TwinYawgmoth
Champion des Hains, Storywriter of the Years
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Kapitel 18 – Der Weg zu Baal
Missmutig trottet der Meister weg von dem Stadtportal, vor dem die Söldner Spalier stehen, dabei herablassend grinsen. Aus Fenstern schauen unserem seltsamen Auftritt Gesichter zu, und nicht wenige Finger deuten auf mich, was ich irgendwie spüren kann, ohne hinzusehen, und auch nachvollziehen.
Nur wenig entfernt von dem Platz, an dem sich das Stadtportal geöffnet hat, ist Atmas Taverne. Sie steht davor und sieht uns mit großen Augen an, als wir uns, immer noch flankiert von im Gleichschritt trabenden uniformierten Männern, nähern. Diese benötigen einen Moment, um stehen zu bleiben, nachdem der Meister dies auch getan hat, vor Atma nämlich. Der Moment zieht sich, und erste Gesichter werden verärgert auf hoch erhobenen Köpfen über stocksteifen Körpern, als die Söldner offensichtlich überlegen, wie viel Unannehmlichkeit sie in Kauf nehmen wollen für diese kleine Farce. Dann findet Atma ihre Sprache wieder.
„Du hast ihn getötet, oder?“
Der Meister nickt.
„Dieser Blitz, der vom Himmel kam...ich habe ihn gesehen. Und da wusste ich es. Ich fühlte mich so befreit...“
Der Meister nickt wieder und lächelt. Atmas Lippen umspielt auch so ein Ausdruck, aber ihr Lächeln ist ungleich befriedigter – und grausamer.
„Sie sagen, dass der Geschmack der Rache bittersüß sei...aber ich mag ihn.
Danke. Vielen Dank. Jetzt können mein Mann und mein Sohn in Frieden ruhen.“
Sie umarmt den Meister, der ihr ungelenk wie immer in solchen Situationen den Rücken tätschelt. Sie schluchzt leise. Die Söldner verziehen sich, was uns wohl nur Recht sein kann. Nach einer Weile trennt sie sich von ihm.
„Ich werde dafür sorgen, dass das bekannt wird. Deine Taten werden nicht vergessen werden.“
Der Meister grinst offen und fröhlich.
„Ich hoffe, das dadurch zu erreichen, dass ich als lebende Legende in Erinnerung bleibe, Atma. Es hat mich wirklich sehr gefreut, das zu tun, nicht nur, wenn auch ganz besonders deswegen, für dich. Wir sehen uns wieder.“
Ich lächle ihr auch noch einmal zu, als wir uns zum Gehen wenden, und erhalte sogar ein strahlendes Grinsen zurück, wenn auch durch einen Tränenschleier.
Jetzt hat sich dieser Sieg auch für mich gelohnt.
Ein weiteres Treffen steht an, und man sieht am Gesichtsausdruck des Meisters und seinen gespannten Schultern, dass dieses weit unangenehmer für ihn wird.
Deckard Cain sitzt auf unserer Schatztruhe und ließt in einem alten Pergament. Als der Meister an ihn herantritt, sieht er nicht auf.
„Äh, Deckard...“
Er wendet uns seinen Blick zu. Sein Gesichtsausdruck bleibt neutral.
„...ich habe es geschafft...“
Deckard nickt, bleibt aber stoisch.
„...und lebe noch...ich...sagen wir es so: Es tut mir Leid, dass ich mein Leben aufs Spiel gesetzt habe in der ganzen Aktion, und dass ich dich deswegen enttäuschen musste.“
Deckard nickt nochmal. Der Meister fährt aber fort.
„Aber dass ich letztlich gegangen bin, tut mir nicht Leid. Es musste sein, einerseits, weil ich es Atma einfach geschuldet habe, und auch meiner Vergangenheit. Der Ausgang hat das Risiko, denke ich, gerechtfertigt.“
Und jetzt lächelt Deckard.
