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[Story] Johnny's Adventure

Schön
Man kann es sich gut vorstellen, wie die sich unterhalten und du lässt viel Freiraum für des Lesers Fantasie.
Ich amg das das Kap.
mfg
Thor
 
Wirklich gut das du die geschichte doch noch fortsetzt, hatte schon befürchtet nichts mehr von dir zu lesen.

Und ja es stimmt es lesen viel mehr leute die geschichten als das sie sie kommentieren. Ich hab auch die meiste längeren geschichten hier durchgelesen aber glaub nur bei einer etwas kommentiert.
 
He, Kapiteltitel sind was feines!
Kann man wunderbar mit spielen...
man kann sie als Überleitung nehmen um zusammenhängende Kapitel als solche zu kennzeichnen (siehe: Erinnerung... + ...und Verdrängung), man kann Neugier wecken, ohne dabei zu viel zu verraten, man kann mit Zitaten oder Ähnlichkeiten zu solchen noch zusätzliches reinbringen...
Spielwiese also.
Nutze die!

Ist aber interessant, eine weitere "fremd"-Person in Sanctuario zu haben - oder sind die anderen es etwa auch?
 
nerienna schrieb:
He, Kapiteltitel sind was feines!
Kann man wunderbar mit spielen...
man kann sie als Überleitung nehmen um zusammenhängende Kapitel als solche zu kennzeichnen (siehe: Erinnerung... + ...und Verdrängung), man kann Neugier wecken, ohne dabei zu viel zu verraten, man kann mit Zitaten oder Ähnlichkeiten zu solchen noch zusätzliches reinbringen...
Spielwiese also.
Nutze die!

Okay, ich werde mir bei den nächsten ein wenig mehr Mühe geben ;)

Ist aber interessant, eine weitere "fremd"-Person in Sanctuario zu haben - oder sind die anderen es etwa auch?

Du liegst mit deiner Vermutung näher, als du vielleicht ahnst :)
 
Es ist Samstag, Zeit für ein neues Kapitel... Ja, ich weiß, dass es mitten in der Nacht ist! Juckt mich jetzt gerade herzlich wenig, morgen ist der Tag ziemlich voll, da mach ichs lieber jetzt, bevor ichs verschwitz ;)

Ach, und weil das nächste Kapitel zwar schön, aber auch schön kurz ist, schiebe ich noch ein zweites hinterher... wer sich beschweren will... :autsch:



15 - Das Sternenbesetzte Banner

Am nächsten Morgen brachen wir auf. Über der Begegnung von Gestern hatte ich unser Ziel schon wieder komplett aus den Augen verloren. Die Suche nach Überlebenden. Schweigend trotteten Mana, Ara, Luther und ich nebeneinander her, durch den immer dichter werdenden Dschungel. Kale war vorrausgegangen, um den Weg zu erkunden. Die Sonne warf schillernde Muster auf den moosbehafteten Boden, der Fluss zu unserer Linken floss leise flüsternd an uns vorbei, gerade so, als würde er ein Nickerchen halten. Im Gegensatz dazu raschelten die Bäume nur zu lebendig.
Während einer Rast am späten Vormittag versuchte ich mir noch einmal, die Gegebenheiten klar zu machen. Luther kam, wie ich, von der Erde, und war nun seit fünf Jahren hier gefangen. Auch er hatte vermutlich nach einem Ausgang gesucht, ihn aber bisher nicht finden können. Und auch niemanden sonst, der diese... „Symptome“ hatte. Und trotzdem war ich froh, einen Verbündeten zu haben. Niemand schien unser Verschwinden am gestrigen Abend irgendwie bemerkt zu haben, und doch sah mich Luther während des gesamten Marsches durch den Dschungel nicht ein einziges Mal an. Vielleicht hatte er Angst, ich würde ihn verraten. Aber was verraten, und an wen? Es machte alles so wenig Sinn wie ein rosa Elefant in der Antarktis.
Auf unserem Weg wurden wir nicht ein einziges Mal angegriffen, was, zumindest laut Kales Aussage, beinahe ein einzigartiges Phänomen war. Mich machte es misstrauisch. Mana hingegen schien davon regelrecht beschwingt worden zu sein. Ihr Gang war federnder geworden, ihr Gesichtsausdruck weniger krampfhaft, ab und zu erschien sogar ein mildes, ehrliches Lächeln darauf. Unwillkürlich sprang dieses Lächeln auch auf mich über, wie ein hüpfwütiger Floh. Ara schien in Gedanken versunken, dass genaue Gegenteil zur fröhlichen, zumindest jetzt unbeschwert wirkenden Zauberin. Trotzdem sie sich am Abend zuvor vorgestellt hatte, konnte ich sie nicht einordnen. Sie schwieg zumeist, überließ anderen das Reden, doch man wurde bei ihr das Gefühl nicht los, als würde sie alles, was man sagte, aufsaugen wie ein Schwamm. Jetzt jedoch hätte sie vermutlich nicht einmal besagter rosa Elefant aufschrecken können, die blauen Augen waren fest zu Boden gerichtet.

Am späten Nachmittag erreichten wir Kurast. Die untergehende Sonne tauchte die Ruinen in ein warmes, heimlichtuerisches Licht, als sie sich aus dem dichten Blätterwald erhoben. Sie waren verlassen, wie alles, auf das wir bisher getroffen waren. Manas Aufgedrehtheit schien bei dem Anblick zu schwinden, Luther verzog das Gesicht zu einer Miene tiefen Bedauerns. Erst jetzt fiel mir auf, dass er seine Lippen unablässig bewegte. Ich hörte genauer hin und erkannte, dass er irgendwas summte. Eine Melodie, die mir vage bekannt vorkam, die ich aber zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen konnte. Musik war für mich hier zum Fremdwort geworden. Wobei das so nicht stimmte. Es war nur eine andere Art von Musik, eine, die ich als Großstadtkind nie wirklich gekannt hatte. Die Natur spielte ihre eigenen Symphonien, manchmal sogar weit besser als künstlich geschaffene Instrumente.

Die Nacht verbrachten wir in einer verlassenen Hütte. Kale beschaffte Feuerholz, Mana entzündete es mit einem Funken aus ihrem Stab. Und immer noch herrschte diese bedrückende Stille.
„Was habt Ihr vor, sollten wir hier nicht fündig werden? Wenn es keine Überlebenden gibt, und Baals Schergen alles getilgt haben?“, fragte schließlich Luther an Kale gewandt. Sein Blick sagte alles. Er glaubte nicht daran. Mir hatte er Hoffnung machen wollen, vielleicht, weil er mich noch für ein Kind hielt, vielleicht, weil er es einfach als seine Pflicht ansah, doch in seinen Augen konnte man nun deutlicher als vorher die Verzweiflung sehen. Der Barbar ließ sich mit seiner Antwort Zeit, stocherte missmutig mit einem dicken Ast im Feuer herum.
„Ich hoffe, dass unsere Suche nicht umsonst ist.“, erwiderte er, ruhig wie immer.
„Ja.“, sprang Mana sofort ein, als hätte sie nur auf diesen Augenblick gewartet. „Sie darf nicht umsonst sein. Bestimmt gibt es Leute, die sich hier irgendwo versteckt halten. Kurast ist riesig.“ Unverbesserlicher Optimismus, den auch ich gerne gehabt hätte.
„Wir werden nicht die ganze Stadt durchsuchen, das würde keinen Sinn machen.“, erwiderte Kale. „Wenn noch jemand lebt, dann nicht hier. Nein, Travincal wird unsere Anlaufstelle sein. Die Tempelanlagen. Ich war schon einmal dort, damals, als hier noch nicht alles verseucht war.“ Er lachte laut und bitter auf. „Als Diablo und seine Brüder noch in den Untiefen der Hölle ruhten. Es wimmelte hier nur so vor Menschen! Ich denke, unsere Chancen stehen dort am besten... wenn auch nicht besonders hoch.“
„Hmm-hmm.“, machte Mana und nickte beflissen. Ara warf ihr einen missmutigen Blick zu, hütete sich aber, etwas zu sagen. Wir konnten keine noch schlechtere Stimmung gebrauchen. Luther setzte wieder zu einem leisen Summen an. Ich konnte es mir nicht verkneifen: „Was ist das für eine Melodie?“, fragte ich mit unverhohlener Neugier.
Er sah mich irritiert an, wirkte ertappt, entspannte sich dann aber.
„Ach das... Entschuldige, ich war in Gedanken.“
„Ich hatte das Gefühl, es zu kennen... wie heißt das Lied?“
„Ist ein altes Volkslied aus meiner Heimat.“ Jetzt lächelte er plötzlich, blickte nach oben gen Himmel, wo die Sterne geheimnisvoll funkelten. „Es beruhigt mich ungemein, weißt Du?“
Zunächst wusste ich nicht, was er damit meinte, doch dann dämmerte es mir langsam. Und als er spürte, dass ich es erkannt hatte, grinste er mir kurz zu, wandte sich aber ob der Gefühlsregung wieder zum Feuer.
„Wie... heißt es?“, fragte ich.
Star-spangled banner
Bei den Worten klang seine Stimme wehmütig, etwas bereuend, wofür er nichts konnte, offensichtlich niemand etwas konnte. Leise knisternd brannte das Feuer im Takt der gesummten Melodie herunter. Ein kleines Stück Amerika, entführt von seinem angestammten Platz an einen so weit entfernten Ort, von dem vermutlich nicht einmal die Sterne wussten, wo er lag.



