie sah ihn genauer an. Er hatte ein kantiges Gesicht, kurzes schwarzes Haar und dunkelgrüne Augen, die sie seltsam intensiv anblickten.
„Sirtis“, sagte sie knapp und wandte sich wieder ihrem Teller zu.
Er wartete vergeblich, dass sie mehr sagen würde. Stattdessen stocherte sie etwas lustlos in den Kartoffeln herum, die sie bestellt hatte. Sie hatte gehofft, das wenigsten sie halbwegs genießbar waren, denn etwas Warmes wollte sie nach dem langen Marsch durch die Kälte noch essen.
„Die Kartoffeln hatte ich auch schon einmal, waren angefroren. Hier ist nichts wirklich gut“, kommentierte er und verzog den Mund. Sirtis steckte sich eine halbe Kartoffel in den Mund, kaute herum und trank einen Schluck Wasser. Wenigstens das war frisch.
„Habt Ihr etwas? Störe ich Euch?“
„Hm, ich bin müde, das ist alles“, antwortete Sirtis und wollte beschwichtigend lächeln, ließ es aber dann doch bleiben. Sie hatte einfach keine Lust auf ein Gespräch.
„Kennt Ihr hier jemanden?“, fragte Batrast weiter.
„Würde ich dann ausgerechnet hier absteigen?“, meinte Sirtis leicht verärgert.
„Wo kommt Ihr her und was wollt Ihr hier?“, bohrte er unverdrossen weiter.
Sirtis ließ die Gabel aus ihrer linken Hand gleiten und sah ihn an. „Hör mal, Batrast. Ich danke dir für die Hilfe vorhin, aber jetzt bin ich wirklich müde. Ich möchte das hier noch fertig essen und mich dann ins Bett legen.“ Sie seufzte, als sie sein enttäuschtes Gesicht sah. „Vielleicht können wir uns morgen etwas unterhalten. In Ordnung?“
Er machte mit den Armen eine Geste der Entschuldigung und Resignation. „Ich verstehe dich“, er glitt ebenso unbewusst in die vertrauliche Anrede. „Leider muss ich morgen sehr früh weg. Machs gut.“ Er stand auf.

*

Drei Tage später stand Sirtis wieder einmal auf dem Marktplatz des Dorfes an einem Stehtisch und kaute in grüblerischen Gedanken versunken auf ihrem Mittagessen herum. Es waren zwei gebratene Eier auf einer dicken Brotscheibe.
Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann hatten sich ihre Hoffnungen auf Bekanntes oder gar Erinnerung bereits am ersten Tag erschlagen.
Nichts.
Sie erkannte keinen einzigen Menschen. Die Häuser, die Straßen, der Markt, alles war neu für sie. Wenn wenigstens ein Hauch, eine Ahnung von Erinnerung gewesen wäre.
Aber auch gar nichts.
Zuletzt blieb noch die Hoffnung, dass jemand sie erkennen würde, deswegen war sie viel im Dorf unterwegs gewesen, vor allem auf dem Markt. Zwar sah man sie oft an, wenn auch meistens verstohlen, und sie merkte, wie man über sie tuschelte, doch das hatte mit Erkennen nichts zu tun, das war sogar eher ein Anzeichen für ihre Fremdartigkeit. Nicht nur ihre Person, sondern auch ihre Erscheinung mussten hier ungewohnt sein. Wenn sie sich so umsah, war das auch verständlich, sie unterschied sich nur zu deutlich von den Bauersfrauen und Hausmüttern, die sonst den Markt besuchten.
Blieb noch die Hoffnung auf einen Heiler. Doch sie glaubte nicht daran, wollte aber die Enttäuschung der Gewissheit hinauszögern. Was sollte sie dann tun? Selbst dieser seltsame Drang weiterzuwandern, er war erloschen. Sie hatte nicht einmal bemerkt, als es geschehen war. Vielleicht war er nicht schlagartig verschwunden, sondern langsam erstickt? Eigentlich blieb dann nur, weiterzuwandern zu einer größeren Stadt. Oder sich abzufinden und als Sirtis weiterzuleben.
Ich bin Sirtis.
Sie konzentrierte sich auf diesen Gedanken, kurz aber intensiv. Dann horchte sie auf ihr inneres Echo, ob sie dazu in der Lage wäre. Doch neue Gedanken schoben sich dazwischen.
Ob jemand mich vermisst?
Ob jemand sich Sorgen um mich macht?


