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[Story] Dunkle Zeit

Hab jetzt alles durchgelesen und sie gefällt mir ganz gut^^
Beschreibungen hast du toll drauf, auch Dramatik bringst du gut rüber.
Weiter so!:top:
 
@Saturn: Ich verstehe nicht ganz, was du meinst???
Frohes Neues, euch allen, das nächste Update ist in Arbeit, aber ich hab z.Zt. auf Arbeit wahnsinnig viel zu tun und komm nicht so richtig zum Schreiben!
 
Naja ich dachte du hast das entlehnt von "Vinsalt am Yaquir" aus Aventurien...
 
Sorry für die lange Wartezeit, aber dadurch, dass ich seit dem 27.12. durchgearbeitet habe und da zwischendurch Sylvester und am 30.12. Konzert in Chemnitz war... Nun ja, bin ich nicht wirklich dazu gekommen was zu schreibseln. Aber dafür gibts heute zum einen ein Update, dass das zweite Kapitel vervllständigt und noch dazu den Anfang vom dritten Kapitel, weches am Wochenende vervollständigt wird.
@Saturn: Nein, da gibt es keine Anlehnung...

Kapitel Drei


Als sie geendet hatten, seufzte Thomas tief.
„ Ich kann dich verstehen.“, sagte er schließlich. „ Oh ja, ich kann deinen Rachedurst verstehen.“
Stephanus hob beschwichtigend den Arm.
„ Es bringt aber nichts, dem Feind in die offene Klinge zu rennen. Wie wollt ihr die Entführer einholen, ohne Pferde?“
Marco zuckte gereizt die Schultern.
„ In Darheimsgard gab es keine mehr – Und bis hierher haben wir auch keine gefunden..“
Er hielt den Kopf in den Händen, fast als redete er mit dem Boden. Stephanus dachte lange nach, dann sagte er:
„ Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr könnt bei uns mitfahren. Damit seid ihr auf jeden Fall schneller, als wenn ihr allein reist und wenn wir auf diese Mörder treffen, habt ihr zwei Schwerter mehr an eurer Seite.“
Ulthar stand auf und schüttelte die steif gewordenen Glieder. „ Das ist ein schönes Angebot, aber was verlangt ihr dafür?“
Thomas grinste verschmitz.
„ Nun, edle Herren, mein Kumpane und ich wir sind Schausteller und brauchen immer ein paar Gehilfen für die Auftritte. Wir verlangen nichts, als dass ihr euch als exotische Schwertkämpfer an unserem Stück beteiligt.“
Marcos Kopf zuckte nach oben.
„ Was wünscht ihr?“
Stephanus nickte.
„ Du hast schon richtig gehört. Ihr reist bei uns mit, ich bringe euch bei, was ich über den Schwertkampf weiß, dafür tretet ihr in unserem Bühnenprogramm auf.“, er entblößte eine rote, fleischige Narbe am Unterarm „Ich habe keine Lust mehr, das Risiko einzugehen.“
Marco fuhr auf.
„ Nie im Leben werde ich bei euch Lumpenpack...“
„ Zügel deine Zunge, wenigstens einmal in deinem Leben, Marco.“, unterbrach ihn Ulthar gereizt.
„ Oh ja, der große Nordmann weiß es natürlich besser. Er mag lieber ein wenig den Schausteller spielen, anstatt an Rache zu denken.“
Irgendetwas in Ulthar riss. Seine Wut auf Marco explodierte wie ein Ölfass, plötzlich war er von dem unbändigen Willen besessen, seinen Bruder zu schlagen. Er packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn wie wild hin und her.
„ Wann kapierst du dämlicher Bauernsohn endlich, dass es um Rache zu üben erst einmal dessen bedarf, dass wir die Räuber einholen? Was, wenn sie Rico dort in dem Wald verkaufen wollen?“, brüllte er.
In Marcos Augen blitzte es auf. Er hatte die erste Überraschung überwunden und nun war es seine Wut, die sich auf Ulthar richtete.
„ Verweichlichtes Pack. Du hast Rico verraten.“
Knallend grub sich Ulthars Hand in Marcos Gesicht. Marcos Hand zuckte nach oben und betastete vorsichtig den dunkelroten, glühenden Abdruck den sie dort hinterlassen hatte. Ulthar bebte vor Wut, er hätte seinen Bruder am liebsten windelweich geprügelt, aber er konnte nicht. Er wusste in diesem Moment, dass er sich dann einen Feind geschaffen hätte, der einst sein Bruder gewesen war. Er wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass Marco wieder zur Ruhe kam, obwohl er zur Zeit eher einem hasszerfressenen Ungeheuer glich, als einem Menschen.
„ Dann geh!“, sein Kopf zuckte in Richtung Wald. „ Renn ihnen hinterher und verübe deine Rache, wir werden sehen, wer weiter kommt.“.
Er hasste sich selbst für diese Worte, aber er musste sie sagen, ermusste seinem Bruder drohen, um ihn zur Vernunft zu zwingen. So wie es schon so oft geschehen war. Viel zu oft.
Er fühlte, wie etwas Dunkles in ihm lachte.

