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Stahles Spaltung [Ich denke, also bin ich: Teil 3]

Ob im Tempel oder Hain,
lass dort das Kommentieren sein!
Zu spät ist das Kapitel eh,
wenn ich so zur Uhre seh.
Dies ist beinahe schon gemein.

Spiele raten oder Ringe schätzen,
müssen wir doch die Hunde hetzen?
Das Spiel "Oblivion" ist's nicht gewesen,
sind wir's, die vergessen?? Wir wollen nur lesen!
Wir werden doch die Messer wetzen.

Das Minion ist wohl nicht mehr fern,
bei all den Posts unter Mond und Stern.
Doch auch das Forum der Strategie
interessiert die Leser (vermutlich) nie.
Warten. Warten! Wir warten nicht gern.

Keine Idee, keine Lust, keine Zeit?
Oder ist's gar zum Schreibtisch zu weit?
Grad noch hieß's "Das mach ich morgen".
Wir machen uns doch um den Golem Sorgen!
(Ist das jetzt schon Abhängigkeit?)
 
Zuletzt bearbeitet:
Was soll das, Twin? :lol:
Kannst deine Fans nicht warten lassen, sonst hetzen wir gleich die Hunde auf dich :lol:
 
Ich fühle mich gestalket Ô.o...

Ehrlich: Eine Ehre, dass ihr euch so verzehrt nach neuer Kost, aber dafür muss hier kein Spam aufkommen, okay? Ich rede mit dir, V. Sonntag hab ich gesagt, und Sonntag ist es noch. Den Nachmittag über war ich bei einem Kumpel, zwischen Dotarunden mal fix ins Forum schauen ist kein Problem, schreiben eher. Gleichfalls kann ich nicht ohne Pause durchtippen, da nehm ich gern mal eine Auszeit hierin.

Hat auch ein wenig gedauert aus offensichtlichen Gründen - Länge. Dann habt mal Spaß, ihr Hyänen :p.

Simon
 
Kapitel 54 – Fetensprenger

Meine starken Hände legen sich um die Stäbe. Der Zweite muss sie etwas unnatürlich – so natürlich unser Stahlkörper eben ist – verdrehen, um die fehlenden Fingerglieder auszugleichen. Der Meister, den wir sicher durch das Fallenfeld gelotst haben, hält gebührenden Abstand.
Ich spüre, wie die Magie, die unsere Bewegung möglich macht, meine imaginären Muskeln spannt. Der Zweite versucht, die Stäbe aus ihrer Verankerung zu reißen. War dies ein Nachgeben, das ich bemerkte? Wenn die Stäbe das Biegen beginnen, sind sie bald fällig. Aber warum biegen sie sich nicht weiter?
Der Druck steigt. Die glatten runden Metallzylinder pressen sich in meine Handflächen; die rauen Enden meiner zerfressenen Finger ertasten kleinere Unregelmäßigkeiten in der Struktur des uralten Materials. Das kann doch nicht so schwer…
Mit einem Knacken faltet sich der offene Rand eines verstümmelten Fingers nach innen. Das geschwächte Metall meiner Haut hat vor dem Stab nachgegeben, und etwas wie Schmerz zuckt meinen Arm hoch.

„Ah, verdammte Scheiße!“

„…Golem?“

„Wenn meine Finger in Ordnung wären, könnte ich das Ding mit einer Hand einreißen! Aber das wäre ja noch schöner…“

Der Zweite legt den Rücken an die Wand und versucht, sein Bein zwischen zwei Stäbe zu schieben, um einen mit der ganzen Gewalt unseres Stahlkörpers wegzustemmen. Eigentlich eine gute Idee, nur…dafür sind wir nicht flexibel genug. Alles, was er schafft, ist, seine Fußspitze an die Barriere zu legen – deren Kraft niemals reichen wird.

Wenn ich keinen so behinderten Körper hätte…

Ich mag ihn mittlerweile…
Mit gewissem Erstaunen muss ich feststellen, dass das stimmt.

Warte nur, bis ich dem Meister Ideen liefere, wie er mich verbessern könnte…

Helfen uns hier und jetzt nicht weiter.

Gah! Dieses alte Gemäuer fällt ohnehin von selbst auseinander, warum nicht hier?

