Verzeihung, ich bin gerade etwas krank und habe das Kapitel nicht ganz in einer Woche geschafft. Deshalb hier schon einmal ein Großteil, Rest wird nachgereicht.
Ich hoffe, ich habe mich etwas gebessert!
II Die letzte Order
Die Flamme auf dem Altar verbreitete den Duft, der den Tod brachte. Der Rauch schloss den gesamten Tempelraum ein, trennte ihn ab von dem Dorf, dem Dschungel und den Mooren. Maro hielt die Hände gefaltet, die Beine auf dem Meditationskissen gekreuzt. Die Gesichter der anderen Akolythen verschwammen hinter der Wand aus Rauch. Die Dämpfe brannten in seiner Nase, sogar auf seiner Haut, doch er rührte keinen Muskel. Manche Jungen wiegte das Gift der schwarzen Yata-Pflanze in ewigen Schlaf. Ihn nicht. Er würde leben.
Die Schädelfratzen an den Wänden starrten auf ihn hinab. Durch die vor Hitze zitternde Luft verzerrten sich ihre Mienen, als würden sie lächeln.
Schweißtropfen rannen durch seine Augenbrauen hindurch und in die Augen. Er schloss sie nicht. Der Schweiß brannte kaum mehr darin als die Dämpfe der verbrennenden Pflanzen.
Das Gleichgewicht halten. Zu sehr den Geist vom Körper lösen, und beide würden nie mehr zueinander finden, getrennt durch die Wand des tödlichen Dufts. Zu sehr den Geist von den Schmerzen ablenken lassen, und er würde den Moment nicht wahrnehmen können, auf den er zusammen mit den dreizehn Jungen wartete.
Ein Luftzug strich über ihn und schickte einen Schauer wie ein eiskaltes Rinnsal seinen Rücken hinab. Die Flamme in der Altarschale wand sich und zitterte, schließlich drückte der Wind sie zur Seite und erstickte sie. Maro hielt den Atem an. Endlich.
Nur noch das Licht der Dämmerung erhellte den Raum. Die Stunde zwischen Nacht und Tag – wann sonst hätte es geschehen können?
Schritte tappten die Treppe hinunter zu ihm. Da war plötzlich ein anderer Duft neben dem bitteren der Pflanzen. Ein süßer, der sich ihm in die Glieder senkte und die Anspannung löste.
Nicht einmal mehr den eigenen Atem hörte er. Nur die Schritte.
Barfuß ging die Göttin an ihm vorüber. Ihr wehte ein Schleier nach, schwarz wie der Nachthimmel, und ihre Haare tanzten in der Luft, als gäbe es keine Schwerkraft.
Sie beugte sich zu dem Jungen neben ihm hinab und nahm sein Gesicht in ihre Hände. Die Arme sackten ihm herab, und der Kopf fiel auf die Brust. Er hatte es nicht geschafft.
Die Göttin ging zum nächsten, und der Rauch verschluckte sie.
Er würde der letzte sein, den sie prüfte. Sechs würden nicht bestehen, Sieben die Weihe erhalten. Wenn sie sechsen vor ihm die Augen für immer schloss, dann durfte er leben.
Aber der Rauch verbarg, was mit den Jungen geschah. Tod oder Leben. Er ließ sich hineinfallen in den süßen Duft, den die Göttin gebracht hatte.
Die Schleier tanzten ihr voran, und sie trat vor ihn. Ihre Haut war wie geschnitzt aus Elfenbein, und in ihren Augen funkelte ein Meer. An den Fingern, mit dem sie ihm über die Wangen strich, funkelten die Nägel wie Kristalle. Sie lächelte. Sein Herz wollte schneller schlagen, doch das Gift der Yata betäubte es. Er verstand. Tod oder Leben, Leben oder Tod. Kein Unterschied. Was sie ihm bringen würde, würde er hinnehmen. Das Lächeln und die silbernen Lippen konnte er nicht behalten. Egal, was geschah.
Sie löste ihre Berührung, und er fühlte etwas aus sich herausgerissen. Tränen sickerten ihm in die Mundwinkel. Ihr Gesicht tauchte in den Rauch zurück, noch immer das Lächeln darauf.
Nein, dachte er. Keine Bewegung wollte in seine Arme, Hände, Finger. Er saß auf dem Meditationskissen und starrte in die graue Dunkelheit des Raumes, und eine schwarze Schwere griff nach seinem Geist und zog ihn hinab.
„Hoch mit dir“, sagte eine Stimme in der Ferne. Dann rüttelten Hände an seinen Schultern. Er öffnete die Augen, und die Sonne blendete ihn. Sie schien durch den Tempeleingang herein und spiegelte sich auf dem blanken Obsidianboden.
Am Altar lehnte Maester Varn und vertrieb mit den Händen die letzten Schwaden des Rauchs.
„Anderen Jungen bleibt wegen der Prüfung beinahe das Herz stehen, und du schläfst danach einfach ein.“
Ein Lachen schüttelte die Brust des Mannes, und seine weiße Mähne schüttelte sich mit.
Maro rieb sich den Kopf – ein leichtes Dröhnen war noch geblieben. Eine Sekunde lang zuckte ein Bild vor seinem Auge umher. Die Lippen aus Silber und die Haut aus Elfenbein.
„Wohin ist sie, Maester?“, fragte er.
„Die Göttin?“
Er nickte, und in seinem Schädel rumorte es.
„Sie ist nie hier gewesen. Müsstet ihr euch sonst den Dämpfen der schwarzen Yata aussetzen, um sie erblicken zu können?“
Natürlich nicht. Nur im Traum des Rauschs konnten die Nekromanten von Evra ihrer Göttin begegnen, die ihnen ihre Kraft gab.
Varn half ihm, sich aufzurichten.
„Du bist als Letzter ausgewählt worden, Maro. Es hat sich an Coren entschieden, der neben dir saß. Die Göttin hat lange vor ihm gestanden, und entweder hätte er zusammensinken müssen oder du.“
„Coren?“, fragte Maro. Der Fischerssohn mit dem flachsblonden Haar, der ihn nach der Prüfung mit auf eine Fahrt den Fluss hinunter hatte nehmen wollen, ins Herz des Dschungels.
Aber auch Coren hatte die Göttin gesehen und gespürt. Schauer krochen über Maros Arme, und Varn musste ihn festhalten, damit er nicht einknickte. Das Antlitz blitzte wieder vor ihm auf, und das Herz pochte ihm in der Brust. Sie war keines von den Mädchen mit der erdfarbenen Haut, die hier im Dorf wohnten und Körbe flochten oder Spinnenseide sponnen.
„Er hat gewusst, worauf er sich einließ, wie ihr alle. Gerade du solltest nicht an die Opfer der letzten Nacht denken. Es ist Morgen, und das Fest hat längst begonnen. Dein Fest.“
Maro fühlte einen Klaps auf den Rücken, Varns Hände ließen ihn los. Bis zu den Treppenstufen kam er, dann musste er sich wieder abstützen. Die Reihentänze und die meterlange Tafel dachte, die sich jedes Jahr aufs Neue auf dem Marktplatz ausbreitete... Es murmelte ungut in seinem Magen.
