Kapitel 70 – Lücken
Der Meister hievt sich zurück auf die Plattform.
„In Ordnung, das hat mir sehr geholfen. Die Richtung ‚Kuchen’ ist leider keine von diesen hier, oder?“
Ich grinse.
„Wir könnten ja den Wegpunkt zurück nehmen?“
Der Meister starrt den an.
„Ach ja...ne. So, wie wir sind, gehen wir garantiert nicht in die Stadt. Entweder mit voller Armee, oder mit einem guten Plan und heimlich. Aktivieren tu ich ihn aber.“
Er starrt die Runenfolge an.
„Das hätte ich auch ahnen können...KoKoMal.“
Zuflucht – tatsächlich. In der Tat, wer hätte das gedacht. Ich lasse meinen Blick in alle vier Richtungen schweifen, schlucke aber schnell und wende ihn nach unten; die Unendlichkeit ist ein wenig zu viel für mich. Den Meister scheint sie immer noch nicht zu stören; er bemerkt zum Glück mein Unbehagen nicht oder sieht, was ich sehr nett fände, einfach darüber hinweg.
„Also, wir haben wohl beide keine Ahnung. Was solls. Ich finde, diese Richtung ist so gut wie jede andere – außerdem interessieren mich die roten Portale.“
Welche...oh. Da sind sie. Ein wenig Weg noch, und wir sind bei einem Bogen, der ähnlich ist wie der, durch den wir hier hinein gekommen sind, aber kein Zahnrad hat; darin ist ein Portal, ebenfalls ähnlich dem blauen, durch das wir kamen, aber rot. Auf dem Weg dagegen...
„Sind das nicht Ziegendämonen?“
Der Meister schaut genauer hin.
„Du hast Recht – und gesehen haben sie uns noch nicht. Denkst du, du packst das? Auf das Skelett will ich mich nicht verlassen.“
„Aber sicher schaffe ich die – der Weg ist so eng, die kommen nur einzeln.“
Ich schreite ruhig voran, während er nur die Schultern zuckt und mir folgt. Nach kurzer Weile schauen die roten Gestalten, die ich schon von weitem gesehen habe, auf, brüllmähen etwas, und laufen auf mich zu, große Keulen und Hellebarden erhoben. Ich warte. Na...?
Der erste holt aus – und bevor er auch nur halb zugeschlagen hat, ist meine Klaue in seine Brust gefahren. Ich stoße ihn mit meinem Schwung weiter nach hinten und fege zwei seiner Kollegen vom Rand des Wegs – wohin sie mit leiser werdenden Schreien fallen, will ich nicht wissen...
Ich trete ihn von meinem Arm weg, über die Leiche und den nächsten entgegen, die tatsächlich nebeneinander stehen. Ist das nicht eng? Zu eng, wohl, dann ausholen können sie nicht. Ich blocke einen halbscharigen Hieb, und schon sind sie Geschichte, einer, zwei, kein Problem.
Der Letzte gibt Fersengeld, aber das kann er vergessen; ich packe die Keule eines Toten, wirble sie im Kreis und ihm hinterher. Sie trifft ihn mit dem bestachelten Kopf voran mitten im Rücken, und er fällt ohne eigenen Laut, jedoch mit einem nassen Krachen, zu Boden.
Der Meister beschwört Magier; einen Feuer, zwei Gift. Sinnvoll, hier machen es Nahkämpfer wirklich nicht lange, denke ich. Bleibt der Job an mir hängen, die Gegner aufzuhalten, aber das tut er ja fast immer...
„Sag mal, kannst du die nächsten oben lassen? Ich freu mich doch immer über Leichen...“
Hm.
„Wozu? Mehr als Magier würd ich hier an Eurer Stelle nicht beschwören, und so geht es doch weit leichter, sie loszuwerden.“
Der Meister überlegt.
„Du hast Recht. Vielleicht hätte ich das mit der Sprache doch lassen sollen, du bist zu schlau.“
Heh. Ich trete an das rote Portal. Es ist ein wenig simpler, undekoriert im Vergleich zu dem, in dem das blaue enstanden ist, postiert an einem Ende des kurzen Armes eines Ts im Weg, über den langen sind wir gekommen; seltsam asymetrisch, aber wenn ich – kurz – in die Ferne schaue, dann ist hier nicht viel nicht asymetrisch. Das fehlende Zahnrad bedeutet wohl, das dieses hier nicht zu schließen ist, sondern einfach permanent; logisch, wenn ich mir Zahl der anderen in der Ferne so bedenke, die ich kurz gesehen habe, dann lohnt sich eine sicherlich kompliziertere Anfertigung einfach nicht.
Der Meister klopft mir auf die Schulter.
„Wollen wir es uns noch länger ansehen, oder einfach durchgehen?“
Äh – ja. Aber...
„Schickt Ihr das Skelett vor?“
„Klar, warum nicht...“
Also darf der dünne Kerl voran. Er geht hindurch...und tritt wieder heraus.
„Ich hab ihm eingegeben, dass er sich gleich nach dem Durchgehen wieder umdreht und zurückkommt. Scheint also kein Problem darzustellen. Leider stören die Flämmchen etwas, aber harmlos und kalt scheinen sie ja zu sein.“
Stimmt, jetzt, wo er es sagt – ich sehe kein Bild in dem Portal, nur einen verwaschenen roten Schleier. Da hätte der Konstrukteur nicht sparen müssen...ich zucke mit den Schultern und gehe hindurch.
