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[Story] Lagerfeuer

Insidias

Guest
[Story] Eine Nacht am Lagerfeuer

Guten Abend, ihr einsamen Wanderer, dunklen Gestalten und ruhelosen Geister.
Könnt Ihr heute Nacht auch keine Ruhe finden? Ja, der Mond scheint sehr hell...
Kommt, setzt Euch zu mir an mein Lagerfeuer, ich werde Euch eine Geschichte erzählen, von edlen Helden und gefallenen Engeln, von düsteren Tagen und frohen Stunden. Ihr kennt sie vielleicht schon, aber glaubt mir, Ihr kennt nicht die ganze Wahrheit.
Bitte verzeiht, wenn ich stocke oder heiser werde, ich erzähle das erste Mal vor großem Publikum. Unterbrecht mich, wenn etwas unklar bleibt und spart nicht mit Kritik, wie ich meine Erzählung besser gestalten kann.

Aber genug der Vorrede; lehnt Euch zurück, nehmt Euch einen Humpen Met oder einen Becher Wein...



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Inhalt:


Kapitel 2: Gerede und noch mehr Gedanken
Kapitel 3: ...der Wunsch sich zu beweisen - der Sohn
Kapitel 4: ...der Wunsch sich zu beweisen - der Vater
Kapitel 5: Die Reise
Kapitel 6: Die Befragung
Kapitel 7: In den Ebenen
Kapitel 8: Das ist ja wie Weihnachten
Kapitel 9: Die erste Herausforderung
Kapitel 10: Neue Freunde?
Kapitel 11: Im Lager der Jägerinnen
Kapitel 12: Die Höhle des Bösen
Kapitel 13: Eine neue Aufgabe
Kapitel 14: Der Friedhof <-- Unter Kapitel 13
Kapitel 15: Zu den Waffen!
Kapitel 16: Tristram
Kapitel 17: Eine seltsame Begegnung
Kapitel 18: Gespräche
Kapitel 19: zu Dritt unterwegs
Kapitel 20: Verrat
Kapitel 21: Gefecht
Kapitel 22: Entscheidungen
Kapitel 23: Dunkle Gänge
Kapitel 24: Weiter durch dunkle Gänge incl. Khalids Geschichte
Kapitel 25: Die Tochter der Qual

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Kapitel 1: Von Träumen und Realitäten

Die Sonne brannte unbarmherzig auf Jaellas unbedeckten Kopf. Der Schweiß lief ihr in Strömen über das Gesicht. Dennoch wagte sie es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, um etwas tiefer in den Schatten des Felsens einzutauchen.
Jedes noch so kleine Geräusch könnte den riesigen Felsenwurm auf sie aufmerksam machen, der auf der Sonnenseite des Felsens, hinter dem sich Jaella verbarg, vorbeikroch.
Es war ein wahrhaft beängstigender Anblick: der orange-gelbe Wurm war beinahe 2-Mann-lang und hatte 8 Beinpaare, mit denen er langsam durch den glühend heißen Wüstensand kroch. Am beeindruckensten waren jedoch die unterarmlangen Kiefer, die bedrohlich auf- und zuklappten, immer auf der Suche nach etwas wehrlosem, das sie zermalmen konnten. Jedoch fürchtete sich Jaella nicht vor den Kiefern des überdimensionalen Insekts; sie war flink wie ein Hase und konnte dem trägen Wurm leicht davonlaufen. Es war der hochgiftige Speichel des Felsenwurmes, die ihn auch für die Menschen hier so gefährlich machte. Der gefürchtete Räuber konnte bis zu 2 Meter weit mit tödlicher Präzision spucken und sein Gift ätzte sich sogar durch die Skarabäen-Panzer, die die Männer der Palastwache trugen.
"Die haben wenigstens ihre Schwerter, mit denen sie sich verteidigen durften" ,dachte Jaella wütend. "Uns einfachem Volk bleibt nur, sich wie die Karnickel zu verkriechen."

Ein paar Minuten verharrte die junge Frau, dann erhob sie sich vorsichtig, nach allen Seiten lauschend und sehend. Doch die Gefahr war -fürs erste- vorüber und Jaella konnte sich wieder auf den Weg zu den Kaninchenfallen machen, die ihre Stiefmutter einige Tage zuvor in den wenigen schattigen Stellen der stadtnahen Wüste aufgestellt hatte. Die ersten Fallen waren zur Jaellas großer Enttäuschung leer gewesen, drei weitere hatte sie noch zu kontrollieren.
Jaella wandte Ihren Blick zur Sonne, die bereits dicht über den sandigen Dünen stand, und strich sich die blonden schulterlangen Haare aus dem Gesicht. Wenn sie sich beeilte und die Abkürzung über den Osman-Pass nahm, konnte sie vor dem Abendessen noch den Palstwachen beim Training zusehen.
Sie raffte die langen Falten Ihres Rockes zusammen und band sie sich mit einem dünnen Strick hoch. Ein Anflug schlechten Gewissens erreichte sie, aber hier würde schon kein Mann einen Blick auf Ihre Knöchel erhaschen können und zum Laufen in der unebenen Wüste war diese voluminöse Kleidung einfach viel zu unpraktisch. Nach wenigen Augenblicken in gemäßigtem Trab hatte Jaella die nächste Falle erreicht. Auch hier bot sich der jungen Frau das gleich Bild, wie schon bei den anderen Fallen, die sie heute kontrolliert hatte: Der Köder war fort, aber von Beute war keine Spur zu sehen. Ein paar Blutspritzer an der metallenen Seiten der Falle bewiesen, dass sich ein anderer Räuber das Kaninchen geholt hatte, das eigentlich die Fleischration der nächsten drei Tage sein sollte.
Wenn sie mit den letzten beiden Fallen auch keine Beute gemacht hatte, würde die Familie zwangsläufig wieder nur das grobe Brot, ein paar Dörrfrüchte und wässrigen Eintopf aus Hirse und Zwiebeln essen können. Hoffentlich konnte Atma wenigstens ein paar frische Beeren ernten. Sie wären bestimmt noch nicht reif und würden sehr sauer schmecken, aber die reifen Früchte wurden meist schon von den Käfern und Würmern der nahen Wüste geholt.
"Früher haben sich diese Biester nicht so nahe an die Stadt getraut", überlegte Jaella nachdenklich. "Wenigstens in den eigenen Gärten brauchte man sich nicht vor überdimensionalen Würmern zu verstecken. Eigentlich sollte die Palastwache uns vor diesen Ärgernissen bewahren, aber die halten ja mittlerweile nicht einmal mehr die Aasgeier vom Marktplatz fern." Es war bereits Stadtgespräch, das es Jeryhns Wachen tatsächlich nicht mehr schafften, die Einwohner ihrer Heimatstadt vor den merkwürdigen Lebewesen, die in der Wüste lebten, ausreichend zu beschützen. Laut sprach selbstverständlich niemand davon. Aber hie und da hörte man bereits hinter vorgehaltener hand leise Unzufriedenheit.
Zu Recht, wie Jaella befand. Doch Alton, ihr Stiefvater, wollte von diesem Gerede nichts hören. Er stand immer loyal zu Jeryhn, dem Fürsten und Bewahrer der einsamen Wüstenstadt Lut Gholein.
Seufzend machte Jaella sich wieder auf dem Weg. Sich über ungeerntete Rüben Gedanken zu machen, löste weder die Probleme der Stadt, noch brachte es ihr Fleisch in den Topf. Sie wollte schnell über den Pass klettern und damit rasch zu den letzten beiden Fallen kommen.

