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--- das 2. diablo2.de foren-rpg ---

Der Weg zu ihr, wie ein Weg zum Paradies.
Der Weg war die Hölle.
Die Schlangen auf ihrem Körper verschwanden so rasch wie sie gekommen waren, ließen sie im Schlaf zurück und krochen wieder in ihr Versteck. Zischend, wie um das Schicksal der vergifteten Alja zu besiegeln, selbst die Luft mit Gift zu tränken. Hilflos lag sie da und verlor im Angesicht mit dem Tod doch keine Träne.
Corvin fühlte den gleichen Schmerz in sich, auch er war gebissen worden, doch er durfte nicht zu ihr, es war ihm verboten. Unfähig, den Blick abzuwenden, wünschte er sich, ihre Qual und seine alleine tragen zu können. Es war ihm verwehrt. Wieviel mehr Leid konnte man einem Menschen zufügen, als indem man ihm die Freiheit stahl? Er wurde verrückt vor Angst. Mehr und mehr Angst um seine Alja, seine einzige Liebe und sein einziger Trost. Der einzige Grund zu leben, und dieser wurde ihm genommen. Was kann ohne Grund sein?
Sie sah so blass aus in ihrem Todeskampf, doch noch immer wunderschön. Wenn sie nur jemand anderer wäre. Wer stand für ihr Schicksal? Corvin keuchte vor Angst um ihr Leben, während das Gift seinen Verstand mit ständig neuer Verwirrung füllte. Er wollte zu ihr. Er wollte zu ihr! Er war zu langsam. Noch ein paar mal zuckte ihr Körper... alles verzögerte sich, die Zeit... löste sich auf... erkennbar nur noch Bilder der Qual.
Alja verlor den Kampf.
Corvin fiel in tiefste Trance. Dieses Bild, das er sah, würde er es je begreifen? Seine Liebe wie eine Feder, einsam vom Himmel gefallen lag sie da. Blasser als zuvor, den Kopf weich in die Polster gedrückt, zur Seite geneigt. Es schien als strömten ihre Haare nun hervor, schmiegten sich auf den kalten Boden, flossen über ihre leblosen Arme. Zeichneten sie ein Bild ihrer letzten Momente? Es war um sie geschehen, ihr Tod eingetreten. Corvin schrie. Unendliche Wut und Verzweiflung übernahmen die Kontrolle über sein Dasein. Tot. Schleppenden Schrittes kam er auf Alja zu, das Gift ignorierend, das seine Verwirrung bewirkte. Wieder und wieder brüllte er im eigenen Todesrausch seine Verlorenheit heraus. Tot. Ein grauenvoller Schmerz bohrte sich durch seinen Körper und seinen Verstand, wollte ihn zerbrechen, ließ seinen Weg unendlich erscheinen. Er stolperte, fiel in Aljas erstarrte, verkrampfte Arme, welche ihn zum letzten Tanz baten. Tot. Corvin begriff nicht, er konnte nicht begreifen. Wo war das Leben hin, das eben noch in ihr gewohnt hatte? Ein Flug in die Vergangenheit... ein Traum, eine klägliche Bitte. In seinem Trancezustand ließ er seinen Blick über ihre Gestalt gleiten, verlor sich in immer größer werdender Fassungslosigkeit. Tot. Seine Tränen benetzten das weiße, unbeschreiblich schöne Gesicht der Frau, die zu lieben er so genossen hatte. Betrug! Beide waren sie betrogen worden. Corvin konnte nicht begreifen. Alja war tot! Sein Schrei verkam zu ersticktem Keuchen.
Dann veränderte sich etwas. Die wahre Folter begann erst jetzt. Leere drückte seine Gedanken zu Boden und füllte seinen Körper aus. Das Leben musste weichen, wurde in das tiefe Loch gesogen, welches mit dem Einzug in seine gepeinigte Seele begann.
Die Leere war stärker als der Schmerz, mit dem er ebenso zu kämpfen hatte, wie mit seinem eigenen Tod. Die Qualen waren vorbei, doch sie wurden nicht ersetzt und nicht erlöst. Bloß erdrückt. Das Gift verlor seine Wirkung. Corvins Gedanken schienen frei zu sein, und doch hielt sie etwas zurück. Erneut betrachtete er das jämmerliche Bild, das sich ihm bot. Er fühlte nichts, keine Liebe, keinen Zorn. Etwas hatte von seinem Selbst Besitz ergriffen. Und es wollte mehr. Mehr. Und immer mehr.
"Verflucht! Was ist das für ein Tod? Wer ist tot? Bin ich es, der doch nur ihren Tod beweint, statt das Schicksal selbst auf mich genommen zu haben? Ich fühle nichts für sie, die mir so viel bedeutet. Ich fühle nichts! Wer ist tot?"
Eine Entscheidung festigte sich in seiner einsamen, fast schon endgültig gelösten Seele. Er würde nicht sterben, nicht wie es sein Meister gebot, denn den Willen hatte er nicht verloren. Und wenn er tausend Jahre um sein Selbst kämpfen müsste, hergeben würde er es nicht. Lieber würde er ewig leiden, als zu dem Stein zu werden, den er so hasste. Corvins Entscheidung war gefallen.
Der Schmerz war stärker als die Leere. Er würde es für immer sein.
Der Gepeinigte beugte sich vor, um Alja einen letzten Abschiedskuss auf die Stirn zu geben. Er hatte ihr eine zweite Chance gewünscht, doch niemand hatte sie ihr gewährt. Vom Schwindel leicht verwirrt richtete er sich auf und suchte. Er fand. Der Stein, das Symbol seiner Gefangenschaft, die Ketten daran, welche seine Füße umfassten. Er hatte ein Ziel, er kannte den Weg, nun würde er ihn beschreiten und sein Schicksal für immer verändern. Weißglühende Wut füllte den Raum aus.
Der Stein zerbrach geräuschlos. Das Zeichen seiner Unterwerfung.
Corvin schrie vor sengendem Schmerz.


Chin Pey blickte sich um. Er stand auf der Lichtung, neben ihm ein Wagen mit verängstigen Kindern. Um den Aikidoka herum lagen einige Wölfe, oder eher verschiedene Teile von ihnen. Der Kampf schien zu Ende, Pey konnte ihn nicht sehen, aber jemand begann mit klarer Stimme laut, ruhig und deutlich Anweisungen zu erteilen.
Muss der Paladin sein, dachte er, erleichtert, dass die restlichen Zivilisten nun in Sicherheit zu sein schienen.
Als er den Kindern unter dem Wagen einen beruhigenden Blick zuwarf, wurde seine Miene weicher, auf der vorher straff gespannten Haut erschienen hunderte Lachfalten, und seine Augen versprühten nicht länger die Gewißheit unausweichlichen Todes, sondern Ruhe und Gelassenheit. Ohne hinzusehen säuberte er seine Klingen am Fell der Wölfe und schob sie wieder in den Gürtel.
Um seine Vorstellung beim Befehlshaber des, wie es schien, zusammengewürfelten Haufens von Flüchtlingen würde er sich später kümmern, im Moment musste erst einmal das Chaos des Kampfes beseitigt werden und dieser hatte bestimmt alle Hände voll zu tun. Er holte seinen Flachmann mit Reiswein hervor und trank einen langsamen Schluck, behielt den scharfen Alkohol lange im Mund, und schien mit jeder Geschmacksknospe seiner Zunge auf den vollen Genuss zu kommen. Als er schließlich geschluckt hatte, öffnete er die genießerisch geschlossenen Augen und begann ins Dickicht des Waldes zurück zu schreiten.
Er hoffte, das kein Wolf seine zurückgelassenen Rationen und vor allem nicht seine Pfeife zerstört hatte. Um den kunstvoll gefertigten, schwarzen Langstab, der von oben bis unten mit Mithrilnieten beschlagen war, machte er sich keine Sorgen, den würde kein Wolf kleinkriegen.
Als er den Treck hinter sich gelassen hatte, und in die Geräusche des Waldes eintauchte, nahm er den Splitter eines Schreies wahr. Ein Knirschen erklang, begleitet von einem leichten Rauschen. Sofort ging Pey in Kampfhaltung und spähte mit nun wieder angespannten Zügen in die Richtung der Geräuschquelle. Er schlich voran, setzte Fuß vor Fuß. Irgend etwas vor ihm alarmierte all seine Sinne, die in unzähligen Gefechten geschult worden waren.
Wenig später fand er den Grund seiner Unruhe. Eine Gestalt hing in einer Gruppe Akaziensträucher, die bösartige Dornen tief im Fleisch ihres Opfers eingegraben hatten.
Sie zuckte, und schien sich zu regen, hing dann aber wieder still da. Der alte Krieger, dessen Hände sofort zu den Waffen geschnellt waren, entspannte sich wieder etwas.
"Schönes Haar," murmelte Chin mit einer, bei ihm sehr seltenen, Spur von Neid in der Stimme, als er aufs Haupt der hilflos dahängenden Gestalt blickte, das geradezu überwuchert war mit einer langen lockigen Mähne, die, von wunderbar kräftiger orangeroter Farbe, durch die Durchmischung mit schwarzen, mehr als fingerdicken Strähnen komplettiert wurde.
Er trat von hinten in Kampfstellung an die merkwürdige Figur heran, von der er kaum mehr als einen schwarzen, ziemlich mitgenommenen Ledermantel erkennen konnte.
Das Gefühl von Gefahr blieb, wie glühende Klingen schnitt es in alle Sinne des alten Kriegers. Deshalb blieb er vorsichtig und prüfte den Puls mit der linken, die andere Hand hatte das Kama lautlos unter dem Gürtel hervorgezogen. Der Herzschlag ging schwach, aber regelmäßig. Er befreite die Person, ein Mann, mit einigen präzisen Schnitten von dem Busch, in dem er hing. Dabei fiel ihm auf, dass derjenige wohl mehr durchgemacht haben musste, als einem gewöhnlichen Mensch zu ertragen angedacht war. Seine Hände waren verstümmelt, die Rechte fehlte gar ganz. An der linken fehlte ein Finger, ein anderer schien gebrochen, aber es war keine allzu frische Verletzung. Die Gestalt trug Hosen, die ebenfalls aus Leder zu sein schienen. Pey bemerkte keine Waffen, jedoch fielen ihm die ungewöhnlichen Stiefel des Bewußtlosen auf. Sie glänzten Metallisch und schienen auch die gleiche Festigkeit zu besitzen. Über dem Gürtel, der aus Kettengliedern bestand, fiel sein Blick auf einen seltsam deformierten Oberkörper, der nur aus Narben zu bestehen schien. Der Alte zog die meisten Dornen aus dem Körper des Verletzten, nicht ohne ihn dabei weiter zu untersuchen. Dabei fiel ihm ein Seltsames Symbol auf, das sich in die Haut des Brustkorbs eingebrannt zu haben schien. Um dem armen Kerl keine weiteren Schmerzen zu bereiten, ließ der erfahrene Chin Pey seine Finger davon.
Der Kopf des Mannes war wohl das außergewöhnlichste. Er war mit einer Unzahl von Narben verstümmelt, seine Augenhöhlen waren tot und dunkel. Dieses Antlitz bildete einen seltsamen Kontrast zu den Haaren, die wie ein Rahmen ein Bild umgaben, das manch Geringeren wohl zur Flucht bewogen hätte. Der milde erstaunte Pey dachte sich, dass er hier mehr vor Augen hatte als einen gewöhnlichen Landstreicher. Vorsichtig hob er den seltsam leichten Körper auf seine trotz Alter ungebeugten Schultern, erhob sich und begann in die Richtung der Lichtung zu schreiten. Da hörte er ein Rascheln hinter sich. Seine Kriegersinne hatten ihn nicht getäuscht!
Ein Wolf schoß auf die beiden zu, und Chin, der sein zweites Kama ebenfalls wieder weggesteckt hatte, kam in arge Bedrängnis. Instinktiv lies er sich komplett in seine Krieger- Sinne hineinfallen und reagierte.
Das linke Bein kam hoch, das rechte ebenfalls, und mit Schwung warf sich der Ostländer rücklings zu Boden. Der Wolf machte einen letzten Satz und setzte zum Sprung an.
Pey schaffte das Kunststück, den Bewußtlosen ganz sanft abzusetzen, loszulassen und selbst auf den Händen aufzukommen. Er stieß sich sofort abermals ab, um auf die Füße zu kommen, federte aus der Landung heraus nach vorne. Als er über dem Verletzten war, kam es zur Begegnung mit dem Wolf, der es anscheinend auf ihn abgesehen hatte. Mit dem Zeigefinger drückte Pey gegen den Kiefer des Wolfes, duckte sich unter dem, wie er registrierte, gequält aufheulenden Tier weg und stieß den Ellenbogen nach oben, direkt unter die Rippen des Monstrums. Die Landung des nun, ebenso wie der Gerettete nach wie vor, ohnmächtigen Tieres verlief reichlich unelegant. Chin bemerkte, das sein Kiefer total zerstört zu sein schien und musste an die Stiefel des Verletzten denken. Sein Gesicht verzog sich zu einem anerkennenden Lächeln. Der erfahrene Krieger überprüfte den Zustand des Patienten routiniert und nahm dann ein dünnes, aber stabiles seidenes Seil von schwarzer Farbe aus seinem Kimono.
Wenig später kam er mit dem Bewußtlosen, den er wieder auf den Schultern hatte, auf die Lichtung und lies den Wolf ein Stück vor einem der Wagen liegen. Auf dieser Seite des Zuges hielt sich im Moment niemand auf, was Pey nur recht war. Es hätte nur zu unangenehmen Fragen geführt. Vorsichtig lies er den immer noch bewußtlosen Menschen direkt neben dem Gespann von seiner Schulter gleiten und kniete sich neben ihn.
Dann wollen wir dich mal wecken, dachte er. Er hatte die Vermutung, das der Geselle übersinnlich begabt oder ein Magier war. Kein normaler Blinder begab sich alleine in einen Wald, und trat dann schon gar nicht Wölfen das Maul zu Brei.
Meister Chin Pey zückte sein Fläschchen, der Reiswein, eigentlich einen starker Schnaps, enthielt. Er nahm einen genießerischen Schluck, den er zu zelebrieren schien, wie üblich.
Dann setzte er dem Unbekannten die Flasche an die Lippen und flößte ihm einen Schluck ein.
Die Wirkung war überwältigend. Der Mann schoss hoch, hustete und röchelte. Dann schien er sich plötzlich zu beruhigen und drehte ganz langsam Zollweise den Kopf nach links, bis des Alten Blick in die Leere der beiden Augenhöhlen fiel. Die Sinne Peys schienen zu schwinden, all seine Existenz konzentrierte sich auf diese zwei Löcher in einem zerstörten Gesicht. Etwas derartiges hatte er nie erlebt, und es faszinierte ihn derart, dass er sich noch weiter in die Verbindung hineinfallen lies. Der Blick des Unbekannten war aus toten Höhlen intensiver als jeder Blick, dem Pey vorher standgehalten hatte. Er schien sich bis in die tiefsten Tiefen seiner eigenen Seele zu brennen und floß wie glühendes Blei durch sein Selbst. Plötzlich spürte der Krieger einen sengenden Schmerz und fand sich, urplötzlich in die Wirklichkeit zurückgeworfen, auf dem Boden liegend wieder, ebenso das verstümmelte Wesen neben ihm. Sie richteten sich auf, und der andere schien ihn nicht mehr zu bemerken. Er versuchte aufzustehen und fiel fast sofort wieder kraftlos zurück. Sogleich war Chin neben ihm und stützte ihn sanft, den Geplagten kaum berührend. "Finde deinen Fokus." flüsterte er dem anderen ins Ohr, der allerdings immer noch keine Notiz von ihm nahm und unsicheren Schrittes um den Wagen herum davon ging.
Pey seufzte. Da hatte er, kaum zehn Minuten nach einem Kampf, mal wieder ordentlich zu Denken bekommen. Er nahm einen Schluck Reiswein und ging nun endlich sein Gepäck holen. Später würde er sich vorstellen und auf den Wolf hinweisen, falls er bis dahin nicht bereits gefunden sein würde. Nun jedoch sehnte er sich nach seiner Pfeife.

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Das erste was Gotrek spürte, als er aufwachte, war ein tüchtiger Brummschädel, wie ihn nicht einmal die Feier zu seinem 100. Geburtstag hinterlassen hatte. Er setzte sich auf, und die sich drehende Umgebung kam langsam zum Stillstand. Argwöhnisch schaute er sich um.
„Du Mami, was ist das?“
Ein Junge stand neben einer Frau, die wahrscheinlich seine Mutter war, und schaute ihn an. Die Frau flüsterte ihm etwas ins Ohr und kam dann auf ihn zu.
„Aargh, was ist passiert? Welcher Feigling hat mich niedergehauen?“ fragte er.
„Das weiss ich auch nicht. Ich habe euch dort vorne am Wegrand liegen sehen, und euch geholt.“
Gotrek versuchte zu ergründen, was geschehen war, doch kurz nach dem Beginn des Angriffs hörte seine Erinnerung auf.
„Ihr seid am Kopf verletzt. Wenn Ihr erlaubt, werde ich mir Eure Wunde ansehen.“
„Bleibt mir vom Leibe, Weib!“, grummelte der Zwerg.
Instinktiv hatte er nach dem angeborenem Misstrauen der Zwerge geantwortet, und schon tat es ihm wieder leid. Er sollte ein wenig dankbar sein, schliesslich hatte diese Frau ihn gerade gerettet!
„Ihr solltet das nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn Ihr blutet aus der Wunde. Ihr könntet ernsthaft verletzt sein.“
Pah, Zwerge halten einiges aus, dieser Kratzer würde ihn nicht umwerfen. Trotzdem griff er mit der Hand an seinen Kopf und spürte doch einen ziemlichen Riss. Zögernd nahm er das Tuch entgegen, dass die Menschenfrau ihm entgegenstreckte. Doch es war sauber und frisch gewaschen, und Gotrek hielt es an seine Wunde.
Plötzlich durchfuhr in ein Gedanke. Er tastete neben sich, schaute sich hastig um.
„Wo ist mein Hammer?!“
„Leider konnte ich nur euch retten, er muss noch dort drüben im Gebüsch liegen.“
Sie zeigte ihm die Richtung.
„Der Hammer kommt von meinem Grossvater, wehe der ist jetzt weg“ grummelte der Zwerg in seinen Bart. Er überwand sich, ein „Danke“ zu brummeln, und eilte hinweg. Bald fand er seine Waffe und drehte sich zu den Wölfen um, damit er Rache nehmen konnte. Doch mittlerweile hatten sich die Kämpfer zum Grossteil organisiert, und es war noch eine neue Gruppe hinzugekommen. Der Grossteil der Wölfe waren schon tot, was Gotrek überhaupt nicht nett fand.
Und doch war er froh darüber, denn im gleichen Moment überkam ihn ein leichte Schwindelgefühl. Er setzte sich gegen einen Baum, steckte sich seine Pfeife an und begann, seine Wunde zu verbinden.
 