16 - Grau in Grau

„VERDAMMT!“, schrie Kale und riss mich damit unsanft aus einem, ausnahmsweise mal traumlosen, Schlaf.
„Was ist passiert?“, fragte ich schlaftrunken, doch der Barbar antwortete nicht, sondern stürmte einfach an meinem Schlafplatz vorbei nach draußen. Erst einige Minuten später sollte ich erfahren, was geschehen war. Ara war verschwunden. Die Amazone hatte sich mitten in der Nacht aus dem Staub gemacht und all ihre Habseligkeiten, bis auf ihren Bogen samt Pfeile, da gelassen. War sie entführt worden? Aber wie sollte man das bewerkstelligt haben, ohne alle zu wecken und ohne einen Kampf zu provozieren? Nein, sie musste von selbst gegangen sein. Doch die logische Frage, die man sich daraufhin stellen musste, war: Warum?
Darauf wusste niemand eine Antwort. Auch Luther gab sich unwissend.
„Sie wird ihre Gründe haben.“, sagte er nur, stellte sich aber ansonsten bei dem Thema auf stur, wollte offensichtlich keine Auskunft geben, obwohl er etwas wusste, oder zumindest einen Verdacht hatte. Konnte ich ihm etwa doch nicht trauen?
Hätte ich gewusst, was das Verschwinden von Ara wirklich zu bedeuten hatte, hätte ich... Nein, ich hätte wohl auch nicht gewusst, was ich dann getan hätte. Die Ereignisse sollten sich überschlagen, und das wesentlich schneller, als mir lieb war.

Wir brachen das Lager sobald wie möglich ab und zogen weiter, nun nur noch zu viert. Keiner von uns hatte noch Hoffnung, die blonde Kriegerin in der Nähe zu finden, und doch hielten wir Ausschau nach ihr, riefen in unregelmäßigen Abständen ihren Namen. Kurast lag verlassen da, ein Schatten seiner selbst. Ranken überwucherten die Häuser, eroberten sich das ihnen entrungene Land zurück. Hie und da lagen Leichen von Menschen und Tieren, doch auch sie versanken im immer tiefer liegenden Morast. Nirgends gab es noch Leben. Es schien, als würde unsere Suche erfolglos bleiben.
Wir liefen in einer leicht versetzten Reihe, Kale ganz links, daneben Mana, dann ich und auf meiner anderen Seite, ganz rechts, Luther. Zu unserer Linken befanden sich einige verfallene Hütten, wie die, in der wir übernachtete hatten, rechts ausschließlich dicht wachsender Wald. Und aus eben jenem Wald brach nun die Hölle über uns herein.
Luther schrie entsetzt auf, warf sich auf den Boden und riss mich mit hinunter in den Schlamm. Am anderen Ende tat Kale dasselbe mit Mana. Ein Hagel von unsichtbaren Geschossen zischte über uns hinweg und krachte in die Hauswand, die sich augenblicklich in Rauch und Trümmerteile auflöste. Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die vorher so intensive Stille und brachte meine Ohren zum klingen. Eine Staubwolke überflutete wie Frühnebel den gesamten Platz und nahm uns kurzzeitig jede Sicht. Doch damit war es noch lange nicht getan, es war erst der Anfang. Als sich der Rauch gelegt hatte, schwebte (es gab kaum besseres Wort um das zu beschreiben) ein gutes Dutzend Gestalten aus dem Wald auf uns zu, in graue Kutten gehüllt, die bis zum Boden reichten und ihre Gesichter komplett verdeckten, die Hände, in schwarzen Handschuhen steckend, in einer grotesken Geste ausgestreckt. Kale griff zu seinen Waffen, während Luther Mana und mich an den Handgelenken packte und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zu den Häusern in Deckung zog, obwohl wir an ihm hingen wie nasse Säcke. Es war, als hätten die beiden mit so etwas gerechnet.
„Gebt uns den Jungen.“, riefen die Gestalten uni sono und mit einer tiefen, sonoren, gleichzeitig aber vollkommen emotionslosen Stimme. Kale, der sich gerade auf die grauen Kutten stürzen wollte, blieb sofort stehen, die Schwerter jedoch noch immer erhoben, jederzeit zum Zuschlagen bereit. Meinen die mich?, fragte ich mich dumpf.
„Gebt uns den Jungen.“, wiederholten sie. Ich nahm das kaum wahr, lag wie betäubt hinter einer der wenigen Mauern, die von der eben eingestürzten Ruine noch übrig waren. Mein Atem ging schwer, mein Herz schlug mir bis zum Hals.
„Bleibt hier, rührt euch nicht von der Stelle.“, wisperte Luther und trat hastig aus der Deckung hervor, um Kale zu Hilfe zu kommen. Ich hätte wohl nicht anders gekonnt, als seiner Anweisung Folge zu leisten.
Als der Assassine neben den Barbaren trat, blitzten zwei Klauen von rötlicher Farbe in seinen Händen.
„Verzieht euch!“, schrie er den Kutten entgegen. Die Reaktion war nicht die Gewünschte.
„Gebt uns den Jungen.“, kam es erneut als Antwort. Ein Lächeln umspielte Luthers Lippen:
„Und Ihr glaubt ernsthaft, dass Ihr ihn bekommt?“, er duckte sich, machte sich bereit. „En garde, Ihr Schweinepriester!“
Dann war er verschwunden. Zumindest kam es mir so vor. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, war nichts als leere Luft zurückgeblieben. Wenige Sekunden später tauchte er wie ein Chamäleon aus dem Schatten der Bäume wieder auf und stach einer der Gestalten die Klaue bis zum Ansatz in den Rücken. Doch anstatt zusammenzuklappen und vor Schmerzen zu brüllen rührte sich die Kutte nicht. Es floss auch kein Blut. Verdutzt starrte Luther die drei Löcher an, die nun die Kutte des Fremden zierten, und zog sich dann augenblicklich und mit einer sagenhaften Gewandheit zurück, um im nächsten Augenblick wieder neben Kale aufzutauchen. Auf der Polizeischule lernte man das jedenfalls nicht, dachte ich benommen, aber auch bewundernd.
Wieder intonierten die Gestalten: „Gebt uns den Jungen.“, wie Maschinen, die bis an ihr Lebensende dazu verdammt sind, den gleichen Text vor sich her zu stammeln, ihn zu wiederholen, bis ihnen der Saft ausgeht.
Während Kale und Luther langsam vor den Gestalten zurückwichen, wohlwissend, dass hier mit Gewalt kein Durchkommen war, sah ich mich um. Mana kauerte am Boden, die leeren Augen gen Himmel gerichtet.
„Steh auf!“, schrie ich sie an, doch sie reagierte nicht. Ich packte sie am Arm und riss sie hoch, doch anstatt auf die Beine zu taumeln fiel sie einfach wieder um, mir direkt in die Arme. Nur mit Mühe konnte ich sie an den Schultern packen und halten.
„Reiß dich zusammen, Mana!“ Auch diesmal waren meine Mühen vergebens. Sie schien in irgendeine Art Apathie verfallen zu sein, hatte sich komplett in ihrer inneren Welt eingesperrt, um jegliche Eindrücke von außen konsequent auszusperren.
Ich war wütend. Was zur Hölle sollte das? Was wollten die von mir? Waren die es, die Ara entführt haben? Warum nun schon wieder ich?!
Ich ließ Mana sanft zu Boden gleiten und erhob mich. Sowas würde ich mir nicht länger bieten lassen. Irgendwann war das Maß definitiv voll.
Nachdem ich die Mauer hinter mir gelassen hatte, schritt ich langsam, aber sehr bestimmt auf die Gestalten zu, die sich seit ihrem Erscheinen keinen Millimeter gerührt hatten.
„Komm.“, sagten sie, Gräber taten sich auf, als sie sprachen. Es klang wie eine Aufforderung zum Selbstmord. Als ich an Kale und Luther vorbeikam, stutzten sie kurz, hielten mich aber nicht auf. Es war, als hätte jemand ein Feuer entzündet, dass nun in meiner Brust loderte und nur darauf wartete entfesselt zu werden.
„Was zur Hölle wollt Ihr von mir?!“, schrie ich ihnen entgegen, als mich nur noch einige Meter von ihnen trennten. Ich ließ dem ganzen Frust der vergangenen Tage aus mir raus. Und es tat verdammt gut!
„Warum immer ich? Was habe ich euch denn getan? Antwortet mir, Ihr Penner! Habt Ihr mich hierher geholt? Keine falsche Bescheidenheit! Na los, Ihr könnts zugeben! Verdammte Hundesöhne! Warum bin ich hier, Millionen Meilen von Zuhause entfernt? Oh Scheiße, ja, könnt Ihr mir das sagen? Könnt ihr mir sagen, wer Ihr seid? Versteht Ihr nicht? Ich gehöre hier nicht hin, ich bin ein verdammter Fremdkörper in diesem Organismus, ein Virus! Lasst... mich... RAUS!“
Mit einem Krächzen brach ich ab. Nun war es nur noch ein knapper Meter, und trotzdem konnte ich unter den Kapuzen keine Gesichter ausmachen. Kurz blitzte in meinen Gedanken ein Bild von roter, schuppiger Haut und spitzen Hörnern auf und ließ mich innehalten. Endlich bewegten die Gestalten sich. Ein Rascheln ging durch ihre Reihen, wie Herbstblätter im Sturm.
„VERSCHWINDET ENDLICH AUS MEINEM LEBEN!“, schrie ich mit einem letzten Aufbäumen und erschlaffte dann, schwer atmend. Sekunden vergingen, die mir vorkamen wie Ewigkeiten.
Und zu meiner grenzenlosen Überraschung verschwanden sie tatsächlich. Als würden sie eins werden mit dem Wind, wehten Teile von ihnen davon, ließen sich treiben, bis nur noch wenige Fetzen von ihnen übrig blieben. Und dann verschwanden auch die.