Schon wenige Meter vor dem Gebüsch, in dem die vorletzte Falle versteckt lag, hörte sie das heisere Gekrächzt der Blutfalken und das flehende Wimmern des Kaninchens, das in der Falle keine Chance hatte, der Angreifern zu entkommen. In Jaellas schmächtigem Körper brannte der Zorn hoch und so rannte sie schreiend und Steine schleudern auf den Ort des Geschehens zu. Sie hatte kaum mehr Augen und Ohren für die Gefahren, die sich sonst noch in dem Gebüsch befinden könnten. Sie wusste nur noch, dass dort unten zwei grässliche, spärlich befiederte Blutfalken IHR Abendessen zerrissen, und dass sie nachts wieder ihre geliebte Ziehmutter Atma weinen hören würde, weil sie es kaum schaffte, ihre Familie satt zu bekommen.
Keuchend hielt Jaella inne. Die fleischfressenden Vögel waren geflohen, aber die blutigen Überreste des kleinen Nagern würde sie wohl kaum mit nach Hause bringen können. Sie beschloss diese bestimmte Falle mit den Fleischstücken zu präparieren. Wenn sie die so gefangenen Blutfalken oder auch Aasgeier auch nicht essen konnten, so bereitete der Gedanke dran, diese Fleischräuber bei dem nächsten Kontrollgang zu erschlagen, ein düsteres Vergnügen.
Bei der letzten Falle endlich hatte sie ein wenig Glück. Zwar hatte sich kein wohlschmeckendes Kaninchen in den Schnüren und Drähten verfangen, dafür hatte sich eine große Sandratte von dem Rübenkraut anlocken lassen. Naja, diese mageren und sehnigen Ratten waren bestimmt nicht Jaellas Leibspeise, aber zumindest brachte sie einen anderen Geschmack in den faden Eintopf. Der Nager würde genügen, um ein leichtes Lächeln auf Atmas Gesicht zu zaubern und dafür allein hatten sich die Strapazen des Tages gelohnt. Jaella tötete das Tier mit einem gezielten Schlag in den Nacken und bestückte die Falle neu. Dann wandte sie sich zufrieden nach Westen, der Stadt zu. Mühsam zwang sie Ihre müden Muskeln zu einem leichten Trab.



:hy: Insidias
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
:top:
Die Geschichte ist Top!
Kaum bis gar keine Rechtschreib-/Grammatikfehler
Spannung wird aufgebaut
Liest sich gut... :D

mfG
 
Auf in die zweite Runde:



Kapitel 2: Gerede und noch mehr Gedanken

"Wo um alles in der Welt hast du gesteckt, Jaella? Die Sonne ist längst untergegangen und Du treibst Dich in den Strassen rum, wie eine Gossenkind!"
"Ich habe nur das Training der Palastwache angeschaut. Tut mir leid, ich hab gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist. Stell Dir vor, der neue Kommandant hat heute das Bogentraining geleitet und..." Jaella verstummte angesichts der scharfen Falten, in die sich Atmas Stirn verzog. So wütend war sie nur, wenn sie sich ernsthaft Sorgen gemacht hatte. Zum ersten Mal bemerkte Jaella, wie schwer sich die Sorgen bereits in das ehemals hübsche Gesicht eingegraben hatten. Schwer hingen die Augenlider, kein Glanz zeigte sich auf den schwarzen Locken.
"Bitte verzeih mir, Mutter, ich wollte Dir keine Sorgen bereiten", sagte Jaella leise und diesmal wesentlich ernster gemeint als ihre vorherige Entschuldigung.
Die vertrauliche Anrede und Jaellas traurige Augen zeigten auch diesmal ihre Wirkung. Atmas Zorn verflog so rasch er gekommen war. Dieses Kind!
Die Götter allein mochten wissen, warum sie diesen wachen Verstand, die Gewandtheit und diese unbändige Wildheit in den Körper eines Mädchens gegeben hatten. Ja früher, zu Zeiten als Diablo selber noch auf Erden wandelte, da war es sogar für eine Frau möglich gewesen, ein Abenteurer zu werden. Noch Jaellas leibliche Mutter hatte es gut verstanden mit dem Bogen umzugehen, aber heutzutage war es nur noch der Palastwache gestattet, Waffen zu tragen. Und da hatte ein junges Mädchen wie Jaella wirklich nichts verloren.
Atmas Gedankengänge wurden unterbrochen, als sich der verblichene Vorhang vor der Eingangstür zur Seite bewegte und der braune Haarschopf von Atmas Sohn, Bredon, erschien.
"Vater hat mich vorgeschickt, um Dir zu sagen, dass die Ratssitzung noch ein Weilchen dauern wird. Wir sollen schon mit dem Abendessen beginnen." Er grinste. "Die schreien sich jetzt schon seit Stunden an. Ich hoffe nur, dass nicht einer von den Räten lange genug mit Schreien aufhört, so dass er hören kann, wie ihn einer der anderen beleidigt. Gut nur, dass im Senatsgebäude keine Waffen gestattet sind."
"Um was geht es denn heute so Wichtiges?", erkundigte sich Jaella neugierig.
"Fürst Jeryhn hat einige der Stadtwachen abgezogen, um seinen Palast stärker zu schützen. Die Männer fehlen natürlich bei der Verteidigung der Tore und der Karawanen.
Zur Zeit diskutieren sie, ob die Stadtwache nicht um ein paar Mann aufgestockt werden soll. Fürst Jeryhn will dies aus seinem persönlichen Vermögen bezahlen. Wenn ihr mich fragt, verbirgt er irgendwas."
Jaellas Augen blitzten belustigt. "Na, lass das mal nicht Vater hören. Er lässt keine Kritik an unserem Obersten zu."
"Und zu Recht, wenn Du mich fragst!", mischte sich Atma in das Gespräch ein. Sie hievte den schweren Zinnkessel mit dem faden Eintopf auf den wackligen Holztisch "Der Fürst ist ein weiser und gerechter Mann. Der Senat hat Recht getan, ihn zu unserem Stadthalter zu ernennen. Und nun kommt essen. Jaella hat uns Fleisch mitgebracht."
"Unsere Kleine hatte also Erfolg bei der Jagt.", neckte Bredon seine Stiefschwester während sie sich alle an den Tisch setzten.
"Wen nennst Du hier klein, hä?" Jaella blickte mit blitzenden Augen zu ihrem Bruder hinab. Sein liebevolles Grinsen reichte ihr grade mal bis zur Schulter. Er schöpfte sich mit dem einfachen Hornlöffel eine große Portion auf seinen Teller und gab ihr einen Stups an den Oberarm. "Lecker, Ratte, mein erklärtes Lieblingsgericht."
„Wenn ihr nicht sofort Ruhe gebt, wird Euch noch der Radament holen!“, schimpfte Atma, doch weder meinte sie es wirklich ernst, noch fürchteten sich die beiden Halbwüchsigen vor der Schreckensgestalt, die kleinen Kindern Angst einjagen sollte.
Inmitten der Kabbelei erschien Alton in der Küche. Er sah unsagbar erschöpft, aber auch ziemlich selbstzufrieden aus. "Wenigstens um eines meiner Kinder muss ich mir keine Sorgen mehr machen. Bredon, mein Sohn, ich habe es geschafft, Dich in der neuen Stadtwache unterzubringen. Ich musste beinahe jeden Gefallen einfordern, den mir geschuldet wurde, aber es hat sich gelohnt."
Bredon schluckte sichtlich. Waffenhandwerk und Kämpfen war nicht seine Welt. Er war vielmehr ein Künstler. Viele seiner Gedichte und Geschichten waren wirklich gut, auch wenn einzig Jaella und die kirschäugige Sanna aus der Nachbarschaft sie bisher hören durften. Doch würde er seinen Vater niemals enttäuschen wollen, so wandte er sich voll konzentriert einem losen Faden an seinem Hemd zu und murmelte etwas wie " Toll. Wunderbar. Danke Vater."
Mitleidig schaute Jaella ihren Stiefbruder an. Gerne würde sie sein Los übernehmen.

Alton sah liebevoll auf Jaella. "Und für Dich, mein Sonnenschein, kann ich vielleicht auch etwas arrangieren. Der Kapitän der Stadtwache hat angedeutet, er hätte nichts gegen eine Schwiegertochter aus meinem Hause. Natürlich kennt er Deinen familiären Hintergrund, aber er gibt nichts auf die Gerüchte, das Blut Deiner Mutter könne durchschlagen."
Jaella hatte das Gefühl eine eiskalte Bleikugel würde statt des Eintopfes in Ihrem Magen liegen. Ihre Kehle verkrampfte sich, aber der Schrei, der sich sammelte, verkümmerte zu einem einsamen Würgegeräusch. "Schwiegertochter? Ich kenne den doch gar nicht." Panikartig suchte sie nach Unterstützung bei Ihrer Ziehmutter. "Wenn ich nicht weiß, wie er heißt kann ich ihn doch nicht heiraten."
Atma verstand durchaus die Gefühle der jungen blonden Frau. War sie selber doch auch aufgeregt gewesen, als sie Alton vorgestellt wurde. "Er heißt Rheina, und er ist ein sehr netter junger Mann. Er hat große Hoffnung eines Tages selber Kapitän der Wache zu werden. Du wirst Dich glücklich schätzen, in eine so angesehene Familie einzuheiraten."
Unter dem Tisch fühlte Jaella die Hand Ihres Bruders auf Ihrem Arm. Sie verschlagen ihre Finger in einander. Noch nie hatten beide den Trost und die Nähe des anderen so gebraucht.