Es war Abend geworden, als die Kutsche in den Wald fuhr. Die Bäume hier waren viel jünger und standen weniger dicht, als in den Hainen Iljards, was den Wald lichter, weniger bedrohlich erscheinen ließ. Wäre nicht die zunehmende Dunkelheit gewesen, die sich wie ein Raubtier in den Schatten anschlich, man hätte ihn fast als freundlich bezeichnen können.
So aber war es Ulthar, als ob sie umzingelt würden. Er wusste selbst, dass dieser Gedanke unsinnig war, aber er konnte nichts dagegen tun. Die Stimme in seinem Inneren war erneut erwacht – Und er wollte nicht daran denken, was geschehen war, als sie dies das letzte Mal getan hatte.
Er fröstelte und zog die Pferdedecke enger um sich. Sein Blick suchte den Himmel, der die Farbe dunklen Brokats angenommen hatte und auf dem man langsam die ersten Sterne erblicken konnte. Dann schloss er die Augen.
Er fragte sich, ob er seinen kleinen Bruder jemals wiedersehen würde. Er wusste die Antwort nicht, aber das Nachdenken lenkte ihn zumindest ein bisschen von der Nervosität ab, die in seinem Inneren tobte. Er fühlte, wie ein kleines Stück der Ruhe zurückkehrte und wusste, dass er in den nächsten Tagen jedes noch so kleine Stück Konzentration gebrauchen konnte, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollten.
Marco und Ulthar saßen auf der rückwärtigen Bank des Schaustellerwagens, doch waren sie soweit es ging auseinandergerückt und schauten in verschiedene Richtungen. Es versetzte Ulthar einen Stich ins Herz, seinen Bruder so zu sehen, aber gleichzeitig war es irgendwie notwendig. Er hasste diese Situation.
Es war ungefähr zwei Stunden später, als Thomas den Wagen anhielt. Die Dunkelheit war so tief geworden, dass man hervorstehende Äste und Wurzeln nicht mehr früh genug sehen konnte, um ihnen auszuweichen ohne den Wagen zu beschädigen.
Ulthar sprang von der Rückbank und half beim Abladen der Decken und Speisen, während Marco um den Wagen schlich und mit seinem Schwert spielte.
„ Heda, ihr beide.“, Thomas deutete auf sie. „ Würden die hohen Herren sich herablassen, ein wenig Holz zu sammeln, um ein kleines Feuer zu entzünden?“
Ulthar zuckte mit den Schultern und ging in die entgegengesetzte Richtung, wie Marco. Obwohl der Wald sehr jung war, hätte es kaum Minuten bedurft, ausreichend Holz für ein Feuer zu finden, aber Ulthar ließ sich absichtlich zu viel Zeit. Er genoss die wenigen Minuten des Alleinseins, die wenigen Augenblicke ohne Marcos anklagenden Blick. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er zurück zu dem Wagen ging – Nur um wenige Schritte später als Marco dort anzukommen.
Stephanus starrte sie wütend an.
„ Reißt euch zusammen und tragt eure Kindereien gefälligst nicht auf unserem Rücken aus. Und jetzt nehmt eure Schwerter und übt.“
Marco zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Das zweifache Sirren von Metall durchschnitt die Luft wie auch der Stahl selbst. Es war sogar für Ulthar ein erhabenes Gefühl, die Waffe in der Hand zu halten. Das Mondlicht spiegelte sich darin und verlieh ihr einen silbrigen Schein. Fast schien es, als ob sich das nächtliche Licht in der Maserung des Schwertes zu verfangen schien und die feinen Linien mit seiner silbrigen Helligkeit nachzeichnete, als flösse flüssiges Silber durch die Zeichnung. Ulthar riss die Hand nach oben und das Schwert folgte mit einem leuchtenden Bogen. Blitzschnell ließ er das Schwert nach unten sausen und übte eine schnelle Angriffsfolge. Er fühlt jeden Muskel in seinem Körper. Er wusste, dass er eigentlich viel zu schwach für den richtigen Schwertkampf war, aber dieses Schwert schien ihm das nicht übel zu nehmen. Es folgte der kleinsten Bewegung seiner Hand mit einer überraschenden Leichtigkeit und Präzision, glich jeden in der Hast begangenen Fehler wie von selbst aus und verwandelte sich selbst eher in einen Kämpfer, als dass es Marcos Befehlen folgte.
Trotzdem war er schweißgebadet, als Stephanus „ Halt!“ schrie.
Ulthar drehte sich um. Ihm war nicht gewahr geworden, dass soviel Zeit vergangenen war, aber das Feuer brannte mittlerweile lichterloh und die beiden Schausteller hatten zwischendurch sogar schon neues Holz aus dem Wald geholt. Das Feuer war viel zu groß für vier Menschen, brannte es doch fast auf Mannshöhe, aber Ulthar sah, dass diese schiere Größe nur dazu diente, die Lichtung vollständig auszuleuchten. Er fühlte sich plötzlich, wie in einer natürlichen Arena und er wusste, was als nächstes kommen würde.
„ Ihr beide. Gegeneinander.“, waren Stephanus’ nächste Worte.
Ulthar sah seinen Bruder an.
Marcos Schwert hing locker an seiner Seite, aber seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Seine kräftige Statur glitt mühelos in eine kämpferische Haltung. Marco schob die Schultern zurück, riss den Arm nach oben und ließ seine Schwert in einer sinnlosen Parade vor seinem Körper kreiseln. Ulthar sah, wie sich jeder von Marcos Muskeln im Licht des Feuers abzeichnete und hatte plötzlich Angst. Marcos Blick – Seine Augen waren zu schmalen, kalten Schlitzen zusammen gepresst, die jeder Bewegung seines Gegenübers mit tödlicher Präzision folgten. Aber er betrachtete Ulthar nicht wie seinen Bruder, sondern eher wie ein Stück Vieh oder Wild, dass es zu töten galt.
Ulthar hob sein Schwert an die Seite und starrte Marco böse an.
„ Hör auf zu spielen, Südländer – Und greif an.“
Marco lächelt kalt. Seine Muskeln spannten an. Hinter ihm explodierte ein Holzscheit in der glühenden Hitze des Feuers und spie einen Funkenschauer in die Höhe. Marcos Gestalt war plötzlich von dem roten Licht ausgeleuchtet und glühte nun selbst dunkel, wie ein Dämon. Sein Schwert vereinigte das Licht der Funken in sich und schien für ganz kurze Zeit zu brennen.
In diesem Moment sprang Marco. Ulthar drehte sich blitzschnell zur Seite weg, aber Marco war einfach zu schnell und setzte nach. Diesem Schlag konnte Ulthar nicht mehr ausweichen. Hastig machte er einen Ausfallschritt nach hinten und ließ sein Schwert nach oben schnellen. Dicht über Ulthars Kopf prallte Metall klirrend auf Metall. Ulthar wusste, dass es sinnlos war, sich auf ein Kräftemessen einzulassen und tauchte zur Seite weg, zog sein Schwert aber halbmondförmig wieder auf Marco zu. Diesmal auf seinen Unterleib zielend.
Marco grunzte überrascht, parierte diesen Hieb aber mühelos und ging selbst erneut zum Angriff über. Diesmal war es eine Angriffsfolge, mit der er Ulthar eindeckte. Eine einstudierte Abfolge von Schlägen, Finten und Tritten, die Ulthar erbarmungslos in den Rückzug zwang. Ulthar stieß zu, aber Marco wischte sein Schwert einfach beiseite und trat ihm in den Bauch.
Ulthar wurde nach hinten geschleudert und fiel unsanft auf den harten, trockenen Waldboden. Er keuchte, aber Marco kam ganz langsam auf ihn zu.
„ Du bist besser geworden, Nordmann, aber selbst so ist deine Kunst immer noch erbärmlich. In einem Kampf wärst du schon zehn Mal gestorben. Aber ich möchte noch ein bisschen spielen.“. Marco grinste höhnisch.
Ulthar quälte sich mühsam auf die Beine und hob erneut sein Schwert. Wo vormals nur Feuerschein und unsicherer Schatten war, fiel nun das klare Mondlicht zur Erde. Es schien erneut als illuminierte silbriger Schimmer die Waffe und ließ sie strahlen. Marco Blick zuckte kurz verunsichert zu der Waffe, aber dann griff er mit brutaler Gewalt an.
Das Schwert zuckte quer und schlug mit voller Wucht gegen Marcos Waffe. Weiße Funken stoben aus dem dunklen Stahl hervor. Ulthar fühlte, wie die Wucht des Schlages durch seinen Arm vibrierte und biss vor Schmerz gepeinigt die Zähne zusammen. Wie von selbst fuhr das Schwert herum und schlug von oben zu, was nun Marco zum Parieren zwang. Nun war es Ulthar, der zu einer Paradefolge ansetzte, aber selbst mit diesem Schwert war er zu schwach für Marco. Wieder war es ein Tritt, der ihn zu Boden gehen ließ, aber diesmal war Marco über ihm und schlug zu. Ulthar brachte sein Schwert vor die Brust und rollte sich weg. Er sprang auf und fuhr herum.
„ Genug!“, brüllte Stephanus, aber Marco dachte gar nicht daran. Er sprang vor und schlug noch einmal zu. Ulthar ließ sein Schwert vorschnellen und legte diesmal wirklich alle Kräfte, die er noch mobilisieren konnte in den Hieb. Die Waffen donnerten aufeinander und Ulthar ließ seine Waffe los. Der Rückstoß hätte ihm die Hand gebrochen, wenn er das nicht getan hätte. Auch Marcos Waffe fiel auf den Boden. Er starrte Ulthar schwer atmend an. Marco hatte den Kopf zwischen die Schultern gesenkt und wirkte wie ein Stier, der bereit zum Angriff war. Zweifellos wäre er in diesem Moment am liebsten auf seinen Bruder losgegangen, aber wieder war es Stephanus, der zwischen sie trat.
„ Was ist bloß in euch gefahren? Wollt ihr euch gegenseitig umbringen? Ich dachte ihr wäret Männer, die einen Schwur geleistet haben. Wie wollt ihr den erfüllen, wenn ihr euch vorher aufschlitzt.“
Marco trat wütend in den Boden, so dass die Erde hoch spritzte. Er fuhr herum und donnerte seine Faust gegen den nächsten Baum, dann blieb er stehen und senkte den Kopf. Er hatte das Gesicht abgewandt, aber trotzdem konnten Ulthar, Stephanus und Thomas ihn gut verstehen, als er leise, wie zu sich selber sagte:
„ Ich weiß es doch auch nicht. Ich will nur zu meinem Bruder, ich will dass mein Vater wieder lebt und dass alles so ist wie vorher. Ich verstehe mich nicht. Aber ich kann einfach nicht anders... Ich bin so verwirrt...“
Er zog laut hörbar die Nase hoch und wischte sich über das Gesicht, aber als Ulthar zu ihm ging, machte er sich los und verschwand im Wald. Ulthar wollte ihm nachlaufen, aber Stephanus schüttelte den Kopf.
„ Lass ihn, er muss seinem Schmerz selber begegnen.“

Es dauerte bis weit in die Nacht herein, dass Marco wieder zu ihnen stieß. Er sah noch viel zerschundener und müder aus, als zuvor. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und waren umgeben von dicken, dunklen Ringen. Wortlos setzte er sich nieder und griff nach dem Fleisch, dass sie an einem Holzspieß gegrillt hatten.
Auch die anderen verzehrten ihr Mahl schweigend. Marco hatte lange nachgedacht, sich Worte zurecht gelegt, aber nun, da er neben seinem Bruder saß, war es so schwer sie über die Lippen zu bringen. Er setzte mehrmals an, aber dann fühlte er sich doch wieder nicht in der Lage dazu. Er fühlte sich erbärmlich, nun da seine Wut abgeflaut war, erbärmlich und ausgebrannt. Er liebte seinen Bruder, wie man einen Bruder nur lieben konnte, aber gleichzeitig fühlte er sich ihm so fremd. Jeder Satz, den er sich überlegt hatte, schien ihm aus Ulthars Augen betrachtet so dumm und einfältig. Er fühlte sich hilflos.
„ Ulthar...“, setzte er an.
Ulthar sah erwartungsvoll zu ihm, aber er konnte nicht weiterreden. Da war es wieder. Er hatte Angst etwas Falsches zu sagen.
„ Es tut mir Leid.“, war alles, was er über die Lippen brachte. Ulthar nickte.
„ Mir auch, Bruder.“
Er beugte sich vor und umarmte ihn und Marco klammerte sich fest an den schmächtigen Leib seines Bruders und fühlte zum ersten Mal, seit dem schrecklichen Unglück Dankbarkeit darüber, dass er wenigstens noch diesen einen Menschen hatte, der ihn verstand und bei dem er sich geborgen fühlen durfte.