„Das hat er in der Tat, junger Freund. Danke, dass Ihr an mich gedacht habt, aber ich muss gestehen, dass es durchaus nicht die schlechteste Idee war, ja sogar alle meine eher schlechten Erwartungen übertroffen hat. Tatsächlich habe ich mich geirrt, und Ihr hattet Recht – und ich finde es gut, dass Ihr dazu steht, was Ihr getan habt, egal, ob es jetzt richtig war, oder falsch.
Und es war richtig.“
Der Stein, der dem Meister sichtlich vom Herzen fällt, muss Einiges gewogen haben.
„Danke für dein Verständnis, Deckard. Ich hatte ja eigentlich eine Menge Glück...aber sag mal, was liest du denn da?“
Ich schätze, diese Überleitung sollte mir sagen, dass er nicht weiter über das Thema reden will. Deckard sagt es das auf jeden Fall, und er ergreift die Gelegenheit beim Schopf, um einen ensprechenden Wechseln einzuleiten.
„Dieses Pergament, junger Freund, ist der Hauptgrund, dass Euere Expedition ein Erfolg war.“
Der Meister runzelt die Stirn.
„Ich habe es noch nie vorher gesehen...“
Deckard lacht.
„Ah, das dachte ich mir bereits! In der Tat, hier kann man Griez wirklich dankbar sein, dass er euch gefolgt ist, denn er hat es gefunden. Es war in einer Schatztruhe hinten in der Kammer von Radament.“
Der Meister lächelt dünn.
„Oh, die habe ich durchaus gefunden, aber er hat mich davon abgehalten, tiefer in ihn nachzuforschen.“
Deckard lächelt zurück.
„Ist das so? Nun, das Ergebnis ist das Gleiche, wir halten sie in Händen, denn er hat schnell festgestellt, dass, wenn Jemand die Schrift darauf lesen kann, ich es bin. Und ich kann es, passenderweise.“
Der Meister grinst.
„Und, was steht da so Interessantes drauf?“
Deckard wird ernst und lässt sein Grinsen verschwinden.
„Seid ihr mit der Geschichte von Tal Rasha vertraut?“
Der Meister lässt sein Grinsen auch verschwinden, als er die Sachlichkeit des alten Weisen bemerkt.
„Mit dieser Legende? Am Rande...“
Ich schüttle den Kopf, denn wie ich ja schon vorher festgestellt habe, ist meine Meinung für Deckard nicht ganz uninteressant. Und in der Tat heben sich seine Mundwinkel etwas, als er meine Reaktion sieht, nur für mich.
„Dann werde ich sie einmal in voller Länge und der Wahrheit gemäß entsprechend erzählen, denn wie so viele Legenden hat sie einen wahren Kern; nur ist der Kern hier so groß, dass fast Alles an ihr stimmt, bis auf manche Ausschmückungen, die ich einfach weglassen werde.
Jered Cain, mein Vorfahre und wie ich Weiser der Horadrim, überliefert die Geschichte des großen Kriegs gegen die drei Übel, als diese auf der Welt wandelten. Ihr werdet von diesen Ereignissen gehört haben, und dass dies Übel letztlich besiegt und gefangen wurden, aber wahrscheinlich nicht, wie. Es war ja nun so, dass Diablo und seine Brüder Mephisto und Baal in die Körper normaler Sterblicher eingedrungen waren, ihre Seelen also Macht über die weltlichen Hüllen übernahmen, und diese dann in die grotesken Formen der Dämonen zwängten, die wir Alle so gut kennen und hassen. Die Seelen der Drei aus diesen Gefäßen zu vertreiben, erwieß sich in der Methode als relativ leicht, sobald man sie denn endlich einmal besiegt hatte, denn das taten die Horadrim. Man musste einfach nur die Wirtskörper töten. So Leid es den Helden von damals tat, aber es gab keine andere Möglichkeit.