:hy: Insidias
 
hmm - keiner hat was anzumerken?
Bis auf N007, für dessen Urteil ich vielmals danke!!

Kommt schon Leute - sagt wenigstens warum es mist is...


Dennoch habe ich einen dritten Teil - für die Fans des Blutrünstigen...






Kapitel 3: ...der Wunsch sich zu beweisen - der Sohn


In den nächsten Tagen kam das Thema Hochzeit nicht wieder zur Sprache und Jaella begann zu hoffen, dass sich Rheina wohl davon abschrecken ließ, dass seine Zukünftige der uneheliche Bastard einer geächteten Bogenkämpferin war. Unausgesprochen kamen sie und ihr Bruder zu der Übereinkunft, nicht darüber zu reden.
Bredon jedoch wurde von seinem Schicksal schneller eingeholt. Noch am nächsten Tag wurde er zur Palastwache gebracht, eingekleidet und bewaffnet und versah zusammen mit 7 anderen neuen Rekruten das Training an der Waffe. Der schmächtige und völlig ungeübte Jungendliche gab sich alle Mühe, nicht hinter den Leistungen seiner Kameraden zurückzubleiben und fiel jeden Abend wie tot auf sein Lager. Meist blieb er über Nacht in der Kaserne. Jaella vermisste die nächtlichen Zwiegespräche und ergriff jede Gelegenheit, um Ihrem Bruder wenigstens beim Training zuzuschauen. So manches Mal wünschte sie sich, sie wäre an seiner Stelle. Es erschien ihr nunmal reizvoller sich den Gefahren und Entsagungen des Soldatenlebens zu stellen, als sich damit abzufinden, jemandes braves Weib zu werden.


Bredon und sein Stubenkamerad Nokal krochen vorsichtig zur nächsten Ecke. Hinter dem gemauerten Vorsprung kauerten sie sich hin und Nokal wischte sich mit seinem verzierten Ärmelaufschlag die Stirn. Die Hitze war unerträglich und es stank nach Abwasser. Furchtsam spähten die jungen Männer um die Ecke, die Schwerter erhoben. Mit einem Zischen flog ein Brandpfeil direkt an Bredons Gesicht vorbei, so dicht, dass er die Hitze spüren konnte. Behände rissen beide die Schilde hoch und mit einem Aufschrei stürmten sie direkt auf die 4 Skelettkrieger zu, die die Angreifer weiterhin mit Feuerpfeilen beschossen. Nach wenigen Schritten waren die Kameraden mitten in der Gruppe. Bredon hatte alles vergessen, was er im Fechtunterricht gelernt hatte. Mit mehr Glück als Technik hackte er auf die Untoten ein, er enthauptete einen sofort, der zweite hob einen gezackten Dolch und parierte gekonnt die Attacke. Bredon schlug mit seinem Schild eine verzweifelte Parade gegen die Hand seines Gegners. Hinter sich hörte er Nokal aufschreien. Aufschluchzend zerschmetterte der ungewollte Held den Brustkorb seines Gegners und wandte sich zu seinem Kameraden um. Nokal lag auf dem steinigen Boden und röchelte. Neben ihm verstreut lagen die Überreste der beiden Skelette, gegen die er gekämpft hatte. Zwar war es ihm gelungen, seine Gegner auszuschalten, doch war er dabei nicht unverletzt geblieben. Bredon kniete sich neben ihn auf den Boden.
"He, Kumpel, kannst Dich doch nicht ausruhen, während ich um unser Leben kämpfe", versuchte Bredon die Situation durch einen Scherz zu entspannen. Nokal verzog sein Gesicht zu einem gequälten Grinsen: " Ich ruhe mich nicht aus, ich habe Deine Schwerttechnik bewundert. Wenn wir zurück sind, werde ich empfehlen, dass Du Extra-Stunden nehmen sollst." Ein Hustenreiz ließ Nokal verstummen. Als er sich die Lippen abwischte, sahen beide Männer Blutspuren auf dem Tuch.
"Wird Zeit dass wir die Suche aufgeben und an die Oberfläche zurückkehren.", sagte Bredon, wartete kurz Nokals Nicken ab und fuhr fort: "Ich glaube, wir haben genug herausgefunden. Die gesamte Kanalisation wimmelt nur so von merkwürdigen Gestalten. Allein schon diese wandelnden Skelette. Ich dachte, die gibt es nur in den Sagen, die meine Großmutter mir zum Einschlafen erzählt hat."
Er fasste Nokal bei den Armen und versuchte ihn auf die Beine zu ziehen. Aber noch ehe die beiden sich ganz erhoben hatten, fühlte Bredon eine scharfes Brennen an seinem rechten Oberarm. Unsicher schaute er hinab und bemerkte den Griff eines kleinen Wurfmessers, das aus seinem Trizeps ragte. Bevor er ganz realisieren konnte, was er da sah, bohrte sich ein weiteres Messer in seinen Rücken. Bredon schrie laut auf vor Schmerz, ließ Nokal fallen und wollte panisch davonlaufen. Doch er hatte keine Chance. Weitere Wurfgeschosse durchtrennten die Sehnen in seinen Beinen, der junge Mann strauchelte und fiel krachend in die Überreste der eben erlegten Skelettkrieger. Er drehte sich halb zur Seite und bemerkte, dass sich die verstreuten Knochen wieder zu einem kompletten Skelett zusammensetzten. Bredon wischte sich unsicher über die Augen, aber er konnte nicht verleugnen was er da sah. Und dann tauchte eine weitere Gestalt aus den schlechteren Gute-Nach-Geschichten seiner Großmutter auf: Ein Erwecker.

Er hatte beinahe menschliche Gestalt, war aber doppelt so hoch und die fahlgrüne Farbe seiner Haut erinnerte an brackiges Wasser. Am Ende der langen, dürren Arme hatte das Wesen messerscharfe Klauen, die wie zum Zerreissen und Aufschlitzen gemacht schienen. Sein Gesicht war schnauzenförmig vorgewölbt und wurde von einer gewaltigen Menge schwarzen verfilzten Haares umrankt. Ein heiseres Fauchen entwich seinem Maul, Geifer tropfte in langen Fäden auf den Boden und der faulige Gestank raubte Bredon den Atem.
Er sah mit vor Entsetzten weit aufgerissenen Augen wie der Erwecker den am Boden liegenden Nokal aufschlitzte. Dann wandte sich das Ungeheuer seinem nächsten Opfer zu. Bredons gesamte Nervenbahnen hatten vor Schock die Dienste versagt. So fühlte er gnädigerweise gar nichts, als sich die Klauen dieses wandelnden Alptraums in seine Eingeweide bohrten.




:hy: Insidias
 
Die Geschichte ist flüssig und recht fehlerlos geschrieben. Dein Stil gefällt mir, du beschreibst präzise ohne in langatmige Ausschweifungen abzudriften. Die Sprache ist gut verständlich und es macht Spass sie zu lesen.

Zudem hast du dir jede Menge Varianten offen gehalten, so dass es schwer fällt vorherzusehen, wie die Geschichte weiter gehen wird.

Es ist dir gut gelungen den Hintergrund von Diablo einzubinden und dennoch deine eigene Story zu erzählen. Ich freue mich darauf die Geschichte weiter zu lesen und bin gespannt auf die Richtung, die du einschlagen wirst.