Es sollte kein leichter Abend für sie werden. Wie sich herausstellte war Stephanus ein wahrer Meister der Schwertkunst und er war nicht gewillt seinen Schützlingen Fehler durchgehen zu lassen. Bis lange nach Mitternacht standen sie auf der Lichtung und übten Finten, Stiche und Hiebe, lernten zu blocken und den ganzen Körper im Kampf einzusetzen.
Wenn Ulthar Stephanus dabei zusah, eine Schlagkombination vorzuführen, so ward es ihm manchmal, als wohne er einem Tanz bei, so leichtfüßig tänzelte der Kämpfer über den unebenen Boden. Der ganze Körper half dem Schwert den optimalen Bogen durch die Luft zu finden, alle Muskeln waren so angespannt oder gelockert, wie es ein jeder Schlag erforderte.
Doch die Leichtigkeit dieses Kampfes ging nicht mit Schwäche einher, wie Marco schmerzhaft feststellen musste, als er versuchte, sein Gegenüber von den Beinen zu rammen. Stephanus stand wie ein Fels in der Brandung und rammte dem Angreifer den Ellbogen auf die Nase, was diesen wiederum zu Boden gehen ließ.
Ächzend rappelte sich Marco auf und hielt sich die Nase:
„ Sagt Stephanus, wo habt ihr so kämpfen gelernt? Ihr fechtet, als wärt ihr der Leibhaftige persönlich.“
Stephanus steckte sein Schwert ein:
„ Ich ziehe seit meiner Kindheit durch die Lande. Da lernt man schnell sich zu verteidigen.“, er zuckte mit den Achseln und wechselte dann das Thema. „Noch eine Lektion für heute Abend. Setze niemals deinen ganzen Körper als Waffe ein, nur weil du einen Gegner als schwächer einschätzt, Marco. As ist der sicherste Weg einen Stich zwischen die Rippen zu bekommen.“ Er seufzte. „ Und nun sollten wir uns hinlegen, wir haben morgen noch einen weiten Weg vor uns, wenn wir diese Mörder einholen wollen.“
Ulthar schaute Stephanus lange und nachdenklich an. Etwas stimmte hier nicht. Er spürte, dass Stephanus ihnen etwas verschwieg. Er hatte ihnen nicht die ganze Wahrheit offenbart, als er auf Marcos Frage geantwortet hatte – und auch sein Angebot, seinen Bruder und ihm beizustehen erschien ihm in diesem Licht betrachtet, fast ein wenig zu generös um nicht Berechnung zu sein.
Er konnte nicht schlafen – auch das schien in gewisser Weise eine neue, schlechte Angewohnheit zu sein. So sehr er seine Augen auch zusammen presste und sich selbst ermahnte, zu schlafen, es nützte nichts. Lange Zeit lag er wach und lauschte den regelmäßigen Atemzügen seiner Begleiter, das sich unter die Geräusche des Waldes mischte. Er wollte aufstehen, um ein wenig umherzugehen, aber gerade als er diesen Gedanken gedacht hatte, verwarf er ihn wieder. Stephanus hatte ein zu gutes Gehör. Sobald sich etwas in seiner Nähe regte, würde er wach werden.
Er musste dann wohl doch eingeschlafen sein und träumte. Er träumte davon zu fliegen. Unter ihm lag eine weite, grüne Ebene, auf die er langsam zusank. Als er sich der Erde näherte, merkte er, dass es Bäume waren, über die er hinweg glitt. Ein riesiger Wald, der sich nach beiden Seiten bis an den Horizont ausbreitete. Er aber verharrte nicht, sonder flog weiter, bis er eine Grassteppe erreichte, durch die sich ein gelber Weg schlängelte. Er fühlte die Sonne in seinem Nacken, aber sie brannte ihn nicht. Ihm war warm und behaglich und er genoss den Traum. Dieses Gefühl der Freiheit, die ganze Welt zu sehen, wenn er es mochte.
Dann sah er in der Ferne eine Gestalt. Zunächst glaubte er sich zu täuschen, aber als sie näher kamen, erkannte er, dass dies nicht der Fall war.
Die Gestalt war trotz der gleißenden Mittagssonne in eine dicke, schwarze Kutte gehüllt und hatte die Kapuze tief in das Gesicht gezogen.
Sie schritt langsam den Weg entlang. Wartend, lauernd. Etwas schien von ihr auszugehen, etwas, dass die Luft durchsetzte und wie über einem Feuer flirren ließ. Kurz schien es, als verschwinde die Gestalt in den Dunstschwaden, nur um Momente später wieder aufzutauchen. Ulthar vermochte seine Gefühle nicht zu fassen. Etwas ging von dieser Gestalt aus. Etwas unglaublich Fremdes, das sie in dieser Umgebung geradezu lächerlich deplaziert wirken ließ und doch war es vertraut. Etwas regte sich in Ulthar, aber er kam nicht dazu, darüber nachzudenken, denn die Kulisse, die sich vor seinen Augen aufbaute, nahm ihm geradezu den Atem.
Darheimsgard stand dort, hinter einem kleinen Hügel verborgen, auf dessen Spitze sich die schwarze Gestalt aufbaute. Noch immer war ihr Gesicht nicht zu erkennen, aber sie griff in ihren Umhang und holte eine kleine silberne Sanduhr hervor. Die Gestalt hielt die Sanduhr ins Licht und schien sie einen Moment angestrengt zu betrachten, dann ertönte etwas, das vielleicht ein Lachen hätte sein können, wäre es nicht so zäh und bösartig aus der Kutte dieses Monsters hervorgequollen.
Plötzlich presste eine eiskalte Hand Ulthars Herz zusammen. Angst schraubte sich um seinen Brustkorb wie ein frostiger Schraubstock. Obwohl es nur ein Traum war, glaubte er keine Luft mehr zu bekommen, angesichts dessen, was nun kommen musste.
Die Hand drehte die Sanduhr um und die Zeit schien zu erstarren. Wo noch eben das Rauschen des Windes und die sanfte Geräuschkulisse Darheimsgards gewesen war, da war jetzt ein eisige Nichts, das doch lauter dröhnte, als jeder Schrei, den Ulthars Ohren jemals vernommen hatten. Die Welt veränderte sich. Ihre Ränder wurden unscharf, wie auf einem nassen Gemälde und dann floss die Dunkelheit aus der Gestalt hervor und drang in die Umgebung ein. Der Himmel wurde finsterer, grauer und Ulthar sah, dass es Nacht wurde. Er wollte seinen Blick abwenden, aber er konnte nicht So sehr ihn dieses Bild auch erschreckte, konnte er doch nicht die Faszination abstreiten, die von der Macht ausging, die dieser Hexer haben musste.
Die Gestalt streckte die Arme aus und das Inferno brach los. Gelbe Flammen schossen aus seinem Umhang hervor, aber sie versengten die Gestalt nicht, nein, vielmehr floss das Feuer, als wäre es flüssig aus dem Umhang des Mannes hervor und tropfte auf den Weg. Sofort brannte alles, was mit ihm in Berührung kam. Selbst die Steine am Wegesrand wurden von der flammenden Verdammnis erfasst und schmolzen – Dann setzte sich die Gestalt in Bewegung.
Die Stadtwachen am Tor kamen nicht einmal mehr dazu, um Hilfe zu rufen. Allein ein Blick des Monsters reichte, um sie zu menschlichen Fackeln werden zu lassen. Als die Kreatur durch den Torbogen schritt rasten die Flammen daran hinauf, als wäre er aus trockenem Holz errichtet, statt aus massivem Stein. Das Feuer kannte kein Erbarmen, kroch die Wege entlang und verwandelte die Straßen in Bäche aus lebender Glut.
Dann drehte die Gestalt sich um und mit einem Mal erkannte Ulthar, was sie war.
Diese Augen – Er hatte sie tausende Male in seinen Träumen gesehen. Sie bohrten sich in ihn, sodass er glaubte, sein Kopf würde explodieren vor schierer Qual. Er schrie, schrie, wurde hin und her geworfen – und erwachte.
Für einen schrecklichen Augenblick glaubte er selbst in Flammen zu stehen. Er sah, wie die weißglühenden Hitzezungen über seine Glieder strichen, dann verlöschte auch diese Vision und er sah in Marcos erschrockenes Gesicht.
„ Ulthar, Ulthar, komm zu dir. Was ist los?“, rief er. Marcos Augen waren vor Entsetzen geweitet und sein Gesicht so bleich, als wäre er selbst des Schreckens ansichtig geworden, der Ulthar erfüllte.
Er sah, dass auch Thomas und Stephanus wach waren. Letzterer hatte sein Schwert gezogen und starrte in die allumfassende Dunkelheit ringsum.
„ Was ist los?“, fragte Marco noch einmal und schüttelte Ulthar weiter.
„ Lass ihn.“, fuhr Stephanus Marco in scharfen Ton an. Er kniete sich neben Ulthar, der noch immer keuchte und zitterte wie Espenlaub. Langsam fasste er ihn am Kinn und drehte sein Gesicht so, dass er ihn anschauen musste.
„ Was ist geschehen?“, fragte er ruhig.
Ulthar musste sich zusammenreißen. Wieder und wieder drohte er abzugleiten in die dunklen Visionen, die noch immer in seinem Kopf hin und her rasten und ihn mit Bildern zu überschütten drohten.
„ Nichts.“, sagte er langsam und bedächtig. „Es, es war nur ein Alptraum.“
„ Verzeiht meine Kritik, aber müsst ihr uns deswegen mitten in der Nacht wecken.“, stöhnte Thomas und drehte sich zur Seite, um weiter zu schlafen.
Stephanus starrte ihn an. Ulthar war sich sicher, dass in diesem vermeintlichen Spielmann weitaus mehr steckte, als es den Anschein hatte, aber er bezweifelte, dass selbst Thomas, sein Kumpan dies in ganzem Ausmaß wusste.
Wäre er sich nicht sicher gewesen, dass dieser Gedanke irrsinnig war, so hätte er in diesem Moment schwören können, dass Stephanus in seinen Gedanken lesen konnte, wie in einem offenen Buch.
„ War das wirklich alles?“, fragte er fast tonlos, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Er wusste, dass das längst nicht alles war. Aber als Ulthar nickte, ließ er ihn in Ruhe – Zumindest in diesem Moment- und sie legten sich erneut schlafen.
Ulthar verstand sich selbst nicht mehr. Stephanus und Thomas hatten sich so selbstverständlich bereit erklärt, ihnen zu helfen. Warum also fühlte er sich so bedroht, wenn der Spielmann ihn betrachtete? Warum schien es ihm, als ob Stephanus von einer dunklen Wolke umgeben war?
Kann es sein, dass es Menschen gibt, die so böse sind, dass man es spüren kann?, fragte er sich. Aber warum haben sie uns dann nicht schon lange getötet? Was wollten sie von ihnen?
Er erschrak selbst, dass er so denken konnte, aber er wusste nicht, wie das sonst alles zusammen passte.
„ Ulthar?“, hörte er Marco wispern.
Langsam drehte er seinen Kopf zur Seite „Ja?“.
„ Es ist wegen Darheimsgard – und Vater, oder?“, fragte Marco leise. Ulthar setzte sich auf und nickte. Er begann nervös mit dem Gras vor sich zu spielen.
„ Ich sehe sie jede Nacht. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich die brennende Stadt vor mir und Vater, wie du ihn aus dem Haus trägst. Es ist schrecklich.“
Ulthar nickte. Je mehr Marco sprach, desto mehr zog sich sein Bauch zusammen. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob mit seinem Kopf etwas ernsthaft nicht in Ordnung wäre. Sie kamen aus einer kleinen Stadt, aber oft waren fahrende Händler dort gewesen, die ihnen die absonderlichsten Geschichten aus den großen Städten erzählt hatten. Von Menschen, die glaubten, Zauberer zu sein, oder die Sachen sahen, die nicht existierten.
Ulthar hatte Angst auch so zu werden. Denn, wenn es nur ein Alptraum war, warum hatte er dann solche Angst? Warum schien ihm diese irreale Bedrohung so wahr?
Als Ulthar nicht antwortete, zuckte Marco die Schultern.
„ Es wird schon besser werden, glaub mir. Versuch doch noch ein wenig zu schlafen.“
Ulthar nickte und Marco legte sich wieder zur Erde und Stephanus Kopf kam dahinter zum Vorschein.
Nur kurz sah Ulthar die Augen des Gauklers blitzen, schon im nächsten Moment waren sie wieder fest verschlossen, als ob der Spielmann tief und fest schlafe. Ulthar fröstelte.

