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Film Rezensions Thread

Naked Lunch



Fear and Loathing in Interzone oder auch Naked Lunch, nur dass besagter Film keine Road Movie Anleihen aufweist und weitaus realitätsferner ausfällt, als Terry Gilliams "Fear and Loathing in Las Vegas". Ein Drogentrip gleicht nunmal nicht jedem anderen, sowie keine Droge der nächsten in Aussehen und Wirkung gleicht. Aber in David Cronenbergs Machwerk wird keine gewöhnliche Rauschsubstanz gespritzt, sondern Kakerlakenvernichtungspulver. Ein ebenso begehrtes Mittel scheint das "Schwarze Fleisch", ein aus riesigen in den brasilianischen Sümpfen lebenden getrockneten und pulverisierten Tausendfüßlern hergestellt, zu sein. Wie es hier zwei diverse Arten von Drogen gibt, bekämpfen sich dort zwei verfeindete Geheimorganisationen. Mitten in diesem Szenario findet sich Bill Lee wieder, ein Kammerjäger, der alsbald von der Polizei aufgesucht wird, um sich der Anklage des Rauschmittelmissbrauchs zu stellen.
Er selbst hatte es erstmals konsumiert, als er seine sich Kakerlakenvernichtungspulver spritzende Frau in einem "literarischem Rausch" vorfindet.
Im Verhörsaal befindet sich gehäuft das galliggelbe Pulver, die Polizisten wollen wissen, wie es wirkt. Irgendwo würden sie schon Kakerlaken finden - so heben sie eine Box auf den Tisch, aus dem prompt ein riesiges Insekt kriecht. Dieses führt Bill in eine Verschwörung ein: ohne sein Wissen sei er bereits seit Jahren ein Agent, ausgebildet um von nun an die Machenschaften einer Organisation namens Interzone auszuspionieren. Interzone ist ein Freihafen im Norden Afrikas, wohin er reisen soll, um all deren Tätigkeiten zu durchleuchten. Währenddessen findet er eine wirksamere Droge als das gelbe Pulver, nämlich das schwarze Fleisch. Weiters soll laut Angaben des Insekts seine Frau auch nicht diejenige sein, die sie vorgibt zu sein.
Bill kommt nach Hause, nichtsahnend, die alte Tradition des Wilhelm Tell Spiels mit seiner Frau Joan fällt diesmal etwas unglimpflich aus: anstatt des Glases auf ihrem Kopf schießt er zwischen ihre Augen. Er muss fliehen...
Es beginnt eine Reise in eine Welt, wie sie realitätsferner nicht sein könnte. Rieseninsekten, die sich als Schreibmaschinen tarnen, auf denen Bill Berichte für seine Organisation schreiben soll, zählen genau so zu den Agenten, wie surreal aussehende, "sexuell ambivalente" Aliens.

So verrückt sich das auch anhört - auf dem Papier klingt es weitaus konventioneller, als es auf Zelloloid tatsächlich gebannt ist.
Regisseure und Drehbuchautoren werden nie müde wilde Drogenfantasien zu verfassen und sie immer surrealer wirkend auf die Leinwände zu bringen. Meist sind die exzellenten Filme dieses Genres "lediglich" Adaptionen von Büchern so namenhafter Autoren wie Hunter S. Thompson (Fear and Loathing in Las Vegas), in diesem Fall William S. Borroughs oder aber auch Jimmy Carrol, dessen Tagebuch in "Jimmy Carrol - In den Straßen von New York" brilliant adaptiert wurde. Aber David Cronenberg hatte sich demgegenüber bereits sehr treffend geäußert: Wolle er ein Buch, wie es tatsächlich ist, verfilmen, müsse er Seite für Seite mit der Kamera einfangen.
Da sich das als äußert langweiliges und mühsames Unterfangen herausstellen würde, sind Bücher stets nur als Inspiration gedacht. Das Gelesene kann man immer und immer wieder anders interpretieren und demnach auch anders verfilmen, so muss man sich stets der Subjektivität des Regisseurs bewusst sein.

Ich habe "Naked Lunch" zwar nicht gelesen, der Film war allerdings ein Genuss.
Surreale Charaktere, die sich in einer wirren Welt voller Unstimmigkeiten und sexueller Ambivalenz wiederfinden. Ob schwul oder hetero ist hier nicht die Frage, alle scheinen sich gegenseitig der physischen Liebe hinzugeben. Das Redeorgan der großen Käfer gleicht einer Vagina, die Auswüche der Magwams einem Phallus, der dazu noch massenhaft klebrige, weiß-durchsichtige berauschendeFlüßigkeit absondert. Die "Obszönitäten" sind stets nur angedeutet, niemals aber ist direkt eine wahrhaftiges Geschlechtsorgan zu sehen.

Der Protagonist, Bill Lee, der von Homosexualität im physischem wie auch im ethischem Sinne höchstgradig angewidert ist, scheint seine Attitüde für die Vollendung seiner Spionagetätigkeit im Laufe des Films zu ändern. Ob nun aus freiem Willen oder bloß aus Tarnung ist der eigenen Wahrnehmung zu überlassen.
Überhaupt ist Identität und Überzeugung ein nicht zu kleines Thema in "Naked Lunch": Bills Frau soll ein gegen ihn ermittelnder Agent und dazu nicht einmal ein Mensch sein, Fadela treibt ebenso ein falsches Spiel, Schreibmaschinen sind eigentlich Insekten, sowie jeder ein Doppelagent sein könnte.