Mit ist nur aufgefallen, dass ich bis zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Titel noch nichts anfangen kann :D

Mach so weiter
 
not bad, not bad
guter stil, wenig fehler und die story is auch nice.
bin mal gespannt wie sich das entwickelt
 
also 1. wie bei allen guten stories: zu kurz :D und ja, sie IS gut, muß brainbuck in allen punkten zustimmen.
Jaella... is das zufall, oder hat der name tatsächlich eine gewisse ähnlichkeit zu Jamella im 4. akt? :D
was den titel angeht: imho hat stalker auch mal ne story namens 'lagerfeuer' geschrieben^^

und irgendwie versteh ich das nicht:
Insidias schrieb:
Der schmächtige und völlig ungeübte Jungdichte gab sich alle Mühe, ...
meinst du da net eher 'der Jugendliche'?^^

und zur weiteren motivation: die replies sind meistens karg gesät, besonders am anfang der story. laß dich davon net entmutigen, die meisten schreiben nur nix, weil sie nicht: 'is gut, schreib weiter' spammen wollen :D an den views siehst du ja eh, wie viele leser du tatsächlich hast...

ajo, und ich weiß net, wie es dir lieber is, aber viele editieren ihre ups alle in den 1. post rein und kennzeichnen das neueste up irgendwie. dann isses übersichtlicher für neue leser und man hast alles zusammengefaßt. besonders bei umfangreicheren stories empfehlenswert ;)
 
Auf in die nächste Runde - hier ein wenig kürzer als sonst, aber der nächste Teil wird umso spannender...

aber vorher: Vielen Dank für die Rückmeldungen - bin ja beinahe rot geworden...

>>Der schmächtige und völlig ungeübte Jungdichte gab sich alle Mühe, ...
<< *grins* - wird editiert...


Der Titel... jaaa... kommt noch, kommt noch... aber seeehr viel später :D


und Jaella / Jamella -> tja, das war meinem ersten Lese-Opfer auch schon aufgefallen, aber da war´s schon zu spät. Jaella war eine Freundin geworden, der ich die Namensänderung nicht mehr zumuten wollte...




Kapitel 4: ...der Wunsch sich zu beweisen - der Vater


Hätte der junge Gardist Gelegenheit gehabt Alton früher kennen zu lernen, wäre ihm vielleicht einiges erspart geblieben. Jedoch kannte er seinen Gegenüber nicht, und so
hatte er versucht, den besorgten Vater vor ihm mit den üblichen Antworten abzuspeisen. Junge Kadetten liefen halt manchmal für einige Tage fort. Sein Sohn würde schon in einigen Stunden müde, hungrig und ziemlich kleinlaut wieder auftauchen.
Der besorgte Vater jedoch war daraufhin geradezu explodiert und schrie seit mehreren Minuten auf den verschreckten jungen Mann ein.
Altons Gesicht hatte mittlerweile ein ungesundes Purpur angenommen und seine Augenbrauen schienen in der Mitte zusammengewachsen. Seine sonst so weichen blauen Augen hatten die Farbe von Gebirgsteichen angenommen: unergründlich und bitterkalt.
Der Soldat wandte sich hilfesuchend nach seinem Vorgesetzten um. Der behäbige und beleibte Mann kam seufzend naher geschlurft. Das einige, das sich an ihm nicht in Zeitlupe bewegte, war sein von schnellen, schnaufenden Atemstößen zitternder Schnauzbart.
Als Alton seine Aufmerksamkeit dem Neuankömmling zuwandte, nutze der junge Gardist die Gelegenheit zur Flucht. "Ah, Alton, alter Freund. He, was führt Euch zu uns?"
Das war definitiv nicht die geeignete Form, um ein Mitglied des Rates anzusprechen, aber die beiden kannten sich tatsächlich seit vielen Jahren und so entschied sich Alton dazu, mit dem Schreien aufzuhören. "Ich grüße Euch, Crontal. Ich suche meinen Sohn Bredon. Er ist in der neuen Ausbildungsgruppe und seit einigen Tagen nicht mehr zu Hause gewesen."
Crontal runzelte die Stirn und versuchte seine Gehirnwindungen in ungewohnte Schwingungen zu versetzen. "Bredon, hmm ja, ich erkundige mich bei seinem Ausbilder. Ihr solltet nach Hause gehen. Ich schicke Euch einen Boten, wenn ich genaueres weiß. Macht Euch kein Sorgen. Dem Jungen wird schon nichts passiert sein."


Schon als Jaella die heimatliche Hütte betrat wusste sie, dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Das Feuer im Kamin war erloschen, es roch nach kaltem Rauch. Er ganze Raum war unangenehm stickig und finster.
In einer Ecke entdeckt sie Atma. Sie kauerte zusammengesunken auf dem Boden, wie eine Stoffpuppe, die zerschlissen und ungeliebt von einem gedankenlosen Kind weggeworfen worden war. Sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und rührte sich kaum.
Wie eine riesige, eiskalte Hand griff es nach Jaellas Kehle und drückte sie unerbittlich zu. Sie näherte sich beklommen mit unnatürlich hölzernen Bewegungen. Langsam sank sie neben ihrer Ziehmutter auf die Knie und zog vorsichtig eine Hand vom Gesicht der älteren Frau. Erschrocken sah sie in die blicklosen, leeren Augen, vom Weinen gerötet und verschwollen.
In diesem Augenblick begriff Jaella, dass von ihrer gewohnten Welt nicht viel mehr geblieben war als ein riesiger Scherbenhaufen.




:hy: Insidias
 
Na klar, kommt pronto:



Kapitel 5: Die Reise

Schaudernd zog Jaella die wollene Stola enger um ihren Oberkörper. Eisige Nächte war sie aus der Wüste gewohnt, aber diese feuchte Kälte in dem Gebirge war kaum zu ertragen. Der ständige Schneeregen und der feine Nebel durchzogen ihre gesamte Kleidung und drangen bis in ihre Knochen, und sie fragte sich, ob ihre klammen Glieder je wieder warm werden würden. Um die Vorsprünge der Felsen, in deren Schutz sie ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, pfiff der scharfe Wind und brachte die eisige Kälte des nahen Gletschers mit sich.
Die dünne Luft der Höhen auf diesem Pass waren kaum hilfreich, die Kleidung während der Rast zu trocknen. Unauffällig rückte sie näher an das große Wachfeuer.
Doch selbst diese kleine Bewegung wurde von den Mitreisenden der kleinen Karawane bemerkt und wie üblich mit hämischen Bemerkungen gewürzt.
„Unsere Prinzessin friert!“ grölte einer.
„Komm doch näher, ich wärm Dich bestimmt auf...“ feixte ein weiterer,
Sogar der Karawanenführer stimmte in das Gelächter ein. Widerlich waren sie, alle miteinander. Verstohlen tastete Jaella nach dem kleinen Dolch, den Atma ihr in eine geheime Tasche in den Falten Ihres Rockes eingenäht hatte. Beinahe hoffte sie, dass sich ihr einer der Männer unsittlich nähern würde. Dann hätte das Gespött endlich ein Ende. Aber der Moment verstrich und das Gespräch wandte sich wieder anderem zu.
Welche Götter hatte sie verstimmt, dass sie mit diesem Pack aus Bauern und Tagelöhnern reisen musste? Doch leider war dies die einzige Karawane, die so spät im Sommer noch die Querung wagte. Der einzige, der nicht in das Gespött eingefallen war, war noch unangenehmer als der stinkende Rest. Der hellhaarige Khalid gab sich als einer von ihnen aus, aber Jaella wusste genau, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Er war hochgewachsen und breitschultrig, als wäre er - wie die anderen - schwere Arbeit gewohnt doch ab und zu rutschen ihm einige Wörter in dem Kuraster Dialekt raus, seine Haltung war etwas zu aufrecht und Jaella hatte mehr als einmal gesehen, dass unter seinem schäbigen und abgetragenen Umhang etwas metallenes hervorblitzte. Welcher Tagelöhner trug schon Schmuck? Er musste ein Kaufmann aus Kurast sein, der unerkannt reisen wollte, um sein Geschmeide vor etwaigen Räubern zu schützen.