Gute Nacht :)

Löffel
 
Oh, say can you see...

Da kommt Spannung auf, die demnächst gelöst (oder gar gesteigert) werden will!
Aber wie schon geschrieben:
Erst einige Minuten später / danach sollte ich erfahren, was geschehen war.

Wenn es um eine Fortsetzung geht, hoffe ernsthaft ich, dass das nicht allzuviele Minuten für uns Leser werden.
 
TomGrenn schrieb:
Oh, say can you see...

Da kommt Spannung auf, die demnächst gelöst (oder gar gesteigert) werden will!

Gesteigert... es läuft auf einen weiteren Höhepunkt hinaus (als ersten nehme ich den Kampf an den Docks)... allerdings mit einem kleinen, eingeschobenen Intermezzo, dass etwas... "Anderes" weiter auflösen wird...

Wenn es um eine Fortsetzung geht, hoffe ernsthaft ich, dass das nicht allzuviele Minuten für uns Leser werden.

Naja, er hat wenige Minuten (Sekunden triffts wahrscheinlich eher) später erfahren, was den Tumult verursacht hat, und das war das Verschwinden der Amazone... vielleicht ist das nicht ganz klar geworden, wenn ja, meckern ;) Was wirklich dahinter steckt, erfährt er erst "Morgen". Ihr leider erst in zwei Wochen... es sei denn ihr zwingt mich erneut, zwei Kapitel zu veröffentlichen... allerdings nehmt ihr euch dann selber was vorweg, dass ist euch klar, ne? :clown:
Das übernächste Kapitel ist zudem ewig lang (ca. 5/6 Word-Seiten), deshalb würde ich es nur ungern mit einem anderen veröffentlichen...

Um es kurz zu machen: In zwei Wochen erfahrt ihr mehr. Punkt. :D

mfg

Löffel

PS: Danke fürs Melden des Fehlers und danke fürs Lob.
 
2Wochen? Du erinnerist mich an mich selbst :clown: ...
1Woche oder ... oder ... oder .. ach egal, 1Woche!
lg
Thor
 
Mein Lieblingscop (:p) entpuppt sich hier ja als fantastischer Geschichtenschreiber...

Da reizts mich auch, mal wieder was zu bringen, aber erstens haben wir hier eh schon nen ganzen Haufen Storys laufen und zweitens geb ich eh wieder nach ein paar Kapiteln auf *duck*
 
Mein Lieblings-SK ( :p ) bekommt in der nächsten Episode einen Gastauftritt... als Leiche :flame: Zumindest dann, wenn Du jetzt schon ankündigst, nichts zu veröffentlichen... da werde ich stinkig... ehrlich!

Wie auch immer, es ist Samstag... und welch ein passender Tag, wie ich dazu anmerken muss. Draußen liegt der erste frische Schnee des Jahres, Wintereinbruch in Deutschland :) Der Name des verheißungsvollen Kapitels Nummer 17 lautet...

17 - Schneegestöber

Ich wusste nicht, wie lange ich da so stand, um Atem ringend. Die Welt hing schief in ihren Angeln.
Mana, die offensichtlich wieder zu sich gekommen war, rannte von den Ruinen her auf uns zu. Sie wirkte ebenso irritiert wie Kale, Luther, und auch ich selbst. Und doch war sie die erste, die es offen aussprach: „Wer waren diese... Wesen?“
Luther knabberte unbehaglich an seiner Unterlippe. Wusste er etwas?
Werd` nicht paranoid!, beschwor ich mich, und doch konnte ich dieses Gefühl nicht abschütteln, dass hier etwas nicht so lief, wie es nach Außen den Anschein hatte. Schock und Erleichterung kämpften in mir um die Oberhand. Letztere gewann mit einem wahrlich hauchdünnen Vorsprung.
„Wir gehen weiter.“, brummte Kale, offensichtlich selbst nicht zufrieden mit der Situation. „Es macht keinen Sinn, hier weiter rumzustehen und Löcher in den Wald zu starren. Wer immer diese Leute waren, Heilige waren sie nicht. Es ist mir gleich, wen oder was sie haben wollten. Aber vermutlich waren sie es, die Ara entführt haben. Sobald sich mir die Gelegenheit bietet...“, und er schob seine Schwerter, die er die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte, zurück in die Scheiden. Es war das erste Mal, dass ich ihn wirklich wütend sah. Und es machte mir, obwohl ich den Barbaren mittlerweile zu kennen geglaubt hatte, Angst. „...werde ich sie umbringen. Einen... nach dem anderen.“
Und damit hatte sich die Sache erledigt. Was bleib uns auch anderes übrig? Kale hatte recht, rumstehen brachte rein gar nichts. Wir hatten noch immer ein Ziel. Also liefen wir wieder los, schweigend, wie es beinahe immer der Fall gewesen war. Niemandem wäre in diesem Augenblick nach Reden zumute, zumindest nicht mehr als unbedingt nötig.
Luther fing wieder an zu pfeifen, während Mana sich unruhig ihr Haar um den Finger wickelte und in Locken fallen ließ. Als Kale endlich beschloss, dass es Zeit sei, zu rasten, waren meine Füße taub und Schweiß floss mir in Strömen von der Stirn. Die beinahe tropische Hitze des Dschungels hatte ihren Tribut gefordert und zumindest mir beinahe den Verstand geraubt, wo ich doch ohnehin geistig und körperlich ziemlich am Ende war. Schmerz wanderte durch jede Pore, bis ich mich schließlich nicht mehr halten konnte und mich an einer nahegelegenen Hauswand abstützte. Die Sonne stand tief über dem Horizont und vergoss rotgoldenes Licht über die Ruinen der einst so prunkvollen Stadt. Die heruntergekommenen Hütten waren teilweise Tempelanlagen und größeren Plätzen gewichen, wir hatten die wohlhabenderen Bezirke erreicht, „Ober-Kurast“, wie es in dem Spiel geheißen hatte. Mittlerweile dachte ich kaum noch darüber nach. Es war mir gar nichts anderes übrig geblieben, als dass, was hier geschah, als neue Realität zu akzeptieren, und selbst, wenn es nur ein abgedrehter (und zugegebener Maßen ziemlich realistischer) Traum war, so war ich doch sowieso dazu verdammt, ihn bis zum Ende über mich ergehen zu lassen.

„Was glaubt Ihr, wo sie Ara hingebracht haben?“, fragte Mana unvermittelt, nachdem Luther aufgebrochen war, um Feuerholz zu besorgen. Kale, der gerade die verbleibenden Vorräte (sie neigten sich schnell dem Ende zu) überprüfte, sah zu ihr auf.
„Mach dir darüber keine Gedanken.“, war seine nicht gerade hilfreiche Antwort. Mana sah bedrückt zu Boden. Ich wollte etwas sagen, sie trösten, ihr irgendwie gut zusprechen, doch es gelang mir nicht, die richtigen Worte zu finden. In so etwas war ich nie besonders gut gewesen. Luther kam zurück und unterbrach – zum Glück – die Stille, die sich über uns gelegt hatte wie Watte.
„Es ist immer noch viel zu ruhig.“, sagte er.
„Keine Zakarumiten, keine Schinder, nicht einmal mehr diese wildgewordenen Affen haben sich gezeigt. An Zufälle mag ich da nicht mehr glauben.“
„Vielleicht...“, sagte ich und sprach damit aus, was mir schon seit dem unsanften Erwachen am Morgen im Kopf rumspukte. „Vielleicht halten diese Kutten sie zurück. Sie wollten nur mich. Wenn ich nur wüsste warum... aber es schien mir nicht so, dass sie in irgendeiner Form aggressiv veranlagt waren. Sie haben sich ja nicht einmal gewehrt.“
„Ach, und diese Explosionen waren nur Effekthascherei, ja?“, erwiderte Mana mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Sie schien ihren Anfall, oder was immer es war, schon wieder vergessen, zumindest aber verdaut zu haben.
„Nein... aber sieh es doch mal so: Sie hatten eine verdammt überlegene Position, konnten sich absolut lautlos bewegen und hatten ziemlich... tödliche Waffen, welcher Natur sie auch immer gewesen sein mögen. Aber sie haben nur einmal geschossen. Es kam mir mehr vor wie... ein Warnschuss, verstehst du?“
„Aber welches Interesse sollten sie daran haben, uns vor ihnen zu warnen, und dann, ohne irgendetwas vollbracht zu haben – ich erinnere daran, sie waren in der Mehrzahl und wahrscheinlich wesentlich stärker als wir – einfach wieder abzuziehen? Luther konnte ihnen nichts anhaben! Waren das überhaupt MENSCHEN?“, sagte sie spitz, beinahe hysterisch. Ich setzte gerade zu einer Antwort an, als Kale mich mit einer energischen Geste unterbrach.
„Beruhige dich.“, beschwichtigte er die junge Zauberin. „Wir sollten zu Bett gehen. Dieser Tag war anstrengend, und Morgen erreichen wir Travincal. Ruht euch aus, es gibt bessere Zeitpunkte zu streiten. Luther und ich übernehmen die Wache.“

