Kapitel 60 – Glättung rauer Rinden
In eisiger Stille wandern wir für eine Weile weiter. Immer noch sind wir eine gewisse Strecke von der Stelle entfernt, an der der Pfad in das Schinderdorf zweigte – ich bin mir ziemlich sicher, dass die Planung beinhaltet, dort nicht wieder in Richtung des Dungeons zu gehen. Den will sicher Niemand hier wieder oder auch das erste Mal sehen. Immer wieder kontrolliere ich Isenhart; dieser trottet mit gesenktem Kopf an dem ihm zugeteilten Platz, wobei er ständig nervös in alle möglichen Richtungen sieht, zu den Skeletten, zu mir...einmal treffen sich unsere Blicke, und sofort fährt seiner wieder zu Boden. Und seine Hand an sein Breitschwert. Das gefällt mir nicht – gar nicht. Wir haben schon zu oft erlebt, wie aus Furcht Hass wird...oh, und dieser Gedanke sagt mir, dass uns das deutlich nicht zu gefallen hat. Ich beschleunige meine Schritte, bis ich neben dem Meister laufe und senke meine Schritte, bis ich ihm zuflüstern kann, ohne dass Isenhart es hört.
Das wird ihn garantiert nicht noch misstrauischer machen.
Ach du heiliger Himmel, kann ich jetzt wohl nicht mal mehr in Ruhe mit meinem Freund reden? Na schön, dann tue ich nebenbei noch so, als würden wir etwas Nekromantspezifisches besprechen und deute ständig auf verschiedene Skelette.
„Ich wollte mit dir über Isenhart reden. Tust du mit mir so, als würde er das Gespräch gar nicht mitbekommen wollen?“
Seine Augenbraue hebt sich in meine Richtung; jedoch ohne groß nachzudenken zieht er das Jade-Tan-Do und spielt damit vor mir herum, ohne damit einen bestimmten Zweck zu erfüllen.
„Sprich.“
„In Ordnung. Zunächst denke ich sind wir uns einig, dass er tatsächlich nicht die beste Verstärkung unserer Truppe sein könnte.“
Sein Mund kräuselt sich.
„Sehr diplomatisch ausgedrückt.“
„Ja. Aber genauso können wir nicht einfach zu Aschara laufen und meckern, da sie ihn uns quasi geschenkt hat und wir so oder so keine Zeit haben für so etwas. Solange er nur unfähig ist und nicht gefährlich...“
Zwei meiner Finger heben sich nach kurzer interner Absprache, wobei der Zweite so tut, als würde er damit einen Gesprächspunkt verdeutlichen wollen.
„Unfähigkeit ist gefährlich. Ansonsten stimme ich der Überlegung grundsätzlich zu, er hat zumindest den Status einer notwendigen Bürde.“
Die Finger senken sich wieder.
„Bloß, dass es ihm eigentlich weit schlechter geht mit uns als uns mit ihm. Ich will nicht zu viel Mitleid mit Jemand zeigen, der schon Vormittags betrunken ist und mich wie ein Stück Dreck behandelt, aber er ist alleine, wir sind zu potentiell zwölft...vielleicht sollten wir ein wenig, na ja, netter sein.“
Ein Stirnrunzeln antwortet mir.
„Ach? Ich denke noch mal darüber nach, wenn er gezeigt hat, dass man sich im Kampf tatsächlich auf ihn verlassen kann. Ansonsten kannst du gerne damit anfangen, deinen Charme wirken zu lassen – ich denke, du bist eh besser darin als ich.“
Ich zucke mit den Schultern.
„Wenn du mir sagst, wie ich mit ihm reden soll, ohne dass er Schreikrämpfe bekommt oder versucht mich mit bloßen Händen zu zerlegen oder was auch immer im benebelten Hirn dieses Golemhassers vorgeht, dann gerne.“
Langsam entweicht ein Seufzer dem Mund des Meisters.