Maelnar

Mit einem Stöhnen fuhr Maelnar hoch. Wieder einmal hatte er von riesigen, schwerbewaffneten Dämonen geträumt, denen er hilflos im Kampf ausgeliefert war. Wann würden diese elenden Alpträume endlich aufhören? Der Kampf im Dorf gegen den Overlord steckte ihm anscheinend tiefer in den Knochen als es gut für ihn war. Die schweißnassen Haare aus dem Gesicht wischend sah er sich um. Irgendetwas war anders. Richtig, der Angriff war zu Ende, und auf der Lichtung befanden sich nur noch tote Wölfe, aber keine lebenden mehr. Dann bemerkte Maelnar die Neuankömmlinge. Es waren eindeutig Kämpfer, bei einer Person konnte er sogar ein Abzeichen der Paladine ausmachen. Gut, dass sie gerade jetzt aufgetaucht waren, dies hatte das Ende des Kampfes sicher ziemlich beschleunigt. Wo kamen die aber so unerwartet her?

Maelnar beschloss, die Suche auf die Antwort dafür auf später zu verschieben. Zunächst einmal würde er versuchen, mehr über die Wölfe und ihr seltsames Verhalten herauszufinden. Er deponierte seinen Rucksack unter dem Wagen und stand dann auf. Noch immer war er etwas zittrig und recht schwach, doch er fühlte, dass seine Fähigkeit zu zaubern langsam begann zurückzukehren. Der kurze Schlaf hatte doch gut getan.
Maelnar ging zur nächstbesten Wolfsleiche und ließ sich daneben nieder. Die Hände auf den Körper des Tieres legend konzentrierte er sich und blendete die störenden Einflüsse von den anderen magisch Begabten aus. Tatsächlich, da waren Reste einer dunklen Macht im Körper des Raubtieres, die sich allerdings rasch verflüchtigten. ‚Daraus kann ich nicht viel erfahren’, ging es Maelnar durch den Kopf, ‚ich brauche ein noch lebendes Exemplar!’ Er erweiterte stückweise seinen Wahrnehmungskreis und konnte in der Tat eine etwas stärkere Quelle dieser Energie ausfindig machen.
Er fand das entsprechende Tier am Rande der Lichtung neben einem der Wagen. Auffallend an dem anscheinend bewusstlosen Wolf war der zerschmetterte Unterkiefer. Die Magie in dieser Bestie war eindeutig der Dunklen Seite zuzuordnen, und sie erschien ihm auch von irgendwoher bekannt, doch er konnte sie beim besten Willen nicht einordnen. So konzentrierte er sich darauf, sich die Ströme und Schwingungen möglichst gut einzuprägen, damit er sie wiedererkennen konnte, wenn er ihr wieder einmal begegnen sollte. Seine Gedanken schweiften ab. Wer oder was konnte hinter diesem Angriff stecken, was sollte damit erreicht werden, und wie hing diese Attacke mit dem Überfall auf das Dorf zusammen? Doch wie Maelnar die Dinge auch drehte und wendete, er konnte aus den spärlichen Fakten keinen für ihn befriedigenden Schluss ziehen.

Plötzlich stutzte er und fokussierte seinen Blick auf das Stück Boden, auf das er während seiner Überlegungen schon die ganze Zeit gestarrt hatte. Diese Pflanze mit den breiten, mit feinen Härchen bewachsenen Blättern, die kannte er doch irgendwoher. Er sprang auf und lief, so schnell er konnte, zu seinem Rucksack. Das wäre eine tolle Sache, wenn das tatsächlich das Kraut wäre, für das er es hielt! Mit einem der beiden Bücher in der Hand kehrte er zurück und blätterte aufgeregt in dem Wälzer. Er fand die gesuchte Seite beinahe auf Anhieb. In der Tat, die Abbildung stimmte mit der Pflanze auf der Boden haargenau überein. Kopfschüttelnd meinte er zu sich selbst: „Was für ein Zufall, so selten, wie dieses Kraut eigentlich ist! Ob es hier noch mehr davon gibt?“
Er pflückte die Blätter ab und lief dann tief gebückt über die Lichtung, auf der Suche nach weiteren Pflanzen. Zwar stieß er dabei mehrmals beinahe mit Personen zusammen, was teilweise mit ärgerlichen Worten und Flüchen quittiert wurde, doch die Erregung über den Fund ließ Maelnar taub dafür werden. Er fand noch drei weitere Stauden dieses Gewächses und kehrte schließlich mit einer ganzen Handvoll Blättern zum Wagen zurück. Die meisten legte er zwischen die Buchseiten zum Trocknen, ein paar der Blätter jedoch quetschte er in eines der leeren Fläschchen aus seinem Rucksack und übergoss sie mit etwas Wasser aus seiner Wasserflasche. Zwar würde sich hier etwas Alkohol gut machen, um die Inhaltsstoffe besser in Lösung zu bringen, doch auch so würde sich daraus mit der Zeit ein wirkungsvoller Manatrank entwickeln.
 
Das Einzige was Corvin wahrnahm, waren graue Wirbel, die vor seinem inneren Auge umherzogen und unverständliche Formen bildeten. Erfolglos suchte er nach der Energie, die seine Kraft zu Sehen nährte. Wie lange war es her, dass er als Blinder durch die Welt gegangen war? Es würde eine Weile dauern, bis er sich wieder zurechtfinden konnte, so lange wie er brauchen würde um seine gedankliche Bindung zu dem Stein wiederherzustellen. Um das zu bewerkstelligen brauchte er einen Ruhepunkt inmitten der Hektik, die um ihn herum herrschte und seine Sinne verwirrte, doch für den Energieaufwand, den er dafür benötigte, war er zu schwach und ausgelaugt. Er suchte nach einer speziellen Quelle von Stimmen unter den vielen, die um ihn herum herrschten, bis er eine genauer wahrnehmen und definieren konnte und steuerte sie langsamen, vorsichtigen da unsicheren Schrittes an. Die Wortfetzen waren zu undeutlich um sie verstehen zu können, anscheinend war auch sein Gehör von seinem Tiefpunkt beeinträchtigt.
Ohne länger zu warten sprach er einfach in den leeren, schwarzen Raum hinen: "Weckt mich in einigen Minuten, ich brauche Ruhe. Rüttelt mich wach, denn ich kann euch nicht verstehen."
Einige Geräusche, die wie Worte klangen, aber keinen Sinn ergaben, drangen auf ihn ein, doch er wehrte mit einer Handbewegung ab und legte sich flach auf den Boden. Für einen kurzen Moment erfasste eine fremde Hand die seine und ließ wieder los. Wann endlich würde er nicht mehr an seine Verstümmelung erinnert werden? Er glaubte nicht, dass sich das je ändern würde.
Corvin ließ seine Gedanken in den grauen Wirbeln versinken und fiel in tiefen, doch bewusst gesteuerten Schlaf.


Gerade hatte er die Verbindung zu der Energiequelle aus dem Stein gefunden und den Kontakt zu ihr geschlossen und besiegelt, da fühlte er eine Hand auf seiner Schulter ruhen, welche ihn sanft schüttelte. Er nuschelte ein ihm selbst unverständliches "Danke" und richtete seine Aufmerksamkeit mit seinem neu gewonnenen klaren Verstand und Sehsinn auf die Person, die ihn geweckt hatte. Sie bekleidete keine für ihn wichtige Position, was er an der sehr typischen Dorfkleidung erkannte, daher begnügte er sich mit einem erneuten "Ich danke Euch" und verabschiedete sich damit auch schon. Corvin war kein Mensch, welcher Formalitäten für ein Muss hielt, vielmehr bedeuteten sie ein unnötiges Laster für ihn, da sie die Konzentration auf wichtigere Dinge versperrten.
Er suchte nach dem Mann, der ihn zuvor aus seiner Bewusstlosigkeit befreit hatte, denn dieser hatte sofort seine Aufmerksamkeit erregt. Er war ein wichtiger Mann, auch wenn er es vielleicht selbst nicht wusste. Die Kraft und Sicherheit, die er ausstrahlte war nicht zu übersehen gewesen, doch das war unwichtig. Er besaß Macht über Dinge, die für Corvin noch im Verborgenen lagen und er musste herausfinden, welche Dinge dies waren. Vielleicht konnte er ihm helfen.
Auf seinem Weg zwischen den Menschen hindurch, die teils verwundet, teils nach Gefahr Ausschau haltend, teils mit helfender Hand herumeilend den ihm so gut bekannten verstreuten Haufen nach einer Schlacht bildeten, bemerkte er einen Mann mit für hiesige Verhältnisse sehr hohem Rang. Er strahlte seine typische Aura aus - er war ein Paladin. Später würde sich Corvin auch mit ihm beschäftigen, doch zunächst wollte er den alten... Krieger? finden um mit ihm zu reden.
Dann erfühlte er einen Wolf, der direkt neben seinen Füßen lag - es war sein Verfolger von vorher und er war nicht tot. Vermutlich könnte niemand etwas mit ihm anfangen, denn sein Gehirn war teils zerstört. Wer immer seine Gedankenstrukturen untersuchen wollte würde nur Grundbedürfnisse entdecken, nichts sonst hatte seine alte Form beibehalten. Schade. Einen Versuch wäre es wohl wert gewesen.
Dann fühlte Corvin den alten Mann in seiner Nähe, nicht weit von dem Wagen stehend, an welchem der Wolf lehnte. Er hatte kein Geräusch gemacht, doch die gedanklichen Bahnen des Kriegers - wie er nun an dessen wahren Raritäten von Waffen erkennen konnte - lenkten sofort zu ihm und analysierten seine Gestalt, ohne dass er sich zu ihm umgedreht hatte. Erstaunlich.
 
Ulrich hatte ein ungutes Gefühl, als er seine Wache antrat. Diese Wölfe waren bestimmt nicht das letzte Hindernis, das ihnen der Hexenwald vorsetzen würde und dem jungen Mann brannte nichts dringender unter den Nägeln, als so schnell wie möglich weiterzuziehen.
Nervös nestelte er an seinem Waffengurt. Leider sah es nicht danach aus, als ob sich die Truppe in absehbarer Zeit von hier wegbewegen würde. Womöglich, dämmerte es Ulrich mit Entsetzen, mußten sie hier sogar die Nacht verbringen! Im Hexenwald! Er schauderte, als ihm all die Geistergeschichten wieder einfielen, und die Erzählungen von spurlos verschwundenen Leuten und gruseligen Schreien, die in der Nacht aus Richtung Wald erschallten.
Es war keine gute Idee, auch nur eine Sekunde länger hierzubleiben, aber selbst Ulrich mußte zähneknirschend eingestehen, daß die meisten der Leute, Dorfbewohner wie Krieger, im Moment einfach nicht in der Lage waren, weiterzumarschieren. Abgesehen von ein paar zusätzlichen Verwundeten waren Mütter und Väter genug damit beschäftigt, ihre verängstigten Kinder, Verwandte und sich selbst zu beruhigen und insgesamt sahen alle ziemlich am Ende ihrer Kräfte aus.
Bis auf die neu dazugekommene Patrouille aus Dor Gulin vielleicht, aber die hatten schließlich auch nicht gestern gegen eine Riesenhorde Dämonen und Skelette kämpfen müssen und dabei ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Ihre Väter lagen in diesem Moment auch bestimmt nicht schwer verwundet um ein Lagerfeuer herum, mit dessen Hilfe die Heilkundigen schmerzlindernde Salben zubereiteten.
Ulrich zwang seinen Blick vom Rücken seiner Mutter fort, die offenbar gerade einen Verband wechselte, und versuchte, seine Aufmerksamkeit pflichtgemäß auf den Waldrand zu lenken. Sie hatten ein kleines Stückchen flußaufwärts vom Kampfschauplatz direkt am Ufer Rast gemacht, und obwohl es noch hellichter Tag war (na ja, hell war etwas übertrieben; hier im Wald schien selbst auf der kleinen Lichtung ständiges Zwielicht zu herrschen. Der Fluch des Hexenwaldes, ohne Zweifel), waren Feuer angezündet und Wachen aufgestellt worden. Doch das beruhigte Ulrich nicht im Geringsten. Er wußte einfach, daß irgendwas passieren würde... oder vielleicht war sogar schon etwas geschehen, ohne daß er es bemerkt hatte? Einige der Söldner verhielten sich entschieden seltsam.
Der junge Zauberer zum Beispiel (Ulrich war sich sicher, daß es sich um einen Magier handelte, obwohl der Mann nur ein paar Jahre älter als er selbst sein konnte). Er war nach dem Kampf einfach eingeschlafen... na gut, vielleicht war er ohnmächtig gewesen, aber daß er sofort nach dem Erwachen einen der toten Wölfe untersucht hatte und etwas mit ihm angestellt hatte, kam Ulrich irgendwie verdächtig vor. Und danach hatte er plötzlich begonnen, wie ein Besessener Pflanzen zu pflücken, mitten auf einem Schlachtfeld!
Oder einer der Heiler, Reoth war sein Name, wie Ulrich von seinem Vater wußte; er hatte erst beim Angriff der Wölfe sein wahres Gesicht gezeigt. Ulrich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie der Mann ein Schwert aus dem Nichts herbeigezaubert hatte! All diese Magier konnten nichts Gutes im Schilde führen.
Und dieser kleine alte Mann – Ulrich ging jede Wette ein, daß er vor dem Kampf noch nicht dagewesen war. Er unterschied sich deutlich von den anderen Kriegern mit seinem schwarzen Kittel und den seltsamen Sicheln, die aus irgend einem Grund aussahen wie Waffen. War er vielleicht ein Waldgeist, geschickt von den Herrschern des Hexenwaldes, um die Eindringlinge auszuspionieren? Ulrich beschloß, den Ritter auf seine Beobachtungen aufmerksam zu machen, sobald seine Wache zu Ende war.
Obwohl... auch der Ritter hatte begonnen, ein äußerst verdächtiges Verhalten an den Tag zu legen. Welcher Paladin weigerte sich schon, eine Waffe anzufassen? War das etwa der schleichende Einfluß des Waldes, der versuchte, ihren Anführer zu verderben?
Unauffällig warf Ulrich einen Blick über die Schulter. Eine Heilerin nötigte den Ritter eben unter nicht gerade geringfügiger Anstrengung dazu, auf einem Baumstumpf Platz zu nehmen, damit sie den Verband an seiner Schulter erneuern konnte. Während sie arbeitete, war der Paladin offenbar in ein angeregtes Gespräch mit dem Anführer der Neuankömmlinge verwickelt, ein Hauptmann, soviel Ulrich mitbekommen hatte. Stritten die sich jetzt darüber, wer das Kommando hatte?
Er riskierte einen weiteren, diesmal etwas längeren Blick. Aus dieser Entfernung konnte er das Gespräch zwar nicht mithören, doch die Gesten der beiden Männer schienen nicht von Zorn gesteuert zu sein. Was würde er dafür geben, um zu wissen, was sie planten!
Tatsächlich brauchte er wohl nur die Heilerin zu fragen. Sie war auch aus Larthe und in einem Dorf verbreiteten sich Informationen bekanntlich... sehr schnell (Er verzichtete an dieser Stelle auf den üblichen Vergleich mit einem Lauffeuer; zu deutlich stand ihm noch das Bild von brennenden Häusern vor Augen). Wenn er sich doch nur an ihren Namen erinnern könnte...
 
Kratz, Kratz, Kratz.
AU! Verdammt, nicht schon wieder, dachte er. Das war jetzt schon das X-te Mal innerhalb von drei Tagen. Er betrachtete seinen Finger, dessen Fingernagel in der Hälfte gebrochen war und Blut herauslief. Der Schmerz liess schnell nach und der Finger begann taub zu werden.
Er musste sich was anderes überlegen, soviel stand fest. Doch genau das sagte er sich ungefähr seit drei Tagen. Es war hoffnungslos, er würde ewig hierbleiben müssen. Er versuchte zu seufzen, doch alles was heraus kam, war ein Röcheln. Sein Hals war lädiert und wund und es schien nicht besser zu werden. Seine Luftröhre musste mittlerweile auch ziemlich zerquetscht sein, dachte er, während er die idyllische Lichtung betrachtete. Er erinnerte an die Zeit die er hier verbracht hatte, all die glücklichen Stunden, all die Freuden.... es war seine Lichtung.
Sein Blick schweifte über die fast perfekte Rundung der Lichtung, über die er sich immer schon gewundert hatte. Vielleicht war sie ja von einem Magier erschaffen worden, obwohl ihm dieser Gedanke gar nicht gefiel. Er hatte genug von Zauberei und Magie. Nein falsch: Er konnte Zauberei und Magie nicht ausstehen!
Er versuchte den Gedanken zu verdrängen... Dass SEINE Lichtung von MAGIE erschaffen wurde?! Pah! Ein Magier würde niemals so etwas Wundervolles erschaffen können. Magie erschuf nur Böses oder diente nur dem Zweck, zu zerstören. Besonders die Necromantie... Plötzlich kochte es in ihm wieder vor Wut bei dem Gedanken an den Necromancer und er zappelte herum, doch ohne den erwünschten Abreagier-Effekt, da seine Bewegungsfreiheit ein bisschen eingeschränkt war.
Er versuchte, sich wieder zu beruhigen und an was anderes zu denken. Er musste jetzt ENDLICH hier wegkommen, das war im Augenblick wichtiger als seine Aggressionen. Schliesslich sah es momentan so aus, als würde er hier ewig herumhängen müssen.
Er betrachtet seinen nun wieder ganzen Finger samt heilen langem Fingernagel, der ihm normalerweise zum Laute spielen diente und nicht dafür geschaffen war, seine Freiheit wieder zu erlangen. Er begann wieder zu kratzen....
Knack. Wieder war sein Nagel gebrochen und wieder verschwand der Schmerzt schnell. Langsam machte sich, so absurd sich das in seiner Lage anhören mag, Langeweile in seinem Gemüt breit und er begann, langsam hin und her zu schaukeln.
Es war nun schon Abend des dritten Tages geworden und langsam wunderte er sich, wieso er noch nicht verrückt geworden war. Drei Tage auf dieser verdammten Lichtung, er konnte sie nicht mehr sehen.... er ertappte sich dabei, seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Schliesslich liebte er diesen Ort.
Langsam beruhigte er sich wieder und dachte daran, dass es eigentlich hätte viel schlimmer kommen können. Zum Beispiel... ja zum Beispiel, ähm, verdammt. Ach ja, er könnte jetzt tot sein. Bei diesem Gedanken brach er in krächzendes Lachen aus, das ihn selbst erschaudern liess und er wusste, wenn ihn nicht bald jemand von diesem verdammtem Baum schneiden würde, war sein letztes bisschen Vernunft für immer verloren...
 