In dieser Nacht sollten die Träume wiederkehren. Ich hatte sie schon beinahe vermisst.

Schnee glitzerte in der aufgehenden Sonne, hell und klar.
Das Weiß bedeckte alles, auch die Gipfel am Horizont, wie eine dichte Decke aus Puderzucker.
„Und dort willst Du hinauf?“, fragte eine Stimme in meinem Rücken.
„Ja.“, erwiderte ich, auch wenn es irgendwie nicht nach mir klang. Ungleich älter, erfahrener.
„Ich würde ja mit dir gehen... aber meine kämpferischen Qualitäten sind doch eher etwas... beschränkt.“, die Person kicherte leise.
Ich meinte mich an die Stimme erinnern zu können, war mir aber nicht sicher. Es war eine weibliche Stimme, rau, aber dennoch melodisch, tief, aber zerbrechlich. Eine einsame Schneeflocke verirrte sich in mein zerzaustes Haar und schmolz sofort.
„Das ist auch nicht nötig. Ich komme zurecht.“, wies ich sie ab, nicht energisch genug, um es wirklich zu meinen.
„Ich möchte dir allerdings einen Rat geben.“ Es klang sehr ernst.
Nun wandte ich mich ihr doch zu. Die Frau hatte dichtes, schwarzes Haar, dass ihr bis zu den Hüften reichte, ein junges Gesicht, dessen Augen jedoch von weit mehr Erfahrung und Weisheit zeugen, Augen, die schon so viel gesehen hatten. Die Haut war gebräunt und makellos glatt, als hätte das Eis, aus dem ich sie befreit hatte, sie geschliffen und geglättet. Die Frau war attraktiv, wenn auch nicht auf die übliche Art. Ich taxierte sie einige Sekunden, dann bat ich sie, mir den Rat zu nennen.
„Die Ahnen werden dich nicht passieren lassen.“
„Das weiß ich.“
„Sie werden dich auch nicht durchlassen, wenn du sie in einem Kampf bezwingst. Du wirst das Tor, dass zum Herrn der Zerstörung führt, nicht öffnen können. Du wirst scheitern. Wie alle vor Dir. Wie jeder. Es tut mir Leid, dass so zu sagen, aber es ist die Wahrheit.“
Sie sagte das nüchtern und sachlich. Eine Feststellung, keine Vermutung. Ich nickte nur. Auch das hatte ich geahnt, obwohl ich es mir wohl nie offen eingestanden hätte. Ich war nicht bereit dafür. Vielleicht war ich es nie, und werde es auch nie sein.
„Du wirst es trotzdem probieren, nicht wahr?“
„Natürlich.“
„Es ist okay. Du musst es tun, auch, wenn die Aussicht auf Erfolg gering ist.“
„Es gibt keine Aussicht auf Erfolg.“
„Stimmt.“
Eine Zeit lang schwiegen wir uns an. Keiner brachte die Worte heraus, die nötig waren, um den Bann zu brechen.
„Danke.“, murmelten wir dann beide gleichzeitig, als wäre es abgesprochen gewesen. Sie kicherte, ich lächelte nur verhalten.
„Leb Wohl.“, sagte sie leise, kaum mehr als ein Wispern im eiskalten Wind, und winkte zum Abschied. Ich erwiderte nichts mehr. Es hätte zu sehr geschmerzt. Auch, wenn ich sie nicht liebte, hatte ich sie doch ins Herz geschlossen. Erst, als ich die Tore von Harrogath hinter mir gelassen hatte und das Schneegestöber mich vollständig verhüllte, murmelte ich ebenso leise: „Leb Wohl, Anya.“




Das wärs für Heute :angel:
Ich entlasse Euch und mich selbst in die Nacht.
 
Huhu, noch jemand daaaaa? :confused:
Sei es, wie es sei, hier das nächste Kapitel :)



18 - Stadt des Hasses

Ich erwachte und erinnerte mich an alles. Jedes Wort, dass der Traum-Johnny, wenn er es denn überhaupt gewesen war, mit Anya gewechselt hatte, hatte sich in mein Gehirn gebrannt, unauslöschbar. Dieser Traum war anders gewesen als die anderen, plastischer, realer. Eher wie... Erinnerungen. Längst vergessene und verdrängte zwar, aber doch wirklich existierende Erinnerungen. Merkwürdig.
Ich sah mich um. Von draußen drang das Licht der Sterne in das steinerne Gebäude, dass wir uns gestern als Lager gesucht hatten. Es war mitten in der Nacht. Das Feuer war niedergebrannt, leises Schnarchen drang an meine Ohren. Auch Barbaren brauchen mal seinen Schlaf, dachte ich lächelnd. Ich glaubte nicht an einen möglichen Angriff, nicht in dieser Nacht, warum, konnte ich jedoch selber nicht so genau sagen. Vielleicht, weil wir es uns verdient hatten.
Mana seufzte im Schlaf. Die junge Zauberin schien einen angenehmen Traum zu haben. Immerhin. Einige Zeit beobachtete ich sie gedankenversunken, dachte darüber nach, wie es weitergehen sollte, obwohl das eigentlich schon fest stand.
„Morgen erreichen wir Travincal“, hallte es mir in den Ohren. Der Name schlug etwas in meinem Gedächtnis an. Natürlich waren da noch die Erfahrungen von... „damals“. Ich lachte leise auf, konnte es mir nicht verkneifen. Kale grunzte, schlief aber weiter. Der Gedanke war lächerlich. „Damals“. Wie lange war ich nun hier? Zehn Tage? Oder mehr? Ich versuchte sie zu zählen, doch kam bei jedem Versuch etwas andere raus.
Aber neben den Erinnerungen war noch etwas anderes. Ein Traum. Auch, wenn man sagt, dass viele Alpträume angeblich aus dem Gedächtnis verschwinden, sobald man ausgeträumt hat, so bleibt doch immer noch ein Fetzen hängen, an den man sich klammern kann wie ein Ertrinkender. Und dieser Fetzen übermittelte mir das Bild von Schreien und Feuer. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter und brachte mich zum zittern, obwohl die Außentemperatur recht mild war.
An Einschlafen war nicht mehr zu denken. Ich stand auf und trat auf leisen Sohlen ins Freie, wo der Barbar, auf einen Stock gestützt, im Sitzen schlief. Ich ging einige Schritte um die Feuerstelle herum und sah den Sternen entgegen. Ob man Zuhause wohl die selben Sterne sehen konnte?
Einige Kilometer entfernt, so schätzte ich, ragten der hohe Tempel von Travincal auf. In ihm schlummerte Mephisto den Schlaf der Mistkerle. Millionen Male hatte ich ihn schon niedergestreckt, allerdings war ich nicht so naiv zu glauben, dass es mir hier auch so leicht gelingen würde.