Ein Mann stieß sie im Vorbeigehen unbeabsichtigt an, murmelte eine Entschuldigung. Sirtis schrak aus ihren Gedanken auf, der Teller war längst leer. Sie nahm ihn auf und brachte ihn zurück zu dem Kochstand. Sie war dem Betreiberehepaar inzwischen bekannt, da die seit ihrer Ankunft Mittags und Abends dort gegessen hatte. Die Gerichte waren nach ihrem Geschmack, preiswert und gut.
„Hat es geschmeckt?“, fragte die Frau. Sirtis nickte. „Ja sicher.“ Sie zeigte auf eine kleine Baustelle in der Mitte des Marktplatzes. „Sagt bitte, was wird dort gebaut? Für einen gewöhnlichen Stand finde ich das ziemlich groß.“
Das freundliche Lächeln der Wirtin verschwand schlagartig. Sie sah Sirtis kritisch an und zögerte, dann beugte sie sich vor und sagte leise: „Das wird ein Schafott.“
„Ein Schafott?“, fragte Sirtis zweifelnd ebenso leise zurück. „Hier in diesem friedlichen Dorf? Gab es etwa einen Mord?“

Sirtis konnte förmlich fühlen, wie die Frau mit sich selbst kämpfte. Sie machte eine Geste der Beschwichtigung. „Entschuldigt bitte, wenn ich zu aufdringlich war.“ Sie wollte sich abwenden, aber in der Bewegung zog die Wirtin sie zurück.
„Es ist für jemanden, der das Protektorat kritisierte...“
Ihr Mann riss sie weg. „Bist du verrückt geworden!“ Er wandte sich an Sirtis. „Bitte vergesst das. Meine Frau plappert öfters Unsinn. Wir sind loyale Anhänger des Protektors und erfreuen uns seiner ordnenden und schützenden Hand. Wir begrüßen es, wenn Aufwiegler gemaßregelt werden.“

Mehr sagte der Wirt nicht, und seine Frau warf Sirtis nur noch einen scheuen Blick zu. Sie wandte sie sich um und ging zurück zur Gaststätte. Hier auf dem Marktplatz herumzufragen erschien ihr sinnlos, offensichtlich hatte sie ein heikles Thema berührt, über dass niemand mit einer Fremden sprechen würde. Auf dem Weg kamen ihr Jilanas Worte wieder in den Sinn. Sie hatte von einem Herrscher, seinen Söldnern und dessen Gegnern gesprochen. Sie erinnerte sich sogar an jedes einzelne Wort:
„Und auf welcher Seite meint Ihr, dass ich stehe?“
„Auf der richtigen.“

Sirtis konnte es nicht begründen, aber fühlte zutiefst, welche Seite damit gemeint war. Und das bereitete ihr ebenso Erleichterung wie Sorgen.

Sie merkte, dass sie unbewusst stehen geblieben war. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. Sich in ihrer Situation auch nur in Gedanken mit solchen Dingen einzulassen, das war einfach dumm. Sie ging weiter.

Der Schankraum war um diese Zeit normalerweise so gut wie leer, auch heute saß nur ein unbekannter Mann an einem der Tische. Er sah nur kurz auf und warf Sirtis einen flüchtigen Blick zu. Sirtis setzte sich an einen der freien Tische und bestellte einen großen Becher Wasser. Auch das war inzwischen tägliche Routine geworden: Erst ein großer Schluck Wasser, um den Durst vom herzhaften Mittagsmahl zu löschen, danach einen roten Tee, den sie sich selbst zubereitete.

Das Wasser schmeckte heute etwas bitter. Der Wirt gewann es aus geschmolzenem Schnee, also sollte es absolut geschmacksfrei sein, sofern es von unberührten Flächen stammte. Hatte der Wirt das nicht beachtet? Oder den Becher nicht richtig gereinigt? Sirtis schaute kritisch in den noch halbvollen Becher, aber der braune Ton sah aus wie immer. Sie blickte zur Theke, doch der Wirt war verschwunden. Sie wollte aufstehen, als ein unerwarteter Schwindel sie erfasste. Vergeblich versuchte sie sich am Stuhl festzuhalten, riss ihn mit um und fiel hart auf den steinernen Boden.