Ugo hatte mal jemanden sagen hören, dass Birkenholz auch im Nassen Zustand brennen würde. Von wegen! Aber das feuchte Birkenreisig war im Moment die einzige Nahrung, die er den paar Flämmchen anbieten konnte, die aus dem kleinen Zunderhäufchen emporleckten.
Es war ja schon ein halbes Wunder zu nennen, dass sie es soweit gebracht hatten. Noch während die Funken vom Feuerstein geflogen kamen, wieder und wieder, hatte er genug Zeit gehabt, sich zu überlegen, wie sie das Feuer am besten gegen die Wölfe einsetzen könnten. Ugo hatte mit dem Gedanken gespielt, Pfeile an der Spitze zu entzünden und als Brandpfeile zu verschiessen. Allerdings würden sie nicht gut brennen, so ohne Petroleum oder ähnlichem an der Spitze, aber auch ein glühend heisses Stück Holz könnte einen verwundeten Wolf vielleicht in die Flucht schlagen, wenn es in seiner Seite steckte. Die empfindlichen Schnauzen damit zu berühren, wäre diffiziler gewesen, aber vielleicht noch die schonendere Variante für die Tierwelt, die hier gerade verrückt spielte.

Als das Feuer dann endlich brannte, und Ugo sich nach etwas umsah, das man als Fackel benutzen könnte, wurde er jedoch gewahr, dass der Kampf irgendwie inzwischen vorbei war. Desto besser...
Umso mehr entlud sich nun allerdings die Aufregung und die Panik der „Zivilisten“, wie Ugo sie inzwischen nannte, obwohl er sich selbst wahrlich nicht als Krieger verstand. Es herrschte aufgeregtes Geschnatter, während man nach allem kruschte und kramte, um Verwundete in irgend einer Weise versorgen zu können.
So wie es den Anschein hatte, ginge es heute erst mal keinen Schritt weiter durch diesen Wald.
Wie gut, dass nun zumindest schonmal ein Feuer entfacht worden war! Wenn auch unter anderen Vorstellungen dessen Benutzung...

Ugo beschloss, sich etwas nützlich zu machen, und wanderte hier und da umher, um aus den Zugkarren Tassen und einen Kessel zu holen. Wasser und Teeblätter waren ebenfalls schnell gefunden, und den Rest des Tages verbrachte er damit, Tassen mit heissem Tee zu verteilen. Es schien auf jeden irgendwie beruhigend zu wirken, und das war bestimmt ein wesentlicher Beitrag dazu, dass die „Zivilisten“ nicht jeden Moment in eine Massenpanik wegen irgendwelcher Vorstellungen bezüglich dieses Waldes ausbrachen, den Ugo abgesehen von seiner ständigen Nässe und den tobsüchtigen Wölfen noch für relativ normal ansah.
Als der Abend langsam nahte, beschloss Ugo, dass er auf diesem schlammigen Boden nicht schlafen würde! Ein wenig entfernt fand sich ein verkrüppelter Baum, aus dem recht niedrig ein stabiler Ast zur Seite Abstand. Diesen suchte Ugo sich als Lager aus, und begann hinaufzuklettern. Sein Rücken würde zwar morgen schmerzen, aber dafür wäre er trocken und sauber.
Sofern es in der Nacht nicht regnete...
 
„Hallo Lilly.“
„Wer... Wer bist du?“
„Ich bin ein Teil von dir, und du bist ein Teil von mir. Man könnte fast sagen: Ich bin du.“
„Was willst du von mir?“
„Ich will dir helfen.“
„Wo... Wobei willst du mir helfen?“
„Ich helfe dir nicht zu vergessen.“
„Was soll ich denn bitte vergessen haben?“
„Bist du echt so schwer von Begriff? Erinnerst du dich nicht mehr an den Tag vor drei Jahren? Ach komm, du musst dich erinnern.“
„Ich... weiß nicht wovon du redest.“
„Du dummes kleines Kind. Ich gebe dir mal einen kleinen Tip: Es hatte was mit deiner Ausbildung und einem gewissen, mißlungenen Zauber zu tun. Dämmert es jetzt?“
„Geh weg, lass mich in Ruhe.“
„Oh nein, das hättest du wohl gerne. Doch wenn ich dich jetzt alleine lassen würde, wäre ich dann nicht überflüssig? Kind, ich bin doch dazu da deine Erinnerungen aufrecht zu erhalten.“
„Du sollst verschwinden!“
„Aber warum denn? Möchtest du dich nicht daran erinnern dass dein Meister durch deine Hand gestorben ist? Warum verdrängst du die Erinnerung an die Panik die du bekamst als der Zauber ausser Kontrolle geriet? Warum sträubst du dich dagegen das Gefühl noch ein mal zu durchleben das du hattest als die Kugel deinen Meister traf? Erinnerst du dich noch daran wie er geschrieen hat?“
“Das... Das... Das ist nicht wahr.“
„Hahahahahahahahaha, du weißt genau so gut wie ich das ich die Wahrheit sage. Komm, verdräng es nicht weiter, erinner dich.“
„Warum tust du mir das an?“
„Warum wohl? Weil ich dazu da bin! Aber kommen wir mal weg von diesem Tag, mal zu etwas anderem. Dieser Ayden... Du magst ihn, oder?“
„Ja.“
„Wenn ich dir einen Rat geben darf: Vergiss ihn, du weißt genau so gut wie ich dass du ihn eines Tages töten würdest, absichtlich oder unabsichtlich. Du bist nicht gut für ihn. Du bist sozusagen Gift.“
„Hör auf!“
„Aber warum denn? Ich spreche doch nur die Gedanken aus die dich die ganze Zeit plagen. Ich bin ein Teil von dir, hast du das schon vergessen? Ich kann deine Gedanken lesen, weil es zum Teil sogar MEINE Gedanken sind. Du fürchtest deine Macht, und du fürchtest um ihn. Gestern Morgen hast du ihn sogar verletzt als er dich aufwecken wollte. Und jetzt stell dir vor was passiert wenn du schlecht träumst!“
“Du sollst endlich aufhören!“
„Gut, ich bin schon still, dann verdräng es eben. Aber lass es dir gesagt sein: Wenn du ihn dann zu seinen Ahnen geschickt hast erzähl mir nicht ich hätte dich nicht gewarnt.“
„Wenn das die Bedingung ist damit du aufhörst, akzeptier ich es.“
„Okay, abgemacht. Ach ja, da ist noch eine Kleinigkeit. Was ist das erste in deinem Leben woran du dich erinnern kannst?“
„Worauf willst du hinaus?“
„Ach Kind, hat man dir nicht beigebracht dass mein eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantwortet? Los, komm, beantworte meine Frage!“
“Ehm... Ich... bin in einem Zimmer aufgewacht. Das Zimmer... es war in der Magierschule.“
„Ist das wirklich das erste woran du dich erinnern kannst? Kind, du warst vierzehn, was ist mit der ganzen Zeit davor?“
„Ich kann mich an nichts erinnern was vorher war.“
„Aber ich weiß was vorher gewesen ist. Möchtest du es wissen?“
„Ja.“
„Gut, dann erzähle ich es dir. Weißt du warum du dich an nichts erinnern kannst? Du kannst dich an nichts erinnern weil du deine Adoptiveltern getötet hast! Ja, du hast mich richtig verstanden, du hast deine Eltern getötet. Deine wahren Eltern hast du nie gekannt, und nicht ein mal ich weiß was mit ihnen geschehen ist, aber wenn mit allen die du liebst dasselbe passiert dürften sie jetzt etwa zwei Meter tief unter der Erde sein. Natürlich auch durch deine Hand.“
“Du.. Du lügst!“
“Unterbrich mich nicht! Wage es nicht noch ein mal mich zu unterbrechen! DU wolltest wissen was passiert ist, nicht ich. Okay, wo war ich stehen geblieben? Achja, deine Adoptiveltern. Als du herausgefunden hast dass sie nicht deine richtigen Eltern sind bist du in Wut geraten. Und wie das nun mal so ist wenn du in Wut gerätst hast du deinen ersten, unbewussten Zauber getan. Du hast eine Entladung gezaubert die deine Eltern auf der Stelle getötet und dich verletzt hat. Durch deine Verletzung erinnerst du dich an nichts mehr, aber wie sage ich die ganze Zeit: Ich bin ja dafür da um dir deine Erinnerung zurück zu bringen... Was ist los? Hat es dir die Sprache verschlagen? Oder glaubst du mir nicht?“
„Du lügst. Verschwinde.“
„Du glaubst mir also nicht?“
„Verschwinde!!!“
„Aber was ist denn?“


„VERSCHWINDE,“ schrie Lilly aus voller Kehle und den Tränen nah, „VERSCHWINDE UND KOMM NIE WIEDER!“
Sie sprang auf, und ohne es zu beabsichtigen zog sich der Himmel in Bruchteilen von Sekunden zu. Kleinere Blitze zuckten zwischen den Wolken hin und her, und ein gewaltiger Blitz zuckte aus ihnen Richtung Erde. Er schlug genau in einen der Bäume am Waldrand ein, der auch sofort Feuer fing. Und zu allem Überfluss war es auch noch der Baum unter dem Norolind gerade den Schlaf der Gerechten schlief, was ihn dann auch dazu veranlasste mit einem Schrei der Überraschung aufzuspringen und sich hastig von dem Baum zu entfernen. Auch der Rest der Gruppe wurde etwas unsanft aus ihrem Schlaf gerissen und starrte schlaftrunken auf den brennenden Baum.
Als Lilly bemerkte das sie wieder in der Realität angekommen war verzogen sich die Wolken so schnell wie sie gekommen waren, und zurück blieben eine sternenklare, dunkle Nacht sowie ein brennender Baum, der der Szenerie einen gespenstischen Schatten verlieh.
Saphir schaltete schneller als alle anderen, ging einen kurzen Moment in sich, murmelte einige Zauberformeln und schoss dann einen Eisstrahl aus ihren Händen, der den brennenden Baum löschte und tiefgefror.
Wie zur Salzsäule erstarrt stand Lilly da, unfähig sich zu rühren, und mit den Gedanken immer noch bei der häßlichen, kalten Stimme die behauptet hatte ihre eigene zu sein. Hatte die Stimme recht? Nein, unmöglich, das konnte nie passiert sein. Und wenn es passiert wäre würde sie sich dran erinnern. Doch irgendwie klangen ihre kalten, zynischen Erzählungen sehr plausibel, obwohl sie eigentlich nicht möglich waren.
Gedämpft drangen von draußen Stimmen an ihr Ohr.
„Was in aller Welt war das denn?“ fragte eine der Stimmen.
„Ich weiß es nicht, aber ich würde mal die Magierin fragen, bei Blitzen und Gewittern ist sie bestimmt nicht ganz unschuldig,“ entgegnete eine andere.
„He, ihr da! Was war das gerade?“ rief die erste Stimme Lilly zu, doch sie war unfähig zu reagieren.
„He, ich rede mit euch!“ Unsanft rüttelte einer der Söldner an Lillys Schulter und holte sie aus ihrer Starre in die Welt zurück.
„Ich... es tut mir... das wollte ich...“ stammelte Lilly und merkte wie ihre Beine nachgeben. Sie brach weinend zusammen.
„Das hat uns gerade noch gefehlt,“ murmelte eine weitere Stimme, „lasst uns zusehen dass wir sie wieder auf die Beine bekommen und weitermarschieren. Wir können uns keine weiteren Verzögerungen leisten.“
 
Saraina

Kurz nachdem sie den Zwerg, dessen Namen sie in dem kurzen Gespräch nicht erfahren konnte, aus den Augen verloren hatte, war wie aus dem Nichts eine neue Gruppe von Kämpfern aufgetaucht. Saraina fühlte einen Sprung im Herzen, als sie die Soldaten als Stadtwachen aus Dor Gulin erkannte. Einige hatte sie gewiss auch schon gesehen, als sie noch in der Nähe von Dor Gulin gelebt hatte und in die Stadt auf den Markt gegangen war. Zumindest waren die Wölfe mit deren Hilfe rasch besiegt, und mit dem Verklingen des Kampfeslärms ließ auch die Anspannung in Saraina langsam nach. Sie richtete sich auf ihren Stab stützend ganz auf und blickte sich um. Viele Kämpfer kauerten auf dem Boden und verbanden sich ihre Wunden, und auch von den Dorfbewohnern um sie herum waren etliche mit tiefen Bisswunden übersät. Doch soweit sie erkennen konnte, musste niemand einen weiteren Todesfall im Familienkreis bedauern. Da waren sie wohl noch mal glimpflich weggekommen. Oder war das nur eine Verzögerung auf dem Weg in den Tod? Sie seufzte. So durfte sie nicht denken. Auch wenn sie ihren Mann verloren hatte, so besaß sie doch noch ihre Kinder. Halina und Diazon ging es wohl den Umständen entsprechend gut. Sie klammerten zwar an ihrem Kleid, waren aber ansonsten ziemlich ruhig und musterten mit ängstlichen und erschöpften Blicken die Umgebung und die Neuankömmlinge. Saraina streichelte ihnen liebevoll über die Köpfe. Und da war auch noch Lasubin, ihr Schwager.
Als sie einen Blick zu ihm warf, runzelte sie die Stirn. Was hielt er denn im Arm? Bei nochmaligem Hinschauen entpuppte sich der Gegenstand als Wasserkrug. „Was hast du denn damit vor?“, fragte ihn Saraina, zum Wagen tretend. Lasubin grinste sie schief an. „Nun, als der Wolf angriff und sich vor Halina aufgebaut hat, warst du ja kurz abgelenkt. Ich wollte die Bestie irgendwie vertreiben. Aber das einzige, was ich hier auf dem Wagen auf die Schnelle zum Werfen fand, war dieser Krug. Nur, als ich Schwung holen wollte, warst du schon heran und hast das Tier abgemurkst.“ Ein kleines Lächeln breitete sich bei diesen Worten auf Sarainas Gesicht aus, und dankbar drückte sie Lasubins Hand. „Danke, dass du ein Auge auf sie hattest. Ich werde mal für euch einen Tee kochen. Ich hoffe, dass wir so schnell nicht weiterziehen werden.“ Mit beiden Händen ergriff sie den Krug und hob ihn mit einem Ruck hoch. „Wieso ist der denn leer?“, wunderte sie sich, den Schwung mit einem Rückwärtsschritt abfangend. „Naja, gefüllt war er mir zu schwer zum Werfen. Hab ihn deshalb ausgekippt.“ Saraina blickte nach unten. In der Tat, auf dem Boden stand eine kleine Pfütze, und der Schlamm quoll unter ihren Füßen empor. „Na gut, wir haben ja noch einen zweiten Krug“, murmelte sie. Allerdings würde der nicht lange reichen, und sie würden wohl demnächst die Wasserkrüge auffüllen müssen.

Sie holte aus ihren Vorräten Teeblätter und einen Topf hervor und gesellte sich dann zu den junge Männern an dem Feuer, von dem sie vorhin den brennenden Ast geholt hatte. Einer der drei hatte wohl dieselbe Idee, und zusammen bereiteten sie den Tee zu. Die erste Runde ging an ihre Familie und die drei Männer, und danach machten sie nochmals Wasser heiß, um auch andere Kämpfer und Dorfbewohner zu versorgen. Einer der drei jungen Männer, der in dem braunen Umhang und dem blassen, erschöpften Gesicht, erstaunte sie, als er aus einem dicken Buch ein paar dicke, haarige Blätter hervorholte und in seinen Teebecher stopfte. Was sollte das denn? Er verzog das Gesicht, als er an dem Tee nippte, doch seltsamerweise schien er danach wacher und konzentrierter zu sein. Naja, jeder musste selber wissen, was gut für einen war, und so ein Magier, der er zu sein schien, erst recht.

Als Saraina ihren Blick über die Lichtung schweifen ließ, fiel ihr der Zwerg von vorhin auf, der mit geschlossenen Augen an einem Baum gelehnt saß. Ob es ihm gut ging? Wie könnte sie mit ihm ins Gespräch kommen? Aus einem plötzlichen Impuls heraus beugte sie sich zu ihrer Tochter und flüsterte ihr zu: „Halina, erinnerst du dich an den Zwerg, mit dem ich vorhin gesprochen habe? Würdest du so lieb sein und ihm den Becher Tee bringen? Er sitzt dort vorne an dem Baum. Ich glaube, er würde sich bestimmt darüber freuen.“ „Was soll ich denn zu ihm sagen?“, fragte Halina sie unsicher. „Einfach nur, dass er, wenn er möchte, zu uns ans Feuer kommen kann. Du schaffst das schon, das weiß ich.“ Saraina drückte ihre Tochter kurz an sich und beobachtete dann, wie Halina den Tee überreichte. Auf den Blick des Zwerges hin nickte sie und machte eine einladende Handbewegung. Erleichtert atmete sie aus, als er sich erhob, langsam zu ihnen kam und sich etwas abseits ans Feuer setzte.
Sie nippten für eine Weile schweigend an ihren Getränken, bis Saraina die Geduld verlor und für sich entschied, das erste Wort zu sprechen. Sie war sich nicht ganz sicher, ob das die richtige Wahl war. Zwar hatte sie während der Hochsaison zeitweise im Gasthaus ausgeholfen und so verschiedene Rassen kennengelernt, doch so wirklich viel Erfahrung hatte sie mit Zwergen nicht. „Mein Name ist Saraina. Dies hier sind meine Kinder Halina und Diazon.“ Sie hatte sich entschlossen, Diazon nur noch als ihr eigenes Kind auszugeben. Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass er seine wahren Eltern jemals wiedersehen würde. Sie schluckte, als sie den nächsten Satz begann: „Mein Mann ist bei dem Angriff der Dämonen umgekommen. Sein Bruder – mein Schwager – liegt dort auf dem Wagen.“ Sie wurde kurz unterbrochen, als einer der Dorfbewohner um einen brennenden Ast bat, um selbst ein Feuer zu entzünden. „Ich hatte zusammen mit meinem Ehemann ein kleines Geschäft für Lederwaren in Larthe. Daher verstehe ich auch ein klein wenig von dem Umgang mit Kleidung und Rüstungen aus Leder und deren Reparatur. Jetzt bin ich hier in diesem unheimlichen Wald, wir konnten gerade mit Mühe und Not dem Tod durch die Wölfe entgehen, und noch immer scheint eine dunkle Wolke über uns zu schweben. Hoffentlich schaffen wir es bis Dor Gulin.“ Sie starrte ins flackernde Feuer, den Becher mit beiden Händen haltend, mit düsteren Gedanken im Kopf, als der Zwerg zu erzählen anfing.
 