Wir sind gerade mit voller Wucht dagegen gerannt, was bringt dich auf den Gedanken, es wäre irgendwie einfach?
Der Zweite packt die Stäbe und rüttelt daran, was genauso effektiv ist wie bei jedem anderen Gefangenen, der sein Luftsieb schüttelt.

„Alles in Ordnung…Golem?“

Gehetzt blickt der Zweite sich zum Meister um; der stützt sich nicht mehr auf die Skelette – sie halten ihn. Wobei das im Grunde auch ist, als würde er sich selbst halten…wir haben einfach keine Zeit!

„Ich…ich arbeite daran, Meister! Ich werde nicht versagen!“

Was ist denn mit dir los?

Ich versage nie!


Wieder packt er die Stäbe, rutscht ab ob seiner Verstümmelungen, setzt erneut an, zieht, zieht…etwas gibt nach!
…unser Schultergelenk ist verbogen.
Mein Körper sinkt zu Boden.

„Ich schaffe es nicht…aber ich muss es doch schaffen! Es ist nur uraltes Metall! Ich werde…“

Eine schwache Hand legt sich auf meine Schulter. Der Zweite…zuckt zusammen.

„Golem…du machst mir…Angst. Du sprichst…wie immer, aber ich höre…den Hass. Und Furcht. Vor wem? Warum…Meister? Vor mir?“

Schräg nach hinten sieht der Zweite hoch. Der Meister ist fast so bleich wie seine Haare, und unter dem Bauchverband blutet die Wunde eindeutig. Der verletzte Arm ist völlig schlaff. Sein Blick ist glasig vor Schmerzen und Fieber; aber die Hand ist eiskalt.

„Ich…“

Ein übertriebenes Grinsen erscheint auf dem Leichengesicht.

„Es ist…in Ordnung, Golem. Ich…bin dir doch nicht böse deswegen? Wir haben uns doch lieb…“

Etwas durchfährt den Zweiten so heftig, dass ich es absolut klar spüre: Ein tiefer Schock? Sein Griff auf meinen Geist lockert sich…soll ich es wagen, auszubrechen?
Nein. Der Meister ist offenbar kurz vor einer Ohnmacht oder Schlimmerem; er deliriert schon. Wenn ich jetzt einen Kampf um die Vorherrschaft forciere…wie lange wird der dauern? Und wenn ich versage…ich nehme seine Drohungen da sehr ernst. Ich warte…
Nichts geschieht. Erstarrt kniet der Zweite am Boden, den Raum hinter der undurchdringlichen Barriere anstarrend. Die zitternde Hand des Meisters greift an uns vorbei; er fällt, und mein Körper versteift sich noch mehr. Da der auf uns fallende Mensch nicht viel wiegt, passiert ihm nicht viel…hoffe ich. Er ignoriert seine Schwäche komplett, sein Kopf direkt neben unserem wankt hin und her. Fast unmerklich beginnt er, unsere Hand zu streicheln, die am Gitter hängt.

„Du hast doch auch eine Entschuldigung…wenn du es nicht schaffst. Ohne Finger! Da wird dir…doch Niemand…böse sein.“

Plötzlich schiebt sich eine Skeletthand in mein Blickfeld; sie hält ihm den Stab hin.

„Vielen Dank auch…“

Irgendwie schafft er es, ihn zu halten, ohne dass er fällt.

„Na komm…“

Er klopft gegen meinen Handrücken. Fast spüre ich es nicht. Ein ganz leichtes Glühen geht von der Stabspitze über auf meine Stahlhaut; es flackert…geht kurz aus…wieder an…hält. Das Atmen neben meinem Kopf wird auf einmal sehr regelmäßig; der Meister konzentriert sich absolut auf das, was er gerade tut…und ich spüre, wie an den unregelmäßigen Enden meiner Fingerglieder das Metall der Stäbe weicher wird. Plötzlich platzt etwas darunter auf; die grobe, verrottete, schwer patinierte Schicht auf der Oberfläche teilt sich, und wie neu wirkendes, kalt-flüssiges Material fließt dazwischen hervor.
Es tut sehr, sehr gut, als meine Finger sich neu bilden. Meine Schulter und sämtliche anderen Blessuren erledigen sich fast nebenbei.
Der Meister keucht. Ohne hinzusehen lässt der Zweite seinen Arm herausschießen und fängt ihn auf. Ein Blick aus leeren Augen geht an die Decke.

