Ha...hast du jetzt, was du wolltest?
Gefällt es dir nicht?
...es...es ist furchtbar. Schrecklich!
Schrecklich schön, ja. Siehst du denn nun endlich ein, was ich immer sagte? Fleisch ist schwach. Fleisch muss schwinden. Fleisch ist Vergangenheit.
Aber...nein...das ist...MEIN FLEISCH!
Simons Körper, von Yawgmoth, dem Dämon in ihm, kontrolliert, liegt im Gras unter Bäumen, deren Äste schwer und tief hängen vom Wasser auf ihnen, ein steter Strom fetter Tropfen fällt herab auf ihn. Erneut fließt ein Rinnsal von der Stirn des Gefallenen, und erneut kommt er rot zu Boden. Und ein wenig schwarz.
Schwach hebt Yawgmoth den linken Arm, der immer mehr Simon als ihm gehörte, bis sein Wille obsiegte und den jungen Mann in die gleiche Ecke des Gefängnisses verbannte, die immer er okkupiert hatte, und hält die Hand vor sein Gesicht, in dessen Augen ein Feuer brennt, das er nun nicht mehr versteckt, nicht mehr verstecken muss, vor Niemanden. Es ist eine Reflexion dessen, was gerade passierte...
Hinter der Hand zieht eine Rauchwolke vorbei. Klar sichtbar durch das Loch, das die unerbittlichen Flammen hineingefressen haben, das drei Finger verzehrte, die Muskeln kochte, die Knochen schmolz. Unerträgliche Schmerzen durchzucken den geteilten Körper, und dennoch ist das Husten, das aus der rauchvergifteten Kehle dringt, ein Lachen.
Nein...nein...meine Hand...meine HAND!
Deine Hand? Nur zu gerne! Da, nimm die Kontrolle!
AAAAAAAAAH! Meine Finger! Wo sind sie? WO SIND MEINE FINGER? Warum...warum tut es so weh? Wie hältst du es aus? Wie halte ich es aus? Ich...nein...
Geistiges Schluchzen dringt an Yawgmoths inneres Ohr, und er kichert weiter, das kalte Keuchen durch die Fransen von Haut dringend, die noch von seinen Wangen übrig sind.
Du verstehst es nicht...du willst es nicht begreifen. Schmerz ist Schwäche. Ich bin nicht schwach. Also spüre ich keinen Schmerz. Besser, ich bin mir des Schmerzes bewusst - aber er hat keine Macht über mich. Die Macht bin ich. Sieh her.
Yawgmoth steht auf, wankend, blutend, und ganz leicht verschorfte Wunden reißen wieder auf, als er sich schwer atmend gegen den Baumstamm lehnt.
Wir...wir werden sterben...du Wahnsinniger...
Tod ist wie Schmerz nur für die Schwachen. Willst du sterben?
Oh, Himmel, JA!
Teufel, vergiss es. Der Tod ist mein Sklave.
Du...du bist der Sklave meines Körpers! Diese Hülle wird vergehen, und du mit ihr! Ich halte dich fest, du wirst nicht entkommen und andere quälen, wie du mich zugrunde gerichtet hast!
Oh, ist er nicht süß...jetzt lass dir mal zeigen, warum Feuer die ultimative Reinigungskraft nachgesagt wird.
Die Rüstung, die Yawgmoth aus dem Feuer holte, deren Erlangen ihn fast Alles gekostet hätte, beginnt schon, unter dem steten Fallen des Regens ihre dicke Ascheschicht zu verlieren, und ein leichter Schimmer ist auf ihr. Der einzige rote Edelstein in ihr glitzert im fahlen Licht, und fast scheint es, als würde ein Feuer darin brennen. Er stolpert zu seiner Beute, tief im Keller war sie versteckt, wie er vermutet hatte, worauf er Alles gesetzt hatte...wobei er letztlich jeden Metallgegenstand genommen hätte, und die Chance, irgendetwas zu finden, einen Kerzenständer, mehrere Messer, war groß genug, dass er es wagen konnte, trotz der Flammen in die Tiefe zu laufen, ihnen entgegen, durch sie hindurch, den Schmerz besiegend und - glücklicher Zufall - in den Flammen des lange verschlossenen Schrankes das Schmuckstück findend.
Seine rechte Hand findet das Juwel. Leise flüstert er die Worte, die ihm in den Sinn kamen, als er dort stand, umgeben von Flammen, sein Blut auf der Haut und mit ihr verdampfen spürend, lachend vor Freude, lachend gegen die Qual, lachend, weil er wusste, er würde es schaffen, er würde es immer schaffen. Denn er war Yawgmoth, unbesiegbar, unüberwindbar.
"LumIoSolEth FalOhmUm, JahLoMalGul, VexLoBerJahKo...RalTirTalSol TirEl...HelElVexOrtGul HelKoThulEthFal...JahMalJahSurJahBer...AMN! BER! IST! SOL! SUR!"
Die Erinnerung an das Chaos, den Brand, die Zerstörung bringt die Einsicht: Es ist Stahl, mit der der Tod gehorsam wird. Mein letzter Wunsch: Die EWIGKEIT!
