Echt der Hammer
Die Ausrüstung wurde noch einmal vorsorglich repariert (nur die von Gozudin, Geli schien auf ihre Sachen besser aufzupassen), der Heiltrankvorrat kontrolliert und eine Großfamilienpackung Gegengiftelixiere gekauft. Klaus bemühte sich, durch halblautes
"[*WeißeHai-Meldodie-sing]damdamdamdamdamdam" etwas Atmosphäre zu erzeugen, aber seine Mitstreiter zeigten keinerlei Anspannung oder gar wachsende Begeisterung für den vor ihnen liegenden Kampf gegen die berüchtigte Zwischenbossin.
Klaus erläuterte Gozudin gefühlte drei Mal (und reale sieben Mal) die anzuwendende Taktik, die zu erwartenden Räumlichkeiten und Gründe, warum Andariel (zumindest für Gozudin) eigentlich keine tödliche Bedrohung darstellen
könne.
Die Lagerbewohner waren wie Geli und Gozu ähnlich gelassen, fast schon desinteressiert bezüglich des Showdowns. Dass schon alle Wegpunkte im Kloster erreicht waren und somit eine gemeinsame Rückeroberung im Bereich des Möglichen lag, interessierte keine Sau. Natürlich war es superwichtig, dass die Unterübelin, die sich in den Katakomben breitgemacht hatte und für eine giftige Atmosphäre sorgte, flachgelegt werden sollte. Aber erste Schritte - und sei es eine erste Wiederbegrünung der Klosterpforte durch die Gärtnerjägerinnen - waren offensichtlich erst nach dem Tod der Einfrauarmee geplant. Also entweder trauten sie Gozudins Schlagkraft nicht und hatten zu viel Schiss, dass Andariel mächtig sauer reagieren würde, wenn sie erst mal in ihrem Schönheitsschlaf gestört worden war und einen gewissen Paladin zur Wiederauferstehung ins Lager geschickt hatte (
bitte bitte bitte bitte lass es die Auferstehungsvariante sein und nicht die „Eure-edlen-Taten-werden-blablabla“-Version). Oder die Wiederinbesitznahme des Klosters kam zu schnell und passte dem Management nicht in den Terminplan. Jedenfalls verhielten sich die Jägerinnen samt oberster Heeresleitung auffallend unauffällig, als Klaus von Gozudin beim achten Strategieerklärungsversuch am Wegpunkt durch demonstratives Winken mit einem Gegenelixierfläschchen gestoppt wurde. Nur Cain rief mit einem übertriebenen Augenzwinkern und einem schnellen Seitenblick zum spirituellen Führerbunker beziehungsweise –zelt ihnen hinterdrein:
”Aber ja doch. Wenn ihr anschließend weiter müsst, werde ich euch natürlich begleiten, das bin ich euch schuldig! Und wer sonst sollte denn für euch all die mysteriösen Gegenstände identifizieren, die ihr unterwegs aufsammelt?”
Zurück in dem lagerfeuerbeheizten Raum ließen sie es erst mal „langsam“ angehen. Was heißen soll, die Tür zum angrenzenden Raum wurde aufgestoßen und alles, was sich bewegte, wurde angegriffen. Okay, die vielen Feuer wurden großzügig umrundet und nicht angegriffen. Und der Bluttümpel in der Mitte blubberte nicht, wurde also auch nicht weiter beachtet. Aber die Schamanen und Gefallenen und Zombies und Missgestalteten (oder Entstellte? Hässliche?) wurden ordentlich verhauen beziehungsweise beschossen. Klaus war dabei nicht untätig, er probierte etwas ganz Neues und hielt einem Schamanen von hinten die Augen zu, bis ein anderer Schamane das Feuer auf ihn eröffnete. Als der vorübergehend geblendete Schamane wieder die Augen freibekam, sah er als erstes einen Feuerball auf sich zurasen. Geli hatte ihre liebe Not mit einem Paar Missgestalteter. Obwohl genügend Fässer im Raum standen, hinter der sie in Deckung hätte gehen können, stand sie meistens einfach ungeschützt mitten im Raum und wich notgedrungen ab und zu den Kugelblitzen aus – sofern sie diese kommen sah. Letztendlich war aber kein Monster Gozudins stahlharter Argumentation gewachsen.
Nach dieser ersten Schlacht wurde Beute (Gold und Heiltränke) eingesammelt oder zumindest notdürftig beiseite geräumt, damit nachher niemand mitten im Gefecht ins Stolpern geriet. Irgendwelche Kostbarkeiten waren nicht aufgetaucht. Als letzte Vorbereitung wurden noch zwei schwache Heiltränke von Gozudin und Geli geschlürft um etwaige Kratzspuren und blaue Flecken zu lindern und dann ging’s los.