Naked Lunch ist ein Trip sondergleichen - meines Erachtens kein Eskapismus-Streifen wie "Fear and Loathing in Las Vegas", nicht so dreckig und aufwühlend wie "Jimmy Carrol - The Basketball Diaries", sondern mehr dem Spiel von Schein und Sein verschrieben, als der Frage, was nun Realität oder Fiktion ist. So fügt sich Cronenbergs Film mühelos in die Riege der besten Drogenfilme ein.
 
Night of the Living Dead (1968)




George A. Romeros Klassiker beginnt mit zwei Geschwistern auf einem Friedhof. In der Ferne bemerken sie einen augenscheinlich verwirrten, alten Mann, der, bereits um einiges näher gekommen, beide anfällt. Bloß die Schwester kann sich aus seinen Fängen retten und flüchtet in ein großes Haus. Dort begegnet sie anfangs lediglich Ben, der den Zufluchtsort verbarrikadiert. Mit den weiteren Flüchtlingen, die sich im Keller versteckten, schmieden sie nun einen Plan, diesem Haus zu entkommen, um in eine der nächsten Sicherheitszonen zu gelangen. Denn eine gewisse Strahlung hat einen beträchtlichen Anteil der Bevölkerung zu hirnlosen Menschenfressern werden lassen, die nun um das Haus kreisen und jede Minute drohen einzudringen. Nur ein Biss kann die Hausbesetzer selbst in diese Kreaturen verwandeln...

Ein Auftakt in ein neues Genre - nichts Geringeres wird George A. Romeros "Night of the living dead" nachgesagt. Ein Genre, das damals mit etlichen Schockbustern, B bis Z-Movies, die Mägen der Zuschauer strapazierte, da hier mit Freude Gliedmaßen ausgerissen, Innereien gefressen und Kinos überflutet wurden: Splatter, respektive Zombiefilme. Seit einigen Jahren nun wird dieses Genre aufgerollt und geremaked, dass es schmerzt. Neben schön harten und kompromisslosen Streifen wie "Dawn of the Dead" oder "The Hills have Eyes" und dem atmosphärischen "28 Days Later" gibt es auch weniger erfreuliche Ware ("The Hills have Eyes 2") - bis auf die ersten beiden hat zwar keiner die originären Zombies im Repertoire, eher Derivate (Mutanten, Wut-infizierte), aber man will ja nicht kleinlich sein.

Ich muss zugeben: Sehr bewandert bin ich im Zombie- und Splattergefilde ja nicht, kenne und schätze zwar Werke wie "Dawn of the Dead" (2004) und bin geradezu entzückt von "28 Days Later" (ein bisschen weniger von der Fortsetzung), trotzdem war "Night of the living Dead" (1968) mein erster Ausflug in die Sphären der Klassiker der blutgetränkten Streifen.
Im Filmkanon nicht mehr wegzudenken, wollte ich mir unbedingt ein Bild dieses hochgelobten Machwerks verschaffen. Mein Resüme: Mehr als unbefriedigend.

Nicht nur sind die darstellerischen Leistungen ausnahmslos als laienhaft, wenn nicht sogar als lächerlich zu bezeichnen, nein, auch inszenatorisch finde ich "Night of the Living Dead" eher träge. Die Dramaturgie leidet enorm unter der behäbigen Schnittfolge und den auch oft dämlichen Dialogen. Des Weiteren wirken die Zombies unfreiwillig komisch (Mit ist klar, hirnlose Wesen müssen ja dumm agieren, trotzdem kann man die von ihnen ausgehende Bedrohung spannungsreich in Szene setzen!). Von Splatter ist nicht viel zu merken: Der Großteil an blutigen Szenen besteht aus Durchschüssen (roten Flecken an der Kleidung), manchmal, sprich summa summarum 30 Sekunden lang, sieht man Innerein fressende Untote und solche, denen die Haut vom Fleisch hängt. Der Film ist hier durchaus Kind seiner Zeit, in der selbst diese Szenen noch zu schocken wussten, demnach muss ich diesen Kritikpunkt meiner Abgestumpftheit zuschreiben.
Dabei hätte der Film einige gelungene Szenen zu bieten, zum Beispiel als man im Fernsehen den Politiker verfolgenden Presseleuten zusehen darf; die Radiodurchsagen vermitteln einen Hauch von Spannung und Ohnmacht gegenüber der auf die noch nicht vom Hirnschwund betroffene Menschheit prasselnde Bedrohung. Die letzten zehn Minuten, in denen man der sich durchs Land ballernden Widerstandstruppe folgen darf, die einige markante Sprüche ablassen, wissen genau so zu gefallen, wie das erschütternde und hoffnungslose Finale, das auf das typische Happy Ende scheißt.
Trotz dieser Lichtblicke bleibt der Klassiker - diese Rolle muss man dem Film im Zuge des Kanons zugestehen - einfach über weite Strecken langweilig.
 