*
 
Oh My God!

Super, das geht genauso fein weiter, wie es angefangen hat!
:top: :top:

Heisst "Ende der Beschaulichkeit", dass ich auf den nächsten Teil nicht so lange warten muss??? Freu!!

Du hast wieder flüssig, spannend und logisch erzählt.
Wenn etwas fraglich ist, dann ist es die Tatsache, dass eine Kriegerin (ja,ja, ohne Gedächnis, ich weiss) bitteres Wasser halb austrinkt... aber - hey - wer fehlerfrei ist, werfe den ersten Stein :D


Greetz :hy: - Insidias
 
Wieder sehr gut geschrieben in gleichbleibend guter Qualität :top:

das mit dem Wasser, was Insidias meinte. werde ich allerdings unterschreiben und die Frager dranhängen, warum sie drei Tage braucht um nach den Grund eines Bauplatz in einem Dorf zu fragen....

Ansonsten bin ich enntäuscht, dass es viel zu kurz ist und froh dass es endlich weitergeht :)



DV
 
Genial, spitzen leistung :D
Ich will mehr ich will mehr... :motz:
ich bin schon auf die nächste Seite gespannt :D
bitte hör nich auf
 
Eure Bemerkung mit dem Wasser stimmt. Ich kann es nur im nachhinein erklären, indem Sirtis so in ihren Gedanken versunken war, das sie es erst merkte, als es schon zu spät war, bzw. es mehr ein Nachgeschmack war.

Das Schafott wurde erst an dem Tag angefangen aufzubauen, als Sirtis es mittags entdeckte. Das steht aber zugegebenermaßen nicht explizit im Text.

Ansonsten kann ich nichts weiter sagen, ohne auf den nächsten Teil vorzugreifen, und der befindet sich noch in der Beta-Phase.
 
Dann übe ich mich in Geduld und in besserer Rechtschreibung ( :D)
was habe ich da gestern nur zusammengetippt :rolleyes:

Das mit dem Schafott ist dann klar.
Ziemlich repressives Klima in dem kleinen Kaff....
ob die "Fremden" die alldieweil rumlungern, nicht in Wahrheit Spitzel der Protektoren sind.... der Feind der Diktatur ist das Unberechenbare, sagt man :)


DV
 
Dieser Teil hat besonders lange gebraucht, da er eine Folterszene beschreibt. Das ist für mich ein schmaler Grat gewesen. Es werden keine Verunstaltungen, Verstümmelungen oder sexuelle Übergriffe beschrieben, dennoch sei jeder Leser gewarnt.
Meine beiden Beta-Leser Reeba und Prowler sei daher für ihre Hilfe besonders gedankt.


Die Protektoren (3)
Das Verhör

Namensliste:
Sirtis: Eine Fremde ohne Erinnerung
Baltram: Ein Verhörexperte
Kieran: Baltrams Kollege

Gom: Eine kleine Stadt in Al-Amaris
Al-Amaris: Ein für Sirtis unbekanntes Land

Wirbelnde Orientierungslosigkeit.
Hartes Aufprallen.
Dunkelbraune Augen mit ängstlichem Blick.
„Ist dir was passiert, ...?“


Der Kopf tat ihr weh, sie war von einem Baum gefallen.
Nein, es war nur ein Traum gewesen.
Enttäuschung flutete durch ihr Bewusstsein. Hätte sie doch nur wenige Sekunden länger geträumt, dann wäre ihr Name gefallen.

