So lange man das Fernsehen als das sieht, was es in den meisten Fällen ist, kann man damit leben. Erst wenn das Fernsehen über seine Rolle als Unterhaltungsmedium unberechtigterweise erhoben wird, kann man wirklich von Blödsinn reden.
Es gab / gibt einige Sendungen, welche ernsthaft informieren wollen oder tatsächlich einem künstlerischen Anspruch genügen. Nachrichten, Konzertübertragungen o.ä., Wissensendungen und einzelne andere Formate (kennt noch jemand Hobbythek? Was die Großmutter noch wusste? Die Knoff-Hoff Show?).
Viel zu oft wird aber der berechtigte Erfolg dieser Sendungen kopiert und mit seichtem Inhalt verwässert, ja sogar die ursprünglich gute Richtung pervertiert.
Eine Nachtrichtensendung, welche als Topnews den Erfolg einer hauseigenen Unterhaltungssendung beweihräuchert, kann nicht vollkommen ernst genommen werden. Eine "Wissensendung", welche dem Zuschauer so wichtige Inhalte vermittelt, wie zum Beispiel "ein Elefant kann besser Orangensaft pressen als eine Footballmannschaft oder eine Fahrzeugpresse", ist in meinen Augen kein Wissensmagazin, nicht einmal Infotainment, sondern seichte Unterhaltungssendung. Eine Live-Übertragung eines Rennens mit Werbeblöcken dazwischen ist nur deshalb akzeptiert, weil es gang und gebe ist - aber nicht, weil die zu vermittelnde Information so verhackstückt verträglich wäre.
Im Normalfall ist das Fernsehen aber eben nur Unterhaltung: jegliche Show und jeder Film dient nur zur Zerstreuung und der Kurzweil. Wenn diese Sendungen oder die darin mitspielenden Menschen als bedeutsam und wichtig dargestellt werden, darf man sich getrost an den Kopf fassen oder zumindest auf das wahre Leben verweisen. Ein bis dato Unbekannter wird in zwölf (oder mehr oder weniger?) Sendungen dem Publikum präsentiert, hinter den Kulissen so lange zurecht gebogen, bis er in das Konzept des Senders passt und gilt anschließen als "
der Superstar von Deutschland"? Lachhaft.
Ein für seinen Mittelfinger berühmter Fußballer kann lachen und pupsen wie ein normaler Mensch? Waaaaaaaahnsinnig neu die Erkenntnis.
Profiköche wissen mehr als nur ein einziges Rezept? Erstaunlich.
Der Seifenopernvater wird enttäuscht, weil der Kuss mit der Seriennochehefrau die drohende Scheidung nicht abwendet? Nein, wie tragisch und gleichzeitig bedeutend für unser aller Leben

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Natürlich haben diese Televisionsauswürfe alle (mehr oder weniger) ihre Existenzberechtigung, doch in den meisten Fällen nur als Unterhaltung. Und über den Geschmack, was einem diesbezüglich gefallen darf oder nicht, lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten. So weit es nur um den Geschmack geht, kann Herr Reich-Ranicki gerne darüber lästern, wie er will - im Zweifelsfall soll er es besser machen.
Was aber wirklich mich ärgert (ich glaub' das hab' ich hier irgendwo schon einmal erwähnt), ist die langsame und schleichende Veränderung in den Ansichten der Menschen durch "Unterhaltung", die meiner Meinung nach die falschen Werte als normal und alltäglich uns in die Köpfe hämmert. Keine Sorge, das ist meine Privatmeinung und ich werde nicht als verknöcherter Reaktionär auf die Straße gehen (oder Schlimmeres) und für die gute, alte Zeit wettern; dazu bin ich schon viel zu sehr gefrustet.
Dennoch sollte es zu denken geben, wenn Menschen in diversen Shows einen Seelenstriptease hinlegen, ihre Sorgen und Nöte offenbaren und das breite Publikum zu Hause auf der Couch und am Bügelbrett aus Sensationsgier hinglotzt und dann treudoof sein Mantra "Schau Schatz, ein Glück, dass wir das nicht sind!" / "Jaja, so ist das Leben, was es nicht alles so gibt!" aufsagt, auf dass die gaffenden Voyeure weiter abstumpfen und gleichgültig zur nächsten "exklusiven Sensation" weiterzappen.
Bloß nicht nachdenken
(auf der im startpost verlinkten Seite kam bei mir die Meldung "Bohlen will nicht nachdenken" - irgendwie passend, oder?), bloß nicht auf echte Probleme aufmerksam werden, bloß nicht ein schlechtes Gewissen entwickeln und womöglich selber aktiv werden! Da scheint das Wort „Television“ vom
Wegschauen und nicht vom (bewegte Bilder aus der) Fern(e)sehen abgeleitet worden zu sein.
Noch schrecklicher finde ich, dass es dadurch immer mehr Menschen gibt , die tatsächlich glauben, dass es egal ist, dass die Menschenwürde verletzt wird: „das ist doch im Fernsehen, die machen das doch freiwillig!“.
Das ist für mich kein Blödsinn mehr, das ist einfach [*einer der wenigen Augenblicke, wo mir das richtige Wort fehlt]!
Ich muss gestehen, dass auch ich das Fernsehen hauptsächlich zur gezielten Unterhaltung nutze und nicht zur Weiterbildung (politisch, wissenschaftlich,...).
Hauptsächlich jedoch, weil diese anderen, wenig verbreiteten seriösen Sendungen zu selten sind und weil es mir zu lästig ist, jedes Mal von Neuem zu prüfen, inwieweit hier der Wunsch des Intendanten nach Unterhaltung für die Masse den Inhalt der Sendung beeinflusst hat. Also bleibe ich bei den Spielfilmen und den ein oder zwei Serien, die mir Unterhaltung bieten. Die oben erwähnten Shows oder Soaps oder Infotainments oder sonstige Gehirnweichspülersendungen sind aber bei mir unten durch.
So lange ich die Fiktion von der Realität unterscheiden kann (
alle Menschen müssen
gelbe Haut haben! [*Ironie off]) halte ich das für durchaus akzeptabel.