Dahinter führt einfach eine Treppe nach unten, der Weg biegt nach rechts ab, und führt fort. Ich weigere mich, nachzusehen, wohin, und trete ein wenig weg, bevor der Meister in mich hineinläuft. Er erscheint dann auch, und die Magier hinter ihm, worauf ich mich doch ein wenig frage – wo sind wir denn jetzt eigentlich im Verhältnis zum Eingangsportal?
“Schau mal, wir sind von da hinten gekommen, nicht?“
Ich schiele in die Richtung, die er andeutet, mein Blick natürlich immer noch halb in ungefährliche Richtungen gewendet, damit ich nicht wieder durchdrehe – tatsächlich. Links vor uns liegen Fleischfetzen, gerade durch Skelettbeschwörung erzeugt, was bedeutet, dass das Portal vom rechten T-Arm uns über eine Lücke im Weg nach gegenüber gebracht hat, jedoch auf die rechte Seite. Sehr verquer, aber irgendwie im Stile der Resteinrichtung. Wir gehen weiter.
Wieder wartet ein Gruppe Clanleute auf Ärger; diese sind gar nicht rot vor Blut, wie die bei der Gräfin, sondern einfach nur rot von der Fellfarbe...was ihr Clan wohl ist? Vielleicht sagt es uns einer. Bevor sie überhaupt bei mir sind, zerfrisst sie schon Gift, und ich habe noch leichteres Spiel. Das ist ja richtiggehend langweilig – nicht, dass ich mich beschweren würde oder so...
Diesmal liegen zwei Portale vor uns, links und rechts. Der Meister deutet nach links, ich nach rechts; er zuckt mit den Schultern, gerade, als ich es auch tue, und wir wenden uns gleichzeitig in die Richtung, in die der jeweils andere gedeutet hat.
Ich seufze und krame in den Taschen eines gerade erlegten Feindes. Aha, eine Münze.
„Wappen – wir gehen nach rechts. Wert – wir gehen nach links.“
Der Meister hebt eine Augenbraue.
„In Ordnung, aber ich werde mich immer fragen, warum du dich eigentlich so gut auskennst, was Allerweltsdinge angeht, die dir noch nie begegnet sind...wie Wert und Wappen bei der Münze...hm?“
Ich halte inne, bevor ich sie werfe...ja, genau...woher...tja.
„Das werde ich mich auch immer fragen, glaube ich. Oh, Wert – dann hier entlang.“
„So mag ich das. Gib sie derweil mir...ich pass drauf auf.“
Ja klar.
Durch das Portal getreten, finden wir uns hinter dem wieder, das diesem direkt gegenüberlag, eine Weglücke überbrückend; jetzt stehen wir auf einer größeren Plattform. Regeln gibt es hier keine.
Da höre ich eine Mischung aus Kreischen und Zischen, die ich aber schon kenne...oh-oh...
Mindestens fünf Geister, was ein wenig schwer zu beurteilen ist, da sie durchsichtig sind und sich überlappen, schwebe auf die Plattform zu – und von vorne stürmt eine Horde von Clanleuten heran, die klar auf Ärger aus sind. Ich presche vor, um sie daran zu hindern, auf die Plattform selbst zu kommen; an diese grenzt ein enger Weg an, auf dem sie heranrennen, und so kann ich den Flaschenhals halten. Hoffentlich hält mir der Meister seinerseits...aber warum frage ich ihn nicht einfach?
„Meister, kümmert Euch bitte um die Geister!“
„Ha, können vor Lachen! Aber halt du nur die Dämonen auf, ich komm schon klar!“
Dann ist ja Alles geregelt...schön, wenn man endlich die Ungewissheiten weg hat, was der Andere jetzt eigentlich macht.
Ich ramme meine Klaue in den „Kopf“ eines Geister, der, von verstärktem Schaden verstofflicht, zusammenklappt.
Moment.
Moment mal kurz, warum habe ich gerade einen Geist getötet? Was ist mit den Clanleuten? Ich drehe mich langsam um...
Da liegen sie verstreut am Boden, teils explodiert, teils skelettifiziert. Die Geister“leichen“ sind ebenfalls vor mir verteilt, das gerade war der Letzte. Der Meister beschwört ein drittes Skelett, was ihm zu reichen scheint.
„Hey Golem, das war nicht übel, der Trick, so machen wir das beim nächsten Mal auch!“
Welcher Trick? Wie habe ich diese Gegner gerade besiegt? Im Schlaf? Im Traum? Im....
Oh Gott.
Wie konnte ich das vergessen – so lange ist es auch nicht her...
Warst du das?
Er bleibt still...aber ich weiß, du bist hier drin! Nein, du übernimmst mich nicht wieder! Das erlaube ich nicht! Ich werde dir nicht ähnlich, wie kannst du dann...
...oh. Der Meister hat mich vor Kurzem verändert. Mir Sprache gegeben. Hattest du die wohl auch? Bist du jetzt wieder nahe genug an deiner früheren Form, um mir wieder ins Handwerk zu pfuschen?
Warum sagst du Nichts?