Aber die Kopfschmerzen waren echt. Sie fühlte sich so eigenartig. Sirtis schlug die Augen auf, das Licht brannte sich dumpf in ihren Schädel. Dazu kam ein unbändiger Durst.
„Es wird Euch bald besser gehen, das sind die Nachwirkungen des Dicomarols“, klang eine leise Stimme sanft auf. „So lange warte ich noch.“
Die Gedanken waren schwerfällig, und ihr war furchtbar schwindelig. Sirtis schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihren Atem, um das Zeitgefühl wieder zu gewinnen. Allmählich normalisierte sich die Wahrnehmung, lediglich die Kopfschmerzen und der Durst blieben.
„Wasser...“
„Gerne. Hier, trinkt, aber seid vorsichtig.“ Wieder diese sanfte Stimme.
Etwas Kühles berührte ihre Lippen. Sie öffnete die Augen und wollte gleichzeitig die Arme heben, doch etwas hielt sie eisern fest. Als das Wasser aus dem hingehaltenen Becher ihren Mund berührte trank sie es in gierigen Schlucken, es war viel zu wenig. Der Becher wurde abgesetzt und gab den Blick frei auf einen mittelgroßen Mann mit langen braunen Haaren, der sie interessiert anblickend vor ihr stand. Es war derselbe Mann, den sie zuletzt im Schankraum gesehen hatte. Dann sah sie auf ihre Arme. Sie saß in einem schweren Stuhl, und ihre Arme waren mit Stricken fest an die Armlehnen gebunden.
„Was...?“, stöhnte sie leise.
„Die Arme musste ich zu Euer Sicherheit festbinden. Die Beine übrigens auch. Dieses Dicomarol hat, neben seinem leicht bitteren Nachgeschmack, einige tückische Nebenwirkungen.“
Sirtis blickte an sich herab und bemerkte erst jetzt, dass ihre Knöchel an die Stuhlbeine gebunden waren. Was sollte das? Sie ließ ihren Blick über ihren eigenen Körper nach oben wandern und bemerkte dabei einen weiteren dicken Strick, der ihre Hüfte fest an die Rückenlehne drückte. Dann sah sie sich um. Sie befand sich in einem großen Raum, der mit Baumstämmen, Brettern und Brennholz gefüllt war. An den Wänden standen allerlei Kisten und Regale. Der Raum war recht hoch, hatte nur kleine Fenster und ein ausgeprägtes Deckengebälk.
„Ich habe Euch den Pullover ausgezogen, da die Droge Euch stark schwitzen ließ. Ich hoffe, es ist jetzt nicht zu kalt“, unterbrach die Stimme ihre Betrachtungen.

Die Kopfbewegungen hatten den Schwindel wieder geweckt. Sirtis wartete kurz, bis er sich gelegt hatte, dann sah sie den Fremden an. Der setzte sich ihr gegenüber hinter einen Tisch und stellte den Becher sorgfältig ab, es wirkte fast wie eine Zeremonie. Dann wandte er sich Sirtis mit ernstem Blick zu. „Es ist in Eurem Interesse, möglicht gut mit mir zusammenzuarbeiten.“
„Ich...ich weiß nicht, was Ihr wollt“, sagte Sirtis leise. Es fiel ihr schwer zu sprechen, die Zunge fühlte sich wie ein Fremdkörper im trockenen Mund an. Überhaupt war jede Bewegung so mühselig, soweit sie von den harten Stricken überhaupt zugelassen wurde. Zwar schienen ihr die Gedanken schwer und zäh im Kopf zu kriechen, doch dass die Stricke keineswegs alleine zu ihrer Sicherheit dienten war ihr klar. Es waren Fesseln.
„Warum bin ich gefesselt? Was soll das?“ Sie verspürte keine Angst, eher Verwunderung und etwas Ärger.
„Ich möchte mich mit Euch unterhalten, ganz ungestört. Über Dinge, die Euch besser bekannt sind als mir. Wo Ihr herkommt. Wo Ihr hinwollt. Wen Ihr so kennt und worüber Ihr mit diesen Leuten reden wolltet. Mehr nicht, aber auch nicht weniger.“
„Ich verstehe nicht. Ich kann Euch nichts sagen, ich weiß selbst nichts.“ Sirtis stöhnte leise auf, der kurze Dialog hatte ihre Kopfschmerzen anschwellen lassen.

Der Mann schien eine Zeit lang nachzudenken, dann nickte er langsam. „Ja, das dachte ich mir fast“, erwiderte er bedächtig mit immer noch freundlicher Stimme. „Mein Kollege kann jederzeit kommen, und er ist nicht so verständnisvoll. Gut, ich will Euch helfen, fangen wir ganz einfach an. Wie lautet Euer Name?“
„Sirtis.“
Der Fremde seufzte laut auf und machte ein verkniffenes Gesicht. Er stand wortlos auf, ging hinter Sirtis und zog den Stuhl mit ihr vom Schreibtisch weg, das quietschende Schaben der Stuhlbeine über den Steinboden hallte schmerzlich in ihrem Kopf wieder. Dann stellte er sich vor sie.
„Ich frage noch einmal. Und wenn Ihr mich wieder für dumm verkauft, dann könnte das unangenehme Folgen haben.“ In seiner Stimme begann eine Spur von Ungeduld zu schwingen.