Die Rüstung verflüssigt sich, und das Metall beginnt, an Yawgmoths Arm hochzuwandern, in die Löcher zu rinnen, die das Feuer hinterließ...
Was...was machst du...was machst du MIT MEINEM KÖRPER? WAS?
Sag deinem Körper auf Wiedersehen...es wird Zeit...für Phyresis.
Phyeresis. Wachstum. Fortschritt. Evolution. Die nächste Stufe: Maschinen. Wie er es immer gewusst hatte: Um vollkommen zu werden, um KOMPLETT zu werden, musste er diesen Schritt tun...und er hatte so lange darauf gewartet...
Eine glitzernde Faust schließt sich, als sich die ehemalige Rüstung auf ihr verfestigt. Das liquide Material gleitet weiter, über Brust, Beine...nur Simons Arm, der linke, braucht länger, bis er umschlossen ist. Etwas hält das Metall zurück...stoppt es...gibt nach...stoppt es, näher am Handgelenk
...und gibt auf.
Ein spezielles Geschenk für dich! Weil du Armer das heiße Metall anfassen musstest und darum so viel verlorst, darfst du dafür gerne eine Menge davon zurück haben!
NEIN! Das ist...das ist abscheulich...unnatürlich...das ist...das ist nicht mehr mein Arm! Das ist ein Monster! ICH bin ein Monster! Ich...ich...nein...
Yawgmoths schallendes, rauhes Lachen wird ganz kurz erstickt, als das Metall seine Kehle herabfließt, sich an ihre Innenseite anlagert...dann ertönt es erneut, tief, bedrohlich...vollkommen. Ja. Niemand benötigt Stimmbänder, der Töne maschinell erzeugen kann. Ein kurzes Spucken, und die unbenötigten Organe landen am Boden.
Das Material genügt nicht. Jedoch, es ist ausreichend für einen letzten Akt...
Was sagst du denn dazu?
Ein Metallarm hebt den Edelstein vor Yawgmoths rechtes Auge, und darin spiegelt sich ein Gesicht, das nicht mehr als solches erkennbar ist, ohne Nase, ohne Lippen, ohne Wangen, und ohne linkes Auge.
Bin ich heute nicht großzügig?
Für einen kurzen Augenblick erhält Simon die absolute Kontrolle über seinen Körper zurück, für einen kurzen Augenblick kann er spüren, was Schmerz bedeuten kann: Dass man lebt, dass man IST, und zwar man selbst...und dann wird der spitz facettierte Rubin in den ruinierten Sockel des linken Auges gerammt.
Ein metallischer Schrei reinsten Schmerzes und reinster Verzweiflung erfüllt den Wald, lässt mehr Wasser von den Bäumen tropfen, bis der stärkere Geist die Kontrolle brutal zurückreißt und eine Hand vor den Stein hebt, der jetzt sein linkes Auge ist.
Stacheln dringen aus ihrem Rücken, die Finger sind skelettiert, die Nägel Krallen, die Gelenke glatt, effizient, hautlos...tödlich. In rotem Schimmer stellt sich die Welt dar...
"Perfekt. Perfekt. Perfekt! Die Stimme, die Glieder, die Sicht durch den Stein...mein neues Auge...es ist...vollkommen...nein.
Nein, ist es nicht. Es ist der erste Schritt auf dem Weg in die Komplettierung. Der erste Schritt von vielen. Ha. Hahahahaha!"
Yawgmoth hebt fast zögerlich sein Bein, die Verbrennungen daran vergessen, unter kalter, fester Hülle verschwunden, Zehen zu Klauen geworden. Ein trockener Ast zerbricht unter seinem Tritt.
"Ein erster Schritt."
Waruuuum...
"Weil die Welt nicht stehen bleibt. Ich kann nicht stehen bleiben; die Menschheit kann nicht stehen bleiben. Sieh uns an."
Eine Pfütze spiegelt Yawgmoths Kopf, als er sich darüber beugt. Eine völlig glatte, makellose Metallplatte überzieht sein Gesicht. Kabelhaare wachsen heraus, langsam in der Brise schwingend, bis über die Hüften hängend...doch es ist windstill. Zwei Löcher deuten eine Nase an, wie die eines Totenschädels jedoch selbige eindeutig vermissend. Ein Auge ein rot glühender Edelstein, das andere...menschlich? Nein. Es glüht in roterem Feuer als der Rubin, die Flammen des Wahnsinns darin lodern höher als die, die diesen Körper formten.
Wozu braucht man einen Mund?
"Du könntest sagen, wir haben kein Gesicht...aber das stimmt nicht. Sieh die Schönheit...die Schönheit der klaren Linie...der Asymmetrie..."
Yawgmoths Finger nähert sich der Pfütze...und Wellen zerbrechen seine Vision. Er verharrt knapp über ihnen, dann zieht er ihn langsam zurück.
"...wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
Der Dämon, geheilt und erhöht von dem Metall, das sein schwaches Fleisch ersetzte, geht in Richtung der Ruine der Taverne.
Ich bin ein Monster bin ein Monster bin ein Moooonster...bin...Monster...bin...bin tot...