„Evra“, sagte er, „wann sehen wir sie wieder?“
Varn lachte und erklomm die Treppe neben ihm.
„Nicht alle können sich damit anfreunden, ein Leben lang einer Wesenheit zu dienen, die sie nur ein Mal, am Tag ihrer Initiation, sehen.“ In den Blick des alten Nekromanten trat etwas, das so hart war wie seine Züge. „Aber nun hat sie euch ihre Kraft verliehen.“
Die Kraft, Leben zu verleihen, wo es keines gab... Die Golems, die sie bisher nur aus der Kontrolle der Maester übernommen und dann selbst gelenkt hatten, würden sie jetzt selbst mit dem Funken des Lebendigen füllen können. Und mehr.
Doch das zählte nicht. Nichts davon.
„Was wäre, wenn wir sie rufen?“
Wieder ließ ein Lachen die Brust des Maesters erbeben.
„Sie rufen? Wie du einen gezähmten Paradiesvogel zu dir rufst? Stell dir vor, was geschehen würde, wenn wir sie und ihre Geschwister einfach auf die Erde holen könnten. Irgendjemand käme sicher auf die Idee, den Herrn der Zerstörung, den des Schreckens, oder die Herrin der Schmerzen in seine Hütte zu rufen.“
„Ich könnte bei der Initiation im nächsten Jahr wieder teilnehmen“, sagte Maro leise. Auch, wenn er dabei sterben würde. Ein Mal hätte er sie dann noch gesehen.
„Du sprichst wirr. Das ist nur die Nachwirkung des Giftes. Gib dir eine halbe Stunde, und dein Körper ist damit fertig geworden.“
In Maros Bauch brodelte die Wut.
„Das ist er längst, Maester.“
„Dafür torkelst du noch wie ein Betrunkener und redest ziemlichen Unsinn.“
Maro drehte sich zu Varn um und funkelte ihn an, doch der schob ihn nur die letzten Treppenstufen hinauf.
Wie hätte er erwarten können, dass der uralte Mann verstand. Längst musste er das Antlitz der Göttin vergessen haben. Ihm würde das nicht passieren, nie in seinem ganzen Leben.
„Die Nacht der Geister und des Todes ist vorüber“, sagte Varn, „vielleicht findet das endlich Einlass in deinen Schädel, wenn du das geschmückte Dorf gesehen hast.“
Viele Male hatte er das Dorf gesehen, wie es zu der Initiation der Nekromantengenerationen vor ihm in Licht und Farben gehüllt worden war. Doch diesmal strahlten die Straßen, als hätte sich aller Glanz und alles Licht für ein letztes Fest versammelt. Für ihn würde es das auch sein.
Während er mit Varn über die Stege ging, streuten Mädchen aus Körben rote Blütenblätter auf den Weg. Ein einziger Teppich aus rubinroter Farbe streckte sich über die Sümpfe hin, führte vom Tempel der Evra bis hin zum Marktplatz.
Der Blumenduft kam nicht an gegen den süßlichen Geruch des Moors. Aber
kein Duft würde je ankommen gegen den, den die Göttin in den Tempel gebracht hatte. Eine Gänsehaut kroch ihm über die Arme.
Varn grinste ihm aus seinem rauen Gesicht zu, dann bog er an einer Abzweigung ab und brach aus dem Blütenblätterteppich aus. „Das Leben kehrt schon noch in dich zurück, wenn du erst eine Weile bei deinen Schurken gesessen hast.“
Maro sah ihm nicht nach. Er spürte die Blicke der Blumenmädchen auf sich und drehte sich zu ihnen um. Sie lächelten ihn an, aber er schaffte es nicht, das Lächeln zu erwidern. Krauses Haar trugen sie, und die Sonne hatte schon die Haut ihrer Gesichter verbrannt. Mit der Göttin würde das nie geschehen.
Schon von weitem schallte die Musik zu ihm herüber. Vom Marktplatz her leuchteten ihm Girlanden entgegen, die zwischen den leeren Ständen gespannt worden waren. Lampions aus gefärbtem Papyrus warfen ihr Licht auf den Platz wie bunte Sterne. Wo das Sonnenlicht durch die Bäume brach, leuchtete selbst der Sumpf wie Bronze. Am Ende der Blütenspur standen Alan und Zered und winkten ihm zu. Die beiden hatten es also auch geschafft.
„Ich dachte schon, die Göttin hätte ihre Gewohnheit geändert und diesmal Sieben mitgenommen!“, rief Alan ihm zu.
Vielleicht wäre es nicht das Schlechteste gewesen.
Zered, der feiste Junge mit dem Bartflaum, begrüßte Maro mit Handschlag und nahm ihn mit zu der Tafel in der Mitte des Platzes. Blaue Blütenkelche umkränzten die Suppentöpfe, Teller mit Mangotorte und Bretter voller gerösteter Affenschenkel.
„Aber sechs hat sie...“, begann Maro.
Zered reichte ihm einen Teller und häufte ihm Bananenmuß und Sahnefruchtbeutel darauf. „...und sieben nicht! Da sind kandierte Früchte drin, musst du probiert haben!“ Für sich selbst nahm Zered die doppelte Portion, obwohl sich noch die Ränder von Tortenstücken auf seinem Teller sammelten.
Wieder grummelte es in Maros Magen.
Seine Portion konnte Zered auch noch gleich haben...
Alan stieß ihn mit dem Ellenbogen an. „Die Zwillinge sind auch durchgekommen.“
Einige Plätze neben ihm erkannte er die Beiden mit den schulterlangen Haarschöpfen, die sie kämmen konnten, wie sie wollten, und doch immer wie das Spiegelbild des anderen aussahen. Alan öffnete den Mund wieder, doch Maro schnitt ihm das Wort ab.
„Wie war das, als du sie gesehen hast? Die Göttin.“
Sollte die Prüfung bestanden haben, wer wollte. Alles nach dem Moment, in dem die Göttin entschieden hatte, konnte ihm gestohlen bleiben.
Alan wurde ernst. Er beugte sich zu Maro und sprach erst, als er sich versichert hatte, dass Zered sich mit seinem Bananenmuß beschäftigte.
„Was meinst du, wieso ich selbst fast so spät bei dem Fest war wie du? Eine neue Hose habe ich von zu Hause holen müssen. Ich erzähl es dir. Ich weiß, dass du nicht herumschwatzt...“ Er verzog das Gesicht, als ob ihm ein Schmerz hineinführe. „Weil ich mir in die Hosen gepisst habe.“
„In die...“ Maro runzelte die Stirn.
„Das war zwischen Leben und Tod, Mann. Sie hat Wigald neben mir geholt. Er ist zusammengesunken, als hätte ihm jemand die Luft rausgelassen. Einen ziemlich langen Moment habe ich gedacht, mir lässt sie auch die Luft raus.“
Kopfschüttelnd drehte sich Maro weg. Wie überflüssig, Angst vor diesem Tod zu haben.
„Das meine ich nicht. Du hast sie doch gesehen...“
„Oh ja. Ein Schreckgespenst in Frauengestalt.“
Ein heißer Fluss brauste durch Maros Brust, und als er sich fasste, sah er seine Faust in Alans Kragen gekrallt. Der Junge starrte ihn aus weit geöffneten Augen an.