„Ist das…besser?“

Meine freie Hand hebt sich ins Blickfeld. Alles ist in Ordnung – mit mir. Wenn der Meister sich doch auch so regenerieren könnte...

„Das ist viel besser.“

Der Zweite greif nach vorne und packt den Gitterstab, der gerade Material für uns bereitgestellt hat, mit festem Griff. Wieder spannen sich imaginäre Muskeln.
Die noch vorhandene Kruste aus Nichtmetall bricht. Unter dem aufgelöstem Bereich gibt das Metall langsam nach...hängt fest...

Na...komm...schon...

Mit einem Krachen fliegt das verdammte Ding glatt aus seiner Verankerung. Gerade noch kann der Zweite sich am Umfallen hindern und damit den Meister.

„General...ich würde beide Hände benötigen...“

Sein leichenblasses Gesicht verändert den Ausdruck kaum.

„Ach komm, ich hab sie dir doch gerade erst repariert...“

Etwas fassungslos starrt der Dieb meines Körpers auf den schwachen Menschen in seinem Arm herab.
Zweiter, er ist komplett fertig, warum bist du so zögerlich? Mit weniger als klaren Anweisungen wirst du nicht zu ihm durchdringen!

Das ist eine Frage des Respekts...

Respekt vor seinem Leben vielleicht? Du kannst ihn auch hinlegen, aber er kann sich sicher nicht selbst in Würde aus deiner zarten Umarmung heben!

Werd nicht aufmüpfig...

Für einen zu langen Augenblick zögert der Zweite, unschlüssig, dann endlich kommt der klare Befehl.

„General! Lass dich von deinen Skeletten stützen. Ich kümmere mich hierum.“

Dieser hustet.

„Oh, gut, gerne...“

Sehr ungelenk versuchen ein Magier und ein Wächter, ihm aufzuhelfen. Da der Magier dafür die Leuchtkugeln an den Händen ausgehen lassen muss, sieht er Nichts mehr, was die Sache gleich wieder unmöglich macht; blind stochern die Knochenhände in der Luft herum.

„General! Halt die Skelette einfach steif!“

Zwei Mal muss der Zweite den Befehl wiederholen, dann hängt er den schlaffen, geschundenen Körper am Kragen an mitten in der Bewegung erstarrten Gebeinen auf.

Jetzt aber...jetzt bist du fällig.

Wir heben das heruntergefallene Gitterstück auf. Der Zweite verklemmt es zwischen zwei Stäben. Er beginnt, das Hebelgesetz anzuwenden. In Kürze, mit unserer vollen Kraft konfrontiert, gibt die Barriere auf.

„Ja! Hindurch!“

„He, das ist nicht fair! Ihr könnt nicht einfach auf der Feier auftauchen, und die Inneneinrichtung demolieren! Jetzt werde ich aber sauer!“

Endugu...der Zweite hält inne. Ich lausche.
Nichts. Die Stimme war auch ferner als sonst.

Hörst du etwas?

Nein. Hat er...keine Truppen in der Hinterhand? Wir waren lange genug beschäftigt...

Das dicke Ende kommt noch...

Was haben wir für eine Wahl?

Wie üblich keine.

Und damit kürzen wir durch das zertrümmerte Gitter ab. Die Skelette, die den Meister irgendwie aufrecht halten, müssen durch den noch etwas engen Durchgang gehievt werden, was auch nicht ganz einfach ist. Aber wir können ihn ja schlecht hier zurücklassen...
Die Gänge vor uns sind...leer. Oh, sicher stolpern wir ständig über Fallen – und über die eigenen Füße im Falle des Meisters – aber keine Opposition...das...nein, ich denke einfach zu oft das Gleiche. Natürlich ist das bedenklich. Aber auch nicht viel bedenklicher, bedrohlicher und potentiell tödlicher als der ganze Rest des Dungeons!
Links hier! Da geht es in die Mitte!

In Ordnung.

Nach der nächsten Ecke sollten wir direkt da sein...
Wir biegen um selbige. Einen weiteren engen Gang entlang. Und...Moment, das war der Gang auch schon? Es geht weiter nach links...und wieder ein Gang...und...noch einer?