The Passion of the Christ



Nun muss auch das altgediente Schlachtross an polarisierender Regiekunst in mein von Dilettantismus gezeichnetes Rezensionsrepertoire Einzug halten: Mel Gibsons "The Passion of the Christ". Man muss ja auch mit Rezensionen polarisieren, meine ich, und ja, haltet euch fest - nach meinem Empfinden und x-maligem Schauen dieses Machwerks bin ich schlicht und einfach zu einem Urteil gekommen, einem rein subjektiven: Mel ist ein Künstler, dieser Film sein erhellendes Kunstwerk.

Die Geschichte kennt jeder, ich werde sie nicht wiedergeben. Ein alter Hut mit 2000 Jahre altem Bart. Versteinert. Die Passion Jesu, wie er so gefoltert, gekreuzigt, verehrt und umweint wird. *gähn*

Ich bin bei Gott (haha) nicht gläubig. Ich verdamme den Kreationismus in all seinen Formen, Gott soll der Schule bitte fernbleiben und der heilige Geist - wenns denn sein muss - bitte nur im Religionsunterricht sein Unwesen treiben. Man will sich ja als Agnostiker (obwohl ich mich nicht als solchen bezeichnen würde) keinem Wissen verschließen, auch theologischem nicht. Wissen über Religionen ist wichtig, weil Wissen per se wichtig ist, auch um Gläubige zu verstehen, um die Welt zu verstehen, die ob ihrer kalten Rationalität irgendwie immer religiöser wird. So what. Ich schweife ab.
Nein, ich möchte nur klarstellen, dass ich nicht von der Message von Gibsons Machwerk geblendet bin, sondern von der schieren Brillanz der Bilder, die so voller Schönheit sind, gewaltiger Schönheit, Gewalttätigkeiten, ja, Splatter. Mich hat schon seit jeher das Morbide, Groteske, Ekelhafte, vor Inbrunst nur so schreiende Quälende fasziniert. In The Passion of the Christ wird mir ein Silbertablett mit allerhand netten Ingredentien vor die gierenden Augen kredenzt, geifernd betrachte ich es, und darauf liegt so manch Schauderhaftes: blutige vom Flagellum herausgerissene Haut- und Fleischstücke, literweise Blut-Sand-Melange von den Hängen des Ölbergs, mit Nägeln durchbohrte Armgelenke. Und ein akkurat durchlöchterter Skalp; als geschmacklose Zutat: einzelne Dornen. Yum yum.

Der Score ist über alle Maßen erhaben, untermalt er doch die pathetischten, nach grausigen Details alle Fünfe ableckenden Kameraeinstellungen. Die Gefühle sind so überbordend, das Menschliche und Allzumenschliche so schamlos dargestellt. Da wird geheult, wie es nur die Schloßhunde tun, gejammert, gepredigt, gegutmenschelt. Und wie immer gibt es missgünstige, dunkle Gestalten mit Dämonenfratzen, die unter anderem um den armen Judas kreisen und satanische Kinderlollis zum Besten geben.
Jim Caviezel (auch Jesus) leidet ja so sehr. Er schreit vor Schmerzen auf, schaut immer recht bedröppelt aus der Wäsche, das Blut an seinen Wangen ist meistens schon geronnen, aber darüber strömt immer alsbald schon ein neuer roter Fluß aus Qual und Tränen. Trotzdem, er nimmt es hin wie ein Mann, ne? Eine harte Sau is er. Und für wen lässt er all das über sich ergehen? Für uns Sünder. Märtyrertum ist doch so sexy.

Well, let me say how it is (oder wie der Papst ja nach Genuss dieses Filmes bekanntgab "Es ist, wie es war"): The Passion of the Christ ist geschmacklos, brutal, antisemitisch (Waren nicht alle zur Zeit Jesu in dieser bestimmten Gegend Juden? Na dann...), blutgetränkt, pathetisch bis aufs Mark, tiefergehend betrachtet religiöser Schlonz aus dem Innersten eines Fanatikers, der ein Drehbuch verfilmt, das indirekt von gut zwölf untalentierten, besoffenen Autoren verfasst wurde (zuviele Köche verderben eben den Brei), aber trotzdem sitze ich jedes Mal vor dem Monitor, meine Augen weit aufgerissen, mein Mund offen vor Begeisterung, vollgesabbert, im Schritt nass. Ich kann nicht schlafen. Ich denke darüber nach. Was treibt einen Menschen dazu, solch Wahnsinn auf Zelluloid zu bannen? Ja was nur? Es ist die Lust Filme zu machen, wie sie wenige machen. Filme so gewaltig und spaltend, dass die Massen sich noch über mehrere Dekaden nach Erscheinen krakeelend, empört und angewidert abwenden, oder so wie ich, dankbar sind, ob der Genialität eines Regisseurs, der zwar eine fragliche Botschaft transportiert, oder aber bloß einen Streifen abliefert, der schlicht begeistert.

Achja, Mel...Apokalypso war auch ganz nett.
 
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