Nun würden diese freigelassenen Seelen der Übel aber auf dem direkten Wege zurück in die Hölle fahren, aus der sie gekommen waren, sich neue Körper suchen, und das Unheil begänne von Neuem. Also händigte ihnen der Gründer des Ordens der Horadrim, der Erzengel Tyrael, die Seelensteine aus. Unbekannt ist ihre wahre Macht und Wirkungsweise, aber diese Splitter des Weltsteins, der Sanktuario zusammenhält, hatten als einzige die Macht, die Übel zu bannen. Viel weiß ich nicht über sie, aber eines ist gewiss: Die Steine wirken nur auf nicht körperliche Erscheinungen, wie eben Seelen, auf diese aber unglaublich stark. Sie erzeugen einen gewaltigen Sog, dem die Seele nicht entkommen kann, und sperren diese in ihnen ein. Durch diese Technik wäre es also möglich, die Seelen der großen Übel für alle Zeiten gefangen zu nehmen, in Splitter aus Stein gesteckt, tief unter der Erde begraben, wodurch sie kein Unheil mehr anrichten könnten.
So geschah es auch. Diablo und Mephistos Wirtskörper wurden getötet, und ihre sich sträubenden Seelen in die Steine gezaubert, was an und für sich keine Probleme bereitete. Aber leider, leider, der Seelenstein, der für Baal vorgesehen war, war beschädigt, er hatte Risse und bröckelte.
Man wusste: Wenn er in diesem eingesperrt werden würde, lange könnte der Stein ihn nicht halten. Baal würde ausbrechen, zurückkehren nach Sanktuario, und versuchen, seine beiden Brüder zu befreien. Und das gelänge ihm wahrscheinlich auch. Es war ein unlösbar scheinendes Dilemma, und die Zeit drängte.
Da trat Tal Rasha auf. Er war schon lange bekannt für seine großen Taten im Dienste der Horadrim, man meinte sogar, er sei der größte Zauberer, der je gelebt hatte. Er bot sich nun an, mit seiner unglaublichen Willenskraft Baal im Seelenstein festzuhalten, wenn es sein musste, bis ans Ende der Zeit. Die Horadrim hoben also in der tiefsten Wüste an einem geheimen Ort ein Grab aus, und ketteten Tal Rasha auf seinen Wunsch an einen Stein. Baal wurde in den Seelenstein gesperrt, und Tal Rasha rammte sich diesen in die Brust!
Das Grab wurde versiegelt, auf dass er seinen ewigen Kampf um die Kontrolle seines Körpers mit Baal führen konnte, ohne dabei durch eine womöglich fatale Störung beeinträchtigt zu werden. Die Welt schien sicher vor den Übeln, Mephistos Seelenstein wurde tief unter dem Tempel von Travincal im Dschungel von Kurast begraben, und Diablos Seelenstein unter der Kathedrale Tristrams.
Wie Ihr aber bereits wisst, übte dieser Seelenstein Diablos einen dunklen Einfluss auf die Menschen darüber aus, bis ihm Albrecht, der Sohn des Königs Leoric, zum Opfer viel, und sich letztendlich in Diablos Avatar auf Sanktuario verwandelte, nachdem er sich den Seelenstein in den Kopf gerammt hatte. Es war eine schwere Zeit, bis der erste Held kam, und Albrecht, der zu Diablo geworden war, tötete.
Aber wie Ihr ebenfalls wisst, ist dieser Held jetzt dem gleichen Schicksal zum Opfer gefallen wie der arme Albrecht – er ist der Macht des Seelensteins erlegen und stellt jetzt selbst Diablos Avatar hier dar. Die Übel in den Seelensteinen sind also kontinuierlich erstarkt, und ich fürchte um Baals Stein und den Ausgang von Tal Rashas Kampf. Diablo ist eindeutig zum geheimen Grab unterwegs, und Ihr müsst ihn aufhalten, bevor er – und gegen zwei Übel kann selbst ein Magier von dieser Größe nicht bestehen – Baal zu Sieg über Tal Rasha verhilft. Zwei Übel vereint wären eine Katastrophe, und sollten sie auch noch mit Mephisto zusammentreffen, dann ist die Welt verloren.“
Der Meister hat gebannt gelauscht, und als Deckard inne hält, steht er auf.