Das ist doch nicht die Möglichkeit...

Doch. Wir sind gerade einmal im Kreis gelaufen. Der hypothetische Raum in der Mitte – er existiert nicht.

Das kann nicht umsonst gewesen sein!

„....warum...halten wir...an?“

Der Zweite sieht zum Meister. Dieser lehnt an den rauen Steinen, erbärmlich aussehend.

„Wir...“

Diese...ganze...verdammte...Todesfalle...

Ich sollte mich eigentlich genauso aufregen wie der Zweite...aber ich kann es nicht, denn ein anderes Gefühl übertönt die blinde Wut, dass der ganze Ausflug völlig nutzlos war, die ganzen Schmerzen...denn jetzt ist es vorbei. Wir können ein Stadtportal in die Sicherheit nehmen – es ist gerade später Nachmittag oben, wie ich erstaunt feststelle, es hatte sich angefühlt wie eine Ewigkeit – und den Meister heilen lassen...
Meine linke Faust zittert. Äh...

„Dieses beschissene Gemäuer! In die Luft gesprengt gehört es, die Dämonen darin auf einem gewaltigen Scheiterhaufen verbrannt, ihre Schreie sollen die Luft erfüllen wie der Rauch aus ihren Körpern! Feuer, ja, Feuer! Das braucht dieser Ort! Warum brenne ich nicht? Warum? Ein Inferno sollte hier herrschen, und die Seelen dieser Bastarde auf dem längsten und peinvollstem Wege zurück in die Hölle werfen!“

Meine Faust schmettert gegen die Wand, Staub rieselt von ihr und von der Decke. Stein ist unnachgiebiger als Metall...die frisch reparierten Finger verformen sich gefährlich. Zweiter, bist du wahnsinnig geworden?

Sei still! Sei bloß still! Ich habe so lange ausgeharrt in diesem Drecksloch, das du deinen Geist nennst, endlich schaffe ich es, daraus auszubrechen, und wofür? Dass dein unfähiger Meister hier unten elendiglich verreckt, seine Knochen von Schindern als Totem genutzt werden und ich nie, nie wieder das Licht der Welt erblicken kann?

Wir können jederzeit fliehen! Die Situation ist nicht im Mindesten so ernst, wie du tust!

Ich habe es von vornherein gewusst, dass dieser Dungeon uns nur Unglück bringen kann, aber ihr musstet gehen, ihr beiden weichen Idioten! Warum nur habe ich mich nicht gewehrt? Warum habe ich es zugelassen? Ich bin doch der einzig Vernünftige hier!

Meine Faust schlägt weiter sinnlos mit voller Wucht auf die Wand ein, was ihr nicht gut tut. Der Meister lehnt mit offenem Mund an der Wand, so weit weg von mir wie möglich, zitternd von Schmerzen und etwas Anderem.

„...Golem...?“

„Ja! Bin ich! Dein Golem! Warum musstest du die Formel abändern, deine eigene Prägung einbringen? Ich sollte der Einzige sein, ich bin der einzig Wahre, aber du hast versagt, einen nutzlosen Niemand geschaffen, der sich für etwas Besseres hält, nur, weil du so schlecht bist im Vergleich! Wer außer dir ist schuld, dass ich so lange in Dunkelheit und Einsamkeit ausharren musste?“

Mit zitternden, zu Klauen verkrümmten Händen – die eine macht das mittlerweile automatisch. Zweiter, nein! Was tust du da?

Etwas, das ich schon längst hätte tun sollen! Jede Sekunde, die ich mit diesem Kind verbringen muss, beschmutzt die Erinnerung an meinen wahren Meister...jetzt ist eh Alles vorbei. Und der Sieg wird nicht Endugus sein. Der Sieg wird mein sein, meiner ganz allein.

Kraft- und machtlos lehnt der Meister auf dem Boden, als die rechte Hand des Zweiten sich seiner Kehle nähert. Nein! Das kannst du nicht tun! Du bist wahnsinnig! Du vernichtest alle drei von uns! Ohne Grund! Es ist Mephistos Hass, der dich schlägt!
Natürlich – seit der Zweite die führende Persönlichkeit ist, konzentriert sich dieser auf ihn. Deswegen kann ich fast völlig klar denken – ich bin einfach nicht betroffen! Und er...er ist es einfach nicht gewohnt, ihm zu widerstehen. Er erkennt die Zeichen nicht...und Mephisto ist kurz davor, zu gewinnen.
Viel zu kalte Menschenhaut berührt noch kälteres Metall...das kann nicht so enden, es kann nicht...so sinnlos...