Jaella rollte sich in ihre raue Decke ein und ließ die vergangenen Tage vor ihrem geistige Auge Revue passieren. Die letzten Tage in Lut Gholein hatte sie wie in Trance verbracht. Alton hatte sich aufgemacht, die verschwundenen jungen Gardisten, Bredon und Nokal, zu suchen. Angeblich sollten sie sich auf Grund einer Wette in die Kanalisation gewagt haben, um herauszufinden, ob dort tatsächlich Monster ihr Unwesen trieben.
Und so verlor sie auf ein Mal ihren Bruder und den einzigen Vater, den sie je gekannt hatte. Als Jeryhns Wachen den sterbenden Mann am Hafen gefunden hatten, war er kaum noch bei klarem Verstand gewesen. Er hatte sich an die Leiche seines Sohnes geklammert und immer wieder behauptet, Radament persönlich liefe in Lut Gholeins Kanalisation herum. Atma hatte den Fürsten angefleht, die Wachen unter die Stadt zu schicken, um festzustellen, was dort sein Unwesen trieb, war aber auf taube Ohren gestoßen. Jeryhn hatte sämtliche Eingänge zumauern lassen. Niemand sollte je wieder einen Fuß in die Kanalisation setzten.
Atmas Schrei nach Rache verhallte ungehört.

Doch wenigstens musste sich Jaella um ihre Ziehmutter keine Sorgen machen. Fürst Jeryhn hatte vor dem versammelten Senat geschworen, für sie zu Sorgen. Er übertrug ihr die Leitung der kleinen Taverne und sie sollte einen eigenen Bereich im Palast bekommen. Doch für Jaella war in Jeryhns Gedanken kein Platz gewesen. Sie würde wohl nie das von innerem Wiederstreit zerrissene Gesicht Atmas vergessen, als sie Jaella mitteilen musste, dass es im Palast für das Mädchen keine Zukunft gab.
„Du musst weg von hier“, hatte Atma geflüstert. „Sie geben Dir die Schuld für alles, was passiert ist. Diese dummen Menschen halten es für die gerechte Strafe dafür, dass Alton Dich aufgenommen hat. Geh nach Westen, über den Gebirgspass zum Kloster nahe Tristram. Dort leben die Verwandten Deiner leiblichen Mutter. Du musst eine von ihnen herholen. Nur durch eine der Schwestern vom verborgenen Auge kann ich Rache finden. Was auch immer da unten haust – sie sollen es vernichten!“

Das Gemurmel ihrer Mitreisenden, die sich in ihre Schlafrollen und unter die flachen reisezelte legten, riss Jaella aus ihren trüben Gedanken. Sie wartete noch eine ganze Weile, bis sie das vertraute, vielstimmige Schnarchen hörte, dann stand sie auf, um sich zu erleichtern. Sie vermied es, solch persönliches Geschäft im Beisein der Männer zu erledigen und hatte es sich angewöhnt, weit außerhalb des Lichtkreises des Feuers, in der Stille der Nacht, ein paar Augenblicke allein mit sich selbst zu sein.
Sie nickte dem Wachposten kurz zu und ging einige Schritte in die felsige Dunkelheit davon.



:hy: Insidias
 
nettes update weiter so

was is ne stola?
 
Hi Player!

>>Kleidung
das über der Tunika getragene Hemdgewand der römischen und byzantinischen Frau; seit etwa 1820 auch Bezeichnung für einen von den Schultern lang herabfallenden Pelz- oder Wollumhang. <<


In meiner Erzählung soll es sich um einen wollenen Umhang handeln; so ähnlich wie ein langer Mantel - nur ohne Ärmel.
hmm - Zorro trägt auch son Ding :D


:hy: Insidias
 
:top:

Hi...

Also deine Story is echt gut...

Hab sie zwar erst heute entdeckt, aber dafür am Stück gelesen...

Also hoff ich mal auf ein schnelles Update.

Weiter so...

M.f.G.

reha
 
Ich hatte wieder ein wenig Zeit....



Kapitel 6: Die Befragung


Der Regen hatte endlich nachgelassen und es war eine klare, kalte Nacht. Die meisten der schweren, dunklen Wolken hatten sich verzogen, um irgendwo anders ihre feuchte Fracht abzulassen. Nur einige langgestreckte Wolkenfetzen zierten den Himmel über den Baumwipfeln. Es war einer dieser besonderen Momente, kurz nachdem die glutrote Sonne versunken war, doch ehe der Mond seine blassgelbe Helligkeit über das schlafende Land sandte. Der Himmel hatte dieses samtene dunkelblau, aus dem vorwitzig die ersten kleinen Sterne hervorblinzelten. Sie waren nur zu erahnen, doch wenn man den Blick direkt auf sie richtete, verschwanden sie.
Jaella atmete tief ein und genoss den kurzen Augenblick absoluter Freiheit. Sie löste den strengen Zopf und ließ den lauen Wind mit ihrem goldenen Haar spielen. Die Arme genießerisch nach oben reckend, dehnte sie Nacken und Rücken, bis alle Sehen und Wirbel mit einem ziehenden Schmerz in ihre ursprünglichen Positionen gerutscht waren. Die Verspannungen des langen Reitens auf den schaukelnden Maultieren lösten sich.

Plötzlich wurde sie brutal gepackt.
Ein Arm legte sich von hinten um ihren Oberkörper und presste ihre Arme an ihre Seiten, während ihr eine zweite Hand Mund und Nase verschloss. Stumm wehrte sich Jaella gegen den Griff, doch sie hätte genauso gut in einem Steinblock stecken können: ihr Gegner gab keinen Fingerbreit nach. Sie biss nach den Fingern auf ihrem Gesicht und schmeckte Schweiß und Erde in ihrem Mund, doch der einzige Erfolg war, dass sich der Druck verstärkte. Das Blut begann in ihrem Kopf zu rauschen und sie rang verzweifelt nach Sauerstoff, doch die Hand auf ihrem Gesicht ließ nur wenig Atemluft durch. Langsam erschlaffte ihre Gegenwehr und voller Scham bemerkte Jaella, dass zwei verstohlene Tränen über ihr Gesicht liefen. Schließlich setzte sich ihr Angreifer in Bewegung und zog sie mit sich. Das verängstigte Mädchen fügte sich und ließ sich viele 100 Schritt weit um einige Biegungen des Gebirgspfades fortziehen, weit weg von der spärlichen Sicherheit des Feuers, weg von dem Wachposten, weg von den schlafenden Kameraden.


Nach einiger Zeit hielten sie in einer kleinen Lichtung inmitten der niedrig wachsenden Latschenkiefern an und der harte Griff um Jaellas Körper verringerte sich.
Eine heisere Stimme flüsterte direkt in ihr Ohr: „Ich werde Dich jetzt loslassen. Wage es nicht, wegzulaufen. Glaube mir, ich bin in jedem Fall schneller als Du. Und wenn Du um Hilfe rufst, werde ich Dich knebeln, verstanden?“
Zaghaft nickte Jaella und wurde belohnt, indem sich die Männerhand endlich von ihrem Mund löste. Endlich konnte sie wieder durchatmen. Mittlerweile war der Mond aufgegangen und tauchte die kleine Lichtung in sein kaltes Licht. Die junge Frau drehte sich zitternd zu ihrem Entführer um. „Ihr?!“ , entfuhr es ihr, als sie sein Gesicht im Mondlicht erkannte. Augenblicklich waren Angst und Schrecken vergessen und machten unbändiger Wut Platz. „Wie könnt Ihr es wagen?“
Khalid lächelte grimmig: „Hör auf zu schreien, sonst kneble ich Dich wirklich. Und jetzt sag mir, wohin Du willst und was Dein Auftrag ist.“
Jaella straffte ihren Körper, hob das Kinn und amte die Stimme ihrer Ziehmutter nach, wenn sie mit den Fuhrleuten sprach: “Ihr vergesst Euch. Ich bin keine Trossdirne, sondern die Tochter des Vierten Senators von Lut Gholein und Ihr werdet mir den gebührenden Respekt entgegenbringen und mich formgerecht ansprechen, Marktschreier.!“