Ein lautes Donnern riss Norolind plötzlich aus seinem Schlaf. Blitzartig und mit einem kurzen Angstschrei sprang er auf. Vor Schreck fast in der Luft stehend und mit einer hand am Säbel drehte er sich um und erschrak ein zweites Mal. Der Baum unter dem er eben noch seelenruhig geschlafen hatte stand plötzlich lichterloh in Flammen. Rauf und runter rollte der Schock in seinem Körper, was zur Folge hatte das Norolind wie von der Spinne gebissen auf und ab sprang. Als er sich nach einer Weile endlich wieder unter Kontrolle hatte schnappte er sich schnell seinen, jetzt leicht angekokelten Beutel und entfernte sich vom Gefahrenherd.

"Was zum...!?! Wie um alles in der Welt kann nur so schnell ein Gewitter aufziehen...?" Stammelte er und überlegte kurz das er jetzt genau so gut tot sein könnte wenn der Blitz nur ein klein Wenig anders eingeschlagen wäre. "Das... Das war verflucht knapp!" Sagte er leise und versuchte sich wieder zu beruhigen. Doch genau in diesem Moment erschrak er erneut als ein Eisstrahl in den Baum einschlug. Mit einem kurzen Aufschrei fuhr Norolind herum und zog ruckartig sein Säbel als er erkannte, das Saphir dieses Projektil abgeschossen hatte.

Langsam und mit leicht zitternder Hand steckte er sein Säbel wieder weg. Anscheinend hatte dieses Ereignis seine Nerven ein Wenig überstrapaziert. Norolind warf noch einen Blick zu dem eben noch brennenden Baum herüber der jetzt voll und ganz mit blinkendem Eis überzogen war, als er einige Satzfragmente aufschnappte.

"...aller Welt war das denn?" Norolind drehte sich zur Geräuschquelle um und erblickte die Soldnertruppe die Teils staunend und verwundert drein starrend und teils diskutierend in einer Gruppe zusammenstand. „Ich weiß es nicht, aber ich würde mal die Magierin fragen, bei Blitzen und Gewittern ist sie bestimmt nicht ganz unschuldig.“ Hörte er einen der Söldner sagen. Ein weiterer ging derweil mit leicht zorniger Mine auf Lilly zu, die wie angewurzelt dastand. „He, ihr da! Was war das gerade?“ Rief er ihr zu. Sie zeigte keine Reaktion. Grob packte der Söldner sie an ihrer Schulter und begann sie zu rütteln. "He ich rede mit euch!" Donnerte die rauhe Stimme. Norolinds merkte wie sich seine Hand langsam zu seiner Waffe bewegte, als die Magierin aus der Trance erwachte. Sie brachte ein Paar abgehackte Worte heraus und sank tränenüberströmt in sich zusammen.

Teils verdutzt, teils ein wenig genervt schienen sich die Söldner untereinander zu beraten. Als sie sich wieder zu der jungen Frau wandten, erkannte Norolind das die Zeit war zu handeln. Mit festem Schritt und der hand an seinem Säbel ging er auf die Gruppe zu. "Ihr werdet sie nicht anrühren! Derjenige der es wagt auch nur einen Schritt zu tun, werde ich beibringen was Schmerzen sind.." Zischte Norolind als er sich zwischen die Söldner und die immernoch laut schluchzende Lilly stellte. "..es mag vielleicht sein das ihr im Kampf geübt seid. Dennoch seid ihr eine Bedrohung für die gesamte Gruppe..ich traue keinem Einzigen von euch weiter als ich euch vor die Füße spucken kann. Und nun geht mir aus den Augen.." Sagte er mit Zorn in der Stimme.

"Du scheinst nicht viel Gefallen am Leben zu finden Bursche. Sonst würdest du dich aus dem Staub machen anstatt große Töne zu spucken. Du hast Glück das wir im Moment jeden brauchen, der Fähig ist eine Waffe zu halten..selbst solch Streunergesindel wie dich. Aber sobald wir unsere Aufgabe erfüllt haben... gib lieber Acht wem du den Rücken zudrehst.." Brummte einer der Männer. Norolind sah ihn nur ein weiteres Mal verächtlich an und wandte sich dann Lilly zu. Vorsichtig richtete er sie auf und brachte sie langsam von der Gruppe weg.

"Ich sagte euch ja das ihr euch vor ihnen in Acht nehmen solltet. Sie sind wie Wölfe." Sagte Norolind leise zu ihr. "Wir sollten uns langsam für den Aufbruch rüsten. Je eher desto besser.."
 
Unsanft schreckte Gotrek auf und schaute sich um. „Ich muss wohl eingenickt sein“, schalt er sich. Da erblickte er plötzlich ein kleines Mädchen vor sich, welchem das Erschrecken vor seiner grimmigen Miene ins Gesicht geschrieben stand. Sofort machte er ein freundlicheres Gesicht und lächelte. Die Kleine überwand sich, bot ihm einen Becher Tee an und lud ihn ein, sich zu ihrer Mutter ans Feuer zu setzen.
Er schaute hinüber und erblickte die Frau, die ihm heute schon einmal geholfen hatte. Dankbar nahm er das Angebot an, stapfte zur wohligen Wärme des Feuers und liess sich nieder.
Nach einer Weile unsicheren Schweigens brach die Frau die Stille und fing an zu sprechen: „Mein Name ist Saraina. Dies hier sind meine Kinder Halina und Diazon.“ Mein Mann ist bei dem Angriff der Dämonen umgekommen. Sein Bruder – mein Schwager – liegt dort auf dem Wagen.“ Sie wurde kurz unterbrochen, als einer der Dorfbewohner um einen brennenden Ast bat, um selbst ein Feuer zu entzünden. „Ich hatte zusammen mit meinem Ehemann ein kleines Geschäft für Lederwaren in Larthe. Daher verstehe ich auch ein klein wenig von dem Umgang mit Kleidung und Rüstungen aus Leder und deren Reparatur. Jetzt bin ich hier in diesem unheimlichen Wald, wir konnten gerade mit Mühe und Not dem Tod durch die Wölfe entgehen, und noch immer scheint eine dunkle Wolke über uns zu schweben. Hoffentlich schaffen wir es bis Dor Gulin.“
Sie stockte und schwieg, doch ihre Warmherzigkeit und Offenheit hatte etwas tief innen in Gotreks Seele geweckt, was er schon seit langer Zeit verloren hatte. Aus einem Gefühl heraus begann er Erinnerungen hervorzurufen, die er vor langer Zeit in die Dunkelheit verbannt hatte.
„Ich war nicht immer ein einsamer Wanderer in den Ländern der Menschen. Vor langer Zeit, als die Menschen erst gerade begannen, die Welt zu entdecken, lebte ich in der grossen Zwergenfestung von Karak Tzorn, deren Standort vor vielen Jahren vergessen wurde. Die Zwergen waren schon immer ein zerstreutes Volk gewesen, und der Kontakt zu anderen Wehrstädten nicht immer einfach. Damals, in einer Zeit, die den Menschen nur als düstere Überlieferung bekannt ist, wurde unser Imperium und dieses ganze Land von Dämonen überrannt. Die Zwerge und Elfen kämpften einen verzweifelten Kampf, und vieles ging verloren.“
Obwohl er es vergessen geglaubt hatte, stiegen die Bilder in bestechender Klarheit vor seinem inneren Auge empor und liessen ihn erzittern.
„Unsere Stadt, weit oben im Norden, war eines der ersten Opfer in diesem schrecklichen Krieg. Obwohl ich noch sehr jung war, erinnere ich mich noch an jene Stunden. Wochenlang schickten wir Dämonen zurück in den Abgrund, aus dem sie emporgestiegen waren, mehr und immer mehr. Als die meisten unserer tapferen Krieger gefallen waren, gab der Rest die Festung preis und suchte Zuflucht bei unseren Brüdern. Auf der Flucht wurde meine Gruppe überfallen und nach einem harten Schlag brach ich bewusstlos zusammen.
Eine Gruppe Menschenkrieger fand mich per Zufall und rettete mein Leben. So ziehe ich nun durch das Land und helfe den Leuten gegen Unheil aller Art..."
Er brach ab. Die Dämmerung war mittlerweile vollständig in Dunkelheit übergegangen und Gotrek versank in tiefen Gedanken. Die Ankunft neuer Dämonenhorden hatte die Furcht in ihm geweckt, dass sich der Sturm erneut zusammenbraute, alles verschlingend und vernichtend.
 
Saphir

Saphir war gerade am einschlafen, während Sungila neben ihr Wache hielt, als sie plötzlich von einem Schrei gestört wurde.

„VERSCHWINDE … VERSCHWINDE, UND KOMM NIE WIEDER“

Sofort war sie auf den Beinen, in ihrem Kopf mehrere Formeln für diverse Zaubersprüche zurecht legend. Sie sah zu Sungila, der allerdings ruhig an seiner Pfeife sog. Woher kam er ihr nur so dermaßen bekannt vor?
Doch der Magierin blieb keine Zeit zum nachdenken. Ein Blitz zuckte aus dem Himmel und schlug direkt in einen nahen Baum ein, der sofort Feuer fing. Ein Schrei erscholl. Es war Norolinds Stimme und sie kam von dem Baum der brannte. Die Stimme eines Freundes…
Sofort reagierte sie und sprach eine kurze Formel in der Elfensprache. Ein Strahl magischen Eises schoss auf den Brandherd zu und verwandelte den gesamten Baum in einen Eisblock.

Die Elfin stellte sich kurz ruhig hin und versuchte das Gleichgewicht zu halten, da ihr von der geistigen Kraftanstrengung etwas schwindelig wurde. Dann stemmte sie die linke Hand in die Hüfte, und fädelte ihre Haare mit der Rechten wieder hinter ihre Schultern, wofür sie beim Aufstehen keine Zeit gehabt hatte. Sie versuchte, ihre Lage zu überbrücken. Gerade hörte sie, wie jemand mit rauher Stimme sagte:

„Gib lieber Acht, wem du den Rücken zu drehst.“

Jemand sprach zu Norolind, der sich schützend vor einer weinenden Menschin aufgebaut hatte. Wie konnte dieser Barbar so mit einem anderen Elfen sprechen? Gut, Norolind war ein Halbelf, noch dazu ein Dunkelelf, aber er war in gewisser Weise ihr Freund, und sie war ihm etwas schuldig. Ausserdem stieg ihr Zorn über diese haarigen Barbaren von Tag zu Tag an. Sungila warnte sie zwar immer davor, sich mit ihnen anzulegen, aber irgendwann war das Maß voll. Sie schritt entschlossenen Schrittes auf Norolind zu, wobei sie im vorbeigehen dem Sprecher von vorhin noch etwas zu zischte.

„Passt ihr lieber auf, wohin ihr EUREN Rücken dreht, Mensch! Sonst könnte sich leicht ein Messer dort hin verirren…“

Als sie Norolind und der Frau, die sie mittlerweile als Lilly, die Magierin erkannt hatte, erreichte, zögerte sie kurz. Durfte sie sich hier einmischen? Vernünftig wäre es, doch war das vernünftigste nicht immer das Beste…
Saphir verlangsamte ihre Schritte und setzte sich in einiger Entfernung zu allen anderen auf den Boden.


Sungila

Sungila saß da und rauchte. Er musste nachdenken. Saphir… konnte es sein, dass es die selbe Saphir war, die ihm vor Jahren das Leben gerettet hatte? Er war damals noch so jung gewesen…

Wie schnell altern Elfen eigentlich? Und ist Saphir ein typisch Elfischer Name, oder nicht? Wenn ich mich nur erinnern könnte, ob die Elfe damals ebenfalls verschiedenfarbige Augen hatte…

Doch seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Lilly, die Magierin begann von weiter weg her zu schreien. Er hatte sich mit Saphir, wie schon öfters, abseits vom Lagerfeuer platziert. Saphir kam einfach nicht gut mit anderen Menschen aus. Wie die meisten Elfen hielt sie die schwer gerüsteten Söldner dort für Barbaren und betitelte sie mit allerlei exotischen ‚Schmeicheleien’.
Er bemerkte gerade, dass er wieder zum falschen Zeitpunkt in Gedanken versunken war und nicht mehr auftauchen konnte, als ein Blitz in einen der Bäume schlug. Er hörte einen Schrei, der kaum in der Nacht verblasst war, als auch schon ein eisiger Strahl an ihm vorbei zischte und den Baum in magisches Eis hüllte. Einer der Söldner diskutierte in gefährlichem Ton mit Norolind, dem Halbdrow, was bedeutete…

Verdammt! Wo ist Saphir?

Doch die Elfenmagierin war schon an ihm vorbei, und in Richtung der Männer gelaufen. Er ging raschen Schrittes auf sie zu, doch glücklicherweise war Saphir an den Anderen vorbei gegangen. Er beschloss ihr trotzdem zu folgen.

Wer weiss, was sie sonst wieder tut. Unvorhersehbares Biest. Hoffentlich beschließt sie nicht, noch so einen Eisstrahl in die Menge zu jagen.´

Doch Saphir blieb stehen und setzte sich insGras. Etwas ziemlich übernatürliches haftete ihr an, als sie vor dem vereisten Baum saß, und ihre Haare im kühlen Nachtwind wehten...
 
Maelnar

Es war Maelnar ganz recht, dass die Gruppe anscheinend einen längeren Aufenthalt auf der Lichtung vorhatte. Er hatte eines seiner Bücher hervorgeholt und sich in dem Kapitel über Dämonenkunde festgelesen, wollte er doch etwas besser gegen mögliche neue Angriffe vorbereitet sein. Allerdings fiel ihm das Studium der verschlungenen Schriftzeichen und Symbole ziemlich schwer, da ihm trotz des kurzen Schlafes von vorhin ständig die Augen zufielen. Außerdem fühlte sich sein Kopf noch immer irgendwie wattig an, und seine Zauberkraft kehrte nur sehr langsam zurück. Leider würde der Manatrank noch eine Weile brauchen, bis er fertig wäre.

Er schreckte zusammen, als er vor sich eine Stimme vernahm. Aufblickend erkannte er die Dorfbewohnerin, die vorhin während des Kampfes einen brennenden Ast aus dem Feuer genommen. Hatte sie ihn tatsächlich gefragt, ob er einen Becher Tee wollte?! Ob er dafür bezahlen musste? Egal, das heiße Getränk würde ihm gut tun. Er gab seinen Becher hin und suchte dann etwas Geld zusammen. Doch als er ihr ein paar Kupfermünzen in Tausch für das Getränk anbieten wollte, hatte sie sich schon wieder zum Feuer umgedreht. Na schön, dann hatte sie jetzt etwas gut bei ihm.

Maelnar nippte an dem heißen, belebenden Getränk und blätterte weiter in dem Wälzer. Dabei fiel ihm eines der Blätter heraus, die er zum Trocknen zwischen die Seiten gelegt hatte. Einer plötzlichen Eingebung folgend, legte dieses und ein weiteres Blatt in den Tee und ließ ihn für einige Augenblicke ziehen. Als er wieder an der Flüssigkeit kostete, hätte er den Schluck beinahe wieder ausgespuckt, so bitter war das Getränk geworden. Er zwang sich, den Becher zu leeren, obwohl sich bei jedem Schluck seine Kehle zusammenzog. Dafür schien es zu wirken, denn er konnte direkt spüren, wie seine Geisteskraft und Konzentration wiederkehrten. Ein paar Stunden Schlaf wären natürlich nicht zu verachten, aber wenigstens würde er wieder ohne Probleme Sprüche wirken können.
Sogleich wandte er den kürzlich erlernten Heilspruch an seiner Wunde an und erhob sich dann langsam. Vorsichtig reckte er sich und bewegte seine tauben Gliedmaßen, erstaunt, wie leicht dies ging. ‚Zumindest physisch bin ich wohl aus dem Tief heraus’, ging es Maelnar durch den Kopf. ‚Fragt sich nur, ob ich auch irgendwann diese Alpträume überwinden kann.’ Er schauderte bei der Erinnerung an den kürzlich besiegten Overlord und schüttelte gleich darauf den Kopf. Bloß nicht dran denken.

