Eigentlich ist ein weiteres Kapitel bereits am Mittwoch fertig gewesen, aber ich habe es erst jetzt geschafft dieses Kapitel hier nochmal durchzulesen. Deswegen geht es erst heute mit der Geschichte weiter. Ich wünsche, wie immer, viel Spaß.
Kapitel IX
Als sie die Docks erreichten war es bereits spät am Abend.
„Gibt es hier eine Herberge oder ähnliches?“ fragte Eidan.
„Nun, ja, theoretisch schon. Die meisten Händler, die hier anlegen schlafen zwar auf ihren Schiffen, doch wir haben in der Tat zwei Gästezimmer. Bedauerlicherweise sind diese Zimmer sozusagen belegt. Wir erwarten Besuch, der noch in dieser Nacht ankommen kann. Dafür wurden die Zimmer reserviert“, versuchte Raldin zu erklären.
„Mir scheint es als wären wir vom Pech verfolgt“, sagte Teera.
„Naja, ihr habt immerhin mich getroffen. Wäre das nicht passiert, würdet ihr jetzt immer noch im Dschungel umherirren“, gab Raldin zu bedenken.
„Ja, ihr habt Recht. Und im Vergleich zum Dschungel ist eine Stadt vermutlich sogar der sicherere Schlafplatz“, erwiderte Teera.
„Wenn ihr wollt, dann könnt ihr in meinem Haus auf dem Boden schlafen. Dann habt ihr wenigstens ein Dach über dem Kopf“, sagte der Eisenwolf.
Teera und Eidan entschieden sich das Anebot anzunehmen. Raldin führte sie zu sich nach Hause. Sein Haus war komplett aus Holz und bestand eigentlich nur aus zwei Räumen. Im Raum in dem sie standen, nachdem sie das Haus betreten hatten, befand sich ein Tisch, vier Stühle, eine Feuerstelle, auf der Raldin kochen konnte und ein Regal, welches mit Lebensmitteln befüllt war. Im angrenzenden Zimmer befanden sich lediglich ein Bett und ein Schrank.
Da das Gasthaus zu so später Stunde meist mit betrunkenen Seeleuten überfüllt ist, entschloss sich Raldin selber etwas zu kochen. Leider beschränkten sich seine Kochkünste auf die Zubereitung diverser Suppen. Als er mit dem Kochen fertig war, bemerkten Teera und Eidan, dass Raldin es zwar in der Beherrschung des Gletschernadel-Zaubers weit gebracht hatte, aber seine Fertigkeiten im Kochen noch sehr steigerungsfähig waren. Trotzdem aßen sie die Suppe ohne ein Wort zu sagen. Nicht nur, dass es unhöflich gewesen wäre, ihr Hunger war nach dem spärlichen Essen der letzten zwei Tage auch recht groß. Nach dem Essen bekamen sie von Raldin zwei Decken, legten sich in der Küche auf den Boden und schliefen ein.
Am nächsten Morgen wachten sie durch das Schließen der Eingangstür auf. Allerdings hatte niemand das Haus verlassen, sondern betreten. Sie hatten offensichtlich nicht gehört, dass Raldin das Haus verlassen hatte, denn nun stand er mit einem Brot in der Hand in der Küche, welches er soeben gekauft hatte.
„Guten Morgen. Es tut mir Leid euch das mitteilen zu müssen, aber ihr habt euch eure Rücken völlig umsonst ruiniert. Die Gäste, die wir erwartet hatte, sind heute Nacht nicht eingetroffen. Wir vermuten, dass sie erst im Laufe des heutigen Tages ankommen“, sagte Raldin grinsend zur Begrüßung.
Beim Frühstück fragte Raldin schließlich: „Wo wollt ihr jetzt eigentlich hin?“
„Wir wollen in den Westen. Nach Lut Gholein um genau zu sein“, antwortete Teera.
„Ihr braucht ein Schiff, wenn ihr nach Lut Gholein wollt. Ich glaube Hakan wollte noch heute aufbrechen. Geht doch einfach mal zu den Schiffen und fragt nach Hakan. Vielleicht nimmt der euch mit“, schlug Raldin vor.
Es klopfte an der Tür. Raldin stand auf und öffnete sie. Draußen stand ein Mann, der die gleiche Rüstung trug, die auch Raldin besaß. Offensichtlich gehörte der Mann ebenfalls zu den Eisenwölfen.
„Sei gegrüßt Raldin. Natalya ist soeben eingetroffen. Wir erwarten dich bei Hratli zur Begrüßung“, sagte der Mann.