„Es ist wirklich schlimm, und ich kann verstehen, dass du mich zur Eile gedrängt hast, Deckard. Ich werde nicht mehr zögern, Diablo nachzueilen und ihn aufzuhalten, bevor er Baal befreit.“
Deckard gebietet ihm, sich wieder zu setzen.
„Junger Freund, ich war noch nicht fertig. Bitte. Euer Eifer ist lobenswert, aber leider nicht aufs Ziel gerichtet.
Denn dieses zu erkennen ist nicht das Leichteste – es ist sogar beinahe unmöglich. Der Standort von Tal Rashas Grab ist nicht umsonst ein geheimer – Niemand weiß, wo es liegt. Noch dazu ist die Grabkammer selbst mit einem der ausgeklügeltsten Zauber, die jemanls gewebt wurden, versiegelt, und Ihr würdet es niemals schaffen, in sie einzudringen.“
Der Meister lässt den Kopf hängen.
„Aber...dann kann ich es ja gleich vergessen!“
Deckard lächelt.
„Nicht so pessimistisch, mein Freund. In der Tat gibt es eine Möglichkeit, den Zauber zu brechen. Wir Magier der Horadrim waren einst Experten in der Konstruktion von magischen Gegenständen, aber manche Gegenstände waren nicht einfach nur magisch, sie waren einzigartige Konstrukte schöpferischer Genialität.
Es wurden weniger von diesen ganz besonderen Artefakten gebaut, als ich Finger an meinen beiden Händen habe, aber ein solches ist der Schlüssel zu der Grabkammer. Ihr benötigt einen Horadrim – Stab.“
Der Meister lächelt.
„In Ordnung. Ich wette, du hast eine Idee, wo einer ist, sonst wäre die ganze Sache ja völlig sinnlos.“
Deckard lächelt zurück.
„In der Tat, mein Freund. Diese Schriftrolle, die Ihr aus den Klauen Radaments geholt habt, enthält die genaue Beschreibung des Verstecks eines Horadrimstabes in den Wüsten um Lut Gholein. Da diese Stäbe allerdings so gebaut waren, dass man sie auseinandernehmen kann, fürchte ich, dass ihr die beiden Teile, Spitze und Schaft, separat suchen müsst...“
Der Meister steht auf.
„Das ist überhaupt kein Problem. Ich darf nur keine Zeit verlieren.“
„Halt.“
Wieder unterbricht Deckard sein Gehen.
„Es ist nicht so einfach, wie Ihr vielleicht denkt, die Teile des Stabes zusammenzufügen. Dafür benötigt ihr einen weiteren magischen Gegenstand der Horadrim, einen Würfel. Diesen müsst ihr benutzen, um die Teile zu vereinen.“
Der Meister scheint leicht verzweifelt.
„Dann hole ich halt diesen Würfel...“
Er dreht sich um.
„Jetzt wartet doch mal!“
Und wieder unterbricht ihn Deckard.
„Ihr seid so ungeduldig. Kann es sein, dass Ihr den Fehler, der sich als unbedingt nötig herausgestellt hat, erst Radament zu besiegen, gut machen wollt? Dann doch nicht so. Als Erstes ruht Ihr euch aus. Schlaft eine Nacht. Dann könnt Ihr losziehen. Und als Zweites wollt Ihr vielleicht wissen, wohin die Reise gehen soll?“
Der Meister lässt die Mundwinkel beschämt hängen.
„Äh...ja.“
„Gut. Kommt Morgen zu mir, ich sage euch die Orte.“
Der Meister legt den Kopf schief.
„Wie wärs, wenn du sie mir gleich sagst?“
Deckard runzelt die Stirn.
„Warum denn nicht. Der Würfel befindet sich in den Hallen der Toten in den verdorrten Hügeln, die liegen gleich östlich der Stadt. In der fernen Oase ist die berüchtigte Wurmgruft, da liegt der Schaft versteckt. Die Spitze wiederum muss irgendwo in der vergessenen Stadt liegen, weit entfernt von hier.“
Der Meister scheint gleich in Tränen ausbrechen zu wollen wegen dieser Aufgabe. Ich auch. Deckard schüttelt den Kopf.