„Ich nenne mich Sirtis, weil ich mich an meinen wahren Namen nicht mehr erinnern kann. Was soll das hier überhaupt? Ihr könnt mich doch nicht so behandeln!“
Der Mann holte blitzschnell mit der rechten Hand aus und gab ihr eine kräftige Ohrfeige. Sirtis Schädel explodierte. Ihr wurde kurz schwarz vor Augen, blitzende Funken irrlichterten durch ihre Schmerzen. Sie wollte schreien, doch der Fremde hielt ihr den Mund zu. „Nicht schreien! Hier hört Euch sowieso niemand anders, wir sind hier in einer abgelegenen Lagerhalle. Es wäre nur lästig, und vor allem so sinnlos.“
Er blickte ihr starr in die Augen und hob langsam die Hand von ihrem Mund. Als sie ein Stück entfernt war klapste er mit den Fingern auf ihre Lippen, hob mahnend einen Finger.
„Verstanden? Keine Schreierei. Das macht mich nur ungehalten.“ Er zog die Hand ganz weg. „Und meinen Kollegen würde es anfeuern.“
Er stützte sich rücklings an dem Schreibtisch ab und lächelte sie an.
„Also noch einmal von vorne. Ich will nicht nachtragend sein, vielleicht habt Ihr einen schlechten Tag erwischt. So etwas verstehe ich, das passiert mir auch manchmal. Ich will auch mit gutem Beispiel vorangehen. Darf ich mich Euch vorstellen: Baltram.“

Es wurde so still im Raum, dass Sirtis ängstliches Atmen zu hören war. Hatte die Situation anfangs eher unwirklich auf sie gewirkt, so keimte nun echte Furcht in ihr auf. Die Furcht, Opfer einer schrecklichen Verwechslung zu werden.
„Ich weiß es wirklich nicht“, stammelte sie schließlich. „Ihr müsst mich verwechseln.“
Baltram schlug erst mit der linken Hand zu, wartete einige Sekunden, dann mit der rechten Hand. Sirtis Kopf wurde durch die beiden Ohrfeigen hin und her gerissen und versank in einem Strudel aus Schwindel und Kopfschmerzen, sie keuchte. Er wartete, bis sie sich etwas erholt hatte, dann holte er von einem der zahllosen Regale einem großen Krug. Er sah, wie Sirtis ihn gierig anstarrte.
„Durst? Dem kann ich abhelfen. Hier, trinkt das.“
Er hielt ihr den Krug an die Lippen. Sirtis war immer noch halb besinnungslos, handelte mehr unterbewusst. Sie nahm einen Schluck von dem kühlen Wasser, spuckte es aber wieder aus.
„Das finde ich unhöflich von Ihnen. Ich habe extra viel Salz reingeschüttet, damit es nicht so fade ist. Wisst Ihr was? Das wird jetzt ausgetrunken!“
Er setzte den Krug wieder an, aber Sirtis presste die Lippen zusammen. Er setzte ab und blickte sie verweisend an.
„Gut, dann eben anders.“
Er stellte den Krug auf dem Boden ab, ging wieder zu dem Regal und holte eine Kiste, die er auf dem Schreibtisch abstellte. Er suchte in ihr, dann zog er einen großen Trichter hervor. Damit ging er hinter Sirtis, packte ihr langes Haar und zog den Kopf nach hinten.
„Je weniger Ihr Euch sträubt, desto besser. Ich möchte nicht Euer schönes Haar ausreißen. Oder gar eure Zähne abbrechen.“ Mit diesen Worten schob er den Trichter in ihren Mund. Sirtis wollte sich wehren, und der kleine Kampf verscheuchte ihre Besinnungslosigkeit vollständig, doch er war vergeblich. Baltrams Griff war fest, er konnte den Trichter sogar mit nur einer seiner großen Hände halten, die gleichzeitig ihr Kinn umfasste und hochzog. Als er es sicher umklammerte, ließ seine andere Hand ihre Haare los und hob den Krug auf. „Das hier zu bewerkstelligen ist ohne Hilfe gar nicht so leicht, glaubt mir, aber Ihr seid mir die Mühe wert.“
Er kippte einen Schwall Salzwasser in den Trichter.