Als er am nächsten morgen aufwachte, fühlte er sich wie zerschlagen. Abbilder seines Traumes hatten ihm die ganze Nacht den wohlverdienten Schlaf geraubt, wieder und wieder war er hochgeschreckt – und wenn auch keines dieser Bilder dem ersten Traum auch nur nahe kam, so waren sie doch ausreichend, ihm jegliche Erholung zu verwehren.
In seinen Schläfen machte sich ein leichtes, doch monotones Brummen bemerkbar, was die Reise für ihn an diesem Tag zur Qual machen sollte. Jeder Stein, jede Unebenheit entlang des Weges hallte in seinem Kopf wieder und ein ums andere Mal hatte er das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Er versuchte angestrengt nicht daran zu denken, aber die Schmerzen blieben hartnäckig. Schließlich griff er entnervt in seine Tasche und zog seine Flöte hervor, die all die Abenteuer bisher wie durch ein Wunder unbeschadet überstanden hatte. Seine Finger glitten über das glattpolierte Holz und streichelten die feine Maserung. Er hielt sie eine Weile in den geschlossenen Händen, bis sie die Wärme seines Körpers angenommen hatte. Dann schüttelte er vorsichtig den Staub und den Dreck aus den Öffnungen und blies probeweise hinein.
Der warme Ton, der aus dem Holz drang erinnerte ihn an andere Zeiten. Aber es waren schöne Erinnerungen, die er mit sich trug, Erinnerungen ebenso warm und glücklich wie eben dieser Klang. Seine Finger tasteten über die Löcher in dem Instrument. Langsam und zögernd zunächst, bis er merkte, wie sich die Spannung in seiner Hand lockerte. Dann begann er zu spielen und vergaß die Welt um sich herum. Er wusste die Namen der Stücke nicht, die er spielte, er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sie zum ersten Mal gehört hatte, aber ihre Magie nahm ihn gefangen. Der Tanz in dem sich Ton an Ton reihte, sich immer weiter aufbaute, bis zu einem gewaltigen Kunstwerk, dessen Schönheit einem Menschen Tränen in die Augen treiben konnte, dieser Tanz war es, der durch seinen Körper trieb und ihm einige glückliche Minuten schenkte.
Als er die Flöte wieder vom Mund nahm, merkte er, wie seine Kopfschmerzen verschwunden waren. Verstohlen blickte er zu Marco, aber der hatte die Augen geschlossen. Auf seinen Zügen lag ein Lächeln, dass davon zeugte, dass auch er das Spiel genossen hatte.
Mit einem leichten Ruck hielt der Wagen an und Stephanus kam nach hinten.
„ Dein Spiel ist sehr schön, Ulthar, aber wir werden nun aus dem Wald in eine Ebene fahren. Der Wind hier trägt jeden Laut weit und wir wollen die Räuber nicht zu früh von unserer Existenz in Kenntnis setzen.“
Der Blick mit dem ihn Stephanus musterte gefiel ihm gar nicht. Er hatte etwas Fragendes, Drängendes an sich, das Ulthar nicht verstehen konnte.

Erst am Abend sollte er einige Antworten auf die Fragen bekommen, die ihn in diesem Moment bedrängten.
Wie schon am Abend zuvor hatten sie an einer geschützten Stelle ein Lagerfeuer entzündet und ihre Speisen zu sich genommen. Danach hatte Stephanus sie weiter getrimmt, während Thomas ein neues Kunststück probte. Es war erstaunlich, wie offen und freundlich Marco plötzlich zu den beiden war. Hatte er sie zu Beginn ihrer Kameradschaft noch als Lumpenpack bezeichnet, so schien er Stephanus regelrecht zu bewundern.
Was wohl vor allem daran lag, dass er in ihm seinen Meister gefunden hatte. Stephanus war seit frühester Jugend ein begnadeter Schwertkämpfer gewesen und kein Kind und kaum ein Erwachsener hatten sich mit dem jungen Bürschchen messen können; Marco hatte selbst Soldaten der Stadtwache in freundschaftlichen Duellen geschlagen, aber gegen Stephanus’ Können wirkte er wie ein Laie, der gerade seine ersten Gehversuche mit dem Schwert machte.
Hätte man einen Kampf zwischen den Beiden beschreiben wollen, so hätte wohl am ehesten das Bild einer Eule und eines Falken gepasst. Der Falke kämpfte hundertfach schneller als die Eule und doch waren sein Schnabel nicht weniger schmerzhaft. Wieder und wieder ging Marco zu Boden wurde entwaffnet oder matt gesetzt. Es war Thomas, der sich dann bereitwillig damit einverstanden erklärte, Ulthar weiter zu trainieren, damit sich Stephanus ganz mit seinem gierigem Schüler beschäftigen konnte.
So vergingen die Stunden, bis sie irgendwann erschöpft neben dem Lagerfeuer niedersanken. Ulthar hatte sich zwei kurze Schnitte am Unterarm eingefangen, die er am Feuer austrocknete, um eine Krankheit zu verhindern. Plötzlich schlug sich Thomas auf die Schenkel.
„ Wie wäre es, wenn uns der hohe Herr etwas von seiner Kunst feilböte.“
Ulthar schaute ihn verständnislos an und Marco schüttelte den Kopf:
„ Kannst du nicht auch normal mit uns reden?“
Thomas stand auf und verneigte sich spöttisch vor Marco:
„ Oh verzeiht dem armen Gesinde, edler Herr, aber wir sind fahrende Akrobaten. Dies ist unsere Sprache.“
Stephanus brummte etwas unverständliches und sagte dann:
„ Er meint du sollst ihm etwas auf deinem Holz vorspielen.“
Ulthar schnaubte entrüstet: „ Das ist eine Flöte.“
Er holte das Instrument hervor und hielt es hoch. Im Licht des Feuers glitzerte das helle Holz geheimnisvoll. Die Flammen spiegelten sich darin und warfen einen Teil des Scheines zurück. Da war es wieder. Diese Frage, die in Stephanus Gesicht geschrieben stand, wie mit Tinte gezeichnet.
Wer bist du?
„ Ich habe dieses Wort in diesen Breiten noch nie gehört, Ulthar...“, sagte er dann. Ulthar zuckte mit den Schultern.
„ Und? Es ist sicher ein seltenes Stück.“
Stephanus’ rechte Augenbraue wanderte nach oben. „ Woher hast du sie?“
Ulthar zögerte einen Moment zu lange, um die Ausrede glaubhaft erscheinen zu lassen.
„ Ich habe sie von einem fahrenden Händler, der allerlei fremdartige Dinge verkaufte.“
Er merkte selbst, dass diese Ausrede löchriger war, als ein rattenzerfressener Kartoffelsack und auch Marcos erstauntes Gesicht verstärkte die Glaubwürdigkeit nicht gerade, aber er konnte nichts dagegen tun. Er vertraute diesem geheimnisvollen Mann nicht. Da war zuviel, was er nicht wusste. Eigentlich wusste er nur eines, nämlich das Etwas an ihm und den Sachen, die er ihnen erzählte, nicht stimmte.
Aber auch diesmal unterließ es der Spielmann weiter nachzubohren und machte nur eine aufmunternde Geste mit seiner linken Hand. Ulthar war die erdrückende Stille peinlich und so verzichtete er darauf, die Flöte erst anzuwärmen, sondern begann gleich zu spielen. Trotz den etwas heiseren Tönen, die das Instrument nun von sich gab, nahm die Melodie sie sofort gefangen. Es war, als ob die Flöte ihnen Geschichten erzählte. Fröhliche Geschichten, traurige Geschichten, Lieder von Liebe, Lieder vom Tod. Marco und Thomas lehnten sich zurück und entspannten im Schein des warmen Feuers, dem Spiel lauschend, während Stephanus Ulthar konzentriert beobachtete.
Als er geendet hatte, lächelte der geheimnisvolle Mann.
„ Nun, Nordmann, jetzt kenne ich dein Geheimnis...“, sagte er mit einem belustigten Unterton.
Ulthar erschrak, bemühte sich aber, ein möglichst gleichgültig-fragendes Gesicht aufzusetzen.
„ Von welchem Geheimnis sprichst du, Spielmann?“, er bemühte sich, das letzte Wort genauso zu betonen, wie Stephanus es getan hatte und funkelte ihn an. Stephanus lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er beobachtete Ulthar scharf.
„ Du stammst aus Antkart, mein Freund.“, sagte er schließlich.
Ulthar lachte auf, aber dieses Lachen hallte sogar in seinen Ohren hohl und abgehackt.
„ Wie kommt ihr auf diese unsinnige Idee, mein Freund?“, sagte er schließlich. Er war nervös und bemerkte erst viel zu spät, dass er sich in der Anrede verhaspelt hatte. Auf seiner Stirn standen kleine Schweißperlen und er bemühte sich die Flöte in seinen Händen nicht zu nervös hin und her kreisen zu lassen.
„ Nun, Ulthar“, Stephanus fügte auch hier eine lange Pause ein, als zweifelte er mittlerweile auch an der Richtigkeit dieses Namens. „Da wäre zum einen dein Name, der in den Ländern der Barbaren doch recht gebräuchlich ist, hier aber höchstselten. Darüber hinaus habe ich auf einem meiner Züge durch den Norden einen Mann gesehen, der auf einem solchen Holz gespielt hat.“, er deutete auf Ulthars Flöte, die noch immer in den bleichen Hände kreiselte.“ Aber die letzte Überzeugung brachte das Lied, das du eben spieltest. Man nennt es die ‚Waise da Roselunde’. Es ist in Antkart ein weitverbreitetes Lied über einen einfachen Bauern, der sich in eine Prinzessin verliebt und sich für sie opfert, mein Freund.“
Ulthars Mund war trockener als ein Ballen Stroh im Sommer. Er wusste nicht, was er antworten sollte und suchte Marcos Blick, aber der starrte wie zufällig in die lodernden Flammen.
„ Dieses Lied hat ... mir der fahrende Händler gezeigt, der mir auch die Flöte verkauft hat.“, sagte er dann stockend. Stephanus grinste.
„ Schwerlich, kaum ein Händler kommt den weiten Weg von Antkart hier her. Und selbst wenn, dann hätte diese Floete einen Preis, den sich nur ein Fürst leisten könnte. Ihr aber seid Bauernsöhne.“
Ulthar entschloss sich dafür, in die Offensive zu gehen.
„ Und was ist mit dir Stephanus? Woher kannst du das Schwert führen, wie ein Zauberer? Woher kennst du all diese Länder, Lieder und so? Wenn der Weg nach Antkart so weit ist, warum sollte ihn dann ein einfacher Spielmann, wie du es angeblich bist, gehen?“
Er merkte es selbst nicht, aber die letzten Worte hatte er fast schon geschrieen und seine Hände waren fest um seine Knie gekrallt. Stephanus schaute ihn einen Moment lang fassungslos an, dann begann er herzhaft zu lachen.
„ Du bist doch klüger, als ich dachte, Ulthar.“. Seine Fröhlichkeit verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Er wartete, beobachtete Ulthar und die anderen, die nun ihn fragend anschauten. Dann zuckte er mit den Achseln und senkte den Blick.
„ Es hat sowieso keinen Zweck mehr. Sicher könnte ich euch eine Lüge erzählen, die ihr mir glauben würdet, aber wofür? Ich war dem Kode der Zachiräe lange genug treu.“ Diese Worte hatte er wie für sich selbst gesprochen, nun aber wandte er sein Gesicht seinen Kameraden zu. „ Ich war nicht ehrlich zu euch, dafür bitte ich um Verzeihung, Marco und Ulthar. Dich, Thomas werde ich nicht um Verzeihung bitten, da ich zu tief in deiner Schuld stehe. Wie lange Jahre reisen wir nun schon zusammen? Zehn? Zwanzig? Ich weiß es nicht mehr. Ich habe dir die ganze Zeit etwas vorgespielt und keine Verzeihung jedweder Welt kann diese Schuld begleichen. Ich habe mich befleckt.“
Er verneigte sich vor dem Spielmann, der ihn fassungslos anschaute und sich durch die Haare fuhr. Die Situation hatte Etwas feierliches, mystisches an sich, dass ihnen die Haare auf den Armen zu Berge stehen ließ.
„ Ich komme nicht von hier. Nein, meine Herkunft liegt viel weiter im Westen, von der Insel Kuronia, in den weiten des ewigen Meeres. Ich bin ein Krieger der Zachiräe, Kämpfer des weißen Heeres und ich bitte euch mir für diese Offenbarung zu vergeben, oh Götter.“
 