„Gib mir einen Grund, warum ich auf diesen Idioten zugehen sollte, bevor ich wenigstens weiß, dass er ein Idiot ist, der Monster für uns töten kann.“
Mit einer allumfassenden Geste in die Runde, die für Isenhart so aussehen sollte, als würde ich die Armee damit meinen, in Wirklichkeit meine ich den Dschungel, wiederhole ich meinen ursprünglichen Gedanken.
„Weil Dummheit zu Furcht führt und Furcht zu Hass. Besonders hier. Und egal, ob wir in der Überzahl sind, falls er dem Richtigen von uns, den er mit jedem Schritt weniger ausstehen kann, sein Schwert zwischen die Schulterblätter steckt, hat er auf einmal trotzdem deutlich gewonnen.“
Ich muss mich zwingen, keinen verstohlenen Blick nach hinten zu werfen, als ich mich zurückfallen lasse – sonst wäre meine ganze Scharade umsonst gewesen. Der Meister versteift sich nach meinen letzten Worten, also lasse ich noch drei folgen.
„Denk darüber nach.“
Trag nicht zu dick auf mit deiner genialen Erkenntnis.
Gleichzeitig Warnung und die Aussage, dass er sich Zeit lassen soll, ich weiß nicht, was du hast.
Respekt vor dem Meister...
Und sein Schutz, Himmel! Wenn er dein toller Meister wäre, hätte er Isenhart ohnehin für seinen ersten schiefen Blick gemeuchelt und wäre danach Luftlinie durch den Dschungel geschritten, während du eine Schneise brennst, schätze ich!
He, dein Plan hat was. Besonders der „Meucheln“-Teil.
Ich schüttle den Kopf. Etwas überraschend trifft mich die Feststellung, dass ich es überhaupt nicht mag, mich völlig darauf verlassen zu müssen, dass der Meister die Situation alleine entschärft – vertraue ich ihm etwa nicht genug? Oder ist es „nur“ das selbstherrliche Verlangen, Dinge selbst in die Hand nehmen zu wollen?
Einfach nur Diener zu sein hat schon Vorteile, hm? Das meinte ich mit „Respekt“. Kenne deine Rolle.
Die Konversation erstirbt. Stumm passieren wir eine Viertelstunde raschen, unbehelligten Marsches später die Abzweigung zum Schinderdorf. Offenbar hat immer noch Niemand das Verlangen, sich zu unterhalten...der schwer einzuordnende Blick Isenharts in diese Richtung entgeht mir nicht. Neugier, oder haben sie sich genauer darüber unterhalten, welche Pein dort hinten wartet?
Da lässt der Meister sich zurück fallen.
„Übernimm du die Führung, Golem. Isenhart. Wir sind jetzt in unbekanntem Gebiet, und ich denke, bevor wir auf erste Gegner treffen – und das werden wir – muss ich mich entschuldigen. Wir beiden sind schon gewohnt, dass wir ständig von irgendwelchen Monstern angegriffen werden, das ist wirklich nichts Neues, aber ich darf eigentlich nicht von dir erwarten, dass dich das völlig kalt lässt. War da ein wenig harsch gerade. Ich möchte immer noch nicht, dass du dich einfach zusammenkauerst, aber lass dir Zeit, in Ordnung?“
Ich wage es nicht, mich umzusehen. Es dauert kurz, bis Isenhart antwortet, eine sehr...spannende...Spanne.
„Is schon gut, Meister. Ich hab wohl auch n wenig übertrieben, so isses ja nich. Is nur...ich bin wirklich kein Kämpfer. Schmieden, das kann ich, hab ich gelernt und machs sehr gern, wenn mich die Umstände nich anders zwingen. Aber der Amboss schlägt nich zurück, versteht Ihr?“
In der leichten Pause vor der Antwort des Meisters kann ich das verständnisvolle Nicken des Meisters geradezu hören. Als er die folgende Sache anspricht, verliere ich aber fast die Beherrschung. Muss er das ansprechen?