Es war schon spät am Morgen, als wir aufbrachen, um die letzten Kilometer hinter uns zu bringen. Mana bemühte sich, die Stimmung zu heben, was ihr jedoch nur sporadisch gelang. Das Mittagessen fiel karger aus als üblich, da unsere Vorräte, die wir aus dem hunderte Meilen entfernten Kurast mitgebracht hatten, fast verbraucht waren. Nicht, dass ich viel hätte essen können. Je näher wir Travincal kamen, desto unruhiger wurde ich, mein Magen krampfte sich zusammen und ich konnte nur mit Mühe überhaupt etwas in mich hinein zwingen, ohne es sofort wieder zu erbrechen. Luther schien es ähnlich zu gehen, er sagte aber nichts.
Der Weg war länger als erwartet, dann aber war es soweit. Am Nachmittag erreichten wir Travincal. Die Szenerie war in unheimliches, blutrotes Licht getaucht. Vielleicht hätte es an anderer Stelle, zu einer anderen Zeit schön gewirkt, doch hier und jetzt tat es das nicht. Steinerne, meterhohe Säulen säumten den gepflasterten Weg und ließen nur eine Richtung zu. Hierhin war die Natur noch nicht vorgedrungen. An den Wänden der Häuser waren seltsame Symbole geschmiert, einige mit einer Art bläulichem Farbstoff, andere mit Blut. Weder Kale noch Mana konnten sie entziffern. Auch hier schien alles verlassen. Unsere Suche schien umsonst gewesen.
„Psst!“, machte Kale und streckte die Hand aus um uns zu bedeuten, still zu sein. Niemand rührte sich. Dann hörte auch ich es. Ein leises Wimmern. Es konnte der Wind sein, aber daran glaubte ich nicht. Nein, wollte ich nicht glauben.
„Ist das...?“, fragte Mana mit leiser, piepsiger Stimme.
„Ja.“, hauchte Luther und rannte los, wir hinterher. Die Häuserwände zischten wie Schemen an uns vorbei, die Symbole an ihren Wänden verschwammen zu einem einzigen blauroten Farbbrei. Und als wir um eine Ecke schossen, hinter der wir den Ursprung des Geräusches vermuteten, wurden wir nicht enttäuscht.
Ein Mann kauerte an einer Säule, das Gesicht zwischen den Händen verborgen und leise schluchzend. Ein Wunder, dass wir ihn überhaupt gehört hatten. Hastig eilten wir auf ihn zu. Der Fremde hob den Kopf, als er die Schritte vernahm und schrie verschreckt auf, kroch noch näher an die Säule, die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Keine Angst. Wir wollen ihnen nichts tun.“, sagte Mana sanft, doch ohne Erfolg. Der Mann schrie aus Leibeskräften, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Seine Kleidung hing in Fetzen, er blutete aus mehreren Wunden am ganzen Körper, seine grauen Augen lagen tief in den Höhlen, waren vor Schreck geweitet.
„Beruhigen Sie sich.“, versuchte die Zauberin das Geschrei zu durchdringen, doch der Mann hörte und hörte nicht auf. Erst, als ein Hustenanfall ihn von Kopf bis Fuß schüttelte, schaffte die junge Zauberin es, zu ihm durchzudringen. Sie gab ihm eine Ohrfeige.
„Hören Sie mir zu verdammt! Wir wollen ihnen nichts tun, wir wollen ihnen helfen.“
Der Mann blickte mit tränenverschmierten Augen zu uns auf.
„Sie...“, setzte er an, doch seine trockene, brüchige Stimme brachte es kaum fertig, irgendwas aus den aufgeplatzten Lippen zu pressen.
„Ja?“, fragte Mana in beruhigendem Tonfall.
„Sie... sind zurück.“
„Wer ist zurück?“
„Die...“, er bewegte seine Lippen, allerdings drangen keine Worte mehr an uns heran. Erst dachte ich, er hätte einfach nur zu leise gesprochen. Eine Sekunde später musste ich mir eingestehen, dass ich falsch lag. Steine bröckelten aus der Säule hinter ihm und klackerten in einem Stakkato leise zu Boden. Ein Pfeil hatte die Stirn des Mannes durchdrungen und sich hinter ihm in die Säule gebohrt. Ein einsames Rinnsal tropfte von der Eintrittswunde nach unten auf den Boden und bildete eine flache Pfütze.
Luther reagierte unglaublich schnell. Noch bevor ich mich umgewandt hatte, hatte er schon einen Dolch in der Hand und warf ihn. Zuerst konnte ich sein Ziel nicht ausmachen, dann sah ich nach oben. Dort, auf dem Dach eines kleineren Tempels, etwa zehn Meter über und hinter uns, stand eine blonde Schönheit, die sich den Bauch hielt, dort, wo der Dolch sie getroffen hatte. ARA!
Luther schien ebenso entsetzt wie ich.
„Ara?“, ächzte er, und ließ den nächsten Dolch, den er bereits gezogen hatte, einfach fallen. Er fiel mit einem lauten Klirren zu Boden. Anstatt zu antworten grinste die Amazone nur, dann löste sie sich in einer rötlich schimmernden Kugel auf. Ein Lockvogel?!
„Bleibt alle ganz ruhig stehen, oder ich töte den Jungen, wie ich den alten Mann getötet habe.“, säuselte eine leise Stimme, völlig ruhig, in mein linkes Ohr. Kaltes Metall berührte meine Schläfe und weiches Haar streifte meine Hand. Das Blut rauschte mir in den Ohren, Adrenalin schoss durch meine Adern. Was geschah hier?
„Jetzt hört Ihr mir alle sehr, sehr genau zu. Ich will es kurz machen. Lasst mich einfach mit dem Jungen ziehen, und alles kommt wieder in Ordnung. Verstanden?“
„Was willst du von ihm?“, fragte Kale. Seine Stimme war völlig ruhig, zeigte keine Anzeichen von Angst oder Schwäche. Insgeheim verabscheute und bewunderte ich ihn zugleich dafür.
„Ich?“, Ara lachte hell und spitz auf und schüttelte den Kopf. „Gar nichts. Ich erfülle meinen Auftrag, das ist alles.“
„Auftrag?“, keuchte Mana. „Aber... was... warum?“
„Das verstehst du nicht, junge Dame, halt dich da raus.“, schnauzte die Amazone sie an, dann lächelte sie. „Komm, Johnny, wir gehen.“
Überrascht, dass mein Name genannt wurde, sah ich ihr in die blauen Augen. Kein Funken Hass zeigte sich darin, aber auch kein Bedauern. Sie stieß mich mit der Spitze des Pfeils an, ein Blutstropfen hing daran. Ich hatte den kleinen Stich kaum gespürt. „Los!“, sagte sie energischer. Doch bevor sie und ich auch nur einen Schritt tun konnten, erschien eine schwarze Gestalt wie aus dem Nichts in ihrem Rücken. Alles ging unglaublich schnell, doch meine Gedanken schalteten beinahe automatisch einen Gang runter, sodass ich alles bis ins kleinste Detail verfolgen konnte:
Luther kam angeschossen, eine Hand vorgestreckt. In ihr ruhte eine scharlachrote, mit drei Zacken bewährte Klaue. Ara drehte sich, machte sich dünn und wich dem Hieb elegant aus. Dann ließ sie ihren Bogen einfach fallen und griff nach oben in die Luft. Ein Schimmern dort, wo vorher nur rötlicher Himmel zu sehen war. Ein weißer Blitz, langsamer als ein echter, aber immer noch schnell genug, raste dem Boden entgegen und schlug mit einem Krachen ein. Staub wirbelte auf und verschlang die Kontrahenten wie ein hungriger, grauer Wolf. Als er sich lichtete, schien es, als hätte jemand die Vorspul-Taste auf einer unsichtbaren Fernbedienung gedrückt, als hätten die Kämpfenden einfach zwei Schritte übersprungen. Die Amazone trug nun einen hellgelben Spieß, an dessen Griff lange blaue Bänder flatterten. In der anderen Hand hielt sie einen hohen, reich verzierten, goldenen Schild. Ein roter Drache war darauf auszumachen. Sie stieß einen Kampfschrei aus, der Kale alle Ehre gemacht hätte, und stürzte sich auf den Assassinen. Der Schlag erschien ungelenk, überhastet und unüberlegt, doch das war er nicht. Während Luther sich unter der Waffe wegduckte und zum Gegenschlag ausholte, riss Ara das Schild hoch und überrumpelte ihn damit, stieß ihn zu Boden. Er war sofort wieder auf den Beinen, doch nicht schnell genug. Die Amazone hatte sofort nachgesetzt, ein gelber Blitz, der die schwärzesten Schatten durchdringt. Anstatt erneut auszuweichen, konterte der schlanke Mann, in dem er seine Klaue warf, was die Blondine wiederum dazu zwang, ihren Schild zu heben, diesmal nicht, um zu attackieren, sondern um sich zu schützen. Metall knallte auf Metall, ein roter Schweif prallte von dem vergoldeten Schutz ab und verschwand in den Ruinen. Der Assassine zog sich langsam zurück, versuchte Distanz zu gewinnen. Dann zog er aus seinem langen Umhang ein halbes Dutzend Dolche, balancierte sie in einer Hand und wartete auf den nächsten Zug seiner Gegnerin. Die lächelte amüsiert. Gerade rechnete ich damit, dass sie sich erneut auf ihn stürzen würde, wurde dann jedoch – unangenehm – überrascht, als sie sich zu mir umwandte und den Spieß nach mir warf. Völlig perplex sah ich dem Geschoss entgegen, hatte keine Chance mehr, auszuweichen. Es war ein cleverer Schachzug, nicht gerade die feine Englische, aber clever, etwas, womit Luther nie im Leben hätte rechnen können. Sollte es das gewesen sein? Nein, natürlich nicht. Urplötzlich wurde der Abend um mich herum glühend heiß, versengte mir eine Strähne. Etwas zischte, und die Wurfwaffe explodierte mitten in der Luft. Ein Splitterregen ging über den Anwesenden nieder. Ich sah mich um und erkannte Mana, die ihren Stab ausgestreckt in der Hand hielt, die Augen vor Anstrengung zusammengekniffen. Im nächsten Moment erschien Kale vor mir und zückte seine Schwerter. Ein leises Schwing kündete seine Bereitschaft an. Als er sprach, schwang kein Zorn darin mit, nur eine sachliche Feststellung:
„Dein Kampf ist dort, blonde Kriegerin.“
Aras Gesichtszüge verzogen sich zu einem Grinsen. Mit einem Mal wirkte sie abgrundtief hässlich. Was Wut und Verbitterung aus einem Menschen machen konnten...
Sie wandte sich von uns ab, wieder Luther zu, der sich während des Zwischenfalls keinen Millimeter bewegt hatte, immer noch die Dolche gezückt, angespannt wartend. Dann ging sie gemächlich, mit wiegendem Schritt auf ihn zu. Die Amazone schloss die Augen, ganz sacht. Ein Wind schien aufzukommen, der Mantel des Assassinen wehte leicht hin und her und das helle Haar der Amazone wogte im Takt der unsichtbaren, nur fühlbaren Melodie.
„Du!“, rief Ara mit fester Stimme, streckte die leere Handfläche dem Schwarzgekleideten entgegen. Es war ein seltsames Gefühl. Ich spürte, dass Magie am Werk war, obwohl ich auf diesem Gebiet selbst keine Erfahrung besaß. Meine Haare stellten sich auf, all die Wärme, die mich eben noch gestreift hatte, verschwand mit einem Mal und hinterließ nichts als harte Kälte, die einem unter die Haut fuhr. Mana wich hinter mir zurück, verängstigt. Der Barbar rührte sich nicht, doch auch bei ihm vernahm eine gewisse Unsicherheit.
„Verschwinde!“, schrie sie dröhnend, die Stimme hallte von den Häusern wider, dann ballte sie die ausgestreckte Hand zur Faust. Eine Explosion, die die Hauswand, hinter Luther einriss. Der Assassine hatte sich mit einem schnellen Sprung hinter einer Säule in Sicherheit gebracht, hatte die Gefahr ebenso wie ich gespürt. Er warf einen Dolch, doch der erreichte sein Ziel nicht, leuchtete kurz vorher auf... und verschwand einfach! Kale schien es nun doch für angebracht zu halten, in den Kampf einzuschreiten, trat vorsichtig von hinten an die Amazone heran, die immer noch den Assassinen hinter der Säule fixierte. Was immer Ara war, eine gewöhnliche Amazone war sie jedenfalls nicht. Und das machte sich jetzt auch äußerlich bemerkbar. Die Rüstung, die sie trug, schien sich aufzulösen, zu schmelzen. Flüssiges Gold tropfte von ihrem Körper. Die Haare fielen ihr büschelweise aus, selbst das vormals hübsche Gesicht, dass ich nur im Profil sah, schien langsam aber sicher einfach zu verschwinden. Der Barbar, der schon bis auf wenige Meter heran war, erstarrte. In großen, trägen Tropfen floss alles von der Amazone ab, ein bizarrer Anblick, als würde ein impressionistischer Künstler sein neues Werk vorstellen. Die Tropfen verdampften augenblicklich auf dem Boden, hinterließen einen sanften Nebel. Dann war die Schale – denn nichts anderes schien es gewesen zu sein, was sich dort vor unseren Augen auflöste – endgültig dahin. Darunter zum Vorschein kam eine graue Kutte.
„Gebt uns den Jungen.“, intonierte die Gestalt, die einst eine wunderschöne Amazone gewesen war. Vielleicht war sie es auch nie gewesen, hatte das, was nun auf dem Boden verdampfte, nur als Maske getragen, ein Kostüm. Nein. Sie wandte sich um und sah mich an. Dort, wo das Gesicht sein wollte, war nur eine leere Kapuze. Im selben Moment vernahm ich einen Schrei, unendlich gedämpft, aber doch da. MANA! Ich riss mich von dem Anblick des Gesichtslosen ab und wirbelte herum. Die junge Zauberin war hingefallen und starrte unentwegt auf den alten Mann, der bis gerade tot und mit glasigem Blick an der Säule gelehnt hatte. Ich hatte ihn völlig vergessen. Doch jetzt erhob sich der Mann, als würde ein Puppenspieler ihn an dünnen Fäden empor ziehen. Auch er schien zu schmelzen, vollzog dieselbe, grausame Metamorphose wie die Amazone. Als sie beendet war, schwebte er langsam auf die am Boden liegende Mana zu.
Etwas in mir reagierte. Ohne zu zögern eilte ich auf die Beiden zu und stellte mich zwischen sie, die Arme weit ausgebreitet. Was zur Hölle tat ich da? Diese Typen konnten mit einem Fingerschnippen ganze Häuser einreißen, wer war ich, mich ihnen entgegen zu stellen? Doch der Gedanke kam mir gar nicht, kam erst weit später. In diesem Moment war nur eins wichtig: Mana beschützen und dann diese Ausgeburt der Hölle dorthin zurückschicken, woher sie gekommen war. Instinktiv griff ich nach dem Stab, den die Zauberin bei ihrem Sturz fallen gelassen hatte, und hielt ihn wie ein Schild vor mich. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich tat, doch offensichtlich schindete ich Eindruck. Die graue Kutte erzitterte und blieb stehen, schwebte auf der Stelle, unschlüssig, aber scheinbar auch neugierig, was ich mit der neuen Waffe anzufangen wusste. Als nichts geschah, erhob sie die behandschuhte Hand: „Komm!“
Dunkelheit umwogte die Gestalt wie ein zweiter Mantel. Natürlich ging ich nicht. Kurz überblickte ich die Situation, suchte nach einem Fluchtweg. Irgendwie entkommen. Irgendwie! Kale stand zwischen mir und der anderen Gestalt, die aus Ara heraus gewachsen war. Luther kauerte noch immer hinter einer Säule, einen Steinwurf entfernt, und doch so unendlich weit weg. Er schien verletzt, hielt sich den Arm. Hatte ihn die Explosion etwa doch erwischt?
In der anderen Richtung befanden sich eine ganze Reihe von gigantischen, steinernen Tempeln und Häusern, die sich dem Himmel entgegenreckten. Dort entlang? Nein, an eine schnelle Flucht war gar nicht zu denken! Verdammt!
Dann begann mein Gegenüber erneut zu sprechen, seine tiefe, mechanische Stimme durchbrach die eiserne Stille wie ein Rammbock: „Du störst das System.“
„Ich tue... was?“, fragte ich entgeistert.
„Du störst das System. Komm.“
„Den Teufel werde ich tun!“
Ein Rascheln ging durch die Kutte, kaum sichtbar, aber ganz deutlich zu fühlen.
„Du störst das System. Komm.“, wiederholte sie. Sie klang gereizt. Drängend. Und da erkannte ich etwas ganz wichtiges. Unbewusst nur nahm ich es wahr, etwas streifte mein Unterbewusstsein, und erst später sollte mir klar werden, wie wertvoll diese Information wirklich war.
Diese Kreaturen waren Menschen.
Etwas machte Klick. Ich hob den Stab.
„NICHT! Johnny, bleib stehen!“, schrie jemand. Ich stockte, die Arme zum Schlag erhoben. Luther war es, der mich aufgehalten hatte. In seiner Hand schimmerte etwas mattschwarz. Seine Pistole.
„Geh zur Seite!“, brüllte er mich an und kam langsam auf uns zu, beide Arme ausgestreckt und die Waffe krampfhaft umklammernd. Die Kutten reagierte sofort. Hatten sie sich vorher noch kaum bewegt, legten sie nun eine wahnwitzige Geschwindigkeit an den Tag. Derjenige, der ihm am nächsten stand und vorher von Kale bewacht wurde, stieß auf ihn herab, die Hände zu Fäusten geballt. Der Assassine drückte ab. Einmal, zweimal, dreimal. Peitschend heulten die Schüsse durch die Luft und trafen allesamt ihr Ziel, die ersten beiden in den Oberkörper, der dritte mitten unter die Kapuze. Die Kreatur heulte auf. Aber nicht wie eine Kreatur, nicht fremd und wild, sondern viel vertrauter. Menschlich. Sie schwebte zu Boden, zum ersten Mal berührte die Kutte den Boden. Die andere war abrupt stehen geblieben, die todbringenden Hände erhoben, aber zögernd. Es hätte kaum deutlicher sein können, dass sie damit in keinster Weise gerechnet hatten.
Die getroffene Gestalt wand sich, litt offensichtlich Höllenqualen. Dann rührte sie sich nicht mehr. Auch, wenn ich immer noch nicht mit absoluter Gewissheit sagen konnte, was sie waren, so wusste ich doch, dass das Wesen, was Ara bewohnt hatte (oder was Ara gewesen war...), tot war. Für immer. Niedergestreckt von einer Vision, einem Ding, dass diese Welt nie zu Gesicht hätte kriegen dürfen.
Luther richtete seine Waffe nun auf den verbleibenden Feind. Der fackelte nicht lange, zerstob langsam in seine Bestandteile, verschwand in den karmesinroten Himmel.
Unter ihm verwandelte sich die Gestalt, die Luther niedergeschossen hatte. Es schien, als würde erneut eine Maske schmelzen. Stahlgraue Tropfen glitten auf den Boden und gaben blondes, glänzendes Haar und eine wilde, sagenhafte Schönheit frei. Der Assassine schritt auf Ara zu, fühlte den Puls, schüttelte den Kopf. Das Einschussloch war deutlich zu erkennen, genau zwischen den nun geschlossenen, ehemals wunderschönen blauen Augen.
Es war vorbei.




