Ich denke man sollte das ganze etwas distanzierter betrachten.
84% welcher Leute stimmen ihm denn zu? Ist eine genauso valide Aussage, wie die Meinung aller Bild-Leser mit der öffentlichen Meinung gleichzusetzen.
Das schöne an solchen Internetumfragen ist ja, daß jeder mitmachen kann. Wenn du die Thesen Sarrazins für Unsinn hälst, kannst du ja gerne entsprechend votieren.
Eine Umfrage allein wäre natürlich nicht aussagekräftig, aber schlage mal bei den Onlineauftritten aller gängigen Blätter und Fernsehsender die Umfragen zu Sarrazin nach. Die große Übereinstimmung kann nicht mehr mit Zufall erklärt werden.
Die niedrigste Zustimmungsquote habe ich beim Spiegel gefunden, dort antworteten auf die Frage
Soll die Bundesbank Sarrazin entlassen? bei vier Antwortmöglichkeiten "nur" 66,03%, also fast zwei Drittel, mit
Kein Rausschmiss - Sarrazin hat das Problem doch nur beim Namen genannt bei einer Gesamtbeteiligung von 6789 Stimmen. Was übrigens weit höher ist, als die durchschnittliche Anzahl der Befragten in einer sogenannten "repräsentativen Umfrage".
Wieviel Prozent haben Goebbels doch gleich zugestimmt? Nur weil viele Leute das gleiche denken, ist es nicht unbedingt das Richtige.
Der Vergleich mit der erzwungenen Zustimmung in einer bereits etablierten Diktatur, du hättest auch die 99,9%-Wahlergebnisse der DDR heranziehen können, ist absurd. Es ist sogar ganz im Gegenteil so, daß hier, anders als im 3. Reich oder der DDR, die Zustimmung gegen die in den Medien und durch Politiker verbreitete, veröffentlichte Meinung, entsteht.
Inhaltlich offenbart sich der typische antidemokratische Überlegenheitshabitus der selbsternannten Intelektüllen, "nur weil der Pöbel das sagt, muss es ja noch lange nicht stimmen". Da aber ohnehin zu vielen Sachfragen immer jeder die einzig richtige Meinung hat, wurde irgendwann vor etwas mehr als 2500 Jahren in Griechenland die sogenannte "Demokratie", die Herrschaft des Volkes erfunden. Es hat zwar immernoch jeder in Sachfragen die allein seelig machende, richtige Ansicht; gehandelt wird aber nach der Prämisse, die von den meisten Abstimmungs- bzw. Wahlberechtigten geteilt wird. In der Theorie zumindest. Daß in der Praxis irgendetwas handfestes aus Debatte folgen wird, ist natürlich nicht zu erwarten.
Gerade weil Sarrazin einen solch populistischen Ansatz wählt, sollte man umso distanzierter mit seinen Äußerungen umgehen. Es ist ja schön, wenn er eine Diskussion anstößt, aber warum hat er das nicht ein wenig konstruktiver getan? Wenn er solch polarisierende Inhalte dazu braucht, ist der Wert der Diskussion eher fraglich, denn offensichtlich will er eine Zielgruppe ins Boot holen, die er mit einer normalen sachlichen Argumentation nicht erreicht hätte.
Wer bestimmt eigentlich, wann ein Ansatz "populistisch" ist? Und was heißt das überhaupt? Gibt es überhaupt eine anerkannte Definition von "populistisch", oder ist das nur ein politischer Kampfbegriff, um Leute, die man nicht "Nazi" nennen kann, ohne bei einer Verleumdungsklage zu unterliegen, diffamieren zu können?
Ist ein Politiker, der etwas sagt, was dem Volk gefällt, automatisch ein "Populist"? Wofür machen wir dann in Deutschland eigentlich alle 4 Jahre vor den Wahlen einen sogenannten "Wahlkampf"? Schaulaufen der Populisten?
Oder ist der Begriff "Populist" nur für solche Leute reserviert, die ihre Meinung wie die Unterwäsche wechseln und etwas, ohne daß es der eigenen Ansicht entspricht, behaupten, weil es gerade in Mode ist? Dann zumindest wäre Sarrazin alles andere als ein Populist.