„Alles klar da drüben?“, fragte Zered, Affenschenkel in beiden Händen.
Alan hob abwehrend die Arme. „War ein bisschen viel, oder?“
Schwer atmend lockerte Maro den Griff.
Nicht den winzigsten Schimmer hatte Alan.
„Ja, etwas viel“, sagte er leise.
Zered rutschte auf der Bank ein Stück nach vorn und legte die Arme auf der Bank ab. „Tob dich lieber woanders aus. Wir sind heute die Könige!“ Sein Blick ging in Richtung der Mädchen, die Blumen in den Haare geflochten trugen und zur Tafel herüberschielten. „Die spekulieren doch auf uns!“
Wie ein König fühlte er sich nicht. Könige mussten nicht mit diesem Zerren und Ziehen im Herzen kämpfen wie er es tat. Wahrscheinlich jedenfalls.
„Na los“, sagte Alan und erhob sich.
Maro schob einen Mundwinkel hoch. „Wusste ich doch, dass du da der erste bist, der aufspringt.“ Aber seine Gedanken hingen anderswo.
Während Alan sich einen Weg zu den Mädchen kämpfte, durch Tanzpaare und Köchinnen mit neuen Fleischplatten, deutete Zered auf Maros gefüllten Teller.
„Du solltest zumindest die Beutel versuchen.“
„Ich bin schon satt.“
Satt
gesehen hatte er sich vielleicht, wenn das ging. Wenn überhaupt. Eigentlich... Nein, er würde sein Leben geben, um sie noch einmal zu sehen.
Wann immer er die Musik, die Farben und die süßen Gerüche des Fests ausblendete und in sich horchte, fasste er nur in Leere hinein.
„Schon satt, ja? Geschickt stellst du das an, wo du doch noch keinen Bissen genommen hast“, sagte Zered. Maro nickte nur.
Alan kam mit zwei Mädchen wieder, und Maro ließ sich zu einem Tanz überreden. Er erkannte das Mädchen, das die Blüten auf den Stegen verstreut hatte und nun selbst einige in die Haare geflochten trug. Sie lächelte schüchtern und zog ihn auf den Tanzplatz um das große Feuer. Aber er tanzte weniger, als dass er sich umherziehen ließ, und das Lied der Mandolinenspieler klang in seinen Ohren schief und falsch. Alan tanzte an ihm vorüber und führte eine Schönheit mit hochgesteckten, feuerroten Haaren. Vielleicht hätte er so etwas wie Neid empfinden sollen. Aber wenn er Alans Tanzpartnerin und dann seine ansah, erinnerten ihn beide gleichermaßen mit ihrer Hautfarbe an den Sumpf.
Die Kleine mit den krausen Haaren sah ihn traurig an. „Du musst dich nicht... von mir umherschleifen lassen“, flüsterte sie und schlug die Augen nieder.
Über ihren Schultern erhob sich in der Ferne der Tempelturm. Schwarz wie mit Pech bestrichen stand er neben der Sonne. Die Treppenstufen, die von unten bis zum Gipfelpunkt führten, ließen ihn an eines der Ziggurats aus den Ruinenstädten erinnern. Und an noch etwas anderes erinnerte er. Beim Blick auf das Mädchen mit der sonnengebräunten Haut und den von der Arbeit schwieligen Fingern musste er das Gesicht vor Ekel verziehen.
Wie hatte er all die Jahre die Mädchen ansehen können und nicht bemerken können, dass sie sich so unterschieden von dem, was das Schöne war – was die Göttin in sich hatte?
Alan hatte es noch nicht bemerkt. Er drehte sich noch immer auf der Tanzfläche mit der Rothaarigen zu einem neuen Festlied, das die Musikanten angestimmt hatten.
„Gut, das zu wissen“, sagte Maro und löste die Finger, die seine Hände umschlangen.
Augenblicklich bahnte er sich seinen Weg durch die Menge, den Tempel vor Augen. Wenn das Mädchen ihm noch etwas nachrief, ging es unter im Gewirr der Stimmen und dem Klang der Fideln um ihn. Er tauchte unter den Girlanden hindurch und schlüpfte durch einen Lücke zwischen zwei Ständen, um wieder auf die blütenbedeckten Stege zu kommen. Längst hatten viele eilige Füße die rote Decke fast gänzlich in den Sumpf gefegt, aber das Dröhnen des Festes begleitete ihn auf seinem Weg.
Er musste zurück. Auch, wenn er vielleicht nichts finden mochte. Schließlich wusste er nicht einmal genau, was er suchte.
Noch eine Biegung trennte ihn vom Eingang des Tempels, da trat aus dem Dämmerlicht eine Gestalt.
„Schon genug?“, fragte die Stimme Varns, und durch die Lederrüstung zeichneten sich die sehnigen Glieder des Maesters ab.
„Hatte ich schon, bevor ich auf dem Fest aufgetaucht bin.“
„Dann führt dein Weg dich jetzt...“
Maro fühlte sich ertappt. Als könnte all der Zauber zerstört werden, wenn er sein Ziel verriet. Aber vor ihm stand ein Maester, an dem jede Lüge ein Verrat war.
„Der Tempel“, sagte Maro. „Dorthin will ich.“
„Das trifft sich, denn in den Tempel wollte auch ich mit dir.“
Er fixierte den Alten eine Sekunde lang, dann setzte er sich in Bewegung. Die Schritte des Maesters ließen hinter ihm das Holz knarren.
Darauf hätte er verzichten können. Noch eine Lektion?
Der Tempel lag stumm und finster da, wie zuvor. Ein leichtes Kribbeln lief ihm Maro über die Hände.
Irgendetwas musste geschehen, wenn er zurückkehrte. Irgendetwas.
Er trat in den Innenraum.
Von den Wänden starrten die Schädelfratzen zu ihm, und in der Luft hing noch ein Hauch des Yata-Dufts. Nicht mehr genug, um die Halluzinationen auszulösen oder dem Körper mit Lähmungen gefährlich zu werden. Er fluchte innerlich. Die Meditationskissen lagen an ihren Plätzen, und in der Bronzeschale auf dem Altar häufte sich die dunkle Asche. Die Präsenz des Maesters lag ihm wie eine Gewitterfront im Nacken.
Wäre er allein gewesen... Er hätte alle Kissen umgedreht, die Schale ausgeschüttet und den Altar umgeworfen. Irgendwo. Irgendetwas! Aber so war es nur der Raum, in dem sie jahrelang die Formeln geübt, auf Tierhaut gezeichnet und nachgesprochen hatten.
„Die Treppe gegenüber“, sagte Varn.