„Ist deine gewisse...Abneigung gegen echten Kampf denn der Grund dafür, dass du dir Mut antrinken musstest, bevor du mitgekommen bist?“
Die versteckte Aggressivität in Isenharts gestammelter Verteidigung ist fast mit den Händen greifbar. Und ich bin hier vorne...
„Was? Ich...ich hab nich...“
Mit ein wenig Konzentration lässt sich durch Hören gut herausfinden, was hinter mir geschieht. Der Zweite und ich habe ein schnelles Abkommen getroffen, dass er für mich auf den Weg und mögliche Bedrohungen achtet, weil ihn das Gespräch hinter uns schlicht überhaupt nicht interessiert – er hat ungefähr die gleiche Meinung von Isenhart wie dieser von uns. Das leise schleifende Geräusch von Leder auf Metall also lässt mich vermuten, dass gerade eine Hand sanft auf einer geschützten Schulter gelandet ist.
„Erzähl mir Nichts, das riecht ein Blinder. Äh, falsch. Egal. Heute sind besondere Umstände, wie ich vorher schon einmal gesagt habe, es ist eine Ausnahmesituation, da bin ich auch bereit, Ausnahmen zuzugestehen. Deine, nennen wir es beim Namen, Angst vor dem kleinen Ausflug hier ist ein Grund dafür, zur Flasche zu greifen. Wirklich gute gibt es dafür nicht, also will ich ihn auch nicht als solchen bezeichnen. Wir lassen das für heute fallen. Für heute. Ich gehe davon aus, dass es sich im Üblichen recht schlecht schmiedet, wenn man keine ruhige Hand hat?“
„Äh, ja...“
„Du also im Allgemeinen nicht während der Arbeit betrunken bist.“
„...nein.“
Aber nach der Arbeit? Oft?
Still, ich denke, die beiden finden einen guten Ausgang. Was mich...überrascht. Vielleicht ist Isenhart ja doch vernünftig.
Und der Meister?
Was? Der natürlich selbstverständlich.
Welch wunderschön nutzlose Wortkombination. Doppelte Betonung macht den Fakt aber nicht wett, dass du noch vor Kurzem daran deutlich gezweifelt hast, dass er den Dialog deichselt. Ja, dass er ihn überhaupt anfängt.
Ich...ich würde ihm gern völlig vertrauen, aber...
Ja, hör mir mit dem heuchlerischen Unfug auf. Entweder, du verlässt dich komplett darauf, dass dein Meister schon weiß, was er tut, oder du bist ein notorischer Zweifler, der Nichts als Abscheu verdient. Entscheide dich mal, damit ich weiß, wie ich zu dir stehen soll. Wobei, eigentlich habe ich mich ja schon längst entscheiden. Rate mal, wofür.
Und da dachte ich ernsthaft, ich könnte mir dir über ein persönliches Problem reden. Vor lauter Streiten habe ich glatt den Anfang der Schlussaussage des Meisters verpasst.
„...nicht wieder vorkommt. Und jetzt reden wir nicht weiter davon, welche dummen Dinge wir beide heute getan haben könnten.“
„Is in Ordnung so.
Danke.“
Oho.
Der Meister enthält sich derweil einer offenen Anerkennung von Isenharts überraschender Nettigkeit; vielleicht nickt er, das höre ich nicht. Er geht wieder neben mich.
„Ablösung.“
Ich halte meinen Daumen so vor ihm hoch, dass der Söldner es nicht sehen kann. Ein säuerliches Grinsen antwortet mir...das verschwindet, als sich zwei ausgestreckte Finger der anderen Hand davor schieben. Da ich mittlerweile recht sorglos bin, was die Kontrolle angeht – immerhin bin ich durch die Beherrschung...gesichert...habe ich kaum mitbekommen, dass der Zweite dazu angesetzt hat.
Vermutlich mit ähnlicher Verwunderung, wie sie gerade im Gesicht des Meisters steht, gehe ich zu meinem Stammplatz in der Mitte der Formation, nahe beim Meister und neben Isenhart. Was war das denn jetzt?