Gozudin stieß das Tor zum Oberdämoninnenboudoir auf. Auch hier brannten Feuer (Wo war eigentlich der Rauchabzug?). Außerdem gab es dämonenspezifische Architekturelemente, zu denen Klaus eine ganze Enzyklopädie an Fragen eingefallen wären, hätte der Kampf gegen Andariel nicht unmittelbar bevorgestanden.
Aber zuerst wurde einer Gruppe Kugelblitzspucker samt Boss schnellstmöglichst der Garaus gemacht. Dann konnte Gozudin gerade noch den Gefallenenhäuptling auf der rechten Seite (musste der sich auch unbedingt in das Feuer direkt neben den Fässern stellen?) ausschalten und dann rauschte die Giftspritze Andariel auch schon höchstpersönlich heran.
”FÜRRRCHTE MI..” ZACK!
Gozudins stürmische Art unterbrach die Begrüßungsrede der Dämonenfürstin. Andariel blickte verwundert auf das kleine Menschlein vor sich, das enthusiastisch ihren neuerdings blutenden Bauchnabel zu vergrößern versuchte. Geli war intelligenterweise damit beschäftigt, die restlichen umherwuselnden Gefallenen, welche etwas enttäuscht schienen, dass der Paladin ihnen seine Aufmerksamkeit entzogen hatte, zu dezimieren. Andariel schwang ihren Oberkörper (der wohl aufgrund der hiesigen Befeuerung keine wärmende Oberkleidung benötigte) hin und her, als suche sie Unterstützung. Klaus konnte sich an diese Bewegung – aus anderer Perspektive gesehen – erinnern.
“Duck dich, die sprüht gleich...”
Und schon flogen giftgrüne Giftsphären im Halbkreise von Andariel. Klaus wurde von einen Brechreiz geschüttelt, während Gozudin der Lady mit der unmöglichen Frisur einen deftigen Schlag mit dem Schild versetzte. Poison Andy wurde zurückgestoßen und Gozudin trat ebenfalls einen Schritt zurück.
Der Abstand zwischen den zweien war also nicht wirklich groß, reichte aber aus, dass Gozudin wieder losspurten konnte.
ZACK! [*GluckGluck] [*GluckGluck] Anscheinend hatte Gozu seine Giftelixier- und Manatrankvorräte angebrochen. Andariel wurde jetzt richtig wütend. Sie spuckte Gift und Galle – hauptsächlich Gift. Aber Gozu stand so günstig, dass ihn keine Giftkugel traf. Klaus hatte ebenfalls (relativ gesehen) Glück: er stand noch vornüber gebeugt und versuchte erfolglos zu… mit den Folgen der Übelkeit fertig zu werden, weshalb Andariels Auswurf folgenlos über ihn hinweg fegte. Geli allerdings, welche inzwischen erstaunlich viele Herumwusler getroffen hatte, war wieder in unvorteilhaftes Grün getaucht. Dennoch schoss sie mit einer stoischen Ruhe Pfeil um Pfeil in die Gruppe (oder waren das sogar Gruppen?) hinter Andariel.
Gozudin ging gleichfalls unbeirrt seinem Handwerk nach. Die Dämonenkönigin wollte ihm nicht nachstehen und ging zur Gegenattacke über. Ihre Skorpionschwanzextremitäten (meine Güte, wie sollte man die Dinger bloß nennen? Und wie konnte man mit so was jemals schlafen?) fuhren nieder und bildeten fast einen Käfig um Gozudin. Doch anstatt nun einen in Todeskrämpfen sich windenden, zerschmetterten Paladin zu erleben, machte es nur
Knock und Gozudin hieb der verdutzten Viermeter Frau ein weiteres Mal seine Waffe vor den Latz.
”Gozudin“
Gelis Stimme klang recht schwach.
“Sofort, werte Mitstreiterin!“
[*GluckGluck]
”Danke!“
”Hchrargh!”
Andariels nächste Giftattacke hatte Gozudins großzügige Hilfe – die Weitergabe eines Giftelixiers
über mehrere Meter hinweg, mitten im Kampfgeschehen an die Bogensöldnerin - gerade wieder obsolet gemacht. Geli war wieder grün, Gozu hatte auch eine ungesunde Gesichtsfarbe und der bedauernswerte Klaus hatte sich gerade in dem Augenblick aufgerichtet, als eine Giftkugel über seinen Kopf fliegen wollte. Danke, Prost Mahlzeit.