„Seht Ihr, ich wollte doch nur, dass Ihr heute gut schlafen könnt...“
Missmutig trottet der Meister weg von dem Stadtportal, vor dem die Söldner Spalier stehen, dabei herablassend grinsen. Aus Fenstern schauen unserem seltsamen Auftritt Gesichter zu, und nicht wenige Finger deuten auf mich, was ich irgendwie spüren kann, ohne hinzusehen, und auch nachvollziehen.
Nur wenig entfernt von dem Platz, an dem sich das Stadtportal geöffnet hat, ist Atmas Taverne. Sie steht davor und sieht uns mit großen Augen an, als wir uns, immer noch flankiert von im Gleichschritt trabenden uniformierten Männern, nähern. Diese benötigen einen Moment, um stehen zu bleiben, nachdem der Meister dies auch getan hat, vor Atma nämlich. Der Moment zieht sich, und erste Gesichter werden verärgert auf hoch erhobenen Köpfen über stocksteifen Körpern, als die Söldner offensichtlich überlegen, wie viel Unannehmlichkeit sie in Kauf nehmen wollen für diese kleine Farce. Dann findet Atma ihre Sprache wieder.
„Du hast ihn getötet, oder?“
Der Meister nickt.
„Dieser Blitz, der vom Himmel kam...ich habe ihn gesehen. Und da wusste ich es. Ich fühlte mich so befreit...“
Der Meister nickt wieder und lächelt. Atmas Lippen umspielt auch so ein Ausdruck, aber ihr Lächeln ist ungleich befriedigter – und grausamer.
„Sie sagen, dass der Geschmack der Rache bittersüß sei...aber ich mag ihn.
Danke. Vielen Dank. Jetzt können mein Mann und mein Sohn in Frieden ruhen.“
Sie umarmt den Meister, der ihr ungelenk wie immer in solchen Situationen den Rücken tätschelt. Sie schluchzt leise. Die Söldner verziehen sich, was uns wohl nur Recht sein kann. Nach einer Weile trennt sie sich von ihm.
„Ich werde dafür sorgen, dass das bekannt wird. Deine Taten werden nicht vergessen werden.“
Der Meister grinst offen und fröhlich.
„Ich hoffe, das dadurch zu erreichen, dass ich als lebende Legende in Erinnerung bleibe, Atma. Es hat mich wirklich sehr gefreut, das zu tun, nicht nur, wenn auch ganz besonders deswegen, für dich. Wir sehen uns wieder.“
Ich lächle ihr auch noch einmal zu, als wir uns zum Gehen wenden, und erhalte sogar ein strahlendes Grinsen zurück, wenn auch durch einen Tränenschleier.
Jetzt hat sich dieser Sieg auch für mich gelohnt.
Ein weiteres Treffen steht an, und man sieht am Gesichtsausdruck des Meisters und seinen gespannten Schultern, dass dieses weit unangenehmer für ihn wird.
Deckard Cain sitzt auf unserer Schatztruhe und ließt in einem alten Pergament. Als der Meister an ihn herantritt, sieht er nicht auf.
„Äh, Deckard...“
Er wendet uns seinen Blick zu. Sein Gesichtsausdruck bleibt neutral.
„...ich habe es geschafft...“
Deckard nickt, bleibt aber stoisch.
„...und lebe noch...ich...sagen wir es so: Es tut mir Leid, dass ich mein Leben aufs Spiel gesetzt habe in der ganzen Aktion, und dass ich dich deswegen enttäuschen musste.“
Deckard nickt nochmal. Der Meister fährt aber fort.
„Aber dass ich letztlich gegangen bin, tut mir nicht Leid. Es musste sein, einerseits, weil ich es Atma einfach geschuldet habe, und auch meiner Vergangenheit. Der Ausgang hat das Risiko, denke ich, gerechtfertigt.“
Und jetzt lächelt Deckard.
„Das hat er in der Tat, junger Freund. Danke, dass Ihr an mich gedacht habt, aber ich muss gestehen, dass es durchaus nicht die schlechteste Idee war, ja sogar alle meine eher schlechten Erwartungen übertroffen hat. Tatsächlich habe ich mich geirrt, und Ihr hattet Recht – und ich finde es gut, dass Ihr dazu steht, was Ihr getan habt, egal, ob es jetzt richtig war, oder falsch.