„Danke für die Nachricht, Ajheed, ich lege meine Rüstung an und komme dann“, antwortete Raldin und schloss die Tür.
„Wer ist diese Natalya? Sie scheint wichtig zu sein“, fragte Eidan.
„Sie ist nicht mächtig oder soetwas. Aber sie ist ein gern gesehener Gast. Das erste Mal tauchte sie vor etwa zwanzig Jahren hier auf. Damals, zur Zeit des Kampfes gegen die drei großen Übel hatte sie irgendeinen Auftrag von ihrem Orden und wartete hier auf neue Anweisungen. Seitdem kommt sie immer wieder. Seit einigen Jahren bringt sie auch ihre Schülerin mit“, erklärte Raldin während er sich im Nebenzimmer ausrüstete.
„In welchem Orden ist sie denn?“, fragte Teera beiläufig.
„Sie ist eine Assassine“, antwortete Raldin.
Teera und Eidan wurden schlagartig bleich.
„Wollt ihr mitkommen und sie kennenlernen?“, fragte ihr Gastgeber.
„Nein“, antwortete Teera schnell, „Wir müssen Hakan suchen, damit er nicht ohne uns nach Lut Gholein fährt.“
„Ach so, ich verstehe“, erwiderte Raldin, der inzwischen seine Rüstung angelegt hatte.
Teera und Eidan packten schnell ihre Sachen zusammen, verabschiedeten sich von Raldin und dankten ihm mehrfach für seine Gastfreundschaft.
Dann verließen sie das Haus in Richtung Schiffe. Sie gingen so schnell es möglich war ohne aufzufallen und ohne in Gefahr zu laufen von den schmalen Holzstegen, die die einzelnen Steininseln der Docks miteinander verbunden, zu rutschen und ins Wasser zu fallen.
Bei den Schiffen war jede Menge Betrieb. Ein großer Zweimaster wurde grade mit ein paar letzten Waren beladen. Ein stämmiger, bärtiger Mann stand wild gestikulierend und pausenlos Anweisungen brüllend an Deck und überwachte die Arbeiten. Er hatte dunkle Haut, trug ein himmelblaues Gewand und einen Turban auf dem Kopf.
„Verzeihung“, rief Teera zu ihm hinauf, „wir suchen Hakan, wisst ihr, wo wir ihn finden können?“
„Wer will das wissen?“, fragte der Mann.
„Wir suchen eine Mitfahrgelegenheit nach Lut Gholein und haben gehört, dass Hakan dorthin fährt“, rief Teera.
„Das ist richtig“, antwortete der Mann, „Ich bin Hakan. Habt ihr Geld um die Überfahrt zu bezahlen?“
Teera und Eidan hatten natürlich kein Geld. Sie hatten bisher auch noch keins gebraucht, schließlich waren sie bei den Vizjerei kostenlos verpflegt worden und hatten dort auch einen kostenlosen Schlafplatz gehabt.
„Nein“, antwortete Teera.
„Könnt ihr sonst irgendetwas, was mir Vorteile bringt?“ fragte Hakan nach.
„Wir beherrschen Magie, aber sonst haben wir keine besondere Begabung“, antwortete Teera.
Hakans Augen fingen an zu leuchten.
„So so, Zauberer also, ihr könntet uns bei einem Piratenangriff von Nutzen sein. Willkommen an Bord“, rief er hinunter.
Teera und Eidan gingen an Bord und Hakan gab den Befehl abzulegen.
„Danke, dass ihr uns mitnehmt“, sagte Eidan.
„Ja ja, schon gut, ich hoffe ihr beiden werdet uns bei einem Angriff von Nutzen sein“, sagte Hakan, „Wie heißt ihr überhaupt?“
„Das ist Eidan und ich bin Teera“, antwortete Teera.
„Hmm. Komische Namen. Egal. Sobald wir auf dem offenen Meer sind, wird euch mein erster Offizier eure Kabinen zeigen. Solange wartet ihr hier und rührt euch nicht von der Stelle“, sagte Hakan und gab weitere Kommandos.
Sie legten ab und fuhren in Richtung Horizont. Als sie einige hundert Meter von den Docks entfernt waren, blickten Eidan und Teera zur Anlegestelle zurück. Dort stand regungslos eine junge Frau mit kurzen dunklen Haaren. Sie war ganz in schwarzem Leder gekleidet und starrte dem Schiff hinterher.