Er lenkte seine Schritte zum Anfang des Zuges, um mit einem der Anführer zu sprechen und sich als Wache einteilen zu lassen. Doch als er sah, dass sowohl der Ritter als auch der Anführer der Söldnertruppe in Gespräche verwickelt waren, fasste er den Entschluss, einen kurzen Abstecher in den Wald zu machen. Vielleicht konnte er etwas in Erfahrung bringen, was die Furcht der Dorfbewohner vor diesem angeblich verhexten Wald widerlegen oder vielleicht doch untermauern würde.
Direkt am Rande der Lichtung begann beinahe undurchdringliches Dickicht, und Maelnar musste ein paar Augenblicke suchen, bis er einen Wildpfad in den Wald fand. Er nahm seinen Mini-Erdgolem, der sich im Gebüsch regeneriert hatte, an die mentale Leine und folgte der Spur. Rasch wurden die Geräusche der Karawane geringer, wie von den Blättermassen verschluckt. Weit über ihm wiegten sich die Baumwipfel im Wind, und die verschieden hohen Bäume und Büsche ließen nur einen kleinen Teil des Lichtes hindurch, so dass der Waldboden im schummrigen Dämmer lag. Maelnar runzelte die Stirn. Kein Wunder, dass der Wald als verwunschen galt, so düster wie es hier war.
In Gedanken versunken lief er weiter, die überhängenden Zweige beiseite schiebend. Als er nach einiger Zeit wieder aufblickte, schien es ihm, als wenn es weiter vorne heller werden würde. Vorsichtig schlich er sich an den Rand der kleinen, vor ihm liegenden Lichtung an, eingedenk der Erfahrung, die er bei seiner Ankunft vor den Toren von Larthe gemacht hatte. Doch diese Wiese war leer, abgesehen von einer alten Eiche mit einem Seil an einem der unteren Äste. War das nicht ein Mensch, der da an dem Strick baumelte? Wer machte denn so was, tief im Wald jemanden zu erhängen? Moment, hatte sich die Person nicht eben bewegt?! Eiskalt überlief es Maelnar bei dem Gedanken, dass der Erhängte noch leben könnte. Alle Vorsicht außer Acht lassend, stürmte er auf den Baum zu und zückte sein Messer. Mit hastigen Bewegungen säbelte er an dem Strick, fluchend, dass dieser so dick und stabil war. Schließlich faserte der Rest auseinander und ließ den Menschen nach unten stürzen, so dass Maelnar Mühe hatte ihn aufzufangen. Der Gerettete krümmte sich in seinen Armen, fiel auf die Knie und schnappte hörbar keuchend nach Luft. „Das war wohl Rettung in letzter Minute“, meinte Maelnar erleichtert, sein Gegenüber musternd. Ein erschöpftes, eingefallenes Gesicht mit vielen dunklen Bartstoppeln wandte sich ihm jetzt zu. Der kräftig gebaute junge Mann trug seine schwarzen Haare zusammengebunden und war in ein langes Ledergewand gekleidet. „Was ist passiert? Wer wollte Euch richten, und warum?“

Doch statt einer Antwort kam ein Knurren aus der Kehle seines Gegenübers, und mit einer Geschwindigkeit, die er ihm direkt nach der Rettung nicht zugetraut hätte, stürzte sich der Mann auf Maelnar. „He, was soll das? Hört auf!“, rief Maelnar, den Schlägen und Tritten ausweichend und sie blockend. Schritt für Schritt wich er über die Lichtung zurück. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sein Golem unschlüssig mal ihn, mal den Unbekannten ansah, als müsse er sich entscheiden, ob die Bedrohung groß genug zum Eingreifen war. Maelnar musste bei dem Anblick grinsen und fing sich im selben Moment einen Treffer ein, der ihn ins nächste Gebüsch warf. Rasch rappelte er sich auf, wich dem nächsten Schlag aus und rannte ein paar Schritte zurück. „Was ist nur in Euch gefahren? Ich will Euch doch nur helfen!“
 
Ainu hatte sich am Rande des Lagers an einen breiten Baum gelehnt. Viele Tode hätten gezeigt, dass das am sichersten sei, hatten ihn die anderen belehrt. Die Sicherheit in der Mitte der Gruppe sei nur trügerisch, denn von dort könne man schlecht fliehen und außerdem wusste man nie, wer bald ein Feind sein würde und wer ein Freund, vieles erforderte blitzschnelle Seitenwechsel. Und in der Gruppe, die er nun von seiner Position aus betrachtete, gab es viele bei denen nicht klar war, wie weit sie auf einer der beiden Seiten standen. Und so konnte es sicherlich nicht schaden, sich die Option zur Flucht offen zu halten, das sah er ein.
Doch der Paladin, wie er von den Meisten genannt wurde, und das obwohl er mit Sicherheit keiner mehr war, nach dem was die anderen ihm berichtet hatten und nach dem wie er aussah, faszinierte ihn. Viele hofften, dass er ihn würde auf ihre Seite ziehen können, denn ein Held war er zweifelsohne. Ein Held ohne gleichen, zumindest von ihrem Standpunkt aus...
Der Besagte saß ebenfalls eher am Rand der Gruppe. Jedenfalls soweit er es erreichen konnte. Denn er konnte sich anscheinend der Bedrängung durch einige Personen nicht entziehen.
Aber Fenja und einige andere drängten ihn schon eine ganze Weile, ihn anzusprechen. Und allmählich musste er es wohl tun, er wollte in dieser Nacht auch noch ein paar Minuten schlafen, denn der Kampf war anstrengend gewesen, auch wenn er nur wenig eingegriffen hatte. Aber trotz allem war er schon neugierig, wie der Paladin reagieren würde, was die anderen natürlich gemerkt hatten und worüber Iaiain nun fortwährend witzelte. Also wartete er, bis der Paladin die anderen zumindest notdürftig abgewimmelt hatte und sich wohl auf seine Ruhe freute und ging auf ihn zu, wobei er das halbe Lager durchqueren musste. Was ihm genug Zeit gab, seine genaue Ankunft so abzustimmen, dass er in einem Moment bei seiner Zielperson ankam, als diese grade alleine stand.

„Ich kenne zwar nicht einmal Euren Namen, aber ich weiß mehr über Euch, als Ihr Euch vielleicht vorstellen könnt.“, sprach er so leise, dass es außer dem Paladin niemand hören könnte, und noch bevor der Paladin reagieren könnte, fügte er hinzu: „Ihr mögt es zwar nicht glauben, aber für uns ist das, was ihr getan habt, eine der größten Heldentaten die je vollbracht wurden. Und einer meiner Brüder im Geiste möchte Euch seinen Tod nicht nur vergeben, sondern Euch noch dafür danken, denn Eure Taten waren dieses Opfer definitiv wert.“

Der Ritter starrte den jungen Mann für ein paar Sekunden sprachlos an. Hatte dieser tatsächlich eben gesagt, was er glaubte, gehört zu haben? Konnte er das überhaupt gesagt haben? Und woher wusste er...?
Moment. Er hatte bestimmt etwas anderes gemeint. Niemand bedankte sich für den Tod von Hunderten. Besonders nicht für einen solchen Tod. Und wie zum Teufel konnte man jemandem auch noch für seinen eigenen Tod danken?
„Von welchen ‚Taten’ sprecht Ihr?“, fragte der Ritter langsam, gerade, als das Schweigen begann, unangenehm zu werden.
‚Bitte, sag es nicht’, flehte er Ainu innerlich an. ‚Du kannst dich unmöglich für das Gemetzel von...’

"... Calionne bedanken", beendete Ainu den Satz und sah, wie der Ritter schwer schluckte und sein Gesicht seine Farbe schlagartig auf einen etwas helleren Ton änderte. "Doch genau das tue ich. Aber Gemetzel ist ein höchst subjektiver Ausdruck. Wie viele Schlachten habt Ihr in eurer Zeit als Paladin geschlagen? 5? 10? 50? Wie viele Dämonen und andere, die Ihr für böse hieltet, starben durch Eure Hand oder durch die Eurer Brüder? Waren das keine Gemetzel?"
Ainu redete sich, ob der offensichtlichen Bestürzung des Ritters über seine Taten, die er nicht wirklich verstehen konnte, regelrecht in Rage. Doch seine Stimme wurde trotz allem nicht lauter.
"Waren sie also wirklich so unschuldig, wie Ihr sie in Erinnerung habt? Denn schlussendlich kamen doch alle, die auf diesem Schlachtfeld geblieben waren, nur um für ihren Gott zu töten. Nur um ihren Gott durchzusetzen und das Gleichgewicht der Welt zu ihren Gunsten zu kippen."
Ainu gönnte dem Ritter, der anscheinend immer noch um seine Fassung rang, eine kurze Pause, um das Gesagte zu verdauen.

Besagte Pause begann, sich in die Länge zu ziehen, als der Ritter schließlich mit leiser Stimme antwortete: „Gott hatte uns zu dem Zeitpunkt schon lange verlassen.“ Wenn er überhaupt je bei ihnen gewesen war. Im Nachhinein betrachtet erschien ihm das immer unwahrscheinlicher. „Wir waren nur gekommen, um Zeit zu gewinnen. Die Dämonen hätten so oder so gesiegt, aber die Stadt war noch nicht evakuiert...“
Seine Stimme wurde plötzlich hart. „Aber das wißt Ihr ja schon alles, nicht wahr? Jedenfalls hatte es kein einziger von ihnen verdient, hinterrücks von jemandem aus seinen eigenen Reihen abgeschlachtet zu werden!“ Und wenn sie dadurch nicht so abgelenkt gewesen wären, hätten sie bestimmt bemerkt, wie sich die Nachhut der Dämonen hinter ihnen vorbeigeschlichen hatte. Dann hätten sie ihre Kräfte rechtzeitig teilen und die Bewohner von Calionne retten können. Aber so war alles umsonst gewesen, all die Männer waren für nichts gestorben.
Die normalerweise kühlen blauen Augen des Ritters funkelten vor Haß, doch nicht auf die Dämonen oder gar auf Ainu. Das Gefühl war gänzlich auf ihn selbst gerichtet.

"Nun gut. Der Tod der Bürger von Calionne ist bedauerlich. Aber hätte er wirklich verhindert werden können? Ihr wisst doch genau, dass die Übermacht gegen Euch erdrückend war. Wem hätten die Dämonen sich denn als nächstes zugewandt, nachdem die Schlacht vorbei gewesen wäre? Ihr hättet sie niemals lang genug aufhalten können. Und selbst wenn sie überlebt hätten, wie viele andere Unschuldige hätten die Dämonen auf ihrem Raubzug sonst noch erschlagen? Ihr könnt nichts dafür. Eure Brüder hätten sowieso sterben müssen, und von wem man erschlagen wird, ist letztlich sowieso egal. Und die Dorfbewohner hätten auch sterben müssen. Sie oder andere an ihrer Stelle. Doch Ihr habt eine verloren geglaubte Schlacht gewendet und das alleine.
Und glaubt nicht, Euer Gott hätte Euch verlassen. Er war nur nie wirklich bei Euch, denn alles, was Götter wollen, ist Kontrolle über Menschen, egal mit welchen Mitteln. Euer Gott und der der Dämonen unterscheiden sich nur im Namen und in ihren Methoden.
An diesem Tage als Ihr todgeweiht das Schlachtfeld betratet, wart Ihr alle nur ein Bauernopfer. Denn wir Menschen sind ihnen nicht mehr wert als Schachfiguren.“

Diesen blasphemischen Worten hätte der ehemalige Paladin eigentlich vehement widersprechen müssen, doch er stellte mit nicht geringem Schrecken fest, daß ihn Ainus religiöse Ansichten völlig kalt ließen. Früher hätte er zumindest versucht, seinen Glauben zu verteidigen, aber jetzt beschäftigte ihn mehr, was der junge Mann sonst noch gesagt hatte.
Die reine Wahrheit, nüchtern aus der Sicht eines Unbeteiligten dargelegt (Wie unbeteiligt war natürlich die Frage… gut informiert war der Mann jedenfalls). Seinen Worten konnte er nichts hinzufügen, also beschloß er, die Gelegenheit zu nutzen und das Gesprächsthema von sich abzulenken.
„Da wir gerade von Schachfiguren reden: Welche Rolle spielt Ihr in dem Ganzen? Wie könnt Ihr Euch für den Tod Eures Freundes bedanken, und das auch noch in seinem Namen?“ Die ansonsten makellose Logik seines Gegenübers wies in dieser Hinsicht einen schweren Fehler auf.

"Die Necromanten bewiesen mit ihren Studien schon vor vielen Jahrhunderten, dass der Tod des menschlichen Körpers nicht so endgültig ist, wie viele glauben. Wieso sollte es sich mit dem Geist der Menschen so viel anders verhalten? Schließlich leben wir in einer Welt voller Magie und Götter." Ainu versuchte, diese Frage seines Gegenübers möglichst schnell abzuhandeln. Und noch bevor der Paladin eine Gegenfrage stellen konnte, fuhr er fort. "Meine Verwicklung in diese Sache? Nun, einer meiner Brüder starb in dieser Schlacht. Er war ein Großer Prophet unseres Ordens, deswegen ging ich der Sache nach. Außerdem war diese Schlacht ein großer Sieg für das Gleichgewicht. Es lag uns viel daran, mehr darüber zu erfahren." Und hoffte, dass sich der Ritter mit dieser Antwort zufrieden geben würde.

„Ein Sieg für das Gleichgewicht, hm? Dann besteht wohl der endgültige Triumph Eures vielgeliebten Gleichgewichts darin, daß sowohl Menschen als auch Dämonen völlig ausgerottet werden?“ Die Schärfe in der Stimme des Ritters war kaum zu überhören und er mußte sich beherrschen, um nicht mit einem anklagenden Finger auf Ainu zu deuten. „Ich bezweifle doch sehr, daß das in Eurem Interesse läge... Priester“, fügte er in Ermangelung einer exakteren Bezeichnung hinzu, was das Ganze jedoch nicht weniger nach einer Beschuldigung klingen ließ.
Natürlich konnte der junge Mann nichts für die damaligen Ereignisse, aber der Ritter hatte schon immer Probleme gehabt, die Anhänger Anlinyenwës zu verstehen. Wie konnte Ainu nur einen verdammten Massenmord gutheißen!?
... und hatte er nicht vorhin etwas von Nekromantie erwähnt? Priester beherrschten doch für gewöhnlich selbst ein wenig Magie und da Ainu sowieso schon bescheid wußte... was hatte er schon zu verlieren?
Er räusperte sich. „Übrigens, Ihr habt nicht zufällig eine Ahnung, ob man diesen... Fluch, oder was immer es auch ist, wieder loswerden kann? Oder geht das auch gegen Eure Überzeugung vom Gleichgewicht?“
Großartig. Dieser letzte Kommentar würde bestimmt nur eine weitere unnötige Rede über die Lehren Anlinyenwës provozieren. Aber er konnte sich an niemand anders wenden; der junge Priester war der einzige, der offenbar über alles informiert war und trotzdem nicht sofort das Weite gesucht oder ihn angegriffen hatte.
Noch nicht.

"Im Krieg sterben nun einmal Menschen. Durch den Krieg sterben Menschen. Gäbe es euch verdammte Paladine, und diese Dämonen Horden nicht" Ainu Zeigte dabei mit einer Hand in Richtung Dorf zurück, "müssten auch nicht so viele Menschen sterben, weil ihr euren Gott durchsetzen wollt. Doch ihr scheint ja in euerem Leben keinen andere Sinn zu sehen, als die Welt mit diesem sinnlosen Krieg zu überziehen. Ohne euch hätten eure Götter nicht die Macht dieses Gemetzel zu veranstalten, das sie schon seit Anbeginn eurer Zeitrechnung führen. Wie viele Milliarden unschuldiger sind in diesen zahllosen Kriegen gestorben. Sind verhungert, weil ihr Ihre Felder in einen blutigen Acker verwandeltet. Und dann haltet ihr euch auch noch für moralisch überlegen, weil wir den Tod einiger weniger der Beendigung dieses Krieges unterordnen.
Ihr müsst blind seien wenn ihr glaubt, ihr wäret besser als diese Dämonen. Euer Gott will auch nichts anderes als die totale Kontrolle über die Menschen. Auch wenn er aber nicht kriegen kann. Und das weiß er. Doch ihr versucht trotzdem die Herrschaft zu erlangen, überzieht die Welt für den Größenwahn eures Gottes mit Blut und glaubt auch noch es wäre die Erlösung."
Nun wurde auch Ainu langsam wütend, auch wenn sich seine Stimmlage kaum veränderte und nur in seinen Augen ein leichtes Funkeln zu sehen war, doch das verblasste schnell. Er hatte Angesichts der Situation des Ritters zwar nicht damit gerechnet, dass er immer noch so von Zakarums Ideen besessen war, sie waren noch immer tief in ihm verankert. Doch er hatte sich bei Calionne von seinem früheren Leben reingewaschen, also verzieh er ihm. ... Mochte auch ihn irgendwann doch noch die Erleuchtung widerfahren.
Ainu atmete tief durch und setzte neu an. "Um zu eurem Fluch zu kommen. Wir glauben nicht, dass es ein Fluch ist" noch bevor der Ritter auffahren konnte fuhr er fort. "Und zwar in beiden Bedeutungen die dieses Wort haben kann. Es sieht viel mehr danach aus, als währet ihr nicht nur von eurem Gott besessen, sondern auch von einem Dämon.
Wie in der Mathematik eben. Minus mal Minus ergibt Plus"

Minus mal Minus... seit wann konnte man das Leben in mathematischen Gleichungen berechnen!? Wie zum Teufel konnte nur so ein junger Mann schon so überheblich sein?
Mühsam schluckte der Ritter eine wütende Entgegnung hinunter. Sie hatten schon lange genug diskutiert und Ainu anzuschreien würde auch nichts helfen. Für einen Moment war er versucht, sich einfach abzuwenden und das Gerede seines Gegenübers zu ignorieren (immerhin hatte er das Ganze angefangen), aber der Priester wußte irgendwas. Ob dieses Wissen es wert war, sich noch länger diesen Blödsinn anzuhören, war eine andere Frage.
Na gut, es war dieselbe Frage.
„Ein Dämon? Woher wollt Ihr das so genau wissen?”
Ein Dämon. Er unterdrückte ein Schaudern. Das ergab Sinn, und auch wieder nicht. Wieso übernahm das Ding nicht einfach ständig die Kontrolle? Was bezweckte es überhaupt? Und wie zur Hölle konnte man es wieder loswerden?

"Nun sagen wir, ich kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass es ein Dämon ist. Aber die Wanderung von 'Seelen', oder wie ihr es nennen mögt, gehört sozusagen mit zu meinen Spezialgebieten." Ainu drückte sich, in der Hoffnung, dass der Ritter zu sehr darüber nachdenken würde, dass er von einem Dämon besessen war, bewusst vage aus. "Und da es sich bei Besessenheit nunmal nur um die Wanderung einer fremden 'Seele' in einen Wirtskörper handelt... " Ainu brach ab und setzte neu an. "Was ich sagen will, man sah an jenem Tage deutlich, dass Ihr von irgendetwas besessen wart. Und ich glaube nicht, dass etwas anders als ein Dämon zu solchen Handlungen fähig gewesen wäre.
Viel weiter kann ich euch aber leider nicht helfen. Außer vielleicht noch, dass er ziemlich mächtig gewesen sein muss. Denn die Magie zu nutzen lehnen wir, wie Ihr sicher wisst, ab."

Na toll, dachte der Ritter resigniert. Das half ihm auch nicht viel weiter. Im Grunde genommen wußte er nun genausoviel wie zuvor. Irgendetwas Mächtiges, Magisches und abgrundtief Böses lauerte in ihm und er hatte keine Ahnung, wie und ob er sich davon befreien konnte oder warum es so lange nicht mehr zugeschlagen hatte.
Er starrte den Spezialisten für Seelenwanderungen eine Weile an, bevor er schließlich meinte: „Er ist immer noch ziemlich mächtig. Daher würde ich es bevorzugen, wenn Ihr... darüber schweigen würdet. In Eurem eigenen Interesse. Ein Dämon wird bestimmt nicht tatenlos zusehen, wie mich die Leute hier lynchen“, fügte er unnötigerweise hinzu.