Und es war richtig.“
Der Stein, der dem Meister sichtlich vom Herzen fällt, muss Einiges gewogen haben.
„Danke für dein Verständnis, Deckard. Ich hatte ja eigentlich eine Menge Glück...aber sag mal, was liest du denn da?“
Ich schätze, diese Überleitung sollte mir sagen, dass er nicht weiter über das Thema reden will. Deckard sagt es das auf jeden Fall, und er ergreift die Gelegenheit beim Schopf, um einen ensprechenden Wechseln einzuleiten.
„Dieses Pergament, junger Freund, ist der Hauptgrund, dass Euere Expedition ein Erfolg war.“
Der Meister runzelt die Stirn.
„Ich habe es noch nie vorher gesehen...“
Deckard lacht.
„Ah, das dachte ich mir bereits! In der Tat, hier kann man Griez wirklich dankbar sein, dass er euch gefolgt ist, denn er hat es gefunden. Es war in einer Schatztruhe hinten in der Kammer von Radament.“
Der Meister lächelt dünn.
„Oh, die habe ich durchaus gefunden, aber er hat mich davon abgehalten, tiefer in ihn nachzuforschen.“
Deckard lächelt zurück.
„Ist das so? Nun, das Ergebnis ist das Gleiche, wir halten sie in Händen, denn er hat schnell festgestellt, dass, wenn Jemand die Schrift darauf lesen kann, ich es bin. Und ich kann es, passenderweise.“
Der Meister grinst.
„Und, was steht da so Interessantes drauf?“
Deckard wird ernst und lässt sein Grinsen verschwinden.
„Seid ihr mit der Geschichte von Tal Rasha vertraut?“
Der Meister lässt sein Grinsen auch verschwinden, als er die Sachlichkeit des alten Weisen bemerkt.
„Mit dieser Legende? Am Rande...“
Ich schüttle den Kopf, denn wie ich ja schon vorher festgestellt habe, ist meine Meinung für Deckard nicht ganz uninteressant. Und in der Tat heben sich seine Mundwinkel etwas, als er meine Reaktion sieht, nur für mich.
„Dann werde ich sie einmal in voller Länge und der Wahrheit gemäß entsprechend erzählen, denn wie so viele Legenden hat sie einen wahren Kern; nur ist der Kern hier so groß, dass fast Alles an ihr stimmt, bis auf manche Ausschmückungen, die ich einfach weglassen werde.
Jered Cain, mein Vorfahre und wie ich Weiser der Horadrim, überliefert die Geschichte des großen Kriegs gegen die drei Übel, als diese auf der Welt wandelten. Ihr werdet von diesen Ereignissen gehört haben, und dass dies Übel letztlich besiegt und gefangen wurden, aber wahrscheinlich nicht, wie. Es war ja nun so, dass Diablo und seine Brüder Mephisto und Baal in die Körper normaler Sterblicher eingedrungen waren, ihre Seelen also Macht über die weltlichen Hüllen übernahmen, und diese dann in die grotesken Formen der Dämonen zwängten, die wir Alle so gut kennen und hassen. Die Seelen der Drei aus diesen Gefäßen zu vertreiben, erwieß sich in der Methode als relativ leicht, sobald man sie denn endlich einmal besiegt hatte, denn das taten die Horadrim. Man musste einfach nur die Wirtskörper töten. So Leid es den Helden von damals tat, aber es gab keine andere Möglichkeit.