„Der Duellplatz?“
Maro sah sich noch einmal zu allen Seiten um, dann erklomm er die Stufen und trat wieder ins Freie. Die Plattform, die sich über den Sumpf hob, mochte an die zwanzig Schritt messen, nach außen begrenzt durch Reihen von steinernen Speeren. „Wollt Ihr mich fordern, Maester?“
Varn kam die Treppe hinauf und stellte sich ihm gegenüber. „Nicht ganz. Aber es kann sein, dass du auf dumme Gedanken kommst. Du wärst nicht der erste junge Nekromant.“
„Sobald ich auf dumme Gedanken komme, gebe ich Bescheid.“
Varn reagierte nicht auf ihn, sondern löste von seinem Gürtel eine schmale Lederscheide. Mit einem Schwung warf er sie Maro zu. Das geschwärzte Leder lag kalt in seiner Hand. Der Griff der Waffe darin trug Verzierungen aus Obsidianstein, die sich um das Metall wanden wie eine Schlange.
Der Dolch der Initiierten. Er hatte es gewusst. Eine gezackte Klinge kam zum Vorschein, und das bleiche Material ließ keinen Zweifel. Knochen.
Er hielt sich den Dolch vor das Gesicht.
„Das soll mich von dummen Gedanken abhalten?“
„Auch ich habe damals nur Spott gehabt für die Wege der Alten. Aber es gab etwas, das mir die Augen geöffnet hat.“
Maester Varn öffnete eine behandschuhte Faust und streckte sie in Richtung des Dschungels. Hinter der Plattform lagen nur die tausend Inseln des Moors.
Plötzlich ging ein warmer Wind über die Tempelstätte. Aber er wehte in die Richtung, in die der Maester mit dem Arm wies. Als käme der Wind aus dem Innern des Tempels.
Aus den Tiefen des Dschungels drangen die Laute und Gerüche zu ihm. Das Surren von Stechmücken umgab ihn, so laut, als umschwirrten Schwärme von Insekten ihn. Der Geruch des Moors nach Verfall und der Süße von Kadavern hüllte ihn ein, und zwischen den Palmenstämmen der Dschungelwand keckerten und gurrten und grunzten die Affen, die Warane, und was sich noch im Unterholz verstecken mochte. Der Dschungel verschluckte die letzten Mandolinenklänge und Freudenrufe vom Fest, das die Menschen feierten.
Varns Augen stierten in seine, und an den Schläfen pulsten die Adern. Maros Schweiß nässte ihm die Weste. Eine unsichtbare Macht füllte das ganze Tempelareal und drückte von allen Seiten gegen ihn. Die Wege der Alten, die nicht nur Schlamm und Knochen beleben konnten?
„Du hast die Macht des Lebens und des Todes in dir, und dein Dolch gestattet dir, sie zu nutzen. Aber nur
dafür.“
Dafür?
Maro wollte sich Ohren und Nase verschließen vor den Dämpfen, die ihn kaum atmen ließen, und den Rufen und Schreien, die in seinen Ohren hämmerten. Aber Varn sah zu, und wenn es eines gab, das der alte Maester nicht duldete, dann war es Schwäche.
Da schlug der warme Wind um, wechselte die Richtung, und ein kalter Zug kam hinzu, der Maro frösteln ließ. Etwas, das sich nicht greifen ließ, fuhr wie ein Messer in den Brodem aus Sumpfgestank und schrillen Tierstimmen. Die Luft verlor jeglichen Geruch. Maro rang nach Atem. Er atmete, aber nichts füllte seine Lungen. Die Affen und Warane in der Ferne verstummten, als hätte sich eine Decke über sie gebreitet. Seine Luftröhre verkrampfte sich, und er ging auf die Knie. Nicht ein Laut mehr verriet den Dschungel um ihn. Das Dickicht der Palmen stand noch immer da, und noch immer segelten die grünen Farbtupfer der Papageien umher. Doch dann fielen ihm die Augen zu, und nicht ein einziges Geräusch verriet ihm, dass es noch eine Welt hinter der Schwärze vor seinen Lidern gab.
Ohne Ankündigung endete der Spuk.
Luft drang in seine Lungen, der Knochendolch klirrte auf den Obsidianstein.
Varn kam langsam auf ihn zu. In der Ferne des Dschungels hinter ihm rauschten die Laute der Tiere ineinander. So weit entfernt, dass Maro sie nicht mehr auseinanderhalten konnte.
„Verstehst du es?“, fragte Varn. In Maros Brust regte sich nur eine kleine Flamme. Aber sie loderte hoch.
Der Maester fing den Fausthieb auf sein Gesicht mit dem Unterarm ab.
„Verstehen? Ihr habt es Euch
doch anders überlegt und wolltet mich umbringen, das habe ich verstanden.“
Maro drückte den Arm in einer zwecklosen Anstrengung gegen den des Älteren.
„Schade. Hättest du die Augen geöffnet, hättest du es bemerkt.“
Maro ließ die Anstrengung sein und atmete wieder gleichmäßig, aber immer noch krallte er seine Blicke in die Varns.
„Dass Ihr Macht über die Tiere und die Winde habt?“
„Die habe ich nicht. Nur über Leben und Tod, wie du. Über das Gleichgewicht. Ein Übermaß an Leben ist laut und leidig, es betäubt dir die Sinne. Ein Übermaß an Tod macht die Erde öde und freudlos. Kein Ort, an dem du noch leben willst oder kannst.“
„Ohne Euer Zutun hätte es kein Übermaß gegeben“, murmelte Maro. Er steckte den Dolch wieder zurück in die Scheide, da packte Varn sein Handgelenk.
„Ja, richtig. Dazu können wir unsere Kräfte nutzen. Doch wir sind Hüter des Gleichgewichts. Evras Diener. Unsere Kräfte sollen nur dazu dienen, die Welt aufrecht auf dem schmalen Grat zu halten, der sie zwischen Leben und Tod hält.“
„Also muss ich nur das vermeiden, was Ihr eben getan habt.“
Varn ließ ihn los und lachte schallend. Wieder stieg die Wut in Maro auf.
Konnte der Maester ihn nicht hassen und verachten für seine Worte?
Er steckte sich die Scheide in den Gürtel und stand auf.
„Ein guter Anfang. Deshalb habe ich es dir gezeigt. Du wirst es nicht mehr vergessen.“
„Ich werde mir alle Mühe geben“, presste Maro zwischen den Zähnen hervor. Er stolperte gegen einen der Pfeiler, die den Tempeleingang stützten.
Nur weg. Kein Gleichgewicht konnte ihm sagen, was er mit seiner Kraft anstellen durfte.
Varn regte sich keinen Zentimeter.
„Du wirst noch lernen, was es mit diesen Geheimnissen auf sich hat. Wie alle anderen erwartet auch dich die erste Order heute Abend.“
Sollten sie ihre Order geben. Wertvollen Papyrus verschwenden.
Maro rannte die Treppen hinab und durch den Tempel. Varns Blicke brannten ihm auf dem Hinterkopf. Wie ein Raubvogel mit schwarzem Gefieder verfolgte der Maester ihn.
Er machte einen Umweg über die äußeren Stege, um das Fest möglichst weit zu umgehen, und an den Kreuzungen drehte er sich um, hielt Ausschau nach der schwarzen Lederrüstung. Dann eilte er weiter.
Vor den Barrackenquartieren saßen nur einige Jüngere, die ein Spiel mit Kieseln spielten. Als er vorüberkam, rückten sie unwillkürlich beiseite. Das fehlte ihm noch, dass die Leute in Ehrfurcht versteinerten, wenn er vorüberlief. Nur jetzt gerade kam es ihm recht. Jeder musste den mit Kalk getünchten Schädel sehen, den er an der Schulter trug. Zeichen, dass er die erste Schwelle zur Meisterschaft des Todes und des Lebens überschritten hatte.