Sirtis wand sich unter dem Trichter, doch Baltram folgte allen Ausweichbewegungen geschickt nach. Das Wasser blockierte ihren Atem, bis sie schließlich gezwungen war, es zu trinken. Gierig schnappte sie nach Luft, sie würgte mehrmals, doch Baltram gönnte ihr nur eine kurze Atempause. Er goss unberührt den nächsten Schwall in den Trichter, an dem sie sich etwas verschluckte. Sirtis krampfte sich zusammen, wollte sich freihusten, konnte es aber nicht. Sie glaubte ersticken zu müssen und Todesangst krallte sich eisig in ihre Brust. Sie kämpfte das grässliche Salzwasser hinab, um wieder einen Zipfel Atemluft zu bekommen.

Baltram goss immer wieder nach. Ab und zu streiften sich ihre Blicke, er konnte Schrecken und Flehen lesen, sie dagegen nur eiskaltes Interesse. Hatten bisher die Nachwirkungen der Droge und die Unwirklichkeit der Situation noch einen gewissen Schutz geboten, so brach sich nun die Erkenntnis Bahn, dass Ungeheueres hier und jetzt geschah: Man würde sie einfach so umbringen, ohne Mitleid, ohne Reue, auf abscheuliche Weise. Sie würde nicht einmal wissen, warum.

Die sanften Arme der Bewusstlosigkeit wollten gerade nach Sirtis greifen, als Baltram endlich abließ und den Trichter aus ihrem Mund zog. Sie keuchte, hustete und spuckte, sie glaubte, ja wünschte, sich übergeben zu müssen, konnte es vor Schwäche aber nicht.
Der Mann stellte sich wieder vor sie, lässig an den Schreibtisch gestützt.
„Das war nur Salzwasser. Es gibt Schlimmeres.“

Er griff hinter sich in die Kiste, zog eine große Flasche heraus und betrachtete sie kurz. Sirtis erkannte eine ölig wirkende Flüssigkeit von undefinierbarer, am ehesten noch grünlich schillernd wirkender, Farbe. Baltram nickte abwesend.
„Wirklich Schlimmeres...“, murmelte er und stellte die Flasche neben sich auf den Tisch.

Baltram beugte sich vor, stützte sich auf Sirtis gefesselten Unterarmen ab, drehte ihr Gesicht, dessen Blick wie festgesaugt die Flasche anstarrte, am Kinn zu sich und sah sie durchbohrend an. „Viel Schlimmeres sogar. Und Ihr werdet es saufen, wenn Ihr nicht endlich den Mund aufmacht!“, schrie er sie an. Er richtete sich wieder auf.
„Entschuldigt, ich habe mich gehen lassen. Das passiert, weil Ihr mich enttäuscht.“
Er holte wieder zuerst mit der linken Hand aus und schlug zu, sah wie ihr Blick glasig wurde, dann schlug er mit der rechten Hand zu.
„Also, wie lautet Euer Name?“

Sie zitterte und etwas Wasser rann ihr aus dem Mund. Sie würgte, musste Husten, noch mehr Wasser drang aus ihrem Mund und lief über das Kinn den Hals herab. Baltram ergriff ein hinter ihm liegendes Tuch und tupfte sanft das Wasser von Hals und Kinn, hielt es vor ihren Mund und ließ Sirtis sich hinein übergeben. Er wischte ihr den Mund trocken.
„Gut so, so geht es Euch bestimmt viel besser. Ihr braucht euch nicht zu schämen, das ist völlig normal“, sagte er mit seiner sanften Stimme. „Warum macht Ihr es euch nur so schwer? Wir haben Euch eindeutig identifiziert: Größe, Haare, überhaupt alles stimmt genau. Dazu noch die vielen kleinen Narben, die Euer rechtes Handgelenk wie einen Armreif zieren. Seht es endlich ein, Leugnen ist zwecklos. Ich habe zwar Respekt vor Eurem Widerstand, ja sogar Bewunderung, doch es ist mein Beruf, ihn zu brechen.“ Er breitete die Arme aus. „Seid froh, dass Ihr von mir so schonend verhört werdet. Ich betrachte es als eine Kunst, die Können und Einfühlungsvermögen erfordert. Wahrlich, es ist eine hohe Kunst, eine Spitzenleistung unserer Kultur.“
„Ihr wollt kultiviert sein?“, stieß Sirtis mit aller Verachtung hervor.