Und wieder ein Leser mehr..................

:clown:
Er fühlte, wie etwas Dunkles in ihm lachte.
Ich freu mich auf die Fortsetzung


ansonsten konnte ich keine lechtscheibflelr entdecken

weiter so^^

LP
 
Huhu, nettes up.

ein Fehler ist jedoch drin:

„ Zügel deine Zunge, wenigstens einmal in deinem Leben, Marco.“, unterbrach ihn Marco gereizt.

Das zweite Marco ist falsch - oder er hat ne gespaltene Persönlichkeit :P
 
Naja, wenn man in der Psychatrie arbeitet, dann wird man so... :D Hab's raus gemacht, aber das passiert mir beim Schreiben mittlerweile seltsamerweise öfter...
 
Nettes Up, allerdings etwas kurz.....
Der letzte Satz macht echt Lust auf mehr, freu mich auf die Fortsetzung:top:
btw. ich fände es besser wenn du nur bereits fertige Kapitel veröffentlichen würdest, liest sich recht seltsam wenn zwischendrin immer "Update vom..." drinsteht;)
 
So, nachdem das letzte Update ja eher ein leichter Brocken war, gibts es jetzt wieder etwas längeres zum Lesen...
Wünsch euch viel Spaß dabei...

@Dark Summoner: Da hast du prinzipiell schon recht, aber ich habe auh schon den Kommentar bekommen, lieber mal was kürzeres zu veröffentlichen, anstatt aller zwei Wochen einen Riesenbrocken - Und das ist auch irgendwie verständlich... Aber ich werde die alten Update_Markierungen mal rauseditiern...
 
Oh ist da was besonderes mit dem Schwert?! Na ja mal gespannt :) Mal wieder ein Top Update
 
Top Update, den Kampf zwischen Ulthar und Marco hast du brilliant beschrieben, besonders der Beginn hat mir gefallen, konnte mir die Szene bildlich vorstellen^^

Originally posted by barb@work
Marco lächelt kalt. Seine Muskeln spannten an. Hinter ihm explodierte ein Holzscheit in der glühenden Hitze des Feuers und spie einen Funkenschauer in die Höhe. Marcos Gestalt war plötzlich von dem roten Licht ausgeleuchtet und glühte nun selbst dunkel, wie ein Dämon. Sein Schwert vereinigte das Licht der Funken in sich und schien für ganz kurze Zeit zu brennen.

Weiter so!:top: :top: :top:
 
So, nachdem sich unser liebes Forum gestern beharrlich geweigert hat, mein Update anzunehmen, steht jetzte endlich das komplette dritte Kapitel drin...
Viel Spaß damit...
G4ND4LF, alles Gute noch zum Geburtstag-Sieh's als persönliches Geschenk:D
 
Vielen Dank - eventuelle Kritik bzw. wahrscheinlich Lob editiere ich noch :) thx 4 up :)

EDIT: Einfach wunderschön das update. Diese Stimmung die dabei so rüber kommt - als ob man selbst mit am Lagerfeuer sitzt. Ich bin ganz versessen darauf zu hören, was in uthar wirklich steckt - Mit anderen Worten: Ich freue mich schon auf das nächste Update.
 
Und wieder hab ich nur eine Sache zum bemotzen: Eine WAISE ist ein Mädchen das seine Eltern verloren hat. Eine WEISE der Rosalinde meintest du wohl...

Du scheinst Talent zu haben diese Fallgrubenwörter zu erwischen ;)
 
Nein, Saturn, den Unterschied kenn ich... Das war so gewollt, um die andersartige Sprache zu betonen, "da" heißt ja auch eigentlich "der"

MfG, barbie
 
Hallo,

ich bin nun endlichmal wieder dazu gekommen weiterzulesen. Also geniale Geschichte, sehr schön zu lesen und sehr spannend. AAAber, ich habe noch eine Stelle wo es eine gespaltene Persönlichkeit gibt.

2te Seite, glaub Kapitel 2


"Marcos Stimme wurde eiskalt, als er weitersprach. Er klang nicht mehr wie der gerade volljährige Marco, sondern vielmehr wie ein vom Hass zerfressener Dämon.
„ Ich werde sie alle töten. Aber nicht einfach so, ich werde jedem von ihnen sein Herz eigenhändig herausreißen, um es ihnen schlagend vor das sterbende Gesicht zu halten.“
Ja genau, dachte Marco, das würdest du tun. Und würdest du Vater damit wieder zum Leben erwecken? Würdest du Darheimsgard wieder aufbauen?
Er schwieg, wohlwissend, dass Marco diese Antwort nicht verstehen würde."

Es geht um den Satz "Ja genau, dachte Marco, das würdest Du tun. Und..."

Ich denke hier müßte es heißen das Ulthar das dachte. Schau da nochmal drüber.

Aber ansonsten superschick. Weiter so.

Gruß
der Frechkerl
 
Perfekt klingt gut... :D
Danke für das viele Lob, das ihr immer wieder ausschüttet. Das braucht meine niedergeschlagene Persönlichkeit gerade...:kiss:
Ich wünsch euch viel Spass mit dem Anfang vom nächsten Kapitel...
Und den Fehler mach ich fix mal raus (wenn das Forum mich lässt)


Kapitel 4

Stephanus hatte sich nach diesen Worten wieder hingesetzt und hielt seinen Kopf gesenkt. Es schien, als wäre die gesamte Kraft, die sein Körper jemals ausgestrahlt hatte, zusammengesunken und in ihm verschwunden. Er atmete flach.
Thomas und Marco schauten ihn verständnislos an, während Ulthars sich zusammenreißen musste, dass sein Unterkiefer nicht vor Verwunderung aufklappte.
„ Was soll das heißen?“, fragte Thomas schließlich. „Ich verstehe das nicht.“
Als Stephanus nicht antwortete, war es schließlich Ulthar, der sich dazu durchrang, den Mund zu öffnen.
„ Ich kenne nur die Legenden. Die Geschichten von einer Insel am westlichen Weltenende, direkt vor dem Abgrund der Dämonen. Sie wird ‚Kuronia’ genannt, die letzte Bastion, die die Menschen vor den Ungeheuern aus den tiefsten Untiefen des Abyssos schützt.“
Stephanus hob den Kopf und schaute in den Sternenhimmel:
„ Dort soll es eine Stadt geben, ganz aus weißem Marmor errichtet. Prächtige Bauwerke, an Perfektion nicht zu übertreffen. In ihr leben die Zachiräe, Krieger, deren Kunst der Stadt in Nichts nachsteht, ausgebildet um gegen die Dämonen zu kämpfen. So sagen es die Legenden.“
Ulthar nickte stumm.
„ Das ist nicht die Wahrheit.“, fuhr Stephanus fort. „ Oder zumindest nicht einmal annähernd alles, was es zu sagen gibt, aber ich denke, dafür ist es heute zu spät. Wir werden morgen nach Hültheim kommen und zum ersten Mal auftreten. Ich bitte euch, euch mit euren Fragen bis morgen zu gedulden. Dann will ich euch alles verraten, was ihr wollt. Aber nun lasst uns schlafen. Es ist spät.“