Auf den Gängen drückten sich die Jungen an die Wände, um ihn durchzulassen.
In seiner Stube warf er die Tür zu und sich selbst auf die Matratze unter dem Fenster. Zwei von den Betten würden neu besetzt werden. Mit Jungen, die die Göttin noch nicht zu sich genommen hatte.
Seine Eingeweide wanden sich wie bei hohem Seegang. Verflucht.
Das Antlitz kehrte zurück. Er ließ sich gegen das Mauerwerk fallen und presste die Handballen gegen die geschlossenen Augen. Es gab einen Weg, nur wussten weder der Maester davon, noch die anderen Akolythen. Noch die Alten mit ihren Wegen, die er nicht verstand. Ganz gewiss gab es einen Weg.
Als er die Hände herunternahm, klebten Tränen daran.
Er ließ sich auf die Seite sinken und warf sich die Decke über. Bis zum Abend würde sich die Stimmung auf dem Fest nicht senken, und selbst dann würde es nur Zered sein, der in seine Stube kam.
Seine Gedanken liefen wild durcheinander wie im Fieber.
Ihr Gesicht erschien vor seinem, und plötzlich waren es
ihre Hände, die über seine Wangen strichen, nicht mehr seine.
Er tauchte in eine tiefe Dunkelheit, und für einige Stunden fand er Ruhe.
Dann legten sich Arme auf seine Schultern, Arme aus Elfenbein, und er schreckte hoch. Aus der Dunkelheit wurde die Stube in den Barracken der Lehrlinge, und aus den Armen aus Elfenbein wurden die von Zered.
„Du warst auf einmal weg, Maro.“
Er schob Zered beiseite und setzte sich auf. In seinem Kopf wirbelten die Bilder durcheinander, und Schweiß klebte ihm die Haut an die Weste.
„Mir ist nicht gut.“
„Dann ruh dich noch kurz aus – aber draußen warten die... Leute mit den Ordern.“
Maro schmunzelte bei der Pause, die Zered machte, bevor er das Wort
Leute fand. Wenn
Leute das waren, was auf dem Marktplatz hüpfte und trank und aß, dann waren die Überbringer der Ordern fraglos etwas anderes.
„Geh schon vor. Draußen ist sowieso jeder auf sich allein gestellt“, sagte Maro.
Zered sah sich einmal in Richtung Tür um, dann nickte er und legte sich die Faust auf die Brust. „Evra mit dir.“
„Und dir“, antwortete Maro.
Als das breite Kreuz seines Zimmermitbewohners in der Tür verschwunden war, streckte er sich wieder auf der Matratze aus.
Die Ordern würden die jungen Nekromanten für die Nacht im Dschungel verstreuen. Aber was auch immer die Order besagen würde, die für ihn ausgesprochen worden war... Er hatte seine eigene, und die war von keinem Gleichgewicht der Welt oder dessen Vertretern formuliert worden. Durch das Fenster beobachtete er, wie die ersten Schatten im Zwielicht in den Dschungel huschten, manche angeleuchtet von den Fackeln in ihren Händen. Hatte nicht einer von ihnen verstanden, was die Göttin war? Nicht einer in den ganzen Generationen, die nach dem schwarzen Traum in die Freiheit getreten waren?
Er packte die Dolchscheide und verließ den Raum. Um so besser, wenn er der Einzige war und sein würde.
Vor den Baracken stand noch ein Junge mit einer Fackel. In ihrem Licht stand Zered, der eine Papyrusrolle studierte.
Er drückte sich in den Eingang des Hauses und lauschte. Nach einer Ewigkeit entfernten sich Schritte von ihm.
Er linste um die Ecke – Zereds Fackel wanderte in Richtung der östlichen Dschungel mit den tausend Inseln.
Blieb noch eine einzige Gestalt, die gebückt vor Eingangsstufen wartete, die Hände wie zum Gebet erhoben.
Nicht, dass Maro nicht genügend Tote erblickt hatte. Aber dieser hier war der Überbringer seiner Order. Kein Unbekannter, wie all die anderen, die er mit seiner Macht in den zahllosen Übungen umhergelenkt hatte. Er schluckte und ging näher. Der Tote verhielt in seiner Haltung wie eine Statue. Eine Statue, der der Schädel fehlte. Der hing auf Maros Schulter.
„Ist das die letzte Order, die du mir bringst, Vater?“, fragte er in die Nacht.
Er legte die Hand auf die Bronzestäbe, die die Schriftrolle hielten, und der Untote lockerte den Griff.
Einen winzigen Teil in ihm drängte es, zumindest den Befehl anzusehen, den zu missachten er im Begriff war. Aber schon ließ er das wertvolle Papyrus fallen. Es platschte in den Sumpf, dunkle Blasen stiegen auf und verschluckten es. Mit einem Glucksen verschwand es unter der Oberfläche.
Der Untote wankte davon, zog die vermodernden Reste eines Mantels hinter sich her, zusammen mit dem Geruch des Todes. Der Weg, den jeder Vater unter den Nekromanten einst gehen würde. Der Weg, auf dem er dem Sohn die letzte Order brachte.
Maro lief im Schatten des wandelnden Leichnams. So mochten ihn Leute für einen weiteren der Toten halten, oder erst gar nicht erspähen. Auch, wenn er die Order seines Vaters fortgeworfen hatte, so gingen sie zumindest diesen letzten Weg zusammen.
Auf dem Festplatz hingen die Girlanden schief und jemand ging umher und löschte das Licht in den Lampions. Zumindest von dort würde ihn niemand sehen.
Er folgte dem Weg des Leichnams durch die laue Nacht. Erst am Tempel würde er sich trennen, wenn der Untote den Weg zurück zu seinem Meister nahm.
Aus den Fensterhöhlungen des Hauses der Evra drang, kaum sichtbar, ein goldener Lichtschein. Nicht mehr als die Flamme eines Herdfeuers, aber das genügte. Würden sie ihm seinen Besuch wieder verderben?
Der Untote wankte weiter, fegte mit dem verfaulten Leder seiner Schuhe achtlos den Blumenteppich des Steges in den Sumpf. Er hob seinen toten Körper auf die Tempelstufen und schlurfte auf das Licht zu.
Maro duckte sich hinter ein Büschel Schilf, das neben dem Steg aufragte. Wenn sein Vater diesen Weg einschlug... konnte es nur Varn sein, der im Tempel saß. Er schloss die Augen und lauschte. Stimmen. Ein Gemurmel aus vielen Stimmen. Aber auf die Distanz schmolzen die Geräusche zusammen. Er musste näher heran. Die Haupttreppe aber würde ihn direkt den Blicken derjenigen ausliefern, die im Tempel saßen. Blieb nur die Reihe aus Fensterlöchern an der Seite. Doch um an die heranzukommen, würde er über Sumpf wandeln müssen. Durch die Luft gehen, wie es den Hexern aus den westlichen Wüsten nachgesagt wurde...