Die Wucht des Trittes in ihren Magen warf den Stuhl nach hinten um. Die hohe Rückenlehne dämpfte den Aufprall, aber sie bekam eine Zeit lang keine Luft. Als sie wieder ihre Umwelt wahrnahm, bemerkte sie, dass Baltram rechts neben ihr kniete, das rechte Knie stützte er auf den Boden und das linke auf ihrem Bauch ab. Sie bemerkte seinen forschenden Blick, offenbar hatte er interessiert ihren Kampf um den Atem verfolgt. War es das verzweifelte Ringen um Leben, das ihn so faszinierte? Als Sirtis seinen Blick kreuzte, wurden seine Augen härter.
„Ihr solltet Euren Spott und Eure Verachtung für unsere Kultur nicht übertreiben, Agentin. Ihr braucht nicht so unschuldig zu tun, ich habe meine Informationen und Instruktionen vom Protektor persönlich. Er hat Euch beschrieben, und...“

Er brach ab, als er sah, wie ihr Blick abschweifte. In dem Moment legte sich eine Hand auf seine Schulter, er zuckte zusammen und drehte den Kopf. Es war ein bulliger und glatzköpfiger Mann.
„Du solltest weniger reden, Baltram. Ist dir Verunsicherung nicht sonst immer so wichtig? Oder verhört sie etwa dich?“, sagte er spöttisch.
„Kieran! Hast du mich erschreckt!“
Der Neuling lachte und machte eine Geste, ihm zu folgen. Baltram nickte, stand auf und sie gingen in eine Ecke des Raumes, wo sie außerhalb von Sirtis Hörweite waren. Leise flüsternd unterhielten sie sich.

„Was gibt es neues, Kieran?“
„Ich bin der Spur gefolgt und habe sie gefunden. Leider ohne Ergebnis.“
„Sie haben nichts gesagt?“, fragte Baltram.
„Praktisch nichts. Die Frau war gleich tot. Der Mann hat dann nur noch rumgejammert und etwas von ‚im Schnee gefunden’, ‚Gedächtnis verloren’ und ‚habe nur geholfen’ gestammelt. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass er wirklich etwas wusste. Sie“, er deute mit seinem Kinn auf Sirtis, „hatte ihnen wohl Märchen erzählt. Und um sicher zu gehen, hatte sie die beiden noch gut bezahlt.“ Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Werden wir uns halt an sie halten. Hast du schon etwas herausbekommen?“
Baltram schüttelte den Kopf. „Nein, nicht einmal ihren wahren Namen. Es ist doch die Richtige, oder?“
„Sicher. Du hast doch eben selbst gesagt, dass die Beschreibung haargenau stimmt.“ Er grinste, als er Baltrams Verblüffung sah. „Ich habe euch beide etwas länger beobachtet, wollte den Meister“, er betonte das Wort leicht ironisch, „nicht unterbrechen. Erst als du anfingst zu schwatzen, habe ich mich gerührt. Du hättest es sonst noch verdorben.“ Er lächelte leicht überheblich. „Keine Sorge, Baltram, ich werde schon nichts sagen. Eine Hand wäscht die andere. Soll ich mit der Agentin weitermachen?“

Baltram ärgerte sich etwas über Kieran, doch er hatte ebenfalls eine kleine Überraschung für ihn.
„Hier ist inzwischen auch einiges passiert. Deine Ausrüstung ist gestohlen worden.“
„Was? Gestohlen? Von wem? Das ist aber eine Frechheit! Wie soll ich sie dann verhören?“
Baltram zuckte mit den Schultern. „Da solltest du dich sowieso zurückhalten, es war nämlich gestern ein Agent hier und gab mir Instruktionen. Demnach darf die Fremde nicht entstellt, verstümmelt oder gar getötet werden.“
„Das soll ein Agent gesagt haben? Unser Protektor hatte da aber ganz anders geklungen.“
„Es war ein Roter Agent. Verstehst du, ich habe keine Lust, mich in solche Meinungsverschiedenheiten reinziehen zu lassen. Ich meine, wir sollten gleich morgen früh die Gefangene zur Festung bringen, dann soll meinetwegen der Protektor entscheiden, was mit ihr passieren soll“, erwiderte Baltram. „Bis dahin gehen wir nach meiner Methode vor.“