Doch Khalids geübtem Ohr entging weder der gekünstelte Tonfall noch das Zittern in der ihrer Stimme. Er ließ die Augen über das Mädchen gleiten. Die beschlagenen Stiefel und das abgetragene Reisekleid waren offensichtlich wirklich aus Lut Gholein, aber darauf war er während der gemeinsamen Reise nie hereingefallen, war er doch selber ein Meister der Verkleidung. Nein, das blonde Haar und die Gesichtsform machten sie eindeutig zu einem Mitglied der Amazonengilde.
Ihr Gesicht war schmutzig, wo seine Hand sie gepackt hatte, aber ihre stummen Tränen hatten helle Spuren hinterlassen. Tränen, die sie zu verbergen versucht hatte. Keine Tränen, die ihn vor ihrer Rolle der unbedarften Reisenden überzeugen sollten. Für einen Moment war sich Khalid nicht mehr so sicher, ob er im Recht war, aber dann wischte er seinen Bedenken weg. Sie war gefährlich und er musste sie aufhalten.
„Natürlich, edle Dame. Verzeiht mir, edle Dame.“ , höhnte er. „Ich habe selten ein erbärmlicheres Mitglied Deines Ordens getroffen. Beinahe möchte ich Dir glauben, dass Du ein Stadtkind bist. Jetzt rede! Bist Du Akaras Söldner?“

Jaella riss überrascht die Augen auf. Er konnte sie unmöglich für eine Kriegerin halten.
„Ist etwa Euer Verstand getrübt? Ihr haltet mich allen Ernstes für eine Söldnerin? Ich habe es doch nicht einmal geschafft, meine eigene Entführung zu verhindern.“ Ihre Stimme wurde zunehmend weinerlich und Jaella versuchte vergeblich, sich zusammenzunehmen. Zu allem Überfluss stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. Sie blinzelte sie wütend weg. Auf der Suche nach einem Taschentuch, stieß mit der Hand auf den verborgenen Dolch. Es durchzuckte sie eiskalt. Dies war ihre Chance zu entkommen und die musste sie nutzen. Ihr Gegenüber war offensichtlich von Sinnen und zu wer-weiß-was fähig. Jaella begann ein wenig mehr zu schluchzen und zu wimmern, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Dabei wischte sie fahrig mit beiden Händen über ihren Rock. Plötzlich riss sie den Dolch hervor und stürzte sich auf ihren Entführer.
Khalid war schon lange genug auf dieser gefährlichen Welt, um nicht einmal im Schlaf beide Augen zu schließen. Er lebte überhaupt nur deswegen, weil er nie den Fehler gemacht hatte, seinen gegenüber zu unterschätzen.
Diesen Angriff hatte er jedoch nicht erwartet. Nicht, weil er so überraschend kam, sondern eher weil er noch nie einem so unkontrollierten und dilettantischen Angriff ausgesetzt war.
Sie stach geradewegs auf seinen Leib. Khalid machte einen kleinen Ausfall nach links mit einer leichten Drehung, packte ihren vorschnellenden Arm und hieb mit seiner rechten Handkante auf die Sehnen an ihrem Handgelenk. Unwillkürlich öffnete Jaella die Hand und der Dolch fiel zu Boden. Sie schrie erschrocken auf als ihr Arm nach oben gerissen und nach außen verdreht wurde. Durch den Schwung ihres eigenen Angriffs stolperte sie nach vorne und fiel schließlich unsanft mit dem Gesicht auf den erdigen Waldboden. Schmerzhaft drückte sich ihr ein Knie in den Rücken und hielt sie am Boden fest.
„Also, Du bist wirklich keine Kämpferin Akaras. Mit solchen Anfängern umgibt sie sich nicht.“
„Hab ich Dir doch gesagt“, grummelte Jaella undeutlich, da ihr Gesicht immer noch im Schlamm steckte. Seufzend gab Khalid die junge Frau frei und nahm ihren Dolch an sich.
Jaella rappelte sich auf und setzte sich auf einen Baumstamm. Mit dem Saum ihres Reisekleides versuchte sie ihr Gesicht zu reinigen.
Khalid sah sie einen Moment stumm an, dann zog er ein sauberes Tuch hervor, warf es der jungen Frau in den Schoß und hockte sich neben sie. Umständlich holte er seinen Zunderbeutel hervor, schichtete ein paar Späne und trockenes Gras auf und entflammte den Haufen. Er schob vorsichtig dürres Reisig und danach kleinere Hölzer nach und schließlich brannte ein kleines, behagliches Feuer. Jaella war dankbar für diesen Moment der Ruhe und sie überlegte angestrengt, was der Fremde wohl von ihr wollte. Ein schlechter Mensch schien er ihr irgendwie nicht zu sein, aber ganz sicher war er weder der Tagelöhner, für den er sich ausgab, noch der reiche Kaufmann, für den ihn Jaella gehalten hatte.
Khalid quälten ganz ähnliche Gedanken: Ein schlechter Mensch schien sie ja nicht zu sein, ...
Er sammelte sich und fing behutsam an: „Also, erzähle, warum reist eine wie Du nach Westen, wenn nicht, um Akara zu dienen?“
Jaella sah zu ihm auf. „Ich weiß nicht einmal, wer Akara ist. Ich will Verwandte besuchen, die in Tristram leben sollen.“ Jaella seufzte. „Ich bin wirklich die Tochter des Vierten Senators von Lut Gholein.“
„Der Vierte Senator? Das ist Argon, ja?“
„Nein, Alton.“
Das böse Glitzern kehrte in seine Augen zurück. „Alton ist tot, sofern wir von dem gleichen sprechen.“
Jaella senkte den Blick und überhörte den versteckten Vorwurf, ihre Geschichte entspräche nicht der Wahrheit. „Er war nicht mein leiblicher Vater. Er und Atma nahmen mich als Baby bei sich auf. Ich weiß nicht einmal, was damals genau passierte, aber meine Mutter war schwanger als sie nach Lut Gholein kam. Aus irgendeinem Grund hatte sie alles daran gesetzt, um einen jungen Gardisten aus der Stadtwache zu töten. Atma sagte mal, es ginge wohl um Blutrache. Nun, sie wurde gefasst und blieb bis zu meiner Geburt in den Kerkern des Palastes, dann wurde sie hingerichtet.“ Jaellas Stimme verstarb zu einem Flüstern und Khalid beuge sich weiter zu ihr hin, um alles verstehen zu können. „Atma hatte wenige Tage zuvor, Altons ersten Sohn, Bredon, geboren, daher wurde ich ihr übergeben. Als sich entwöhnt war, sollte ich zu meinen Verwandten geschickt werden, aber die beiden ließen mich bleiben. Bredon und ich wuchsen wie Geschwister auf. Sie haben nie einen Unterschied zwischen uns gemacht, obgleich ich nicht ihr Fleisch und Blut war. Aber jetzt wo Alton und auch mein Bruder tot sind, durfte ich nicht in der Stadt bleiben. Sie gaben mir die Schuld und jagten mich davon...“ Der Rest ging unter in Jaellas Schluchzen.
Doch Kahlid hatte zum Schluss gar nicht mehr zugehört. Wie vom Donner gerührt saß er da und in seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander.
„Wie lange ist das her?“, fuhr er sie an.
Jaella sah ihn verwirrt an. „10 oder 12 Tage“, erwiderte sie.
„Nein! Wie lange ist es her, dass Deine Mutter nach Lut Gholein kam?“
„Dieser Herbst wird mein 17. sein. Warum?“
„Wie war ihr Name?“
„Den kenn ich nicht. Ich weiß sonst gar nichts vor ihr. Warum interessiert sie Dich?“
Doch Kahlid starrte nur stumm in das lustig flackernde Lagerfeuer.