Der nächste Morgen war der erste seit Monaten, an dem sie nicht die grellen Strahlen der Sonne aus dem Schlaf rissen.
Der Himmel war wolkenverhangen. Es waren dicke, graue Wolken, die so tief zogen, dass sie fast die Wipfel der Bäume berührten. Doch brachten sie keine Erfrischung oder gar angenehme, kühle Luft mit sich, nein vielmehr schien es unter diesem Horizont noch drückender, trockener und heißer zu sein, als die Tage zuvor.
Ulthars Kehle war wie ausgedörrt und seine Lippen fühlten sich spröde und rissig an. Marco musterte stirnrunzelnd den Himmel.
„ Das sind keine Regenwolken.“, seufzte er schließlich. Ulthar nickte und setzte seinen Wasserschlauch an. Sofort begann er zu schwitzen und wischte sich mit der Hand über die Stirn.
„ Schreckliches Wetter.“, sagte er dann. „ Kein gutes Vorzeichen.“
Stephanus trat an ihre Seite und hielt den Blick in die Ferne gerichtet. „ Nein, das ist kein gutes Wetter. Die Luft ist so klar und man kann weit sehen. Wir müssen aufpassen, dass uns die Karawane vor uns nicht entdeckt, wenn wir durch die Hügel fahren.“
Marco wandte sich dem Krieger schüchtern zu und fragte:
„ Sagt Stephanus, ist die ganze Welt hier so? Nur Wälder und grasige Ebenen?“
Stephanus lachte herzlich.
„ Nein, mein Freund, nein.“, er wischte sich über die Augen. „ Hinter Winsahl ist es vorbei mit den großen Wäldern. Das hier sind die letzten Ausläufer der südlichen Haine, dahinter beginnt die weite Steppe, in deren Zentrum die schwarzen Massive liegen. Wenn du unendlich weit sehen könntest, würde dort Ardbajan, die Hauptstadt der südlichen Grafschaften liegen.“ Er hob seine Hand und deutete in die westliche Richtung. Würdest du dann immer weiter diesen Weg entlang ziehen, so würdest du irgendwann das westliche Meer erreichen. Von dort bin ich gekommen.“
Marco legte die Stirn in Falten.
„ Wie lange würde es dauern, das westliche Meer zu erreichen?“
Stephanus kniete sich nieder und band sich die Stiefel zu.
„ Mit einem guten Pferd und guter Ausdauer, etwa drei Sonnenumläufe, bis Ardbaja ist es nur ungefähr halb so weit.“
Marco gürtete sein Schwert und dachte nach:
„ Es ist unglaublich, wie groß die Welt ist.“, sagte er schließlich.
Wieder lachte Stephanus. Er stand auf und durchwuschelte Marcos Haare.
„ Die Welt, die Welt. Die ist noch viel größer. Das hier sind gerade einmal die Südlichen Grafschaften. Im Norden liegen noch die Frostreiche, die zu durchschreiten allein mehr als vierzig Sonnenumläufe in Anspruch nähme. Und dahinter gibt es noch viele, viele andere Königreiche. Abyssos liegt viel weiter entfernt, als ihr oft glaubt, Menschen.“
Ulthar hob den Blick und versuchte die Sonne hinter den dichten Wolken zu erkennen. „ Wir sollten langsam aufbrechen, sonst schaffen wir es nicht bis heute Abend nach Hültheim.“
Thomas sprang auf und klatschte in die Hände.
„ Wenigstens einer, der an das Geschäft denkt. Recht so mein Freund, du gäbst einen guten Gaukler ab, wenn du ein bisschen mehr das Lächeln lernen würdest.“ Sagte er schmunzelnd und tänzelte mit klingenden Schellen auf den Fuhrbock.

Sie hatten sich getäuscht, was die Strecke nach Hültheim anging. Schon kurz nach Mittag tauchten plötzlich zwischen den Bäumen die ersten Häuser auf. Sie wirkten ärmlich und ungepflegt mit ihren rauen und dunklen Mauern. Die Wände waren einfach nur aus groben Steinen aufgeschichtet worden, kein Vergleich zu der Fachwerkskonstruktion in der Marco und Ulthar einst gelebt hatten.
Zwischen ihnen stand ein Wegweiser, der die Richtung nach Winsahl und Darheimsgard wies. Der Anblick versetzte Marco und Ulthar einen Stich ins Herz, brachte aber noch eine Frage hervor.
„ Sag, Stephanus, hat diese Stadt gar keine Mauer?“, fragte Marco verwundert. Der Kämpfer drehte sich um und sprach mit gedämpfter Stimme:
„ Nur größere, reiche Städte haben eine Stadtmauer, Marco und nun leise. Vergesst nicht, ihr seid unsere Kumpane, also verhaltet euch so, als wäre das alles nichts Neues für euch.“ Er drehte sich wieder nach vorne.
Marco beugte sich zu Ulthar.
„ Irgendwie ist mir Stephanus richtig unheimlich.“
Ulthar brummte zustimmend und starrte dann weiter die Häuser an. Auch in Darheimsgard hatte es solche Häuser gegeben, aber nur im Hafenviertel, dort wo sich das Gesinde herumtrieb. Dort, wo Marco und er nie hatten hingehen dürfen.
Es fiel ihm jetzt erst auf, wie behütet ihr Leben eigentlich die ganze Zeit gewesen war. Fast ihr ganzes Leben hatten sie auf dem Gehöft ihres Vaters verbracht, oder in Darheimsgard, wenn es Geschäfte zu erledigen gab, was nicht so oft vorkam, da ein Großteil der alltäglichen Waren von den Händlersgehilfen auf den Hof gebracht wurde.
Er kam sich so verloren vor, jetzt da er merkte, wie groß die Welt eigentlich war. Und dabei waren sie noch nicht einmal an die Grenzen der Grafschaft Iljard vorgedrungen. Was, wenn sie die Verbrecher noch viel weiter verfolgen mussten? Würde er die Reise durchhalten, oder würde er vor Sehnsucht zu Grunde gehen?
„ Schläfst du?“, Marco stieß ihm ungehalten den Ellbogen in die Seite. Ulthar schreckte hoch.
„ Was ist denn?“
„ Ich habe dich gefragt, ob es dir auch so geht. Mit Stephanus...“ Antwortete Marco.
„ Ja, ja. Obwohl, ich fand es vorher schlimmer, als ich es noch nicht wusste.“ Er stockte. „ Ich habe ... schon länger vermutet, dass etwas mit ihm ... Nicht stimmt.“ Er drehte die Handfläche in einer entschuldigenden Geste nach oben. „ Aber jetzt. Ich weiß nicht. Die Legenden sind so mystisch, da erscheint er mir schon fast als normal.“
Marco ließ seine Beine vom Wagen baumeln und streckte sich. „ Was sagen die Legenden denn?“
Ulthar kratzte sich am Kopf.
„ Nun ja, jede etwas anderes. Aber alle berichten über weißhäutige Wesen mit glänzenden Schwingen, die das Schwert meisterhaft führen. Sie sollen fast unbesiegbar sein, außer an einer Stelle zwischen den Schultern. Und zaubern können sie auch noch.“
„ Leider sind Legenden nur Legenden, Ulthar, vergiss das nicht.“ Ulthar erschrak, als er Stephanus’ Stimme plötzlich neben sich hörte. Beiläufig registrierte er, dass der Wagen auf einer kleinen Wiesenfläche gehalten hatte.
„ Leider kann ich nicht zaubern, sonst wären viele Sachen in meinem Leben einfacher gewesen.“ Stephanus stieß sich vom Wagen ab. „ Ihr könnt uns beim Aufbauen der Bühne helfen. Danach üben wir.“
„ Wie sollte es auch anders sein.“, grummelte Marco.

Update vom 14.02.2006


Stephanus riss seinen entblößten Oberkörper zurück und ließ das Schwert kreiselnd nach vorn sausen, sodass es Marcos heftigen Schlag nach schräg oben abwehrte. Die Kraft des eigenen Schlages nutzend wirbelte er dann aus der Bewegung um seine Achse und rammte seinem Kontrahenten den Schwertknauf in den Rücken.
Marco sackte mit einem dumpfen Geräusch zu Boden, während Stephanus seine Muskeln entspannte und den Schweiß vom Gesicht wischte.
„ Pass immer auf, Marco.“, er half dem am Boden Liegenden auf. „ Du darfst niemals die Wucht deines Schlages überschätzen. Brutale Kraft ist oftmals mit der richtigen Technik leicht abzuwehren.“
Marco stampfte wütend auf und warf sein Schwert auf den Boden.
„ Warum machst du es nicht einfach selber? Wozu dieses lange Proben, wenn du das Schauspiel viel einfacher spielen könntest?“
Stephanus’ Lächeln erstarb und seine Stimme war von seltsamen Ernst belegt, als er weitersprach:
„ Ich würde es gerne machen, wirklich, aber es gibt da ein Problem. Die Leute hier sind einfach – Und das macht sie gefährlich.“
Ulthar, dessen Training mit Stephanus schon längst vorüber war, trat näher:
„ Wie meint ihr das?“
Stephanus stützte sich an einem der Bühnenpfosten ab und legte den Kopf in den Nacken.
„ Nun, wie soll ich es erklären, ohne anmaßend zu klingen... Ich werde es versuchen. Passt auf, in einer großen Stadt, da wohnen viele Leute. Es kommen viele Leute auch aus anderen Teilen der Ländereien. Die Menschen sehen Tag für Tag viel Ungewöhnliches und das macht sie offener. Hier, hier arbeiten die Menschen die ganze Zeit auf ihren Feldern, sehen ihre Familie, ihre Nachbarn und den Dorfältesten. Die einzigen Absonderlichkeiten, die man hier kennt, sind alte Geschichten, die als längst vergangen gelten. Versteht ihr, was ich meine?“
Ulthar schüttelte den Kopf.
„ Nicht ganz, fürchte ich.“, gab er dann zu.
Wieder lächelte Stephanus, aber diesmal lag eine gewisse Resignation in seinem Blick, als seine Augen über die triste Häusersammlung strichen, die hinter ihnen lag, weit genug entfernt, sodass man sie nicht als Strauchdiebe bezeichnen konnte, aber immer noch sichtbar.
„ Auch diese Menschen wünschen sich hin und wieder ein Abenteuer, den Hauch der Fremde auf ihren Wangen, aber gib ihnen zuviel davon und sie werden es nicht verstehen. Sie lieben Geschichten über fremdartige Kampfkünste, aber führe ihnen einen westlichen Schwerttanz vor und sie werden dich für den Teufel halten. Es sind schon viele Spielmänner umgekommen, weil ihre Wägen nachts heimlich in Brand gesetzt worden, Ulthar. Das ist es immer. Sei vorsichtig mit jeder Fremdartigkeit, sie könnte der Strick sein, der sich um deinen Hals liegt. Die Menschen suchen das Unglück immer eher in der Ferne, als unter sich.“
Kurz war es, als würden seine Gedanken abschweifen. Stephanus’ Blick verklärte sich und ein Lächeln umspielte seine Lippen, aber gleich darauf hatte er sich wieder unter Kontrolle.
„ Es soll nun aber genug der Lektionen sein. Ihr könnt euch eine Weile in der Stadt umsehen, aber seid vorsichtig. Denkt an meine Worte – Und kein Wort über Darheimsgard und das, was dort geschehen ist. Schlechte Nachrichten haben schnelle Flügel, sagt man. Und wir können kein unnötiges Risiko brauchen.“