Dann durchzuckte ihn ein Gedanke. Er tastete nach dem Dolch und fand das kalte Metall mit den Fingern an seiner Taille. Gut. Noch einmal sah er sich um. Er war der einzige Schatten auf den Stegen, und die Leute auf dem Festplatz würden beschäftigt genug sein.
Endlich nutzten ihm die alten Lehren, die Jahre in der Bibliothek über den vergilbten Schriften der Totenbeschwörern von einst.
Den Dolch erhoben, starrte er in die Finsternis, als die der Sumpf sich vor ihm ausbreitete. Sein Geist löste sich. Er huschte über die schwarze Masse, tief hinein, und suchte. Auren, die sich leicht von der Magie des Lebens beeinflussen lassen würden. Auren, die einst Lebendiges umgeben hatten, umhüllten sie nun auch nur noch tote Materie. Viele winzige Lichter blitzten in seinem Blickfeld auf wie Glühwürmchen.
Genug.
Mit einem Mal ballte er die Faust. Gab von seiner eigenen Aura Leben ab, um es den toten Dingen zu verleihen. Einen Moment schwindelte er, dann rückten die Auren unter der Sumpfoberfläche zusammen. Die dunkle Decke brodelte wie siedendes Wasser. Konnten die Menschen im Tempel es hören? Aus dem Sumpf hob sich ein weißes Gerüst, zusammengefügt aus Tausenden von Knochensplittern. Zusammengefügt von seiner Macht. Sein Herz machte einen Sprung. Die weiße Brücke hob sich so hoch, dass sie fast nahtlos an den Steg anschloss. Er prüfte mit der Fußspitze – die Brücke hielt stand, hart wie Obsidianstein.
Unter seinen Füßen knirschten kleine Knöchelchen, und ein Mal zertrat er einen Schädel, der einer Echse gehört haben konnte. Aber der Steg hielt. Schritt um Schritt setzte er, lauschte in die Halle hinein. Endlich kam er an der Außenwand des Tempels an und stützte sich dagegen. Nur einen Schritt über ihm hing die Fensteröffnung.
„...sind so alt wie die Märchen über die Pygmäenprinzen in den Urwäldern“, drang eine Stimme zu ihm hinaus. Varn? Ja.
„Und deshalb genau so unwahr, meint Ihr das?“
Das dunkle Organ von Orestar, der Maester des Klingenkampfes.
„Als würde das hier zur Debatte stehen“, mischte sich eine weitere Stimme dazu. Das anschließende Husten gehörte zu Merek, dem gebrechlichen Maester der Knochenkunst.
„Auf die Legenden der Vorzeit jedenfalls können wir unser Handeln nicht stützen“, sagte Varn und lachte.
„Ihr wartet, bis die Legenden lebendig werden, bis sie erwachen und sehen und riechen und töten“, sagte Orestar. Ihre Stimme trug den scharfen Klang, der an ihre zwei Knochenklingen denken ließ, die sie führte und mit denen sie allein ein halbes Dutzend Akolythen entwaffnen und zu Boden stoßen konnte.
„Wenn alles, was das träumende Orakel prophezeiht, zum Leben erwachen würde, wäre die Welt schon zum wiederholten Male in Flammen und Untergang gestürzt.“ Varn klang gereizt. Offenbar gelang Orestar das, woran er selbst gescheitert war.
„Es ist nicht so, dass es“, ein Husten unterbrach die Worte Mereks, „keine augenfälligen Anzeichen dafür gäbe, dass es Orestar-“
„Ja“, unterbrach die Frau ihn, „die Berichte der Bauern aus der Nordmark des westlichen Kontinents. Nicht nur ein Einzelner hat von den geflügelten Männern über dem Abendhimmel erzählt. Die Sichtungen ziehen sich bis an die Grenze der Westmark. Wenn das nur Märchen sind, Varn, dann haben sie den Märchen meiner Kindheit voraus, dass sie äußerst greifbar sind.“
„Geflügelte Gespenster nennt Ihr greifbar – wie wäre es dann, wenn Ihr eines von Ihnen nach Kurast brächtet?“
„Genug“, ächzte die Stimme von Merek, und eine Pause trat ein.
Maro rutschte die Wand herunter in eine bequemere Position. Wenn die Maester dort drinnen über das Gleichgewicht debattierten, hätte er besser daran getan, seine Kräfte nicht auf eine Knochenbrücke zu verwenden. Doch bei den nächsten Worten stand sein Herz still.
Es war Merek, der weitersprach.
„Die Sichtungen fügen sich im Zusammenhang mit dem Spruch des Orakels durchaus zu etwas zusammen, das bedenkenswert ist. Die Geschwister der Hölle... wir wissen alle, wovon ich spreche.“
Die Geschwister, von denen Varn gescherzt hatte, wie jemand sie in seine Hütte rufen konnte. Die Brüder und Schwestern von Evra.
Varn sprach mit gedämpfter Stimme weiter. „
...und die Gebeine der Erde werden sich auftun und gebären, was weder in Hölle noch Himmel hätte geboren werden dürfen. Ihr meint tatsächlich...“
„Ich würde dafür nicht mit beiden Beinen in den Sumpf steigen“, sagte Orestar, „aber erinnert es nicht zu sehr an das, was vor Jahren geschehen ist? Die Übel, die aus dem Schoß der Erde steigen. So sehr, wie es nach einem Märchen klingt.“
Ja. Blitze fuhren durch seinen Körper und elektrisierten ihn.
Ja. Wenn die Geschwister der Hölle einen Weg fanden, die Welt zu betreten… Wieso nicht auch Evra?
Sein Stiefel rutschte ab und brach einen Knochen aus der bleichen Brücke. Das Gebein platschte hörbar in den Sumpf und spritzte ihm Schlamm ins Gesicht.
Die Stimmen im Tempel verstummten. Maro hielt den Atem an.
„Da ist etwas“, vernahm er Varn.
Maro richtete sich auf.
Hätte der Maester ihn nicht für eine Riesenkröte halten können? Irgendetwas, das seine Aufmerksamkeit nicht wert war?
Er löste in Gedanken den Lebenszauber. Unter ihm sanken die Knochen schon wieder ein, bröckelten in ihre Einzelteile. Mit drei Sätzen war er wieder auf dem Steg, und hinter ihm ächzte das Knochengebilde.
Im Licht des Tempeleingangs zeichnete sich ein Schatten ab. Nicht der schlanke der Klingenmeisterin, und nicht der gebeugte des Knochenkunstzauberers.
Maro rannte. Varn. Schon wieder.
Er fegte in seinem Lauf die letzten Blüten von den Stegen. Varns Schatten regte sich nicht. Aber selbst in der Dunkelheit sah der alte Magier wie ein Adler.
Maro kürzte über den Festplatz ab. Jetzt war es auch egal, wer ihn sah. Seine Stiefel verhedderten sich in einer Girlande und zerrissen die Schnur. Er fegte zwischen den Leuten hindurch, die die Stände herrichteten. An der Ecke der Tafel lag ein Bündel. Was auch immer darin sein mochte – er streckte den Arm aus und riss das Paket an der Schleife mit sich.