Mit einem Ruck erwachte er schließlich aus seiner Erstarrung. „Wir müssen zurück. Sie werden uns bald vermissen.“
„Die vermissen uns längst, aber Du schuldest mir eine Erklärung für dies alles hier!“
„Uns vermisst keiner. Ich habe das Lager direkt nach Dir verlassen, mit meiner Schlafrolle auf der Schulter. Der Wachmann wird glauben, wir hätten uns gemeinsam...“
„Aufhören! Das ist widerlich!“, kreischte Jaella. Flammende Röte überzog ihre Wangen. Um sich zu fangen, fuhr sie ihren Gegenüber scharf an: „Und nun erkläre mir endlich, warum Du mich verschleppt hast!“
Khalid nickte und suchte nach einem Anfang. „Das bin ich Dir wohl schuldig. Deine Mutter muss eine Amazone gewesen sein. Du gleichst den Mitgliedern dieses Ordens wie ein Ei dem anderen, daher hielt ich Dich für eine von ihnen. Einst waren sie Amazonen ein stolzes Volk, die im Einklang mit der Natur lebten und Reisenden stets einen Platz an ihren Feuern anboten.“ Er lachte heiser auf, doch ohne jegliche Fröhlichkeit in der Stimme. „Diese Zeiten sind längst vorbei. Reisende, die sich in ihr Gebiet wagen, werden ohne Rücksicht oder Reue ausgeraubt und abgeschlachtet. Sie vernichten ganze Dörfer, obgleich nur harmlose Bauern dort leben. Sogar vor dem Mord an Frauen und Kindern schrecken sie nicht zurück. Das alleine würde es rechtfertigen, jede von ihnen für ihre Verbrechen hinzurichten, aber die östlichen Völker hielten sich zunächst raus. Es ist nicht gut, sich in die Geschicke anderer einzumischen.
Aber jetzt haben sie es zu weit getrieben!“ Khalids Augen wurden dunkel vor Zorn. „Sie haben einen der mächtigsten der Horadrim gegangengenommen. Er ging zu ihnen, um zu verhandeln und kehrte nie zurück. Seine Brüder erhielten telepatisch Bilder von ihm, wie er in einem Tierkäfig gehalten wurde. Doch die Nachrichten wurden immer schwächer, bis der Kontakt schließlich ganz abbrach. Wir wissen nicht einmal, ob Cain noch am Leben ist. Aber ich muss versuchen, ihn zu befreien.“
Du wirst keine Verwandten in Tristram finden, die es zu suchen lohnt.“
Jaella sackte zusammen, wie eine Marionette, deren Fäden man leichter Hand zerschnitten hatte. Unfähig zu begreifen, schüttelte sie in stummer Abwehr den Kopf. Jetzt konnte sie nirgendwo mehr hin. Aus ihrer bisherigen Heimat vertrieben, hatte sie einzig die Hoffnung aufrecht gehalten, irgendwo da draußen würde es Tanten, Cousinen vielleicht sogar eine Schwester geben. Sie hatte sich ausgemalt wie sie, von einer großen Familie freudig begrüßt, ein neues Leben beginnen würde.
Etwas sanfter fuhr Khalid fort. „Du musst umkehren. Sie werden Dich kaum willkommen heißen. Es tut mir leid.“
Unsicher brach der hochgewachsene Mann ab. Er hatte in seinen 20 Sommern sicher eine Menge Talente erworben, aber mit einer weinenden Frau hatte er es bislang nie zu tun gehabt. Hilflos saß er neben ihr und sah zu, wie sie ihre Seelenpein herausschrie und schließlich nahm er sie in die Arme und tätschelte unbeholfen ihren Rücken.

Nach einer Weile beruhigte Jaella sich mühsam. Es war, wie es war. Und auf einmal wusste sie, was ihre Aufgabe war. „Nimm mich mit!“, sagte sie drängend. Khalid fuhr vor Schreck zusammen. „Was willst Du?“
„Ich versteh einiges vor der Heilkunst, ich kann Dir nützlich sein. Ich werde für Dich kochen und Deine Ausrüstung in Ordnung halten. Du kannst Dich ganz auf Deine Aufgabe konzentrieren...“
„Das ist kein Ort für eine Stadtfrau, ich werde keine Zeit haben, auf Dich aufzupassen.“
„Du brauchst nicht auf mich aufzupassen“, erwiderte sie wütend. „Ich kann gut für mich selber sorgen.“
„Wie wir ja vor wenigen Augenblicken bei Deiner Attacke bemerkt haben“, höhnte der nun sichtlich amüsierte Mann.
„Ich werde Deinen Schutz nicht brauchen. Wenn mir etwas zustößt, dann ist es allein meine Schuld.“ Jaella sah den hochgewachsenen Fremden flehend an. „Es ist mein Volk, die diese Gräueltaten begehen. Wäre ich nicht aufgrund eines glücklichen Umstandes in Lut Gholein aufgewachsen, wäre ich wohl genauso wie sie. Bitte gib mir die Gelegenheit, für mein Volk zu sühnen. Dies ist meine Bestimmung und meine Pflicht, das weiß ich genau.“

Khalid schürzte die Lippen und sah durchdringend in das verheulte Gesicht. Bislang hatte er das Mädchen abwechselnd für eine lästige Mitreisende, eine feindliche Kriegerin und dann für ein verweichlichtes Stadtkind gehalten. Keine der drei hätte er gerne in seinem Rücken, wenn er es mit der Hohepristerin der Amazonen aufnehmen sollte. Doch nun glomm etwas in ihren Augen, das ihn innehalten ließ. Bestimmung und Pflicht – das waren auch die Gründe, weshalb er aufgebrochen war. Und es gab eine alte Schuld abzutragen, die die Seinen den Horadrim gegenüber hatten. Auch deswegen war er hier.
Bestimmung, Pflicht und Sühne.
Er blickte hinunter auf seine Hände, die immer noch den Dolch hielten, mit dem Jaella ihn angegriffen hatte. Ohne sie anzusehen warf er ihr den Dolch vor die Füße.
„Den wirst Du brauchen. Und lern ihn zu führen!“






:hy: Insidias
 
jetzt weiß ich wieso das so lang gedauert hat. das isn riesen update *g*
naja nice nice. das gibt sicher noch ne interressante story. khalid ist paladin oder? n barbar hat nich "so" nen namen undn druide wird wohl auch net so beschrieben. genauso wien nec. naja is ziemlich gut gemacht mehr :go:
 
*ausnahmsweise in einen Thread post*

Hab mich jetzt auch mal in die Story eingelesen und muss sagen ... nice.
Der Stil ist ansprechend, so macht es Spass die Story zu lesen. Ich bin schon gespannt, was aus den beiden wird.

Mach nur weiter so ...
 
hmm wär prima wenn maln update kommt. oder haste atm viel zu tun
 
So, Ihr Lieben, langsam hat mich das Posten der Geschichte beim Schreiben eben dieser eingeholt. Die nächsten Ups werden dann nicht mehr tageweise, sondern ein klein wenig seltener erfolgen. Aber ich beeil mich. Versprochen!



Kapitel 7: In den Ebenen

Der junge Morgen dämmerte bereits, als die beiden Nachtwanderer in das Lager der Karawane zurückkehrten. Tau glänze in den sich leise wiegenden Gräsern und Nebelbänke hingen in den Schluchten. Einzig der Wachposten bemerkte die Zwei, ein paar Münzen wechselten klimpernd der Besitzer, ein paar geflüsterte Worte und schon schaute der unterbezahlte und durch die lange Wache erschöpfte Mann grinsend in eine andere Richtung.

Als sie nach drei Tagen den Pass hinter sich gelassen hatten verließen Jaella und Khalid den Schutz der Karawane, die nach Norden weiterzog, um die mitgeführten Waren und Arbeitskräfte in den ländlichen Gegenden anzubieten, und machten sich alleine auf den Weg.
Für die in der spärlich begrünten Wüste aufgewachsene Jaella war dieser Teil der Reise eine Aneinanderreihung von Wundern. Nachdem sie die Ausläufer des Gebirges durchwandert hatten, durchquerten sie mächtige Wälder, höher als 5 Männer, die so weit waren, dass Jaella nicht von einem Ende zum anderen blicken konnte. Danach kamen sie über weite Ebenen mit wogenden Meeren von Gräsern und Kräutern. Wie Sahnekleckse zierten weiße Kleeblüten und die watteweichen Gespinste des Wollgrases den grünen Teppich.
Sie schwiegen die meiste Zeit und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, es war ein vorsichtiges Schweigen zwischen zwei Menschen, die sich ausgesprochen hatten, einander aber noch nicht vollkommen verrauten.
Vor der Verpflegung der Karawane abgeschnitten, ernährten sie sich von dem, was die Natur für sie bereithielt. Die Sonne hatte bereits viele Früchte und Beeren reifen lassen, Kräuter, Wurzeln und wildes Getreide bereicherten ihren Speiseplan.