Was immer Ulthar über Hültheim gedacht hatte, es wurde in dem Moment revidiert, als er das Dorf aus der Nähe sah.
Hültheim war vielleicht ein typisches Straßendörfchen für diese Zeit, aber für die jungen Augen, die nur die Hafenstadt Darheimsgard kannten, wirkte es eher wie ein übergroßer Bauernhof. Es waren nicht viel mehr als zwei handvoll Häuser, die sich dicht um zwei schlecht ausgebaute Wege drängten, welche sich in ihrer Mitte kreuzten. Direkt hinter den Häusern begann der Wald, den sie heute früh durchquert hatten und vor ihnen lagen kleine Felder, die mehr schlecht als recht zusammengestückelt aussahen und deren Korn längst vertrocknet wirkte.
Auch der dünne Seitenarm des Iljard-Flusses wirkte eher wie ein staubiges Rinnsal, denn wie die blaue Flut, die Ulthar und Marco kannten.
Einen trostloseren Ort konnte man sich kaum vorstellen, zumal die Wolkendecke noch immer nicht aufgerissen war. Das graue, trübe Licht, das durch sie hindurchschien, gab dem Ort einen schmutzigen Anstrich, aber Ulthar bezweifelte, dass Hültheim selbst unter strahlendem Sonnenschein irgendwie hübsch hätte wirken können.
Ein seltsamer Geruch empfing sie, als sie zwischen die Häuser traten. Es war mehr als nur die Gülle und Kloake, die hier auf die Straßen geschüttet worden, nein, der ganze Ort roch alt und einfach schmutzig. Nur kurz sah Ulthar das Gesicht eines kleinen Kindes hinter einer der Mauern aufblitzen, bevor sich trappelnde Schritte entfernten und einzig Stille zurück ließen. Automatisch rückten Ulthar und Marco dichter zusammen, als sie am eigenen Leib zu spüren begannen, was Stephanus wirklich gemeint hatte.
Erst auf der Hauptstraße trafen sie einen Mann aus dem Dorf. Er hatte dunkles Haar, bronzefarbene Haut und trug ein typisches, einfaches Bauerngewand aus grobem Sackleinen. Er drückte gerade auf den Arm einer Pumpe, aus der nur noch ein gefährlich dünner Strahl tropfte. Offenbar waren die kleinen Dörfer noch stärker von der Dürre betroffen, als Darheimsgard und andere große Städte. Ulthar gab Marco einen kleinen Schubs, der ihn halb vor sich brachte. Marco sah ihn zunächst zweifelnd an, bemerkte aber schnell den misstrauischen Blick, mit dem sie der Mann musterte und lenkte ein.
„ Mögen eure Schritte zahlreich und eure Stunden glücklich sein.“, sagte er unsicher und verneigte sich hastig. Der Mann grummelte etwas und winkte ab.
„ Ihr gehört zu den Fahrenden draußen, vor der Stadt, oder?“, fragte er dann, was Marco mit einem Nicken bejahte. Sein Schweigen schien beredter gewesen zu sein und mehr von seinen Gedanken verraten zu haben, als beabsichtigt, denn der Mann trat hastig einen halben Schritt zurück.
„ Ich, ich wollte euch nicht beleidigen, Fremde.“, bemühte er sich dann, zu versichern. „ Aber, als das letzte Mal Spielmänner hier waren, sind Sachen gestohlen worden. Nicht, dass ich glaube, ihr wärt Diebe... Aber ... wir sind arme Leute, hier gibt es nichts zu holen.“
Ulthar konnte die Angst seines Gegenübers geradezu riechen, ärgerte sich aber auch gleichzeitig über sich selbst. Schon Marcos Statur gereichte für gewöhnlich, Fremden Respekt einzuflößen, aber sie trugen ihre Waffen noch dazu offen, was einer Drohung nicht gerade fern kam, wenn man ein fremdes Dorf betrat. Hastig bemühte er sich, den Fehler zu korrigieren und trat vor Marco. Mit einer beschwichtigenden Geste sagte er:
„ Macht euch keine Sorgen. Ein bisschen Misstrauen ist doch durchaus gesund, guter Mann. Aber wir wollen nichts stehlen, wir haben nur ein paar Fragen an euch.“
Seinen Fehler bemerkte er erst, als er die weit aufgerissenen Augen des Mannes sah.
„ Ihr beherrscht unsere Sprache.“. Der Mann schlug ein Kreuzeszeichen auf seiner Brust. „ Ein Barbar, der unsere Sprache spricht.“
Ulthar kratzte sich am Kopf.
„ Wenn man mit Spielleuten reist, muss man viele Sprachen lernen.“, präsentierte er dann eine merklich dünne Ausrede. Was war nur mit ihm los? Reden war sonst immer seine Stärke gewesen, aber heute stammelte er eher wie ein Kleinkind. Wahrscheinlich war die Situation zu fremdartig für ihn, um sie auf Anhieb zu meistern. Aber sein Gegenüber war zu hin und hergerissen zwischen seiner Neugier und seiner Furcht, als dass er irgend einem der Worte auch eine nähere Betrachtung geschenkt hätte. Er starrte ihn unverhohlen an, solange, bis es Ulthar schließlich unangenehm wurde.
„ Wir wollten nur Fragen, ob unsere Kumpane vor kurzem durch dieses Dorf gezogen sind? Es waren fünf Männer, zu Pferde und ein kleiner Junge dabei.“
Der Mann musste sich wirklich zusammenreißen, dann schloss er seinen Mund und schüttelte den Kopf.
„ Nein, ihr seid die ersten Fremden hier, seit damals.“ Auf die versteckte Andeutung hinter seinen Worten ging Ulthar lieber nicht ein. Um ehrlich zu sein, war er des Gesprächs und vor allen Dingen seines Gesprächspartners schon längst überdrüssig.
„ Dann danke ich euch, guter Mann und wünsche einen guten Tag.“
Er drehte sich demonstrativ zu Marco um und registrierte nur beiläufig, wie der andere Mann so schnell loslief, dass man es nur schwerlich nicht als Flucht bezeichnen konnte.
„Seltsame Menschen...“, sagte er und verleierte vielsagend die Augen. Marco nickte nachdenklich.
„ Er sah aus, als ob er glaubte, den Teufel zu sehen.“
„ Nun weiß ich, was Stephanus heute morgen gemeint hatte. Wenn hier alle so gesprächig sind, werden wir Rico nie finden und die Mörder unserer Eltern auch nicht.“
„ Entschuldigt, Fremde.“, erklang plötzlich eine hohe Stimme hinter ihnen. Ulthar fuhr erschrocken herum und sah sich plötzlich einem jungen Geistlichen gegenüber. Zumindest trug er ein schwarzes Mönchsgewand und hatte ein silbernes Relikt um den Hals baumeln, das ihn als ersten Adepten Elementarklöster auszeichnete. Das Gesicht des Mönchs war wahrscheinlich schon in frühster Jugend von schwerer Akne befallen gewesen, die tiefe Spuren hinterlassen hatte, seine Augen aber blickten offen und freundlich, wenngleich sie ein gewisses Misstrauen nicht verbergen konnte. Seltsamerweise war das Ulthar aber richtiggehend lieb. Nach der Begegnung gerade eben wäre ihm jede weitergehende Freundlichkeit gekünstelt und übertrieben vorgekommen.
Dann erschrak er. Wie viel hatte der Mönch von ihrer Unterhaltung mitbekommen? Er stand auf jeden Fall nahe genug, um sie belauscht zu haben. Aber wenn er irgend etwas dergleichen getan hatte, so hatte er seine Züge perfekt unter Kontrolle.
„ Verzeiht die dreiste Störung, aber ich beobachtete euer Gespräch mit Bai.“, er deutete in die Richtung, in die der Bauern gerade verschwunden war. „ Die Menschen hier wissen nicht viel von der Welt, außer den alten Geschichten, ihr müsst ihn verstehen.“
Ulthar fragte sich instinktiv, woher der Mönch vom Inhalt ihrer Unterhaltung wusste, bevorzugte es aber, nicht darauf einzugehen.
„ Ach – Und was wisst ihr von der Welt?“, er war selbst über den aggressiven Ton seiner Stimme überrascht. Offensichtlich hatte ihn die Begegnung mit Bai doch mehr mitgenommen, als er sich eingebildet hatte.
„ Nun, auf jeden Fall soviel, als dass man einen Menschen nach seinen Taten und nicht nach seinem Aussehen beurteilen sollte. Mögen eure Schritte zahlreich und eure Stunden glücklich sein, Unbekannte. Mein Name ist Taron, ich bin der Geistliche Hültheims.“ Er verneigte sich knapp, was Ulthar und Marco ihm sichtlich verlegen nachmachten.
„ Und eure ebenso, entschuldigt unsere Unhöflichkeit. Wir sind Marco und Ulthar.“
Taron legte den Kopf zur Seite:
„ Ulthar. Welch wohltönender Name. Ihr seid Spielmänner?“, fragte er dann. Als Ulthar nickte, maß er ihn mit einem fragenden Blick.
„ Eure Kleider sehen eher aus wie die von Jägern oder Edelmännern, denn wie die der Spielmannszunft.“
„ Nun.“, Ulthar trat verlegen von einem Bein auf das Andere. „ Wir sind eher ... Schausteller. Und für unsere Kunststücke brauchen wir eine Verkleidung. Und es ist doch immer gut in angemessener Kleidung eine fremde Stadt zu besuchen.“
Er war selbst etwas erstaunt, wie leicht ihm das Lügen von der Hand ging, ausgerechnet einem Mönch gegenüber. Er musste nur aufpassen, dass er sich nicht verplapperte.
„ Was also ist euer Begehr hier in Hültheim?“, fragte Taron schließlich. „ Wollt ihr Essen kaufen? Dann muss ich euch enttäuschen. Unsere Kornkammern sind leer und wir werden selbst den Winter nur mit großer Mühe überstehen.“
Ulthar lächelte sanft und hielt die Hände beschwichtigend.
„ Nein, wir wollen nur eine Frage stellen. Wir reisen normalerweise mit einigen anderen Menschen. Aber fünf von uns sind voraus geritten, um in Winsahl neue Nahrung zu beschaffen und unser Schauspiel in aller Munde zu tragen. Wir wollten nur wissen, ob man sie hier gesehen hat und wie es ihnen geht.“
Der Mönch lächelte ebenso, auch wenn sein Lächeln um einiges dünner wirkte, als Ulthars.
„ Ich glaube ich habe eure Freunde hier gesehen, aber wenn ihr genaueres wissen wollt, müsst ihr Airos, den Gastwirt der Stadt fragen. Er wohnt gleich die Straße hinab.“
Marco verneigte sich tief vor Taron.
„ Und vergesst nicht, heute Abend unser Stück zu besuchen, Bruder.“, sagte er dann.
Taron maß ihn mit einem abschätzigen Blick.
„ Ich glaube, dieses Schauspiel werde ich mir nicht entgehen lassen.“