„Die sind für die Götter!“, rief ihm eine schrille Frauenstimme nach. „Du siehst nicht gerade aus wie einer, Kerl!“
Er stürmte zurück in die Barracken, warf in seiner Stube den Riegel vor die Tür. Der Atem pfiff ihm aus Nase und Mund.
Die Nordmark. Vor seinen Augen stand das Bild der Landkarten, über die sie sich oft hatten beugen müssen. Über das Meer, durch die Wüsten, und dann in das Marschland. Ein Schiff brauchte er – der Hafen von Kurast. Einige dutzend Meilen über Dschungelpfade und die tausend Inseln von Kejistan.
Er lachte.
Und wären es zweitausend Inseln gewesen, drei Wüsten und vier Meere. Seine Gedanken überschlugen sich. Das Land, in dem die Götter und Teufel auf der Erde wandelten, würde das einzige sein, in das er ging.
Er öffnete das Bündel, und auf den Boden purzelte ein Affenschenkel. Einige weitere lagen noch im Bündel, zusammen mit noch mehr Speisen, die in Tücher gewickelt waren. Affenschenkel, zumal kalt und mindestens einen halben Tag alt, würden ihm keinen Genuss bescheren. Aber sie genügten, um einige Nächte durch den Dschungel zu kommen.
Instinktiv zog er die Kiste unter dem Bett hervor, die den Akolythen als Aufbewahrungsort für persönliche Dinge diente. Er ließ den Verschluss aufschnappen und hob den Deckel. Wieder lachte er. Gähnende Leere. Natürlich, als ob er jemals etwas hineingetan hätte.
Da pochten Schläge auf das Holz der Zimmertür. Varn? Oder die Frau, die die Götter beschenken wollte?
Er schloss die leere Truhe wieder und ging zum Fenster. Unter ihm rauschte einer der Arme des Themys dahin. Kaum zwei Schritt. Das mochte ihm zumindest den Schweiß abwaschen, den er in der Nacht des schwarzen Traums geschwitzt hatte.
Das geknotete Bündel zwischen den Zähnen, legte er ein Bein auf das Fenstersims. Ein weiterer Schlag ließ die Tür erzittern, die Bretter knirschten. Höchste Zeit.
„Die Mädchen haben dich gesehen, Halunke! Husch, aufgemacht, dann vergesse ich vielleicht, dass du die Götter bestohlen hast!“ Immerhin nicht Varn.
Er zog das andere Bein nach, und unter ihm tat sich die fast senkrecht verlaufende Uferböschung auf.
Für einen Augenblick zog sich ihm das Herz zusammen. Nie wieder die harte Matratze und nie wieder die Abende mit Zered, Alan, Coren... doch Coren, den hatte die Göttin ohnehin gefordert. Nie wieder die Tage im Tempel vor den Bergen aus Büchern. Doch das, was ihn wirklich im Tempel gehalten hatte, das würde er wiedersehen.
Eines gab es noch, das es wert war, ihn auf der Reise zu begleiten. Er schwang sich zurück ins Zimmer und griff unter sein Kopfkissen. Seine Finger schlossen sich um das raue Leder des Kompendiums. Zwei Schläge gegen die Tür. „Hat deine Mutter einen Feigling geboren? Sperr die Tür auf, und ich erspare ihr die Schande, zu sehen, wie ich dich an den Ohren zu ihr ziehe!“
Er durchblätterte die Seiten, die Staub in den Raum wirbelten. Bei
Jiolan, der dunkle Heilige fand er die gepresste Yata-Blüte. Ein Schattenriss auf dem Papier. Selbst hatte er sie im Dschungel gepflückt und aufbewahrt, bis er ihre Blätter an Varn gegeben hatte, damit der mit ihnen das Feuer für den schwarzen Traum entfachen konnte. Aber die Blüte gehörte ihm, und sie war seine Erinnerung.
Er klappte das Buch zu und kletterte wieder ins Fenster. Sein Essensbündel warf er in Richtung des anderen Ufers – es landete auf dem Abhang und verfing sich in den Ästen eines Baumstamms. Der Almanach polterte daneben ins Gras.
Vor der Tür murmelte jetzt noch eine zweite Stimme. Maro rückte an den Rand des Fensters. Noch einen Stoß, dann gab es kein Zurück mehr und nur noch Vorwärts.
„Ihr könnt meiner Mutter nichts mehr ersparen“, rief er in den Raum, „seit langen Jahren ist sie tot.“
Dann stieß er sich ab, für einen Moment schwerelos. Bis er ins Wasser tauchte und der warme Strom über ihm zusammenschlug. Die Strömung zerrte an ihm, und er musste kräftige Schwimmzüge machen. Schließlich fanden seine Hände das andere Ufer. Mühsam zog er sich hoch, Kleidung und Haar triefend vor Wasser. An Wurzeln, die aus der Erde ragten, hangelte er sich den Hang hinauf, klemmte sich das Kompendium unter den einen Arm und schulterte das Bündel. Vor ihm lag die Straße, ein sandig gelber Pfad, der unter den Kronen von Palmen in einer endlosen Allee zum Hafen führte. Wer auch immer ihm folgen wollte, würde erschöpft sein von den Festlichkeiten des Tages, er hingegen hatte von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang geruht. Er schüttelte das Wasser aus seinen Haaren und kippte es aus den Stiefeln, dann marschierte er los. Es gab nur diesen einen Weg.
Bald verschluckte ihn das Unterholz und er folgte nur noch dem hellen Streifen Straße, von dem die Karten behaupteten, dass er ihn an sein Ziel führte.
Doch wie sehr hatte er Kejistans Dschungel unterschätzt.
Von den Vorräten zehrte er bis zum nächsten Morgen. Von den süßen Sahnefrüchten hatte er nichts übrig gelassen, doch die Affenschenkel hätten ihn noch Tage lang versorgen können. Als er sich zur Ruhe niederlegte, zupften sich lange Finger aus dem Gesträuch das Bündel heran. Maro drehte sich um, aber vom Dieb blieb nur noch ein Rascheln von Blättern. Wenn es einer der Makaken gewesen war, begriff er zumindest nicht die Ironie, dass er die gerösteten Gliedmaßen seiner Artgenossen gestohlen hatte und ihnen nun wiederbrachte.
Trotz dieser Befriedigung musste Maro hungrig einschlafen.
Am nächsten Tag trank er brackiges Wasser aus dem Fluss, von dem er die Hälfte wieder erbrach, und die Hälfte der kandierten Früchte dazu. Von dem Beerengestrüpp, von dem er aß, musste er ständig mit Fußtritten die Echsen vertreiben, die ihm seine Speise neideten und mit ebenso gierigem Blick auf ihn starrten wie auf die Beeren.
Bis zum nächsten Abend trugen seine Arme mehr als ein Dutzend Beulen von Stechmückenstichen. Zumindest im Schlaf konnte er nicht dauernd um sich schlagen, um die Insekten zu vertreiben.