Tja, und das wars dann auch erstmal von mir :angel: Bis nächste Woche :hy:

Löffel
 
Keine Angst wir sind alle noch da - ist nur hin und wieder etwas blöde, nach jedem Kapitel das gleiche zu posten ala: Gefällt mir gut :) was es nach wie vor tut.

lg, Gandalf
 
Diesmal nur ein sehr kurzes Kapitel... Erklärung folgt unten :)

19 - Kleine Zeremonie

Da standen wir, sahen, was niemand von uns sehen wollte.
Etwas traf mich, lief mir in den Nacken. Regen. Der Himmel trauerte, weil es wieder ein Opfer unter seiner Regentschaft gegeben hatte. Der sanfte Nieselregen wurde bald stärker. Luther entfernte sich von uns und der Leiche, die Hände zu Fäusten geballt.
„Scheiße!“ Er schlug gegen eine Steinsäule. Blut vermischte sich mit dem Regen. Wir rührten uns nicht, warteten darauf, dass es aufhörte. Zwar war die Hölle nicht hier, und doch trugen wir sie alle in uns. Und in solchen Momenten kommt sie ans Tageslicht, schrecklicher als alles, was wir uns hätten vorstellen können.
Noch immer hielt ich Manas Stab in meiner verkrampften Hand. Kleine Funken bildeten sich an der Spitze des blauen Kristalls, tanzten flink in der Dunkelheit und erstarben wieder.
„Wir sollten sie nicht so hier liegen lassen.“, sagte ich.
„Nein, dass sollten wir nicht.“, murmelte Mana. Sie sah zu Kale auf. Er nickte und lud sich mit einem Ächzen den leblosen Körper der Amazone auf die Schultern. Wir gingen los, zurück zum Wald. Luther ließen wir alleine. Vielleicht war das besser so. Dann stockte ich, als mir etwas einfiel.
„Wartet eine Sekunde hier.“, sagte ich nur und eilte hastig wieder zurück. Da! Ihr Bogen. Ich hob ihn auf und betrachtete ihn eingehend. Er war unglaublich leicht, wog kaum mehr als ein Tennisschläger. Verzierungen zogen sich über das helle Holz wie winzige Schlangen. Die Sehne war nicht dicker als das Haar eines Menschen, als ich aber an ihr zupfte, gab sie, trotz des Regens, einen vollen, klaren Ton ab.
Kale nickte, als er sah, weshalb ich zurückgegangen war, und wir setzten unsern Weg fort, zurück in den Wald in unmittelbarer Nähe. Der Boden weichte auf, sog das Wasser auf wie ein Schwamm und machte das vorankommen gerade für den Barbaren zu einer Tortur. In der Ferne sah ich erste Blitze, und Sekunden später erreichte uns der Donner, leise noch, doch bald schon ohrenbetäubend.
An einer geeigneten Stelle unter einem gigantischen Baum, dessen Blätter sich unter der Kaskade bogen, ließ Kale seine Last fallen. Mit einem nassen Klatschen fiel Aras zierlicher Körper zu Boden, und der Barbar zog seine Schwerter, begann mit den langen, aber dünnen Schneiden umständlich ein Grab zu schaufeln. Wir sahen ihm nur zu. Niemand sprach. Als er fertig war, schubste er die Leiche in das Loch. Der Regen prasselte hinein und hatte bald den gesamten Boden bedeckt. Untermalt von eben diesem melancholischen Geräusch, begann Luther eine Melodie anzustimmen, und schließlich, als hätte er sich erst mühsam dazu aufraffen müssen, zu singen:

Oh, say can you see
By the dawn's early light
What so proudly we hailed
At the twilight's last gleaming
Whose broad stripes and bright stars
Through the perilous fight
O'er the ramparts we watched
Were so gallantly streaming?
And the rockets red glare
The bombs bursting in air
Gave proof through the night
That our flag was still there.
Oh, say does that star-spangled
banner yet wave
O'er the land of the free
And the home of the brave?


Wir lauschten, angenehm berührt von seiner plötzlich so warmen Stimme, die mit jedem Vers kräftiger wurde. Es war der Klang der Freiheit. Und vielleicht, auch, wenn die Amazone keine Amerikanerin war, hatte sie es verdient. Nachdem Luther geendet hatte, trat ich schweigend vor und warf statt der Flagge den Bogen seiner ehemaligen Besitzerin hinein ins nasse Grab. Kale macht sich daran, die Erde wieder zu einem Hügel aufzutürmen, dann war die Kleine Zeremonie, wie ich sie später heimlich für mich nennen sollte, vorbei.


Und damit ist es zunächst einmal vorbei, Teil Eins der Geschichte um Johnny wäre abgeschlossen :) Doch keine Panik auf der Titanik, es geht natürlich weiter, nur finde ich momentan relativ wenig Zeit zum schreiben, was sich nach Weihnachten aber mit Sicherheit bessern wird, Ideen sind jedenfalls genug vorhanden :angel:

mfg

Löffel
 
es war zwar kurz hat mir aber dafür gut gefallen :top:


dann hoffen wir mal das du bald wieder zeit findest.
 
Die Geschichte gefällt mir bisher sehr gut :top:
Besonders die Idee, dass Johnny aus der realen Welt in die Welt von Diablo gerissen wird.
Bin schon gespannt auf die Fortsetzungen ... und nach Weihnachten das Weiterschreiben nicht vergessen!
 
:hy:

Danke für das Lob :) Und weil ich natürlich nicht faul war, gibt es jetzt eine kleine Weihnachtsepisode, die zugleich als Prolog für den zweiten Teil der Geschichte um Johnny dient.

Viel Spaß damit :angel:



Diebe in New York

Glitzernder Schnee fiel in dicken Flocken zu Boden und bedeckte ihn wie Zuckerwatte. Überall weiß, rot, grün, gelb strahlende Lichter. Es war, als würde die Welt in Farben versinken. Dennoch: Es gab noch viel zu viel Grau.
Ich zog meine Mütze tiefer ins Gesicht, sah noch einmal hektisch nach links und rechts, dann trottete ich durch die knirschende Schicht Weiß, die ganz New York einzulullen schien. 24. Dezember. Ein Tag vor Weihnachten. Die Welt steht still, nur für wenige Tage, aber das genügt. Ja, es ist tatsächlich die Zeit des Sich-näher-kommens. Sowohl räumlich wie auch gedanklich. In diesen Momenten springt allerdings besonders der räumliche Aspekt stark in den Vordergrund. Die 5th Avenue war vor lauter Menschen und Schnee nicht mehr zu erkennen. Von oben musste das einen bezaubernden Anblick bieten, dachte ich. Doch dafür war beim besten Willen keine Zeit. Da!
Eine Gestalt bewegte sich schnell durch die Masse, hastend. Sie fiel auf wie ein bunter Hund. Ich lächelte, nicht überrascht. Ein Taschendieb, nichts weiter. Keine große Sache, und doch in solchen Tagen weit verbreitet und daher ein Problem. Ich musste aufpassen, dass ich den Anschluss nicht verlor. Also rannte ich los.
„NYPD! Stehen bleiben, du Penner!“
Der Typ drehte sich tatsächlich um. Was für ein Trottel! Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber seine Klamotten waren so dermaßen unauffällig - graue Jacke, graue Hose, graue Kapuze mit grauen Bommeln - das selbst ein Blinder mit einem Krückstock ihn in dieser Masse hätte finden können. Doch er war schnell, das musste man ihm lassen. Schon im nächsten Moment stürmte er wieder los, rempelte Leute an, stolperte, sprintete weiter. Dann sprang er auf die Straße. Eine Blechlawine schob sich dort Millimeter um Millimeter voran, hupend, drängend. Behände hüpfte er auf das Dach eines Taxis und sprang einfach von Karosserie zu Karosserie, ich hinterher. Die Autos hupten noch lauter und energischer, als wir über sie hinwegkrabbelten, doch das störte weder den Jäger noch den Gejagten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite rannte er weiter den Gehweg entlang, ich folgte ihm parallel durch den Autodschungel. Der Abstand betrug noch etwa zehn Meter. Zwar war der Typ schnell, musste sich jetzt aber durch die Menschenmassen zwängen, während ich einfach die Gasse der Autos ausnutzte. Ich nutzte den Schwung, den ich angesammelt hatte, flankte über die Motorhaube eines alten Mercedes. Jetzt waren es noch fünf Meter, doch der Kerl wurde einfach nicht langsamer. In unregelmäßigen Abständen sah er nach Hinten, prallte mit Passanten zusammen, fiel beinahe hin, nur um dann wieder zu beschleunigen.
„NYPD! Machen sie den Scheißweg frei!“, brüllte ich in die Masse, doch nur wenige vernahmen das überhaupt, sodass ich jetzt nahezu mit den selben Problem zu kämpfen hatte wie der Dieb. Jetzt reichts, dachte ich. Im Laufen zog ich meine Dienstwaffe, eine Heckler & Koch USP, Kaliber 9 Millimeter, und schoss kurzentschlossen in die Luft.
„Aus dem Weg!“ Und tatsächlich: Diese Sprache schienen die Leute zu sprechen. Verschreckt zuckten sie zurück und gaben auf einer Länge von etwa 50 Metern den Gehweg frei. Der graue Dieb war nirgends zu sehen. Ich hatte ihn verloren.
„Verdammt!“, fluchte ich, steckte meine Waffe wieder ins Halfter und ging missmutig vorwärts, mich wachsam umblickend. Doch da war niemand. Die Menschen sahen mich entgeistert an. Ich war in Zivil, von daher war es wohl kein Wunder, dass ich angestarrt wurde. Doch es gab jetzt wirklich Wichtigeres. Irgendetwas sagte mir, dass der Dieb noch ganz in der Nähe weilte. Er musste es einfach!
„Hey, sind Sie eigentlich wahnsinnig?“, fragte mich ein bullig aussehender Typ mit Bomberjacke und kurz geschorenem, blondem Haarschopf.
„Nein, Polizist. Aber soll angeblich ne Berufskrankheit sein.“, erwiderte ich genervt und hielt ihm meine Dienstmarke vor das breite Kinn. Der Mann wurde augenblicklich still, grummelte etwas in sich hinein und verschwand. Zu meiner Linken befanden sich mehrere Läden. Langsam, beinahe bedächtig nahm ich einen nach dem anderen unter die Lupe. Ein „24-hours-is-not-enough“-Shop. Ein Italiener. Ein Buchladen. Alles gute Versteckmöglichkeiten. Theoretisch zumindest. Denn die Geschäfte waren brechend voll, so dass es beinahe schien, als würden sich die Kunden und nicht die Waren bis an die Decke stapeln. In dem Restaurant herrschte das reinste Chaos. Kellner huschten hin und her, ein aufgesetztes, gehetzt wirkendes Lächeln auf dem Gesicht. Im 24-Stunden-Shop drängelten sich die Leute mit ihren buchstäblich allerletzten Weihnachtseinkäufen zur Kasse. Der Buchladen jedoch war leer. Zumindest, soweit man das durch die beschlagenen Scheiben erraten konnte. Ich stutzte. Sah nach oben. Über dem Geschäft hing nichts als eine verwitterte, alte Holztafel, die im Wind quietschte.
„Bingo!“, murmelte ich und trat ein. Ein Klingel kündigte mich an, doch niemand reagierte. Um mich herum ragten Regale bis an die Decke, voll gestopft mit dicken Folianten. Es war extrem warm und stickig, als würde das Gewicht der Bücher jegliche Luft nach unten drücken. Weit und Breit war niemand zu sehen. Nicht einmal eine alte, gelangweilte Mitarbeiterin lümmelte an der alten Registrierkasse auf der anderen Seite des Verkaufsraumes. Vorsichtig ging ich einige Schritte. Die Holzbohlen unter meinen Füßen knirschten und ächzten. Da! Ein Rascheln. Einige Regale entfernt schien sich jemand zu bewegen. Ich zog meine Waffe, entsicherte jedoch nicht... schließlich wollte ich niemanden umbringen! Also schlich ich vorwärts, die Pistole fest in beiden Händen. Das Ächzen der Bohlen wollte nicht aufhören, als wollten sie mich unbedingt verraten. Aber das schien die Person nicht zu stören. Ich hörte keinen Laut, sie schien sich nicht zu rühren. Ich sprang um die Ecke, die Waffe vorgestreckt.
„Stehen bleiben! Poli...“
Das Mädchen wandte sich mir zu.
„Ja?“, fragte es, den Kopf schief gelegt. Die ersten Sekunden starrte ich sie nur entsetzt an. Sie hatte schulterlanges, leuchtend rotes Haar, ebenso leuchtend rote Augen und ein schmales Gesicht. Auf der Nase baumelte eine dünne Brille.
„Kann ich Ihnen helfen?“, setzte sie hinzu, stellte das Buch, dass sie offensichtlich gerade herausgezogen hatte, zurück ins Regal und kam auf mich zu. Endlich entschloss ich mich, die Waffe runterzunehmen. Sie war nicht davor zurückgeschreckt. Seltsam.
„En... Entschuldigen Sie. Ich... suche einen Taschendieb... und ich bin davon ausgegangen, dass er... nun ja, sie wissen schon.“, betreten brach ich ab. Das Mädchen – denn das war sie wirklich noch, vielleicht 20, 25 Jahre alt, maximal – runzelte die Stirn.
„Ein Dieb? Nein, der war hier nicht drin. Überhaupt, sie sind der erste, der heute den Laden betreten hat... nach mir natürlich.“ Ich konnte mir nicht helfen, aber aus irgendeinem Grund klang ihre Stimme nach Erdbeeren. Frische, vom Feld.
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich ein wenig umsehe? Nur, um sicher zu gehen.“
„Nein, natürlich nicht. Fühlen Sie sich ganz wie Zuhause.“, erwiderte sie lächelnd und widmete sich wieder den Büchern im Regal. Komisches Mädchen.
Also ging ich zurück, suchte den ganzen Laden ab, auf der suche nach dem grauen Dieb. Suchte hinter der Theke und zwischen den Regalen. Doch nichts. Ich wollte gerade gehen, als die Rothaarige mich von hinten ansprach: „Fündig geworden?“
„Leider nein.“, sagte ich, lächelte matt. „Ich will dann mal, hat ja doch keinen Sinn.“
„Warten Sie.“ Sie holte ein Buch hinter dem Rücken hervor und reichte es mir. „Hier.“
„Danke... aber was soll ich damit?“, fragte ich und starrte das Buch an. Es war groß, weich, hatte einen roten Umschlag, auf dem sich goldene Linien wie Schlangen wanden.
„Lesen, was sonst?“, antwortete das Mädchen.
„Tut mir Leid, aber dafür habe ich jetzt keine Zeit. Der Dieb kann noch nicht allzu weit gekommen sein.“
„Meinen Sie mich?“, fragte eine ruhige Stimme hinter mir. Ich wirbelte herum und sah den Dieb in der grauen Kutte, der mir den Weg nach draußen versperrte. Er hatte die Kapuze abgenommen, und ich sah, dass er ebenso rote Augen und schütteres Haar hatte wie das Mädchen. Auch er war Anfang 20. Ich wollte etwas erwidern, ihn zur Verantwortung ziehen, doch er kam mir zuvor.
„Lesen Sie es. Glauben Sie mir, dass wird das Beste für Sie sein.“
„Was soll das?“, fragte ich entgeistert und sah sehr hektscih abwechselnd in die beiden beinahe ausdruckslosen Gesichter. „Was wird hier gespielt?“
Und erst jetzt fiel mir auf, dass ich gar nicht mehr wusste, was der Junge geklaut hatte. Ich hatte überhaupt nicht gesehen, dass er etwas geklaut hat. Verließ mich jetzt schon mein Gedächtnis?
„Nein, Ihre Erinnerungen sind intakt. Sie können sich an keinen Diebstahl erinnern, weil es nie einen gegeben hat.“, sagte der Junge gelassen. „Und jetzt lesen Sie.“
„Aber...“, stammelte ich, versuchte mich zu sammeln, doch ohne Erfolg.
„Nun machen Sie schon.“, sagte das Mädchen, energischer. Draußen flog der Schnee am Fenster vorbei, wirbelte in Formen und watteweich zu Boden oder auf die Köpfe der Passanten. Ich sah den bulligen Typen vorbeischlendern. Er warf dem Laden zu seiner Rechten nicht einmal einen Blick zu. Mein Blick wiederum schweifte zurück auf das Buch. Es schien sich verändert zu haben... als wäre es... schwerer geworden.
„Schlagen Sie es auf. Dann werden Sie sehen.“
„Was sehen?“ Doch meine Stimme wurde schwach, immer schwächer, meine Widerstandskraft ging zur Neige. Wie durch einen dicken Schleier nahm ich war, wie meine Hände das Buch öffneten und meine Augen die ersten Zeilen wahrnahmen.
„Schlaf.“, intonierten der Junge und das Mädchen mit einer tiefen, beinahe unmenschlichen Stimme. Das letzte was ich sah, waren die leuchtenden Augen des Mädchens in der sich ausbreitenden Dunkelheit. Sie wirkten traurig. Aber nur ganz kurz. Dann versanken meine Gedanken im Nichts.



mfg

Löffel
 
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