Nun würden diese freigelassenen Seelen der Übel aber auf dem direkten Wege zurück in die Hölle fahren, aus der sie gekommen waren, sich neue Körper suchen, und das Unheil begänne von Neuem. Also händigte ihnen der Gründer des Ordens der Horadrim, der Erzengel Tyrael, die Seelensteine aus. Unbekannt ist ihre wahre Macht und Wirkungsweise, aber diese Splitter des Weltsteins, der Sanktuario zusammenhält, hatten als einzige die Macht, die Übel zu bannen. Viel weiß ich nicht über sie, aber eines ist gewiss: Die Steine wirken nur auf nicht körperliche Erscheinungen, wie eben Seelen, auf diese aber unglaublich stark. Sie erzeugen einen gewaltigen Sog, dem die Seele nicht entkommen kann, und sperren diese in ihnen ein. Durch diese Technik wäre es also möglich, die Seelen der großen Übel für alle Zeiten gefangen zu nehmen, in Splitter aus Stein gesteckt, tief unter der Erde begraben, wodurch sie kein Unheil mehr anrichten könnten.
So geschah es auch. Diablo und Mephistos Wirtskörper wurden getötet, und ihre sich sträubenden Seelen in die Steine gezaubert, was an und für sich keine Probleme bereitete. Aber leider, leider, der Seelenstein, der für Baal vorgesehen war, war beschädigt, er hatte Risse und bröckelte.
Man wusste: Wenn er in diesem eingesperrt werden würde, lange könnte der Stein ihn nicht halten. Baal würde ausbrechen, zurückkehren nach Sanktuario, und versuchen, seine beiden Brüder zu befreien. Und das gelänge ihm wahrscheinlich auch. Es war ein unlösbar scheinendes Dilemma, und die Zeit drängte.
Da trat Tal Rasha auf. Er war schon lange bekannt für seine großen Taten im Dienste der Horadrim, man meinte sogar, er sei der größte Zauberer, der je gelebt hatte. Er bot sich nun an, mit seiner unglaublichen Willenskraft Baal im Seelenstein festzuhalten, wenn es sein musste, bis ans Ende der Zeit. Die Horadrim hoben also in der tiefsten Wüste an einem geheimen Ort ein Grab aus, und ketteten Tal Rasha auf seinen Wunsch an einen Stein. Baal wurde in den Seelenstein gesperrt, und Tal Rasha rammte sich diesen in die Brust!
Das Grab wurde versiegelt, auf dass er seinen ewigen Kampf um die Kontrolle seines Körpers mit Baal führen konnte, ohne dabei durch eine womöglich fatale Störung beeinträchtigt zu werden. Die Welt schien sicher vor den Übeln, Mephistos Seelenstein wurde tief unter dem Tempel von Travincal im Dschungel von Kurast begraben, und Diablos Seelenstein unter der Kathedrale Tristrams.
Wie Ihr aber bereits wisst, übte dieser Seelenstein Diablos einen dunklen Einfluss auf die Menschen darüber aus, bis ihm Albrecht, der Sohn des Königs Leoric, zum Opfer viel, und sich letztendlich in Diablos Avatar auf Sanktuario verwandelte, nachdem er sich den Seelenstein in den Kopf gerammt hatte. Es war eine schwere Zeit, bis der erste Held kam, und Albrecht, der zu Diablo geworden war, tötete.
Aber wie Ihr ebenfalls wisst, ist dieser Held jetzt dem gleichen Schicksal zum Opfer gefallen wie der arme Albrecht – er ist der Macht des Seelensteins erlegen und stellt jetzt selbst Diablos Avatar hier dar. Die Übel in den Seelensteinen sind also kontinuierlich erstarkt, und ich fürchte um Baals Stein und den Ausgang von Tal Rashas Kampf. Diablo ist eindeutig zum geheimen Grab unterwegs, und Ihr müsst ihn aufhalten, bevor er – und gegen zwei Übel kann selbst ein Magier von dieser Größe nicht bestehen – Baal zu Sieg über Tal Rasha verhilft. Zwei Übel vereint wären eine Katastrophe, und sollten sie auch noch mit Mephisto zusammentreffen, dann ist die Welt verloren.“
Der Meister hat gebannt gelauscht, und als Deckard inne hält, steht er auf.
„Es ist wirklich schlimm, und ich kann verstehen, dass du mich zur Eile gedrängt hast, Deckard. Ich werde nicht mehr zögern, Diablo nachzueilen und ihn aufzuhalten, bevor er Baal befreit.“
Deckard gebietet ihm, sich wieder zu setzen.