Na, Zustimmung eben.
...meiner Zustimmung?
Was überrascht dich daran? Er hat die Situation doch hervorragend gelöst. In Anbetracht der Tatsache, dass er nicht wirklich die persönliche Ausstrahlung oder konkrete Macht hat, um den Kerl durch Furcht einzuspannen, ist der halb vergebende, halb fordernde Weg, den er gewählt hat, eine sehr gute Idee, um das gleiche Resultat zu erzielen. Natürlich eine gewisse Gratwanderung, aber deswegen ist es ja auch nicht der beste Weg.
Aber dass du ihm das zeigst...
Warum genau überrascht dich das so?
Es wirkt so...falsch an dir, Jemand zu loben.
Teil jeder nachhaltigen Erziehung.
...vergiss es.
Fast schon zu spät – ich war schon bereit, jeden Schatten anzuspringen – kommt der unvermeidliche Angriff.
Zum Glück auch unüberhörbar. Mehrere Stacheldrescher brechen aus dem Unterholz; wir gehen am Fluss entlang, und ihr Herannahen war auch nicht gerade leise, also stehen wir gut da. Isenhart hat noch keinen gesehen, und war er schon bleich, als er gehört hat, wie sich etwas Großes den Weg bahnt, so zuckt er stark zusammen, als er die Monster tatsächlich sieht. Kurz habe ich noch Zeit, ihn zu beobachten – wie wir er reagieren? Er tut...Nichts. Außer sich gerade aufzurichten. Die Zähne sind zusammengebissen. Schafft er es, zumindest sein Schwert zu ziehen? Mal sehen. Auf in den Kampf. Solche Gegner sind mir am liebsten – offensichtlich dämonischen Ursprungs, geschaffen aus Pflanzen, und wer hat etwas dagegen, Bäume zu fällen? Ich kann völlig ohne Skrupel mein Bestes geben. Muss ich ohnehin immer, aber ein ruhiges Gewissen macht mir die Sache schon viel einfacher.
Kannst mich ja nächstes Mal machen lassen.
Weißt du was? Ich überlege ernsthaft, darauf zurückzukommen.
„General, der Schild dieses Wächters senkrecht nach oben!“
Unsere Verteidigungslinie hat ihre Schutzschirme schon in die Richtung der heranstürmenden Holzwesen gerichtet, aber für eine meiner Ideen macht der Meister natürlich eine Ausnahme. Komisch eigentlich, im Kampf vertraue ich ihm völlig, aber außerhalb nicht? Ich springe, lande auf der Knochenoberfläche, die sich mir eine Plattform bildet – die Wächter halten schlimmeres aus – und setze sofort nach, noch höher kommend.
Der Holzkeilkopf vor mir hebt sich gerade noch schnell genug, um zu sehen, wie meine Faust direkt zwischen seinen Augen landet. Das war ein Volltreffer.
Gratuliere. Jetzt sind wir vor unserer Verteidigungslinie.
Ups. Warum kannst du nicht vorher meckern? Während wir in einem Funkenregen vergehender Splitter fallen, überlege ich schon, in welche Richtung ich am besten ausweiche, da ich natürlich zwischen zwei Gegnern gelandet bin. Die Worte des Zweiten in meinem Geist triefen vor Sarkasmus.
Oh, du warst gerade so stolz auf deine tolle Idee, das wollte ich dir nicht nehmen.
Du...
Falsche Richtung. Ein Keulenschlag fetzt mich in einen Wächter. Gut gezielt, du Bastard!
...Arsch.
Ich hebe mich aus Knochenstaub. In der Tat, deutlich weniger, als es sein sollte. Sofort bin ich wieder in Verteidigungsposition, die Delle in meiner Brust ignorierend...das braucht Nachbesserung, aber sofern ich nicht ständig solche Schläge abbekomme...