Kieran war deutlich anzusehen, dass er sich ärgerte. Er war erst wegen irgendwelcher Bauern oder Jäger tagelang im Schnee herumlaufen und hatte sich mit ihnen abtun müssen, dann stahl man seine kostbare Ausrüstung, und jetzt auch noch das. Aber er war klug genug, sich an einem Gefangenen nicht die Finger verbrennen zu wollen.
„Deine Methode? Na gut, dann hebe ich sie mir für später in der Festung auf. Hast du für sie einen sicheren Platz für die Nacht?“
Baltram nickte. „Ja. Und keine Sorge, du wirst auch so genügend Spaß haben.“

Baltram ging voran zu der Gefangenen, die immer noch nahezu regungslos in den Stuhl gefesselt war. Er richtete den Stuhl auf und fing an, die Stricke zu lösen. „Da hinten in der Ecke ist ein Verschlag für Tiere, er ist leer, aber total verdreckt. Da zuviel Schnee liegt um mit einem Wagen zu fahren, können wir ihr nicht wie üblich die Kniesehnen durchschneiden, also müssen wir sie fesseln und sorgfältig einsperren.“

Baltram fasste Sirtis unter die Achseln und zog sie aus dem Stuhl hoch. Er drehte sie um, so dass er hinter ihr stand, schlang seine Arme um ihren Bauch und hielt sie an sich gepresst fest. Kieran griff nach ihrer Gürtelschnalle.
„Nein!“, schrie Sirtis laut auf und riss sich vom überrumpelten Baltram los. Ihre Hände zuckten vor in Kierans Gesicht, sie wollte ihn zurückstoßen, ihm in die Augen stechen. Er konnte nur teilweise ausweichen, Sirtis Fingernägeln rissen über sein Gesicht. Sie waren nicht lang, hinterließen aber dennoch eine deutliche Spur.
„Ahhh!“
Er schlug ihr die Faust mitten in das Gesicht, schleuderte sie zu Boden, wo sie seitlich zu liegen kam, und trat ihr in den Bauch. Sirtis Schrei erstickte, sie wälzte sich auf den Rücken. Kieran trat ihr in die Seite, dann stellte er seinen rechten Stiefelabsatz auf ihre flache Hand und verlagerte zunehmend sein Gewicht darauf.
„Blöde Hure! Das machst du nicht noch einmal. Ich reiße dir die Fingernägel einzeln raus!“
Baltram stieß ihn zur Seite.
„Nur ruhig Blut, Kollege. Du wirst doch nicht die Beherrschung vor diesem Weib verlieren wollen?“
Wütend trat Kieran noch einmal zu. „Ärgere du dich mit ihr herum.“ Er ging zu der Kiste auf dem Tisch und suchte ein sauberes Tuch für seine Kratzer.

Baltram zog die halb besinnungslose Sirtis vom Boden hoch und sah sie ernst an. Er hatte schon viele Frauen verhört und teilweise weit schlimmer gequält, ihre Tränen bewegten ihn nicht.
„Weder ich noch mein Kollege wollen dich vergewaltigen oder so. Kieran interessieren Frauen nicht und es wäre unter meiner Würde. Das ist nicht mein Stil. Aber wer so verstockt ist, der verdient eine Strafe.“
Er wollte zu ihrem Gürtel greifen, hielt in der Bewegung inne und sah sie wieder an. Natürlich war diese Demütigung, sie nackt und frierend wie ein Tier einzusperren, Teil seines normalen Vorgehens.
„Wenn es dir lieber ist, kannst du dich selbst ausziehen.“
Sie nickte stumm und öffnete ihren Gürtel. Baltram blickte schräg an ihr vorbei.
„Ich kann mich natürlich nicht ganz abwenden.“

Sie gab ihm Hose und Brusttuch. Er legte beides auf dem Tisch ab, nahm ein Lederband und fesselte ihr damit die Hände hinter dem Rücken zusammen. Dann leitete er sie zu dem Verschlag, aus dem es nach Schweinemist stank, schubste sie hinein und verriegelte die Gittertüre.
 
Beeindruckend und bedrückend.
Realistisch (soweit man das beurteilen kann).




*Schüttel*




(Das mit dem Update erspar ich mir für heute ;) ) obwohl ich mir eins wünschte.
kommt eh wenns fertig ist :)



DV
 
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