„Junger Freund, ich war noch nicht fertig. Bitte. Euer Eifer ist lobenswert, aber leider nicht aufs Ziel gerichtet.
Denn dieses zu erkennen ist nicht das Leichteste – es ist sogar beinahe unmöglich. Der Standort von Tal Rashas Grab ist nicht umsonst ein geheimer – Niemand weiß, wo es liegt. Noch dazu ist die Grabkammer selbst mit einem der ausgeklügeltsten Zauber, die jemanls gewebt wurden, versiegelt, und Ihr würdet es niemals schaffen, in sie einzudringen.“
Der Meister lässt den Kopf hängen.
„Aber...dann kann ich es ja gleich vergessen!“
Deckard lächelt.
„Nicht so pessimistisch, mein Freund. In der Tat gibt es eine Möglichkeit, den Zauber zu brechen. Wir Magier der Horadrim waren einst Experten in der Konstruktion von magischen Gegenständen, aber manche Gegenstände waren nicht einfach nur magisch, sie waren einzigartige Konstrukte schöpferischer Genialität.
Es wurden weniger von diesen ganz besonderen Artefakten gebaut, als ich Finger an meinen beiden Händen habe, aber ein solches ist der Schlüssel zu der Grabkammer. Ihr benötigt einen Horadrim – Stab.“
Der Meister lächelt.
„In Ordnung. Ich wette, du hast eine Idee, wo einer ist, sonst wäre die ganze Sache ja völlig sinnlos.“
Deckard lächelt zurück.
„In der Tat, mein Freund. Diese Schriftrolle, die Ihr aus den Klauen Radaments geholt habt, enthält die genaue Beschreibung des Verstecks eines Horadrimstabes in den Wüsten um Lut Gholein. Da diese Stäbe allerdings so gebaut waren, dass man sie auseinandernehmen kann, fürchte ich, dass ihr die beiden Teile, Spitze und Schaft, separat suchen müsst...“
Der Meister steht auf.
„Das ist überhaupt kein Problem. Ich darf nur keine Zeit verlieren.“
„Halt.“
Wieder unterbricht Deckard sein Gehen.
„Es ist nicht so einfach, wie Ihr vielleicht denkt, die Teile des Stabes zusammenzufügen. Dafür benötigt ihr einen weiteren magischen Gegenstand der Horadrim, einen Würfel. Diesen müsst ihr benutzen, um die Teile zu vereinen.“
Der Meister scheint leicht verzweifelt.
„Dann hole ich halt diesen Würfel...“
Er dreht sich um.
„Jetzt wartet doch mal!“
Und wieder unterbricht ihn Deckard.
„Ihr seid so ungeduldig. Kann es sein, dass Ihr den Fehler, der sich als unbedingt nötig herausgestellt hat, erst Radament zu besiegen, gut machen wollt? Dann doch nicht so. Als Erstes ruht Ihr euch aus. Schlaft eine Nacht. Dann könnt Ihr losziehen. Und als Zweites wollt Ihr vielleicht wissen, wohin die Reise gehen soll?“
Der Meister lässt die Mundwinkel beschämt hängen.
„Äh...ja.“
„Gut. Kommt Morgen zu mir, ich sage euch die Orte.“
Der Meister legt den Kopf schief.
„Wie wärs, wenn du sie mir gleich sagst?“
Deckard runzelt die Stirn.
„Warum denn nicht. Der Würfel befindet sich in den Hallen der Toten in den verdorrten Hügeln, die liegen gleich östlich der Stadt. In der fernen Oase ist die berüchtigte Wurmgruft, da liegt der Schaft versteckt. Die Spitze wiederum muss irgendwo in der vergessenen Stadt liegen, weit entfernt von hier.“
Der Meister scheint gleich in Tränen ausbrechen zu wollen wegen dieser Aufgabe. Ich auch. Deckard schüttelt den Kopf.
„Seht Ihr, ich wollte doch nur, dass Ihr heute gut schlafen könnt...“