Diesmal ist es deutlich vorhersehbarer, woher der Angriff kommen wird. Zumal ich auch nicht mitten in der Luft entscheiden muss, was ich tue. Der Gegner, der in die neu entstandene Lücke in der Verteidigungslinie eindringen will, die ich gerade schließe, haut daneben; Dreck spritzt.
Ich unterlaufe seine Reichweite. Sofern ich mich rechtzeitig wegducke, sobald er versucht, mich an sich zu zerquetschen, bin ich hier sicher. Mein Schwert hackt auf seinen durch den Krater, den er selbst geschlagen hat, behinderten Arm ein...
Nicht noch ein Schlag!
Verdammt, er ist fast durch! Aber der Zweite hat Recht. Mein Schwert ist eben keine Axt, ich brauche zu lange. Aber das ist...ich lasse mich fallen, ein Astloch greifend und auf dem glitschigen Boden zwischen den breiten Beinstämmen hindurch rutschend...kein Problem. So, wie mache ich das jetzt...hm, mach du das.
Aber immer doch.
Der Zweite übernimmt den Körper, packt – ganz anders, als ich das versucht hätte – mit der rechten Hand den linken Fuß des verwirrten Dreschers, hält die linke an dessen verlängerten Rücken und schubst dann halb, zieht stark, unseren Körper aus der verdrehten Haltung in eine natürliche aufrichtend, ohne Probleme ist das Resultat „Baum fällt“.
Gut gemacht. Meiner!
Du machst mir keinen Spaß.
Pech. Wieder in Besitz meines Körpers grabe ich mein Bein in den Rücken des gerade wieder aufstehen wollenden Gegners, und gehe auf Nummer sicher, indem ich seinen Arm komplett abhacke.
So eine nutzlose Aktion, hättest du ihn einfach geköpft...
Mit zwei Armen kann er sich hochstemmen und mich abwerfen. Mit einem geht das schlecht.
Du hast insofern Recht, als dass er auf dem Bauch liegend, mit dir darauf und einarmig in der Tat diese gewaltige Brustmasse nicht nach oben bekommt. Wer das Ding entworfen hat, gehört von Mephisto gefeuert.
Aber jetzt verschwenden wir Zeit, indem wir ihn töten – die wir vielleicht nicht haben könnten, wenn das keine unfähigen Gegner wären.
In der Tat, ich nutze den kurzen Weg auf dem Rücken des Dreschers nach vorne, um kurz den Kampf zu observieren...unter Magiersperrfeuer, verstärktem Schaden und – nachdem wirklich klar ist, dass wir keine Rückendeckung gegen Angriffe aus dem Wasser brauchen – nachströmenden normalen Skeletten, knicken die wandelnden Bäume deutlich ein. Waren auch nicht viele – ein halbes Dutzend, ohne Held.
„Ich kümmere mich um ihn!“
Hä? Gerade wollte ich dem wehrlosen, zuckenden Baum den Kopf zertreten – schnell, er wackelt bedenklich, die Kraft der Verzweiflung – als ich Isenhart heranstürmen sehe. Ist der...vor Überraschung verliere ich den Halt, als der Baum unter mir seine Chance wittert. Er rollt sich auf den Rücken, mich in den weichen Boden drückend...ich sehe Nichts mehr.
Da löst sich das Gewicht von mir und meine Sicht in Funken auf. Über meinem Kopf ist das Breitschwert des Eisenwolfs, mit dem er gerade den Gegner zerstört hat, der ohne ihn nie zu einem Problem geworden wäre. Ich sollte...
Nein. Nein, ich sollte nicht. Ich sollte mich nicht einmal bedanken, weil er nicht will, dass ich mit ihm spreche. Mit großer Sorgfalt schlucke ich meinen Ärger herunter. Ja, er ist erst gekommen, als das Monster – scheinbar – wehrlos auf dem Boden lag, um seinen „Pflichtteil“ am Kampf zu erfüllen. Was fast gefährlich hätte werden können. Aber er hat etwas getan, sogar einen kühlen Kopf behalten, als das wohl völlig besiegt geglaubte Ziel doch noch Leben gezeigt hat. Das...muss man doch honorieren.