Den nächsten Teil des Marschs setzte er mit Fieber fort, und oft trugen ihn seine Füße abseits des Weges, bis die müden Augen erkannten, dass er drohte, in den Themys zu stürzen. Um ihn schmolzen die Geräusche des Dschungels zum Brodeln eines Kessels zusammen. Varns Magie benötigte er dazu gar nicht. Mit einem bitteren Lächeln gedachte er des Nekromanten. Die meiste Zeit aber hingen seine Augen und sein Geist starr an dem Streifen Straße. Wie an einem Tau zwang er sich daran entlang. Bis er Nächte und Tage nicht mehr unterscheiden konnte und sein Gesicht geschwollen und taub war – ob von den Beeren, die er aß, von den Stechmückenstichen, oder von den Dschungelseuchen, die wie Stürme durch die Wälder zogen; bedeutungslos.
Irgendwann wankten seine Beine ab von der Straße, er prallte gegen den gerippten Stamm eines Palmbaums und rutschte daran herab und stand nicht wieder auf.
Durch den milchigen Schleier vor seinen Augen drang kaum noch Licht, der Dschungel wurde ein einziges Theater aus Schatten. Wenn er genau hinsah, verformten sich die Schatten zu einer Frau, die hinter sich einen Schleier zog. Evra. Sie wartete auf ihn. Schaffte er den Weg zu ihr nicht, dann würde sie zu ihm kommen, gewiss. Sie schritt durch den Dschungel, über den Fluss schwebte sie hinüber und durch Palmstämme sickerte sie hindurch. Unsterblich. Unbesiegbar. Unaufhaltsam. Das Elfenbein ihrer Haut schimmerte vor ihm, und sie beugte sich nieder.
Da zerbrach das Bild. Ein Ruck ging durch ihn, als sei sein Körper aus einem Wachschlaf erwacht.
„Heh! Ein unüblicher Rastplatz, oder nicht?“, fragte jemand.
Die wabernden Umrisse eines Planwagens zeichneten sich vor ihm ab. Zwei Bullen schnauften und glotzten ihn an, und auf dem Kutschbock saß ein Mann in weißen Gewändern. Kein Nekromant, ganz gewiss.
„Ich spreche mit Euch. Hier liegen zu bleiben, wird Eurer Gesundheit nicht zuträglich sein, im Übrigen ähnelt Ihr im Gesicht einem aufgeblasenen Kugelfisch.“
Irgendwoher fuhr die Kraft in ihn, aufstehen zu können. Hitzewellen des Fiebers schüttelten ihn, doch er wankte in Richtung des Wagens. Erst auf dem Trittbrett brach er zusammen.
„Seid Ihr... ein Gott?“, fragte Maro. Obwohl das Land, in dem die Götter und Teufel wandeln sollten, noch Hunderte von Meilen von ihm entfernt lang.
„Sehr freundlich von Euch. Die meisten nennen mich eher einen Dämon. Wenn es ein guter Tag ist.“
Ein Hustenkrampf warf Maro hin und her. Als wollte etwas aus ihm herausbrechen. Unter Schmerzen richtete er den Kopf auf und versuchte, in den weißen Gewändern ein Gesicht zu erkennen. Aber alles flimmerte.
„Ihr seid ein Magier...?“
„Wohl kaum. Obwohl ich nicht leugne, dass dem Gold eine gewisse Magie innewohnt... Ich bin ein fahrender Händler.“
Maro formte nur ein Wort. „Wohin?“
„Oh, in den Westen. Die Gerüchte auf den Basaren sagen, dass dort Schilde und Schwerter in Bälde guten Absatz finden werden. Aber zu Euch... Ihr macht es nicht mehr lange, wenn ich das recht überschaue.“
Mit bebenden Händen erklomm Maro den Kutschbock. Der Westen... In seinen Gedanken flackerte etwas auf. Die Nordmark. Ja.
„Ich komme mit“, lallte er. Der Mann rückte beiseite und zog ein Taschentuch hervor, das er sich vor die Nase presste.
„Sehr eilig sind die jungen Leute, sogar noch kurz vor dem Ende... Hört, ich transportiere auch Medikamente, heilende Wasser aus den Beständen der Magierärzte der Wüstenlande. Die Frage ist nur: Was könnt Ihr mir geben?“
„Nehmt mich mit Euch“, sagte Maro und zog sich noch ein Stück weiter. „Ich schütze Euch.“
„Ihr? Denkt nicht, dass ich ohne einige Lohnklingen als Begleitschutz hier angereist wäre. Vier gute Männer mit Lanzenspitzen so scharf wie der Verstand.“ Der Händler seufzte. „Was soll ich sagen, der Dschungel hat sie von mir gefordert. Und Ihr, mit Verlaub, selbst wenn Euch die Heilwasser wiederherstellen...“
Der Blick des Mannes tastete über Maro. Als wüsste er nicht selbst, wie schmal er schon von Natur aus war. Dazu noch die Krankheit – wahrhaftig einem lebenden Toten musste er ähneln. Aber er hatte einen Trumpf.
„Nekromant“, sagte er, und schob das Kompendium auf den Sitz neben dem Mann.
„Ihr seid...“
Die Gesichtsfarbe des Händlers änderte sich schlagartig. Maro streckte seine Hand in Richtung des Flussbetts, und seinen Geist dazu. Die Auren verschwammen ineinander, aber eine packte er sich heraus. Das letzte an fiebrigem Leben, das in ihm steckte, den letzten Willen und den letzten Glauben gab er fort und nährte die Aura. Sie schwoll an zu der eines Lebendigen, überragte fast die des Händlers. Was auch immer seine Kraft belebt hatte, dem Mann auf dem Wagen öffnete sich der Mund und schloss sich nicht wieder.
„Ihr Götter!“, rief er aus. Einen langen Herzschlag lang starrte er Maro an, dann streckte er die Hand aus. Schmerzhaft legte sich der Griff um seine schwieligen Finger.
Stöhnend hievte der Mann ihn auf den Kutschbock neben sich.
„Bin ich... dabei?“, fragte Maro.
„Hoh, mehr als das! Lasst mich rasch die Wasser und Salben holen.“
Der Reisende schickte noch einen Ruck durch das Zaumzeug, und die Tiere setzten sich wieder in Bewegung. Das Taschentuch noch immer vor dem Gesicht, kletterte Maros neuer Gefährte in die Öffnung der Plane hinter sich.
Maro sank auf dem Kutschbock zusammen. Aber der Wagen schaukelte unter ihm. Sie bewegten sich. Vorwärts, in die eine Richtung, die nur möglich war.
„Ich bin Maro“, sagte er, und spuckte den Schleim fort, der mit den Worten zusammen hochgekommen war.
„Erfreut, Nekromant“, kam es hohl aus dem Wageninneren. „Nennt mich Gheed.“
Maro wiederholte den Namen für sich. Gheed. Aber wie alle Namen war auch dieser bedeutungslos. Evra. Der einzige, den zu behalten es notwendig war.
Palmwedel kratzten über die Wagenplane hinweg, so laut, dass es in Maros Kopf dröhnte. Am Ende der Allee vor ihm drang Licht durch das Urwalddickicht. Sonnenlicht, Mondlicht. Wer wusste es schon - und wen interessierte es.
Sie bewegten sich. Mit jeder Stunde würde die Entfernung weiter dahinschmelzen. Er lächelte. Evra.