Dafür fand sich Andariel wieder im Fokus diesmal zweier Kämpfer. Bogen und Flegel taten ihre Arbeit. Klaus stolperte halb blind direkt auf die drei Kämpfer zu. Gerade, als Gozudin eine Schritt zurück trat und seine Gegnerin frohlockend nachsetzen wollte, prallte Klaus gegen die Frontseite der Halbnackten. Andariel mochte zwar quasi unbekleidet sein, richtig erfreulich war der Zusammenstoß für Klaus allerdings nicht. So kalt und hart, wie sich die Haut der Dämonin anfühlte, war er fast froh, dass sich die zwei potentiellen Stoßdämpfer knapp über seinem Kopf befanden und nicht etwa in seine Augen pieksten.
Er erbrach sich direkt.
Andariel, die Dämonenkönigin, das Kleine Übel (wobei, klein war sie wie gerade erwähnt gewiss nicht) hatte Klaus bisher komplett ignoriert. Nun blickte sie angewidert auf ihren besudelten Bauch, wischte den Verursacher mit einer unwirschen Bewegung beiseite und richtete ihren standardmäßig hasserfüllten Blick wieder auf Gozudin. Aus ihrem Angriff auf den Paladin, der schon Schweißperlen auf der Stirn hatte, wurde allerdings nichts. Beim ersten Schritt nach vorne rutschte sie in der Sauerei vor ihr aus, ruderte mit den Armen und den Skorpiondingern in der Luft und wurde voll von Gozudins Flegel in seinem Gegenansturm erwischt.
Die Besetzerin des Klosters brach zusammen, um ihren Kadaver schossen Flammen aus dem Boden und züngelten durch den Raum, schließlich stieg eine Feuersäule aus ihrer Leiche empor. Gozudin stand schwer atmend daneben, wurde vom Feuer aber wie durch ein Wunder verschont. Klaus zog dennoch vorsichtshalber die Füße ein, als eine Feuerzunge an der Stelle vorbei kam, wo er nach Andariels Schlag benommen auf dem Hintern gelandet war.
”Goz..[/size]“ [*GluckGluck]
”Danke!“
Mit grimmiger Miene wurde die Machtaura unter Gozudins Füßen zu einer mit grünlich lilanen Sphären pulsierenden Aura gewechselt. Ah, Reinigung, der Getränkevorrat war wohl alle. Na ja, immerhin war hier der ganze Boden besudelt. Nicht nur von Klaus’ Hinterlassenschaft, Andariel hatte beim Kampf ganz schön bluten müssen.
Bevor der Raum endgültig von Gefallenen, Schamanen und nahe des Thrones von Zombies befreit wurde, sammelte Gozudin gelassen die von Andariel hinterlassenen Schätze ein. Während Geli aufpasste und verirrte Gefallene vorläufig daran hinderte, Gozudin zu stören, landeten eine seltene Lederrüstung (überhaupt nicht angesengt!), ein Rubin, ein grüner Brustpanzer von goldener Farbe (Arrrgh,warum musste es immer Isenhart sein?) und ein Paar einzigartige Panzerhandschuhe in seinem Inventar. Erst dann wurde das verstreute Gold eingesammelt und der hintere Bereich gesäubert.
Nach dem dritten erschlagenen Gefallenen war Gozudin plötzlich wieder topfit, doch zögerte er für zwei, drei Sekunden, weshalb sich ihm vier Gefallene vorsichtig näherten, um ihn gemeinsam in die Zange zu nehmen. Klaus wollte ihn schon warnen, da wechselte die Aura des Paladin erneut. Die Augen des heiligen Kriegers verengten sich zu Schlitzen, die Konzentrationsaura blühte auf und Gozudin reckte den Arm gen Saaldecke, als wolle er John Travolta Konkurrenz machen.
Ein Heiliger Hammer brach hervor und zog wirbelnd seine spiralförmig Bahn um Gozudin. Das Geräusch bei dem Zauber ließ den Eindruck entstehen, als hätten die Paladine zuviel Startrek gesehen und den Soundeffekt ihrer unvergleichlichen Fertigkeit an die heutige Zeit angepasst. Mehr oder weniger.
Die Gefallenen (und der Schamane) waren weniger von dem Klang als der Wirkung des Heiligen Hammers überrascht. Zwar nicht für lange Zeit, aber die verständnislosen bis panischen Blicke der kleinen Dämonen, die den Hammer auf seiner Bahn verfolgten und die unbeholfenen Versuche, vielleicht doch noch dem wirbelnden (Un)Heil zu entgehen, waren einen Oscar wert. Natürlich verfehlte der Hammer auch einige Gefallene, doch der zweite Hammer ließ nicht lange auf sich warten.
Die letzten drei Bewerber um den Siegesplatz bei last fallen standing wurden mittels Pfeil respektive traditionellem Flegeln zur Ruhe gelegt.
Als Gozudin gelassen und stolz von dem reichlich unbequem aussehenden Thron am Ende des Raumes zurückkehrte, stand Klaus auf, die Übelkeit war genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen war.