"Auf mein Schweigen könnt ihr euch verlassen. Nur unseren Necromanten solltet ihr vieleicht einmal fragen, ob ihr in seinem Buch blättern dürft. Rhatmas Jünger haben bei der Benutzung von Magie weniger bedenken als wir. " Ainu machte eine kurze Pause beim sprechen, und fügte dann etwas widerwillig hinzu: " Ich hoffe euch geholfen zu haben, doch der Abend schreitet fort und der Tag war anstrengend, also denkt daran, dass vieleicht nicht alle eure Taten schlecht sind, und ihr mit sicherheit für nicht alle etwas könnt." Mit diesem Schlusswort drehte Ainu sich um, noch bevor der Ritter etwas erwidern konnte und machte sich wieder auf den weg zurück zu seinem Platz am Rand der Gruppe.
 
In Anknüpfung an Ratophers Up

Er konnte es nicht fassen. Hatte dieser Necromancer sich gerade erdreistet zu sagen er wollte ihm helfen?! Wie konnte er nur glauben, dass er so blöd war. Er hatte gleich erkannt, dass es ein Necromancer war. Normalerweise müsste er froh darüber sein, dass er gerettet worden war, doch dieser Necro wollte ihn sicher nur kontrollieren. Er konnte es spüren und es machte ihn wütend.
„HELFEN?! IHR wollt MIR helfen?! Was steht da im Gebüsch hm?!“, schrie er anklagend und mit einer furiosen Wut in der Stimme, die seinem eigentlich sonst bleichem Gesicht doch noch etwas Röte entlockte. Er ging langsam auf den Necro zu, doch dieser war nicht mehr so erpicht darauf, mit Murphy auf Spuckweite zu gehen und wich zurück.„ Der Dunghaufen ist ein Golem, nicht wahr?“, sagte er und drückte ein böses Kichern aus seiner Kehle „Das heisst, Ihr seid ein verdammter Necromancer!!!“, schrie er und fuchtelte bei dem Wort Necromancer wie wild mit den Armen umher. Der teils amüsierte, teils verständnisloser Gesichtsausdruck des Necros trug nicht dazu bei, dass er sich beruhigen würde. “Aber mich wirst du nicht mit deinen Zaubereien verhexen nein, nein!“ Er hob seine Hand und winkte mit dem Zeigefinger hin und her. Er würde ihm alle Knochen brechen, die Gurgel umdrehen und das würde der Beginn eines ruhmreichen Anti-Necro Feldzuges werden. Er würde der Menscheit einen grossen Gefallen tun. “Vorher werde ich mir euren Kopf vornehmen, auf dass ihr NIE wieder solche schwarze Magien anrührt!“
Murphy griff zu seinem Gürtel um seine Waffe zu ziehen. Auf halben Weg fiel ihm wieder ein, dass sein Schwert ja zu einem verdammten Eisengolem verwandelt worden und nur noch der Griff übriggeblieben war. Er knurrte und blickte wieder auf sein Ziel. Auch wenn es nicht derselbe Necro war, würde er auch dafür büssen müssen. Die stecken ja schliesslich alle unter einer Decke. Blind vor Wut lief er los, die Augen auf des Necros Gurgel fixiert und wollte ihn für alles bestrafen, was er selbst hatte erleben müssen. Für den Tod seines Vaters, seiner Mutter, seiner 3 Brüder und seiner 2 Schwestern. Er würde ihn für die ganzen Verluste bluten lassen. Und für sein seine verlorene Liebe und sein erbärmliches Dasein. Ja! Dafür würde er sterben müssen. Und diesmal konnte ihm keiner seine Waffen in einen Golem verwandeln, denn er kämpfte ja mit seinen Hände und seiner Wut...
Der Necro wich erschrocken zurück, als Murphy in seiner Raserei auf ihn zustürmte, und stürzte. Jetzt konnte er nicht mal davon laufen. Perfekt! Doch plötzlich ereilte Murphy dasselbe Schicksal und er stolperte auch und fiel. Irgendetwas musste in ihn reingelaufen sein. Ziemlich geschockt lag er auf dem Bauch und starrte links neben ihn auf die unförmige Gestalt des Golems. Er konnte es nicht fassen, wieder von einem Golem besiegt worden zu sein. Es müsste ihn eigentlich wütend machen, doch irgendwie war er zu geschockt. Ihm war sogar kalt. Jedenfalls spürte er, dass langsam sein Gehirn wieder auf Touren kam und realisierte, dass dieser schmächtige junge Bursche sein Leben gerettet hatte. Er legte Murphy die Hand auf die Schulter und sagte „Beruhigt Euch doch endlich“. Und da war wieder jegliche Symphatie und Dankbarkeit dahin und Murphy wollte ihm endlich den Rest geben. Beruhigen! Pah! Er hatte ja keine Ahnung! Er versuchte sich vom Boden hoch zu stemmen doch seine Glieder waren taub und er zwang sich, nicht laut zu schreien vor Frustration, sondern stattdessen dem dürren Burschen seinen bösesten Blick zuwerfen. Dies schien sogar Wirkung zu zeigen, da dieser seine Hand wegzog. Das überraschte Murphy sehr. Okay er war wirklich ziemlich wütend, doch noch nie hatte einer seiner Blicke irgendetwas bewirkt. Jedenfalls nicht das, was er damit bezwecken wollte. Seine Aurelie hatte immer gemeint er sähe ‚so süss’ aus, wenn er wütend war. Die Tatsache, dass der Necro zurückschrak, liess ihn zu dem Schluss kommen, dass sein gepflegtes Äusseres schlimmer aussehen musste, als er gedacht hatte.
„Ich weiß nicht, wer Euch hier aufgehangen hat, aber ich bin nicht jene Person. Was auch immer dessen Beweggründe waren, ich kann das nicht gutheißen. Ich bin doch nur zufällig auf diese Lichtung hier geraten und habe Euch gefunden.“ Und er hatte recht damit. Jedenfalls teilweise... schliesslich war er ja ein Necromancer, was ihm ja automatisch ein bisschen Schuld von Allem gab. Langsam kehrte das ‚Leben’ wieder in seine Glieder zurück und er setzte sich auf. Der Necro fing an, ihm zu erklären, er reise mit einer Gruppe von Bauern und Flüchtlingen umher und wollte nach Dor Gulin, um dort Zuflucht zu suchen. Es war ihm eigentlich herzlich egal, doch als der Andere erwähnte, dass ähnlich gekleidete Soldaten mit von der Partie waren, wurde er stutzig. Wenn eine Patrouille von Dor Gulin sich der Meute angeschlossen hatte, dann war es seine Pflicht, es ihnen gleichzutun. Die Kommandanten der Stadtwache waren immer helle Köpfe und wussten, was zu tun war. Er würde sich wieder besser fühlen, unter dem Kommando eines Mannes seinesgleichen zu stehen.
Jedenfalls bat der Necro ihn darum, mitzukommen und Murphy nickte und stand auf. Seine Ziehmutter hatte immer gesagt, er solle ‚seine Gefühle unter Kontrolle halten’, solle sich ‚nicht immer so aufregen’, und es alles ‚nicht so tragisch’ sehen. Alles Blödsinn natürlich, da jetzt alle Mitglieder seiner Familie tot waren, doch sie hatte auch gemeint, dass man manchmal über seinen eigenen Schatten springen musste, egal was einem die Gefühle sagen. „Danke“, nuschelte Murphy und willigte ein, mitzukommen.
Der Weg zum Lager war lang und es kam ihm so vor, als würden sie zu viele Kurven machen. Ausserdem nervte der Necro ihn dauernd mit irgendwelchen Fragen, die er nicht beantworten wollte. „wie heisst Ihr“ „woher kommt Ihr“ „was ist da eigentlich passiert“.
Er war froh, als sie endlich angekommen waren und er blickte sich im Lager um. Es war wirklich eine zusammengewürfelte Meute und er suchte verzweifelt ein bekanntes Gesicht. Er liess den Necro da stehen, wo er war und beschloss, sich ein bisschen umzusehen. Er ging zu einem der Lagerfeuer und sah einen fetten Zwerg über die alten Zeiten labern. Daneben sass eine Frau, die bestimmt keine Kämpferin war, mit einem Becher in der Hand. Sie horchte dem Zwerg aufmerksam zu.
Murphy mochte Zwerge, viele von ihnen hatten einen herrlichen trockenen Humor und sie waren ehrlich und direkt. Qualitäten, die Murphy schätzte. Nach dem Tod seines Vaters und Ziehmutter, als er acht war, hatte sich Spolk, ein Zwerg, um ihn gekümmert. Murphy wusste damals, dass dieser Zwerg ihn nicht verlassen würde. Doch natürlich, als wäre es ein Naturgesetz, wurde Spolk zwei Monate nachdem er ihn adoptiert hatte, von einem Wildschwein angegriffen. Man sagte ihm, es sei ein schrecklicher Tod gewesen. Das Schwein hatte ihm die Hauer in den Unterleib gerammt und anschliessend dessen Inhalt verzehrt. Damals kam ihm das auch ziemlich schrecklich vor, doch er würde nun gern mit Spolk tauschen.
Murphy wurde gar nicht beachtet, da es schon ziemlich dunkel war, hielt man ihn wahrscheinlich für einen der Bauern oder Soldaten.
Er zog weiter, um vielleicht endlich den Anführer zu finden, denn nach dem Weg wollte er nicht fragen. Er entfernte sich nun langsam von dem Zentrum des Lagers und wollte schon umdrehen, als er eine hitzige Diskussion aufschnappte. Er drehte sich um und sah zwei Gestalten wild herumgestikulieren. Der eine schien irgend ein Priester zu sein und der andere irgendein Ritter, da neben ihm ein Haufen Metall lag, dass wohl ein Kettenhemd war.
Der Priester sprach noch ein paar abschliessende Worte und entfernte sich. Der Ritter blieb reglos stehen und starrte ins Leere...

Plötzlich fokussierte sich sein Blick wieder und er wirbelte herum.
„He, was glaubt Ihr, macht Ihr da? Hat Euch eure Mutter nicht beigebracht, dass lauschen unhöflich ist?“, fuhr er den jungen Soldaten an, der offensichtlich das Ende der Diskussion mitbekommen hatte. Hoffentlich nicht zu viel davon...

Wieso mussten alle immer seine Mutter mitreinziehen. „Wer seid IHR, dass ihr mich so zurechtweist?!“, knurrte er und ging auf den Ritter zu. Als er näher kam und schon den Mund aufmachen wollte, um ein paar von Selbstmitleid triefende Worte über seine Mutter zu verlieren, fiel ihm eine böse Narbe am Hals des Ritters auf. Er selbst hatte während seiner Zeit als Stadtwache schon genug Gehängte gesehen und wusste, wie ein Henkersmal aussah. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke nicht, dass sein eigener Hals jetzt ähnlich verunstaltet war.
Der Ritter kniff die Augen zusammen und wie auf Kommando hoben beide die Hand und berührten ihr Henkersmal.
Murphys Wut war verschwunden. „Wie habt Ihr....“

Die Wut des Ritters hingegen kochte wieder einmal hoch. „Wie habe ich was? Dasselbe könnte ich Euch auch fragen.“ Was wollte der Mann überhaupt? Nahtod-Erfahrungen austauschen? „Was zum Teufel wollt Ihr überhaupt? Euer Hauptmann sitzt da drüben.“
„ICH will überhaupt nichts von Euch. Schliesslich habt Ihr mich angesprochen! Ich suche nur den Anführer dieser öden Meute und das werde ich jetzt auch tun!“
„Habt Ihr nicht aufgepasst, was Euer Kommandant gesagt hat? Wie es aussieht, habe ich hier den Oberbefehl. Also was wollt Ihr?“ Die Geduld des Ritters war schon den ganzen Nachmittag über schwer beansprucht worden und langsam neigte sie sich dem Ende zu. Na gut, sie war schon lange am Ende angelangt, spätestens nach dem Gespräch mit dem lästigen Priester.

„Ich wollte mich Eurer Bande anschliessen, da ich gehört habe, dass eine Patrouille der Stadtwache auch hier ist und es ist mir eine Pflicht, ebenfalls zu helfen“, sagte er und dachte, wenn er mit mehr Soldaten unterwegs war, würde Zarkon, der Necro, der für sein Leid zuständig war, keine Chance haben. Sie würden ihn zuerst an einen Baum fesseln und ihn drei Tage dort hängen lassen. Ohne Nahrung und nur ein Minimum an Wasser. Dann würde er ihm mit den Splittern seines eigenen Eisengolems den Bauch aufschlitzen und ihm die Därme um seinen Kopf wickeln. Seine Augen glitzerten und er setzte unfreiwillig ein irres Grinsen auf.
„Ihr seid ja sehr pflichtbewusst, wenn Euch die Aussicht, ein paar halbtote Zivilisten zu bewachen, so glücklich macht“, meinte der Ritter nicht ohne Sarkasmus.
Murphy beschloss, seine Kreativität später auszuleben und zwang sich zu einem ernsten und pflichtbewussten Gesichtsausdruck. Es gelang ihm nicht wirklich.
„Äh, ja genau. Aber wieso zum Teufel seid Ihr hier der Befehlshaber?! Weil Ihr Euch am meisten wichtig macht?!“

Wenn Blicke töten könnten, wäre der junge Gardist auf der Stelle zu einem Aschehäufchen verbrannt. „Jetzt hört Ihr mir mal genau zu, Soldat. Wenn Ihr Euer Leben lieber einem dahergelaufenen Dorfbewohner anvertrauen wollt als einem Paladin, bitte. Aber ich werde diese Bande sicher nach Dor Gulin führen, und zwar mit oder ohne Eure Hilfe, falls die überhaupt irgendwas wert ist.“

Ein Paladin, hm? Murphy verzog das Gesicht bei dem Gedanken, so ein selbstverliebter Religionsfanatiker würde der Kommandant sein. Er wusste nicht viel über Paladine, doch sie waren bekannt dafür, immer viel religiösen Müll zu reden. Ausserdem, dass man den Befehlen eines Paladins besser nachkommt, wenn man nicht in Teufels Küche kommen wollte. Andererseits war er da ja schon... Murphy schluckte und beschloss trotzdem, ein guter Soldat zu sein. „Tut mir leid Sir.... Sir...“ er wartete einige Sekunden darauf, den Namen seines neuen Kommandanten zu erfahren, doch dieser schwieg beharrlich. “... Sir.“ Er räusperte sich und blickte verlegen zu Boden. „Ich ähm werde dann mal zu meinen Kameraden...“, sagte er und deutete in die Richtung, die ihm vorher der Paladin gewiesen hatte, doch die Reaktion blieb aus. Es schien, als ob er ihn nun wirklich verärgert hatte, aber hey, was solls. Er räusperte sich erneut und schlurfte in die besagte Richtung davon.
 
Auf seine Frage hin schien der Unbekannte erst recht wütend zu werden. „Helfen? Ihr wollt mir helfen? Was steht da im Gebüsch, hm?“, schrie er mit zorngerötetem Gesicht und ging mit energischen Schritten auf Maelnar zu. „Der Dunghaufen ist ein Golem, nicht wahr? Das heißt, du bist ein verdammter Necromancer!“
Maelnar wich verwirrt vor dem Unbekannten zurück. Zwar hatte er schon öfters von Vorbehalten und Vorurteilen gegenüber Totenbeschwörern gehört und sie auch selbst schon hin und wieder erlebt, doch von der Aggressivität hier war er überrascht. Dieses angriffslustige Verhalten konnte er sich nicht erklären. “Aber mich wirst du nicht mit deinen Zaubereien verhexen, nein, nein!“, tobte der junge Soldat weiter. Wieso verhexen? Warum sollte er das machen? Zugegeben, es wäre eine nette Idee, einen kleinen Fluch auf sein Gegenüber zu wirken, um ihn zu ‚beruhigen’. Andererseits wäre das auch wieder eine schlechte Idee, da es wohl den wo auch immer herkommenden Hass des Mannes verstärken würde. „Vorher werde ich mir deinen Kopf vornehmen, auf dass du nie wieder solche schwarzen Magien anrührst!“, brüllte der weiter und sprang auf Maelnar zu. Uih, das wurde ernst! Hastig versuchte Maelnar zurückzuweichen, stolperte dabei jedoch über eine Baumwurzel und stürzte. Er sah schon die Hände des Wildgewordenen an seiner Kehle, doch da war sein Golem heran und rannte dem Angreifer voll in die Beine. Der Lauf des Unbekannten wurde abrupt gestoppt, Erde flog umher, und er schlug neben Maelnar auf dem Boden auf.
Erleichtert setzte sich Maelnar auf und kroch zu dem jungen Mann hin. Zögernd kniete er sich neben den Unbekannten. Der lag wie gelähmt da, es wirkte wohl noch der Kälteschock vom Golem nach. „Beruhigt Euch doch endlich“, sagte Maelnar und legte seinem Gegenüber die Hand auf die Schulter, nahm sie aber gleich wieder weg, als er den hasserfüllten Blick des Mannes wahrnahm. „Ich weiß nicht, wer Euch hier aufgehangen hat, aber ich bin nicht jene Person. Was auch immer dessen Beweggründe waren, ich kann das nicht gutheißen. Ich bin doch nur zufällig auf diese Lichtung hier geraten und habe Euch gefunden.“
Während Maelnar sprach, hatte sich der junge Mann langsam aufgesetzt. Dessen Angriffslust schien jetzt größtenteils verflogen zu sein, doch noch immer starrte er abwechselnd Maelnar und den Golem mit diesem gleichzeitig wütenden und anklagenden Blick an. Maelnar zögerte kurz, dann fuhr er fort: „Ich reise zur Zeit mit einer Gruppe von Dorfbewohnern und Kämpfern nach Dor Gulin. Wir sind die Überlebenden eines Angriffes von Dämonen auf das Dorf Larthe. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr uns anschließen.“ Vielleicht konnte er in dieser Zeit mehr über den Geretteten herausfinden. „Ich denke, unsere Anführer werden nichts gegen einen weiteren Kämpfer haben, zumal wir gerade einen Angriff von Wölfen abwehren mussten.“ Maelnar biss sich auf die Lippe. Hoffentlich hatte er nicht schon zuviel gesagt. Eine Gruppe, die ständig unter Angriffen zu leiden hatte, war wahrscheinlich nicht sehr attraktiv für Mitreisende. „Ich würde jedenfalls nicht empfehlen, alleine in diesem Wald zu verweilen. Und vielleicht kennt Ihr ja sogar jemanden in unserem Zug. Wir haben nämlich gerade Verstärkung von ein paar Kämpfern bekommen, die genauso gekleidet sind wie Ihr.“
Bei Maelnars letzten Worten veränderte sich der Gesichtsausdruck seines Gegenübers schlagartig, und er glaubte so etwas wie Erstaunen zu erkennen. Doch wieder konnte er ihn nicht deuten, und einmal mehr verfluchte er seine geringe Menschenkenntnis. Er musterte weiter den jungen Kämpfer, dabei entstand in ihm das Gefühl, dass mit dieser Person etwas nicht stimmte. Doch bevor Maelnar weiter darüber nachdenken konnte, nickte der junge Mann langsam und stand auf. Nach einem genuschelten „Danke“ meinte er, dass er mit ihm mit kommen und sich der Gruppe anschließen würde. Maelnar atmete erleichtert auf, da hatte er ihn wohl doch noch überzeugt.
Stumm machten sie sich auf den Weg, wobei Maelnar absichtlich Umwege ging, um so mehr Zeit zum Nachdenken zu haben. Sein neuer Gefährte erwies sich als wortkarg und abweisend, auf seine Fragen, wie er auf die Lichtung gekommen war, erntete er nur Schweigen und böse Blicke. Maelnar konzentrierte sich daher wieder auf das seltsame Gefühl, das vorhin in ihm hochgestiegen war. Der Mann machte einen erschöpften Eindruck, schien äußerlich aber normal zu sein. Auf der anderen Seite war die Aura, die ihn wie jedes andere Lebewesen umgab, irgendwie verändert. Sie schien mehr einer von seinen beschworenen Kreaturen als einem Menschen zu ähneln, doch Maelnar konnte sich absolut keinen Reim darauf machen.
Schließlich erreichten sie den Weg, auf dem die Gruppe vorhin entlang gekommen war, unweit der Lichtung. Es war inzwischen schon ziemlich dunkel geworden. Maelnar überflog die Lagernden, alles schien soweit ruhig zu sein. Er drehte sich zu seinem Gefährten um, da er ihn mit den Kämpfern bekannt machen wollte, doch der war wie vom Erdboden verschluckt. Verwundert schaute er sich suchend um, dann zuckte er mit den Schultern. Vielleicht hatte der junge Mann ja tatsächlich jemanden Bekanntes gesehen und wollte denjenigen überraschen. Er würde sich jetzt jedenfalls zum Wachdienst einteilen lassen. Der Hauptmann der neu angekommenen Kämpfergruppe wies ihm auch gleich einen Platz am Rande der Lichtung zu. Maelnar machte sich für eine lange Wache bereit, da es wahrscheinlich eine Weile dauern konnte, bis er abgelöst werden würde. Wenigstens hatte er jetzt genügend Zeit zum Nachdenken.
 