Am dritten Tag des gemeinsamen Weges tauchte in der grasbedeckten Ebene auf einmal eine kleine Holzhütte auf. Wie schutzsuchend schmiegte sich das verfallene Blockhaus an ein kleines Wäldchen. Ein kleiner Bach rieselte an seiner Linken vorbei. Es war beinahe ein beschaulicher Anblick, bis auf die dünnen Rauchsäulen, die an verschiedenen Stellen über den Resten des Hauses aufstiegen. Beim Näherkommen wurde das Ausmaß der Zerstörung sichtbar: Die Träger der Dachkonstruktion ragten aus dem Durcheinander wie stumme Wächter, geschwärzt und angekohlt. Die spärliche Einrichtung war entweder bis zu Unkenntlichkeit verbrannt oder in Einzelteilen in der Umgebung verstreut.
Khalid hob die Hand und bedeutete Jaella stumm, sie solle bei einem alten krüppligen Baum in Deckung gehen. Aus seinem Reisebeutel zog er ein blitzendes Kurzschwert - kaum länger als sein Unterarm - hervor, seine restlichen Tragelasten legte er ab und schlich vorsichtig, in alle Richtungen horchend und spähend auf das Haus zu. Einige bange Augenblicke später tauchte er rußverschmiert und mit düsterer Miene wieder neben Jaella auf. Sie begrüßte ihn erleichtert: „Was mag da passiert sein? War das Feuer ein Unfall?“
Khalid sah sie düster an. „Wohl kaum. Das Feuer wurde absichtlich gelegt, um Spuren zu verwischen, aber der Regen letzte Nacht hat es zu früh gelöscht. Ich denke, Du solltest Dir das ansehen.“
Ohne eine Antwort abzuwarten schulterte er sein Gepäck und ging voran.
Mit leichtem Zögern folgte ihm seine Reisegefährtin. Als sie näher an den Ort des Geschehens kam, fiel Jaella auf, dass es ungewöhnlich still war. Kein Vogel sang, nicht einmal die sonst so fleißigen Bienen summten über die Lichtung. Es war als hätte Mutter Natur selbst vor Grauen den Atem angehalten. Plötzlich stach ihr der Geruch verschmorten Fleisches in die Nase. Vergeblich versuchte sie sich einzureden, dass es sich wohl um die Essensreste der ehemaligen Bewohner handelte, bis sie in mitten der Hütte vor den verkohlten Überresten eben dieser ehemaligen Bewohner stand. Die Körper waren unnatürlich verdreht und kaum ein Knochen schien unversehrt.
Jaella wollte sich wegdrehen, doch mit eiserner Hand zwang ihr Begleiter sie, sich das Bild unauslöschlich in ihr Bewusstsein einzuprägen.
„Sieh es Dir an! Das waren Deinesgleichen!“, schrie er.

Sie riss sich los und rannte mit keuchenden Atemzügen bis zum Rand des Baches, zwei- dreimal spritzte sie sich das kalte Wasser ins Gesicht. Noch immer hatte sie den Geruch in der Nase und schmeckte bittere Galle auf der Zunge. Eine eisige Klammer schloss sich um ihr Herz und sie wusste, dass dieses Bild sich ab jetzt Nacht für Nacht in ihre Träume stehlen würde. Ganz offensichtlich hatten die beiden Erwachsenen versucht, die Kinder zu schützen. Deren Leiber wiesen weniger äußere Verletzungen auf und sie lagen halb verdeckt unter den größeren Kadavern. Eine kleine hässliche Stimme in Jaellas Kopf fragte leise, ob den Kinder wohl die Gnade zuteil wurde zu sterben, bevor das Feuer sie erreichte.

Khalid hatte ihr einige Augenblicke gegeben, sich von dem Anblick zu erholen. Und auch er hatte einen Moment mit sich alleine gebraucht, um seinen unbändigen Zorn unter Kontrolle zu bringen. Der Anblick der verbrannten Kinder hatte all die Wut, die er in sich trug, an die Oberfläche gebracht. Wieder einmal hatten ihm seine Gefühle die Kontrolle entzogen und hätte sie nur ein Wort gesagt, hätte er wild und ohne zu denken auf sie eingeschlagen. Die Augen schließend und tief durchatmend dachte er an die Entspannungstechniken seines Lehrmeisters. Schließlich verbarg er wieder seine Gefühle hinter dem dicken Panzer der Kälte, die er jedem entgegenbrachte und ging zu ihr.
„Jetzt weißt Du, wozu die Jägerinnen fähig sind...“
„Jägerinnen? Wohl kaum. Es sei denn, sie wären dreimal so hoch wie wir und trügen Fell.“ Jaella wies auf einen Fußabdruck, den sie in der feuchten Erde am Bachlauf entdeckt hatte. Khalid beugte sich darüber und studierte die Eindrücke, die die im Verhältnis kleine Ferse und die fünf Zehen hinterlassen hatten. Im Ganzen war der Abdruck tatsächlich nahezu dreimal so groß wie ein menschlicher Fuß.
„Da hinten sind noch mehr Abdrücke. Sie gleichen diesem hier und dazwischen lagen ein paar kleine Büschel Fell.“ Sie rieb die Haare zwischen den Fingern und spürte deren drahtige Beschaffenheit. „Ich würde beinahe sagen, es handle sich um Bärenfell, aber die Spuren passen nicht dazu. Bären laufen für gewöhnlich auf allen Vieren und richten sich nur gelegentlich mal auf die Hinterbeine auf.“
Khalid schüttelte den Kopf. „Das muss Zufall sein. Es sind Bärenspuren, und die haben rein gar nichts mit dem Überfall auf das Blockhaus zu tun. Und jetzt komm weiter.“

Folgsam schulterte Jaella ihren Beutel drängte sich durch das niedrige Gebüsch und ging dann weiter westwärts. Als Khalid ihr folgte, fiel ihm zum ersten Mal auf, dass Jaellas langer Rock mehr als unpraktisch für diesen Fußmarsch war. Sie blieb ständig in den Sträuchern hängen, so dass der Saum schon ganz ausgefranst war. Hob sie jedoch – entgegen ihre Moralvorstellungen - den Rock hoch, verschrammten die harten Zweige und scharfen Gräser ihre Beine.
„Warte noch kurz, ich will etwas holen“, rief er ihr nach und hastete zu dem kleinen Anbau neben dem Holzhaus, dass zum Teil von den Feuersbrünsten verschont geblieben war. Eine kleine alte Truhe hatte die Glut überstanden. Khalid öffnete sie mit einem heftigen Schlag mit seinem Schwert und durchsuchte ihren Inhalt. Einiges war durchaus brauchbar, fand er, und steckte es in seinen Schulterbeutel. Dann hastete er mit langen Schritten seiner Gefährtin nach.








Er hörte leise einen Bach murmeln und ein paar Vögel in der Nähe sangen ihm ihr schönes Lied. Als er sich zur Seite drehte, sah er neben sich seine schöne Geliebte liegen. Sie räkelte sich im Gras, die Brust noch entblößt und ihr schwerer Atem erinnerte an ihr eben vollzogenes Liebesspiel. Er hob eine blonde Strähne ihres Haares an sein Gesicht und nahm den Geruch von Gras und Wind darin war.
Ihr hatte er alles zu verdanken. Ihre Freunde beschafften ihm die Pelze und Felle, die sich in der Stadt so gut an die Damen verkaufen ließen, und sie hatte dafür gesorgt, dass die er edlen Gewürze aus dem Osten hierher liefern durfte, wo sonst ein fremder Händler nie eine Chance gehabt hätte. Die Arbeiten an seinem Stadthaus hatten bereits begonnen, zwei oder drei Jahre noch, dann hätte er ausgesorgt und er könne mit Frau und ein vielleicht paar Kindern das Leben genießen. Er lächelte leise in sich hinein. Wenn er diesmal in die Stadt zurückkehrte würde er bestimmt die langersehnte Ehrung der Ernennung erhalten. Dann hätte er alles, was er sich erträumt hatte. Verliebt blinzelte sie ihn an...

Er wachte allein im Dunkel auf und weinte. Er weinte um alles, was er verloren hatte.



:hy: Insidias
 
nice!! n bisschen "härter" was den stil angeht aber is doch ziemlich gut geworden.
 
geile geschichte!!!

wirklich ich bin beeindruckt, ich könnte sowas nich schreiben ;)
 
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