“Ich habe Andariel besiegt. Und ich hatte ein Level-up.“
Gozudin grinste bis über beide Ohren.
“Was du nicht sagst. Aber mal ehrlich, das war klasse Arbeit.”
Zu mehr Lob warKluas im Augenblick nicht fähig.
Geli hatte inzwischen auch wieder eine nmenschlichen (?) Teint, sagte aber nichts. Die finale Rückeroberung des Kloster war wohl nicht erwähnenswert.
Kurz nach Andariels Tod hatte sich ein Stadtportal geöffnet. Eigentlich war Klaus dieses Prozedere ja schon bekannt. Dennoch hatte er misstrauisch jeden Gefallenen beäugt, der auch nur ansatzweise in Richtung des Tores linste, während Gozudin und Geli unter seinesgleichen aufräumte. Klaus wäre sogar bereit gewesen, als Türsteher zu funktionieren, doch hatte kein Zombie oder Gefallener Anstalten gemacht, durch das Portal zu fliehen. In das Lager der Jägerinnen. Vielleicht hatte deshalb keiner einen Versuch gemacht.
Wie das mit dem Stadtportal funktioniert hatte, wusste Klaus trotzdem nicht – war das so was wie eine vorzeitige Questbelohnung, quasi eine Gratificatio Praecox?
Egal, jedenfalls schritten sie gemeinsam hindurch, um den Jubel der befreiten Massen zu empfangen.
Cain zeigte echte Freude. Wobei es wohl eher die Freude über eine baldige Abreise war. Auch Charsi fand freundliche Worte (die einzigartige Isenhart Kiste nahm sie ohne mit der Wimper zu zucken entgegen), wenngleich sie keinerlei Bestrebungen zeigte, ihre Schmiede zusammenzupacken und wieder ins Kloster zu verlegen. Selbst Kashya stand wie eh und je mit verschränkten Armen in der Nähe des Lagerfeuers.
”Endlich können wir jubeln...“
Blablabla. Akaras Rede enthielt zwar hochtrabende Worte, danach passierte aber rein gar nichts. Klaus hatte den Verdacht, dass die Jägerinnen wohl auch noch hier sein würden, wenn er mit Gozudin aus der Hölle selbst zurückkehren würde. Was er für sich nicht wirklich als Reisepläne vorhatte. Aber letztendlich war alles erledigt und die Zeit des Abschieds war gekommen.
Er wusste nicht so recht, was er erwarten sollte. Würde nun eine tagelange Reise durch Berge und Wüsten folgen mit einer großen abschließenden Begrüßungszeremonie in Lut Gholein à lá „Hallo, wie geht’s, lange nicht mehr hier gesehen!“? Wo waren eigentlich die Kamele? Oder kam zuerst noch eine Art Vision von einem armseligen Typen, der einem Engel mit Kapuzenshirt was von wegen elendslangem Wüstentrip und spooky Weggefährte vorjammerte – und dann der Filmschnitt zum Marktplatz in der Wüstenmetropole? Warum hatte Warriv nicht vor der letzten Reise den Wegpunkt in der Wüstenstadt aktiviert? Ein großes Abschiedsfest konnte man jedenfalls nicht erwarten; die Jägerinnen waren genauso unbeteiligt wie immer.
Klaus schirmte vorsichtshalber schon einmal mit der linken Hand seine Augen ab, um die helle Sonne (deren Standort er natürlich nie ausmachen können würde) und die Hitzewelle der Wüste besser zu verkraften.
Und dann wurde es für einen winzig kurzen Augenblick schwarz um ihn, als Gozudin das Reiseangebot von Warriv annahm.
Er stand wieder vor dem großen Holztor, durch das er vor was weiß ich wie langer Zeit in das Lager der Jägerinnen gekommen war. Es war mitten in der Nacht, ziemlich kalt und vereinzelt sah man noch Kinder im Halloweenkostüm fröhlich hüpfend ihre Tüten mit Süßigkeiten schwenken, während sie mit ihren Freunden im fahlen Licht der Straßenlaternen heimwärts eilten und nebenher ihre Großtaten beschnatterten.
Ein schwarzer Engel, wahrscheinlich auf dem Weg zu einer Party für eindeutig erwachsene Mädchen, lächelte ihm im Vorübergehen zu. Sie hatte eindeutig keinen Lichtradius unter ihren Füßen. Dies war wohl nicht mehr die Welt von Sanctuario.
Verwirrt und fröstelnd steckte Klaus seine Hände in die Taschen seiner Kutte. Er stutzte kurz und zog etwas, das er in der rechten Tasche ertastet hatte, heraus. In seiner Hand lag ein kleines Messerchen. Es sah zwar ganz normal aus, aber.... irgendwie fühlte es sich doch beschädigt an.
ENDE