Unsichtbar näherte sich ein Schatten der Ansammlung von Menschen, die sich um ein paar notdürftig entzündete Lagerfeuer drängten. Die Menschen wirkten nervös und warfen immer wieder Blicke in Richtung des umgebenden Waldes. Lautlos trat der Schatten von einem Fuß auf den anderen. Wie ein großer Hund oder Affe kraxelte er auf allen vieren vorwärts.
"Diese Hexe würde für all das büßen müssen!", Schwor er sich insgeheim. Wut zeichnete sich auf dem Gesicht des Wesens ab doch er verlangsamte sein Tempo kein bisschen. Einer der Menschen warf einen Blick in seine Richtung und der Kobold hielt einen Moment inne. Als wäre er eine Statue erstarrte er mitten in der Bewegung und begann auf einmal mit seiner Nase ungeduldig herumzuschnüffeln. Der Teufel sog die kühle Luft ein, alle verschiedenen Gerüche des Waldes und dennoch konnte er seine Beute klar ausmachen. Der Mensch sah weg und der Dämon setzte seinen Weg fort als wäre nichts geschehen.

Kurze Zeit später war er bereits so nah an die Gruppe herangekommen das er nun auch noch aufpassen musste das kein Wächter ihn sah. Dem immerwachen Blick einiger Magier die es dort zu geben schien entging er schon ganz gut, wie er fand und setzte ein selbstzufriedenes Grinsen auf, das eher aussah als wolle er eine Kuh verschlingen. Sein Gehirn zerpflückte langsam seinen Gedanken und stieß hart am Wort Magier auf.
"Gur'talutok!", Entfleuchte ihm es leise als er sich an seinen neuen Meister erinnerte. Diese Hexe, die er zunächst für eine Gespielin eines Zauberers gehalten hatte, entpuppte sich in mehr als einer Art als unerfreuliche Gesellschaft, wie der Kobold fand. Darum würde er sich beizeiten kümmern, doch zunächst wollte er ihr Vertrauen für sich gewinnen, damit er sich in ihrer Nähe freier bewegen konnte.
Endlich hatte er den Ort erreicht von dem er sich zu einem der Wägen robben wollte. Von dort würde es ein leichtes sein sich einen der kleinen Menschlinge zu schnappen. Er musste ihm zwar solange den Mund zuhalten, bis er außer Hörweite des Lagers war aber dann konnte er den Menschwelpen zum quieken bringen und vielleicht sogar das eine oder andere unwichtige Stück abkauen. In stiller Vorfreude auf dieses unwahrscheinlich erfreuliche Spiel grinste der Dämonenkobold noch breiter als er es ohnehin schon tat, was sein Maul mit den scharfen Zähnen recht gut in Szene setzte.
Ein kurzer Sprint und er würde im Schatten unter einem der Wägen verschwinden, niemand würde etwas sehen. Der kleine Bösewicht holte tief Luft und rannte los. Ein Augenzwinkern später war er so nah an seinem Ziel das er sich schon Vorstellen konnte dem Kind in die Hand zu beißen. Er sauste weiter durch das dunkel direkt auf sein Ziel zu und Speichel begann aus seinem Mundwinkel zu tropfen. Das letzte was er sah, bevor es Schwarz wurde, war der auf ihn zurasende Boden.

"Verdammt!", Fluchte Ulrich und fingerte an seinem linken Stiefel herum. Das war schon das dritte Mal das ein Steinchen es geschafft hatte, allen Naturgesetzen zum Trotz, sich in den Stiefel zu schleichen und Ulrich bei seinem Rundgang zu stören. Bald würde er mehr damit beschäftigt sein Schuhwerk aus- und wieder anzuziehen als den nahen Waldrand zu beobachten.
Gerade als er seinen Stiefel wieder zugeschnürt hatte und seinen unglaublich spannenden Rundgang fortsetzen wollte, hörte er ein dumpfes Geräusch. Mit dem Gedanken das wohl etwas von dem Wagen gefallen war, neben dem er stand, umrundete er diesen und starrte in das Dunkel auf der dem Wald zugewandten Seite des Fahrzeuges. Nach einer Weile konnte er endlich einen unförmigen Gegenstand ausmachen der am Boden lag. Ohne Hast lief Ulrich darauf zu und blieb geschockt stehen als der Lichtschein das Ding traf. Orange Schuppenhaut, lange Zähne, Krallen, grüne Haare, das alles war nach den Strapazen der letzten Tage zuviel für Ulrich und unfähig zu handeln viel er vor dem liegenden Teufel auf die Knie. Fast wäre ihm die Fackel aus der Hand gefallen aber immerhin das hatte er noch unter Kontrolle. Mit der Gewissheit das er nun sterben würde betrachtete er den Dämon und eine Träne bahnte sich den Weg über sein Gesicht. Der Teufel zog es vor einfach weiter auf dem Boden zu liegen. Schluchzend wischte Ulrich eine Träne weg und stand wieder auf. Irgendetwas stimmte hier nicht, ein normaler Teufel hätte ihn schon längst angegriffen. Seine Neugier besiegte seine Angst und er trat vor und mit dem Stiefel gegen das Wesen. Sichtlich zuckte er zusammen als der Teufel auf den Rücken rollte und sich seine Fratze zur schau stellte. Die Augen waren geschlossen und die Zunge hing halb aus dem weit geöffneten Maul, insgesamt sah der Teufel ziemlich leblos oder zumindest weggetreten aus.
„Ein toter Dämon im Hexenwald, und das so nahe der Gruppe! Irgendwas ist hier im Busch, erst die Wölfe heute morgen und nun das.“, Sagte Ulrich laut zu sich selbst und packte den teuflischen und scheinbar toten Kobold am Bein. „Ein Magier, Heiler oder der Paladin würden schon wissen was das zu bedeuten hat.“, Dachte er und zog seine Beute in Richtung der Lagerfeuer.

„Verbrennt ES!“, Kreischte irgendwer aus der zweiten Reihe. Ulrich hatte es geschafft den Kobold mitten durch das Lager zu ziehen und den überraschten Anführern genau vor die Füße zu werfen. Nun diskutierten sie darüber was das erscheinen eines weiteren Dämons nach den Ereignissen der letzen Tage zu bedeuten hatte.
„Seit ihr toll?“, Warf jemand der panischen Frau an den Kopf, die vorgeschlagen hatte den Kobold zu verbrennen.
„Ihr könnt doch keinen Dämon aus de brennenden Höllen verbrennen! Das wird ihn bestimmt heilen oder noch schlimmeres! Kennt ihr die Geschichten nicht!“ Der Mann begann ungefragt zu erklären was das für furchtbare Folgen für sie alle haben könnte.
Ein müde aussehender Bauer klopfte Ulrich anerkennend auf die Schulter und zog so dessen Aufmerksamkeit von den beiden Streithähnen ab.
„Hast du einen Spion erwischt was?“, Sagte er und setzte ein Lächeln auf. Es sah ehrlich aus.
„Ich wusste doch das es richtig war für dich als Sprecher des Dorfes zu stimmen! Dein Vater wäre bestimmt stolz auf dich.“ Ulrich merkte wie er zu erröten begann, normalerweise bekam er nicht so viel Anerkennung von den Anderen. Einen Moment überlegte er, den Dorfbewohnern zu sagen das er den Teufel nur am Waldrand gefunden hatte, doch schließlich wurde dieser Gedanke von Lob beiseite gespült.

Misstrauisch beugte sich der Ritter vor und musterte den bewegungslosen Kobold.
„Bist du sicher, dass er tot ist?“, Fragte er ruhig.
„Och ganz bestimmt“, Begann Ulrich der das Ansehen sichtlich genoss als der Dämonenkobold seine immer noch heraushängende Zunge ruckartig im Maul verschwinden ließ und dieses mit einem lauten Schnappen zuklappte. Unmenschlich schnell sprang die dämonische Kreatur auf die Beine und schüttelte ihre grüne Mähne. Die meisten Personen sprangen aufgrund dieser überraschenden Tat des totgeglaubten Monsters zurück und einige zogen sofort ihre Waffen. Das Flüstern von Stahl der gezogen wurde veranlasste den Kobold dazu seine Augen aufzureißen. Wie zwei schwarze Risse in der Wirklichkeit hingen sie einen Moment ungläubig über der Situation bevor in ihnen ein Feuerball explodierte und die Umgebung in ein rotes Leuchten tauchte. Mit einem krächzen kauerte sich der Teufel zusammen und machte sich bereit zum Sprung während bereits die ersten Mensch auf ihn eindrangen.
„Schnappt ihn euch!“, brüllte der Ritter und dirigierte die Gruppe auf Ihn zu.

Einer der Krieger stampfte mit gezogenem Schwert vorneweg auf den Kobold zu, das Schwert zum Schlage gehoben.
„Stirb Missgeburt!“, kreischte er und holte noch mehr aus.
Genau in der Sekunde bevor die sprichwörtliche Hölle auszubrechen drohte donnerte ein hartes Halt! durch die Menschen und veranlasste den Krieger dazu sich umzudrehen und den Kobold nicht zu halbieren. Um das kleine Lager hatten sich die Schatten der Nacht zusammengezogen und wirkten nun mehr wie eine Wand aus schwarzem Marmor. Undurchdringlich und fast schon Stofflich verhinderte diese Schattenwand das auch nur ein Lichtstrahl in Richtung des Waldes fiel. Und aus jener wabernden Wand trat nun eine Frau in Robe. Kaum hatte sie ihren Schritt getan verwirbelten die Schatten hinter ihr wie Rauch und kurz darauf warf das Feuer wieder einen normalen Schein.
„Guten Abend.“, begann die Fremde zu sprechen und warf die Kapuze ihres Mantels zurück.

„Ich hoffe ich bin nicht zu spät um eure Torheit zu verhindern.“, sprach die Dame nun mit melodischer Stimme und trat näher an die Gruppe heran. Jetzt da sie im Schein der Feuer stand, konnte man erkennen das sie einen azurblauen Umhang trug.
„Verzeiht mir meinen Auftritt“, sprach sie die Gruppe an und näherte sich weiter. „Aber ich war gezwungen rasch einzuschreiten bevor meinem Diener Leid zugestoßen wäre.“ Bei diesen Worten begann der Dämonenkobold fröhlich auf und ab zu hoppeln, fast wie ein Hündchen dessen Herr nach Hause kommt.
„Wollt ihr damit sagen DAS gehört euch??!“, fragte der Mann der eben noch das Schwert gehoben hatte um den Kobold zu zerhacken völlig perplex.
„Aber aber aber aber das ist ein Teufel?“
„Natürlich ist es ein Teufel habt ihr als Begleiter einer Magierin erwartet? Einen Drachen?“ Die Frau lachte schallend.
„Ich vergesse meine Manieren, mein Name ist Azura Cadoressa, ich freue mich eure Bekanntschaft zu machen. Wie ich sehe ist meine Hilfe nicht nur von Nöten sondern auch überfällig.“
„Ihr wärt in der Tat eine große Hilfe, wenn Ihr diesen Kobold auch unter Kontrolle hättet...“, Der Gesichtsausdruck des Ritters verriet nichts, bis auf zurückgehaltenes Misstrauen vielleicht.
„Glaubt ihr ich würde einen Dämon als Diener halten wenn ich ihn nicht kontrollieren könnte?“, die Magierin lachte erneut.
„Nun, vielleicht kontrolliert ja auch er Euch?" Inzwischen hatte sich das halbe Lager um den kleinen Dämon und seine Herrin versammelt und beobachtete beide entweder neugierig oder mit Unverhohlener Feindseligkeit. "Eine Demonstration wäre vielleicht angebracht, findet Ihr nicht auch?“
Die Magierin, die sich als Azura vorgestellt hatte wirkte sichtlicht belustigt.
„Eine Demonstration wollt ihr also?“, Sagte sie und lächelte, „Das dürfte kein Problem sein.“ Kaum hatte sie ihren Satz vollendet zeigte sie auf den Kobold, sprach ein hartes unverständliches Wort und zeigte auf den Paladin. Der Kobold reagierte sofort, blitzschnell hangelte er sich an dem verdutzen Mann hoch der immer noch das Schwert in der Hand hielt und sprang auf den Paladin zu. Bevor jemand reagieren konnte saß der Kobold auf der Schulter dessen und schnappte sein Maul genau vor dessen Gesicht ein paar mal auf und zu.
Erstaunlicherweise war der Ritter nur leicht zusammengezuckt, und das, obwohl der Gestank aus dem zähnegespickten Rachen des Kobolds bestimmt alles andere als angenehm gewesen sein musste. Die Blicke des Menschen und des Dämonen bohrten sich für ein paar Sekunden ineinander, bevor der Ritter schließlich in neutralem Tonfall meinte: „Interessant.“
Der Dämonenkobold setze sein Lieblingsgrinsen auf und lies sich von dem Ritter zu Boden fallen. Azura winkte ein weiteres Mal in Richtung des Kobolds und dieser trottete zu ihr hinüber und setze sich zu ihren Füßen auf den Boden.
„Ist euch das Demonstration genug ?“, sagte Azura grinsend und lief zu dem Ritter hinüber. Der Teufel folgte ihr dichtauf.
Das Misstrauen war noch nicht ganz aus den Augen des Ritters verschwunden, doch er nickte langsam. Inzwischen tuschelten die übrigen Zuschauer untereinander und musterten den Kobold mit zweifelnden Blicken.
„Und was verschlägt Euch in diese Gegend, meine Dame?", meinte der Ritter zu Azura, ohne jedoch den Kobold auch nur einen Moment aus dem Blickfeld zu verlieren.
„Ich bin in einer .... Familienangelegenheit unterwegs.“, antwortete sie nach kurzer pause, „Aber nun wo ich hier bin, denke ich das sowohl ihr als auch IHR meine Hilfe wohl gebrauchen könntet.“ Als die letzte Silbe ihre Lippen verlies zwinkerte sie dem Ritter zu und rieb sich dann das Auge als wäre ihr etwas hineingeraten. „Außerdem ist es heutzutage nicht ganz ungefährlich alleine zu reisen, deshalb unter anderem der Kobold.“
„Netter Weggefährte.“ Der Ausdruck des Ritters blieb unergründlich. "Nun ja, da Ihr schon mal hier seid und Eure Hilfe anbietet..." Mit knappen Worten schilderte er Azura die Ereignisse bei Larthe und ihre weiteren Pläne.
„Hm, das Larthes Schicksal sollte uns eine Warnung sein. Eine solche Horde Dämonen taucht nicht aus dem nichts auf und schleift Dörfer, irgendwas oder irgendwer zieht seine Fäden im Hintergrund. Aber genug davon, da ich nun hier bin kann ich mich gleich mal nützlich machen. Ich kann darauf vertrauen das ihr die Sicherheit von mir und meinem Diener gewährleisten könnt?“ Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr sie fort. „Wenn ihr mich nun entschuldigen würdet, ich möchte keine Zeit verlieren.“ Sie streckte dem verdutzen Ritter ihre Hand entgegen und schien auf etwas zu warten.
„Keine Zeit verlieren, um was zu tun?“ Automatisch ergriff er ihre Hand, drückte sie aber nur kurz, bevor er sie wieder losließ, als hätte er sich plötzlich verbrannt. Kaum hatte er ihre Hand losgelassen, zog Azura schon ihre linke Augenbraue hoch.
„Das ist interessanter als ich dachte. Nunja ich gehe bei der Heilung der verwundeten helfen, was habt ihr den erwartet?“
Daraufhin zuckte er nur mit den Schultern. „Wir können jede Hilfe brauchen, tut Euch keinen Zwang an. Aber vielleicht solltet Ihr besser auf Euren... Begleiter achten, sonst findet ihn noch mal jemand tot vor.“ Er warf einen nicht gerade freundlichen Blick in Richtung Ulrich, der schuldbewusst wegsah.
„Nun das sollte kein Problem sein, solange ihr eure Gefolgsleute im Zaume halten könnt.“, sagte Azura und sah ebenfalls Richtung Ulrich der einen total verwirrten Gesichtsausdruck zur Schau stellte.
 