Auch Airos’ Gaststube wirkte so alt und verschlissen, wie man sie an einem Ort wie Hültheim vermuten würde. Marco und Ulthar mussten erst zwei Mal vorbeilaufen, bis sie des schmutzigen Schild gewahr wurden, das den Eingang zu Airos’ Stube wies.
Die Tür ächzte vernehmlich, als sie sie mit aller Kraft aufstemmten und öffneten den Weg in ein leeres, dunkles Zimmer. Drei schiefe Bänke standen um einen Tisch herum, der schon so manche Kneipenschlägerei erlebt haben musste. Alle Möbel bestanden aus einem dunklen Holz, das von zahlreichen Finger glattpoliert war, dabei aber so grob und einfach wirkte, fast nackt bar jeder Verzierung, dass man meinen konnte, man wäre in einem Gefängnis gelandet, anstelle eines Wirtshauses.
Es war tatsächlich, als wären Ulthar und Marco in eine andere Welt gelangt. Marco sah sich um, aber es dauerte noch eine ganze Weile bis der Besitzer der Herberge aus einer Nebentür in die Stube gelaufen kam.
„ Gäste. So früh am Morgen.“, sagte er und zog die Tür mit einem Lächeln hinter sich zu. Airos war groß und von fülliger Statur. Sein Bauch ragte weit über den engen Gürtel hinaus und schwankte im Gleichtakt mit jeder Bewegung hin und her. Sein Kopf war nur noch von einem kleinen Kranz schwarzer Haare umzogen und schimmerte hell in dem Licht, dass durch die schmalen Fenster in die Stube fiel. Seine Kleidung hingegen war schmutzig von dunklen Bierflecken und hellem Fett.
„ Nun, mögen eure Stunden in meiner schlichten Behausung glücklich sein. Wollt ihr ein Mittagsmahl, oder ein Zimmer?“ Ächzend stützte sich der Wirt auf dem dunklen Tresen ab und musterte sie fragend.
„ Danke Herr, aber wir wollen euch nur ein paar Fragen stellen.“
Airos hob seine Hände und wandte sein feistes Gesicht verzweifelt in Richtung Himmel.
„ Fragen, Fragen nur Fragen, mit Fragen verdiene ich weder Heller noch Pfennig. Wo gedenken denn die hohen Herren zu nächtigen? Zu Pferde, oder auf den Wiesen?“
Marco lachte.
„ Macht euch, um unser Wohlergehen keine Sorgen, Herr. Wir nächtigen auf dem Kutschwagen, der auf den Wiesen vor der Stadt steht. Nachdem wir unsere Künste feilgeboten haben.“
Das Lächeln auf den Zügen des Wirtes verschwand noch bevor Marco die letzten Worte ausgesprochen hatte.
Er richtete sich in eine halb aufrechte Haltung auf, die in dieser dunklen Umgebung etwas Drohendes an sich hatte. Überhaupt schien es in der Gaststube um einiges dunkler zu werden, als Airos sie verächtlich musterte.
„ Fahrendes Volk.“ Er spie das Wort regelrecht aus, als ob es etwas widerliches wäre. „ Würdelose Spitzohren, die keine Heimat kennen.“
Marco straffte sich und sein Hand wanderte zu dem Schwertknauf an seiner Seite. Ulthar wusste, dass er jedem Anderen für diese offene Beleidigung eine Abreibung verpasst hätte, aber er legte ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter.
„ Es ist nur eine Antwort die wir erfragen möchten. Haben sich vor kurzem fünf Herren in eurem Heim niedergelassen, die einen kleinen Jungen mit sich führten?“
Der Wirt schien kurz zu überlegen, ob er ihnen überhaupt antworten sollte, schließlich aber sprach er wieder.
„ Ja das war gestern. Hätte ich gewusst, dass sie zu euch gehören hätte ich sie nicht eingebeten. Und jetzt schert euch zum Teufel.“
Marcos Blick war auf einmal von tiefer Hoffnung erfüllt. Er beugte sich vor und sah dem Wirt direkt in die Augen.
„ Ging es dem Kleinen...“
Der Wirt brauste auf.
„ Ich sagte schert euch zum Teufel. Ich will mit euch dreckigem Lumpenpack nichts zu tun haben.“, brüllte er seine Gegenüber an.
Durch Marcos Körper ging ein Ruck, aber Ulthar packte ihn und zog ihn weg.
„ Lass uns gehen.“
Marco strampelte und verpasste Ulthar beinahe eine saftige Ohrfeige.
„ Nein, ich will diesem Sohn einer Hure zeigen, wie man mit Marco umzugehen hat. Ich will ihm seinen verdammten Stolz aus dem fetten Leib prügeln.“
Ulthar donnerte die Tür hinter sich zu.
„ Und was würde das bringen? Nichts. Er würde dir auch hinterher nichts sagen.“
Wütend stapfte er in Richtung Stadtrand. Marco folgte ihm, ebenso wütend und geladen.
„ Ich hätte ihn schon zum Reden gebracht.“
Ulthar sah in gar nicht mehr an, er wusste, wie sinnlos seine Worte waren, aber er redete trotzdem weiter.
„ Du würdest ihn wahrscheinlich aufschlitzen, seine Eingeweide herausziehen und die Antwort darin lesen, Krieger.“, schrie er ihn an. „ Und was hättest du damit gekonnt?“
Und was würde dich dann noch von denen unterscheiden, die wir verfolgen?, fügte er in Gedanken hinzu

Ulthar wusste, dass Marco ihm die Worte übel nahm und sie als Zeichen von Schwäche auslegte, aber er hatte einfach keine Lust, sich schon wieder bei seinem Bruder zu entschuldigen und beließ es dabei, sodass sie den restlichen Weg schweigend nebeneinander her gingen. Sie hatten für ihre Erkundungen länger gebraucht, als Ulthar gedacht hatte, denn die Sonne neigte sich schon dem Untergang zu, als sie den Packwagen erreichten. Aber an ihrem Lager erinnerte nichts mehr an die einfache Stätte, die sie vor einigen Stunden verlassen hatten..
Thomas und Stephanus hatten in einem Umkreis von etwa zehn Schritt einen Bereich mit großen Fackeln abgegrenzt, der als Bühne dienen sollte. Der Wagen selbst war von einer großen, dunklen Plane bedeckt, die ihn wie ein großes Zelt erscheinen ließ.
In einiger Entfernung brannte ein kleines Feuer, über dem etwas Fleisch brutzelte. Offensichtlich hatten Thomas und Stephanus schon gegessen.
Als könne er Gedanken lesen, kam ihnen Thomas in diesem Moment ungeduldig entgegen gelaufen.
„ Die hohen Herren gedenken endlich zu erscheinen, welch Ehre, glaubt mir, das werde ich euch nie vergessen.“, er tippte sich spöttisch an die Stirn. „ Ist es euch möglich, euch zurecht zu machen für den Auftritt, oder mögt ihr noch ein wenig speisen und trinken.“
Auch Stephanus trat aus dem Schatten des Wagens hervor..
„ Ihr kommt spät“, tadelte er sie knapp „ Habt ihr etwas in Erfahrung bringen können.“
Ulthar nickte.
„ Sie sind heute morgen von hier fortgeritten. Wir sind ihnen noch immer einen Tag hinterher.“
Marco spie verächtlich auf den Boden.
„ Und dass man dieses Bauernpack aufschlitzen sollte. Wir sollten heut Nacht Wache halten, falls jemand diese Fackeln zu anziehend findet, um sie nicht an unserem Wagen auszuprobieren.“


Wie immer: Danke an euch. Ohne Leser ist die Geschichte nichts als ein hohler Klang, den der Wind von dannen weht. In diesem Sinne:
Ich brauche euch
barb
 
Huhu,

einen Verbesserungsvorschlag habe ich:

Dann will ich euch alles verraten, was ihr wollt. Aber nun lasst uns schlafen. Es ist spät.“

Das verraten klingt etwas negativ - vielleicht wäre erzählen besser. Allerdings stimmt verraten auch - er macht ja nichts anderes. Erzählen wäre halt ne verschönigung...

Ansonsten mir das update gut gefallen bis auf dass es etwas kurz war :)
 
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