Wenn du es dir nur richtig erklärst...
„Gut gemacht. Gar kein übles Schwert hast du da.“
Die Bemerkung des Meisters, der ruhig schlendernd zu uns getreten ist – für ihn war wie für mich von Anfang an klar, dass dieser Angriff keine Bedrohung darstellt – zaubert tatsächlich ein Lächeln auf Isenharts Gesicht.
„Danke, Meister!“
Das Wort lässt den Meister etwas das Gesicht verziehen – wobei der Söldner es diesmal offenbar gar nicht böse meint, er hat wohl nie vorgehabt, ihn anders zu betiteln. Bemerkt der Schmied aber gar nicht.
„Ich hab nämlich dafür gesorgt, dass das Ding schön ausbalonnziert ist. So ists fast nich möglich, weniger als den meisten möglichen Schaden zu machen, wa? Bin ich schon stolz drauf. Die meisten andern in der Truppe sin da nich so dahinter, immer nur 'mach was Leichtes, meine zarten Magierhände können die schweren Dinger nich tragen', aber für mich muss es schon was Besonderes sein, wa?“
Der Blick des Meisters ist etwas skeptisch.
„Hm, sicher.“
Da hat Jemand ein Lieblingsthema. Ist doch schön, Jemand zu sehen, der Spaß hat an seinem Beruf. Irgendwie hat er ja Recht, der soll schmieden, wenn er schon so sehr auf Schwerter steht. Und uns nicht mit seiner Gegenwart belästigen.
Isenhart ist noch nicht einmal fertig.
„Seht Ihr, wie es glänzt? Noch fast unbenutzt, nech. Nur gegen Übungsziele...dachte gar nich, dass ich es je brauch. Und klappt! Klappt gut! Ich nenns den Lichtbrand. Isenharts Lichtbrand. Weils so strahlt!“
Selten so ein gezwungenes Lächeln gesehen wie auf dem Gesicht des Meisters.
„Toll! Apropos Brand, was du gerade sagtest – hast du denn etwas gegen die Magienutzer bei euch?“
Da wird er wieder vorsichtig. Wenngleich immer noch etwas hyperaktiv.
Adrenalin. Nach dem ersten richtigen Kampf ist er definitiv nicht mehr zu halten.
Adrewas?
„Na ja, die können schon was, so isses nich. Is halt nich meins – ich hab starke Arme, warum nich nutzen? Wir tragen die Schwerter doch nich umsonst. Hätt auch gern gesehen, was so ein Blitzfuzzi gegen ein von diesen Baumdingern macht, die lachen doch drüber, dass es kitzelt.“
Kommt ja auch sehr selten vor, dass Blitze Bäume fällen.
Oh, den Dicken sollte das in der Tat wenig ausmachen, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Was sie nie tut. Wobei, waren es doch Dornendrescher, die immun waren?
Du siehst mich uninteressiert.
Der Meister erlaubt sich ein leichtes Lachen – halb ernst gemeint sogar, wie mir scheint.
„Ist wohl so. Na schön, dann ziehen wir mal weiter, groß Verschnaufpause ist leider nicht nach den Kämpfen...aber der war eigentlich auch ganz schön, zum Eingewöhnen. Will Niemandes Leistung runtermachen, aber das war billig. Man merkt deutlich, dass sie ohne Führer sind, seit du Endugu erledigt hast.“
Er nickt mir zu.
„Auf also!“
Isenhart gibt ein knappes Nicken zurück. Bevor er sein Schwert in die Scheide steckt, kontrolliert er es mit einem deutlich erfahrenen Blick; er mag seine Ausrüstung ganz offensichtlich. Na ja, das war doch schon mal beruhigend...hoffen wir, dass die Stimmung entspannt bleibt.
Wenn er nicht ständig über seine ach so tollen Schmiedekünste herziehen würde, dann wäre ich auch deutlich entspannter.
Na ja...ein Idiot ist er schon irgendwie...