Der Zwerg hatte schon lange mit seiner Erzählung geendet, doch Saraina saß noch immer am langsam herunterbrennenden Feuer und hing ihren Gedanken nach. Wieviele Wesen hatten nur unter der Grausamkeit der Höllenmächte zu leiden. Jeder auf seine eigene Weise, doch sie alle einte dieses Band aus gemeinsamem Leid. Ihr Blick fuhr über die Dorfbewohner, die wie sie wohl auf zumindest eine ruhige Nacht hofften, und über die Kämpfer, die über die Lichtung verstreut Wache standen. Jeder konnte wahrscheinlich seine eigene Geschichte von Mühsal, Schmerz und Verlust vorbringen.
Als sie mit ihren Gedanken wieder in die Gegenwart zurückkehrte, bemerkte sie, dass ihre Tochter Halina in ihren Armen eingeschlafen war. Dafür fehlte Diazon, den sie in ihrer näheren Umgebung nicht entdecken konnte. Beunruhigt erhob sie sich vom Boden, wobei Halina aufwachte. „Was ist denn los?“ „Weißt du, wo Diazon ist? Ich kann ihn nirgendwo sehen.“ „Ach, der ist grade nach da vorn zum Wagen gegangen“, kam die schlaftrunkene Antwort. „Ich muss ihn suchen. Kann ich dich kurz allein lassen?“ Nur ein kurzes Nicken kam zurück von Halina, die anscheinend schon wieder ins Reich der Träume versank. Saraina zögerte kurz, machte sich dann aber auf die Suche nach dem Jungen.

Das war alles so aufregend. Sie waren auf dieser Reise durch den verbotenen Hexenwald, aus dem, so hatte er gehört, noch nie jemand herausgekommen war. Dann waren da noch die Kämpfer in glänzenden Rüstungen und die vielen wilden Tiere, die so plötzlich aus dem Wald gekommen waren. Aber das Gerede von dem Zwerg war einfach nur langweilig gewesen. Was interessierten ihn Schlachten an Orten, die er nicht einmal aussprechen konnte? So war er dann aufgestanden und über die Wiese gelaufen, immer auf der Suche nach etwas Interessantem. Jetzt hockte er am dunklen Waldrand, in der Nähe des Feuers, ganz auf das Unbekannte konzentriert. Da vorne war ein Ding, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Es sah fast aus wie ein übergroßer Pfefferkuchenmann vom Jahrmarkt. Vorsichtig und auf Zehenspitzen näherte er sich dem Wesen, das ihm den Rücken zugekehrt hatte. Schließlich waren seine vor Aufregung zitternden Finger kurz vor der Gestalt, und einen Augenblick später hatte er es berührt. In dem Moment drehte das Ding seinen Kopf und starrte ihn aus seinen dunklen Augenhöhlen an. ‚Wie kann es mich denn sehen?’, fuhr es ihm durch den Kopf. Für einen langen Augenblick passierte nichts, dann wendete sich das Wesen ab und verschwand im Wald. Gleichzeitig stolz und betrübt schaute er ihm hinterher. Ob es wiederkommen und sie beide Freunde werden konnten? Vielleicht würde er später den anderen Jungs aus dem Dorf von dem Wesen erzählen, doch vorerst würde er das Wissen als sein eigenes, kleines Geheimnis behalten…

Saraina sah gerade noch, wie ein dunkles Etwas im Dickicht verschwand. Hatte es Diazon was angetan? Er stand so still, war etwas mit ihm geschehen? Doch das Gesicht, das er ihr jetzt zuwendete, zeigte kein Leid, sondern eher einen Ausdruck von Freude. Saraina untersuchte ihn rasch, fand aber keine Verletzungen. Als sie zusammen zum Feuer zurückliefen, schob sich ein Bild vor ihr inneres Auge, von einem seltsamen, kleinen braunen Wesen, das ihr im Kampf mit dem Wolf geholfen hatte. Ob es sich um dasselbe ‚Ding’ gehandelt hatte? Etwas von der Sorge fiel von ihr ab, doch ein Teil der Anspannung blieb. Was mochte das bloß gewesen sein, zumal es sich so frei in der Nähe all der Kämpfer bewegen konnte?
Sie beschloss, die Suche auf die Antwort auf später zu verschieben, jetzt war erstmal Zeit, für die Kinder das Nachtlager zu bereiten. Decken waren auf dem Wagen schnell gefunden, und Minuten später lagen Halina und Diazon, dick eingewickelt, in der Nähe des beinahe heruntergebrannten Feuers. Die Aufregung und Erschöpfung der letzten Tage und Stunden hatten ihre Spuren hinterlassen; innerhalb weniger Augenblicke waren die beiden eingeschlafen.
Saraina schaute noch ein paar Minuten auf die friedlich schlafenden Kinder, dann bereitete sie ihr eigenes Nachtlager vor. Doch zum Hinlegen fühlte sie sich noch nicht schläfrig genug, also schaute sie kurz bei Lasubin vorbei und tauschte sich kurz mit einigen anderen Frauen aus dem Dorf über die letzten Ereignisse aus. Dabei fiel ihr auf, dass die Wasservorräte bei den anderen auch der Neige zugingen. Bald würden sie für Nachschub sorgen müssen.

Als sie wieder zurück zu ihrem Schlafplatz blickte, erschrak sie, denn in diesem Moment kam Ulrich hinter dem Wagen hervor, ein eindeutig dämonisches Wesen hinter sich her schleifend. Mit klopfendem Herzen rannte Saraina zu ihren Kindern, die ja nicht weit vom Wagen entfernt lagen. Doch zum Glück war ihnen nichts geschehen. Weiter in der Mitte der Lichtung entstand jetzt Aufruhr, als der Streit losging, was mit dem Ungeheuer geschehen sollte. Saraina schüttelte den Kopf, als sie die Bedenken gegen das Verbrennen des Dämons vernahm. Lächerlich! Das wusste sogar sie, dass Feuer den meisten Höllengeschöpfen ebenso schadete wie Menschen. Und Ulrich, wie der das Lob der Dorfbewohner genoss! Das war ziemlich fraglich, ob der selbst das Ungeheuer ausgeschaltet hatte, so wie sie ihn einschätzte. Zumal auch nicht klar war, ob das Vieh überhaupt tot war. Da! Der eben noch so leblos scheinende Dämon war mit einem Mal aufgesprungen und bedrohte nun die umstehenden Leute. Saraina packte ihren Stab fester an, zögerte aber, dem Schauplatz näher zu kommen. Vielleicht waren noch mehr dieser Höllenwesen im Wald und warteten nur auf einen günstigen Moment, ihre Kinder wegzuholen?
Gerade als einer der Krieger den ersten Schlag führen wollte, erschien aus einer schwarzen Wand eine schlanke, in eine knapp geschnittene, blaue Robe gekleidete Frau. Ein Wortwechsel entspann sich rasch, von dem Saraina aufgrund der Entfernung nur die Hälfte verstand. Zumindest bekam sie mit, dass die Neuangekommene die ‚Besitzerin’ dieses Wesens zu sein schien. Und sie zuckte wie viele der Umstehenden zusammen, als das Ungeheuer plötzlich den Ritter ansprang. Erstaunlich, wie ruhig der dabei blieb! Sie wäre gewiss vor Angst dabei gestorben. Der Ritter schien bei dem Gespräch auch nichts dem Bleiben der beiden Neulinge entgegenzusetzen wollen, was augenscheinlich nicht dem Willen vieler Dorfbewohner entsprach. Saraina war in ihren Gefühlen gespalten. Einerseits wollte sie nichts, was sich als eine Gefahr für sie und ihre Familie entpuppen könnte, in ihrer Nähe haben. Andererseits ahnte sie, dass sie jede Hilfe auf ihrer Reise brauchen konnten, und aus irgendeinem Grunde vertraute sie dem Ritter, dass der die richtigen Entscheidungen treffen würde. Schließlich hatte er sich ja auch schon bei der Abwehr der Dämonen im Dorf bewährt. Aber auf diesen Höllendämon würde sie achtgeben. Schließlich hatte sie genau seine lüsternen Blicke auf die schlafenden Kinder bemerkt.
 
Stirnrunzelnd studierte der Ritter die Karte in der rasch schwächer werdenden Abendsonne. Das sah gar nicht gut aus.
Sie hatten kaum die Hälfte der Strecke geschafft, die sie sich vorgenommen hatten, und der kümmerliche Rest des Tages würde wohl mit dem Versorgen der Verwundeten draufgehen (schon wieder). Das bedeutete, daß morgen ein Späher die zweite Gruppe über ihre verspätete Ankunft am Treffpunkt informieren mußte. Außerdem bedeutete es, daß er nun noch länger von abergläubischen Dorfbewohnern, fanatischen Anlinyenwë-Priestern, Dämonenbeschwörerinnen und anderen undurchsichtigen Gestalten umgeben sein würde, als er ursprünglich befürchtet hatte. Und um Wasser und neue Vorräte mußten sie sich früher oder später auch kümmern...
Er widerstand der Versuchung, die Teetasse, die ihm irgendwer in die Hand gedrückt hatte, gegen den nächsten Baum zu schleudern und entschied sich statt dessen dafür, einen langen Zug von ihrem Inhalt hinunterzustürzen. Das Gebräu schmeckte gar nicht schlecht und schien sogar etwas von der bleiernen Müdigkeit aus seinen Knochen zu vertreiben. Wenigstens bestand so keine Gefahr, daß er plötzlich einnickte, aber dafür hatte er ja Vulcan.
Das Schlachtroß graste zufrieden ein paar Meter abseits am Rande der Lichtung und ignorierte die beiden anderen Pferde, die das Gras mit der Geschwindigkeit und Präzision erfahrener Bauern abmähten. Hoffentlich hielten sie den morgigen Tag durch.
Er ließ seinen Blick weiter über das Lager schweifen, während er mit einer Hand die Karte zusammenrollte – und plötzlich erstarrte. Ein Dämon!
Doch halt, das war ja nur der Schoßkobold dieser Magierin. Erleichtert und ein wenig verärgert über seine Reaktion entspannte sich der Ritter wieder. Seine Schulter machte sich unangenehm bemerkbar und er brauchte dringend etwas Schlaf (in Ordnung, viel Schlaf). Aber konnte er es riskieren, mitten unter all diesen Menschen einzuschlafen? Wäre das nicht die perfekte Gelegenheit für es, wieder hervorzukommen? Oder würde überhaupt nichts passieren?
Und wo zum Teufel war Ulrich? Der Lebensmüde hatte doch glatt einen Dämon ins Lager geschleppt. Man müßte eigentlich meinen, daß der Junge aus seinen jüngsten Begegnungen mit diversen Höllenkreaturen gelernt hätte, wie gefährlich diese Viecher waren. Auch wenn sie kaum halb so groß waren wie man selbst.
Zugegeben, besagter Kobold schien nicht darauf aus zu sein, ein blutiges Massaker unter den Dorfbewohnern anrichten zu wollen... jedenfalls im Moment nicht. Der Ritter war sich sicher, daß sowohl die Magierin als auch ihr Schoßtierchen die drei Männer bemerkt hatten, die er sicherheitshalber als ihre Wächter abgestellt hatte. Ob die Drei allerdings die restliche Gruppe vor einem Überraschungsangriff des Dämons oder den Kobold vor einem Lynchmob schützen sollten, wußte er selbst nicht so recht. Auf jeden Fall würden sie ein passables Frühwarnsystem abgeben, falls irgendwas passieren sollte.
Mit bewußter Anstrengung löste er sich von dem grotesken Anblick eines zur Abwechslung einmal nicht feindselig agierenden Dämons und suchte rasch das Lager nach der Person ab, die für den spektakulären Auftritt des Kobolds und seiner Herrin verantwortlich war.
Natürlich war Ulrich nirgends zu sehen – der Idiot war wahrscheinlich gequält von Schuldgefühlen allein in den Wald geflüchtet, als ihm aufgegangen war, was er angerichtet hatte. Die Gedankengänge der Jugend von heute waren wirklich kaum mehr nachzuvollziehen; dieser arrogante Soldat von vorhin und der nervige Anlinyenwë-Priester waren nur noch weitere schillernde Beispiele dafür.
Obwohl, bei näherer Betrachtung schien es doch Ausnahmen zu geben, nämlich den gruppeneigenen Nekromanten (ausgerechnet der). Aber er hatte sich bisher erstaunlich gut gehalten und... plötzlich fiel dem Ritter wieder ein, was Ainu gesagt hatte. Und er hatte den Rathmajünger schon in verschiedenen dicken Wälzern blättern sehen. All dieses Pergament mußte verdammt schwer sein, aber offensichtlich enthielt es wertvolle Informationen. Vielleicht auch über sein eigenes Problem? Womöglich gab es eine simple Lösung und er hätte den Nekromanten die ganze Zeit über einfach nur zu fragen brauchen?
Der Gedanke schien ihm unerträglich und er beschloß, sofort etwas dagegen zu unternehmen.
 
Maelnar

Maelnars Blick ruhte auf einem der Wolfskadaver, an dem sich ein einsamer Rabe gütlich tat. Die Reste der dämonischen Energie, die den Tieren innegewohnt hatte, waren inzwischen vollständig verschwunden, und es kam ihm vor, als ob sich die Natur wieder nahm, was ihr gehörte. Er konzentrierte sich kurz und fühlte in die Umgebung hinaus. Er erspürte einige magisch begabte Personen, die wie blasse Schemen vor seinem inneren Auge erschienen. Nichts Besorgnis Erregendes war in der näheren Umgebung, abgesehen von diesem Gefühl dunkler Macht in dem Ritter. Sein Blick wanderte weiter zum Golem, der in der Nähe eines Wagens stand. Er schien auf irgendetwas im Wald zu starren. Zur gleichen Zeit entdeckte Maelnar einen kleinen Jungen, der sich neugierig auf leisen Sohlen dem Erdwesen näherte. Er sah, wie das Kind eine Hand ausstreckte, wollte es etwa das Wesen berühren?!
Verblüfft ob dieser Situation machte Maelnar sich bereit, den Golem zu zerstören. Er hatte keine Ahnung, wie die Kreatur auf direkten Kontakt reagieren würde. Sicherlich, das Kind war dem Golem auf jeden Fall freundlich gesonnen, aber würde es nicht…? Da, jetzt hatte der Junge das Wesen berührt, doch nichts war passiert. Erleichtert entließ Maelnar die angehaltene Luft. Golem und Kind standen sich für einen Augenblick gegenüber, dann verschwand das Erdwesen im Wald. Der Junge schaute der Kreatur hinterher, und in dem Moment begriff Maelnar die Bedeutung des Ereignisses. Das Kind war anscheinend auf der Suche nach einem Spielkameraden und hatte diesen in dem Golem gefunden. Maelnar stöhnte, wie peinlich das war! Ein Golem war doch eine Kampfmaschine, aber zumindest hatte man vor ihm Respekt! Aber dass selbst kleine Kinder keine Angst vor dem Wesen hatten, das war zuviel. Was machte er bloß falsch mit seinen Beschwörungen?

Beschämt lehnte sich Maelnar an einen Baum am Waldesrand, in der Hoffnung, dass niemand seine glühenden Ohren sah. Einige Minuten vergingen, bis er es wagte, die Hände wieder vom Gesicht zu nehmen. Er sah sich um, alles schien wie vorher, und wohl niemand hatte sein Verhalten bemerkt. Moment, womit kam Ulrich da gerade hinter dem Wagen hervor? Ein einzelner Dämon, hier allein im Wald? Zumal dieses Daemonicus-Exemplar, das es eindeutig war, normalerweise nur in Gruppen zu Gesicht zu bekommen war und sich bei jeder Andeutung von Gefahr sofort wegteleportierte. Was hatte das das zu bedeuten? Die Kreatur war auch nicht so mausetot, wie er gerne den Anschein machte. Maelnar konnte außerdem ein Band spüren, das den Dämon mit etwas verbinden musste, doch seltsamerweise schien diese Verbindung im Nichts zu enden. Er runzelte die Stirn, das war eigentlich unmöglich.
Während er noch diesen Sachverhalt zu ergründen suchte, entstand ein Tumult in der Mitte der Lichtung. Der Dämon war anscheinend gerade im Begriff, einen der Krieger anzugreifen. Maelnar machte sich bereit, in den Kampf einzugreifen, doch in dem Augenblick spürte er das Auftauchen eines neuen magischen Bewusstseins am Rande der Lichtung. Im selben Augenblick schälte sich wie aus einer schwarzen Wand eine junge Magierin, die in eine dunkelblaue Robe mit silbernen Stickereien gekleidet war.
Maelnar erkannte sie sofort als diejenige Person, der der Dämon diente. Ihm blieb der Mund offen stehen, denn das hieß, dass diese Frau eine Dämonenbeschwörerin war. Er hatte bereits von solchen Magiern gehört, doch sie galten als Einzelgänger und menschenscheu, selbst in den Maßstäben von Totenbeschwörern. Wenn auch mit seinem Zweig der Magie verwandt, wurden diese Magier von seinesgleichen gemieden, von manchen sogar geächtet. Dies hatte einen guten Grund. Maelnar stand die Legende von Bartuc und Horazon klar vor Augen. Beide hatten versucht, Dämonen zu bändigen und für ihre Zwecke einzusetzen, wobei der eine dabei von jenen korrumpiert worden war und erst in einem blutigen Kampf von seinem Bruder besiegt werden konnte. Maelnar war sich sicher, das konnte jedem geschehen, der sich in diesen Bereich der Magie wagte, da die Dämonen der Hölle hinterlistig und verschlagen waren und man leicht von ihnen getäuscht werden konnte. Maelnar verglich die Macht des Dämons mit der der Beschwörerin. Nun, zumindest hatte sie sich nicht bei der Beschwörung übernommen. Er beschloss, ein Auge auf sie und den Dämon zu haben, und vielleicht würde er die Frau nachher sogar ansprechen.
 
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