Endlich wird dieser Abschaum vom Antlitz Sanktuarios getilgt...

Ob du es willst oder nicht, dieser Abschaum ist dein Meister!
Eine wilde Idee ergreift mich. Der Meister des Zweiten...vor ihm hatte dieser schlichtweg Angst, das habe ich jetzt begriffen, darum hat der Zweite sich so komisch verhalten. Wenn ich etwas finde...
Noch nie habe ich das getan, aber die Kraft der Verzweiflung lässt mich den Weg ohne Probleme finden, und Nichts versperrt ihn: Ich greife selbst auf die Erinnerungen des Zweiten zu, ohne dass er sie mir aufzwingt. Keine Zeit...aber mehr als ein Bild brauche ich nicht. Ein Bild, das alle anderen überstrahlt...
Da. Keine Millisekunde musste ich danach suchen, es ist mir geradezu entgegen gesprungen, eine Präsenz, die umgibt, was den Zweiten ausmacht, seine Identität prägt wie sonst Nichts.
Der Meister des Zweiten.
Ein Schock durchfährt mich, als ich das Bild selbst sehe.
Mein eigener Meister...abgesehen davon, dass er weit jünger ist, die Haare anders trägt und tatsächlich weniger Narben hat...ist dem grausamen Totenbeschwörer der Vergangenheit wie aus dem Gesicht geschnitten.
Sein geschundenes Antlitz schwebt in diesem Moment in meinem Blickfeld der wirklichen Welt...kein Zweifel möglich.
Und damit, allen Engeln sei es gedankt, meine Chance.
Ich bewerfe den Zweite geradezu mit seiner eigenen Erinnerung, zwinge ihm sie auf wie er es vorher bei mir getan hat. In seinem Geist überlagern sich die beiden Bilder, das ich ihm zeige und das vor ihm, zu einem.

„Meister!“

Seine Hände zucken zurück, er selbst auch, stolpert nach hinten, wie von purem Terror in die Brust getreten.

Was habe ich getan...

Denk in Ruhe darüber nach, du Bastard!
Seine Verteidigung ist absolut am Boden. Ich zerschmettere die Gitter meines geistigen Gefängnisses, wie er es vorher mit denen unseres körperlichen getan hat, und für einen Augenblick Ewigkeit umgibt mich das Bild meines Geistes, das ich schon kenne. Vor völlig leerem Hintergrund stehen ein zweischwertiger, strahlend weißer Avatar meiner selbst und die pechschwarze, beklaute Repräsentation des Zweiten. Wie in der Wirklichkeit ist er außer Balance, kurz davor, hinzufallen...

Genug davon.

Eines der Schwerter fährt ein; ich brauche es nicht. Ohne Genugtuung, erfüllt nur von einem Gefühl grimmiger Hingabe, hole ich aus – und ramme dem schwarzen, dem bösen Geist in mir eine Lichtfaust mitten in das Schädelgesicht.

Gib. Mir. Meinen. Körper. Wieder!

Er stürzt zu Boden, ich werfe mich auf ihn. Packe ihn an der Kehle, wie er den Meister gepackt hat.
Ein noch tieferes Schwarz, so unmöglich das scheint, blitzt in seinen Augenhöhlen auf.

Das ist nicht vorbei.

Eine bestimmte Phase unserer Beziehung schon. Die der Naivität.
Noch ein Faustschlag. Und ich steige aus der geistigen Sphäre hoch. Sehe meine zerdellte wirkliche Faust an. Es ist die der Schwerthand. Nichts, was sich nicht beheben ließe...
Der Meister ist ohnmächtig. Für ihn gilt das Gleiche...die Skelette sind zu Staub zerfallen. Was solls.
Ich schüttele den Kopf. Meinen Kopf. Wirklich eine Schande, dass wir völlig umsonst hier waren...
Mit den noch funktionierenden Fingern der anderen Hand fische in den Folianten des Stadtportals hervor, sehr vorsichtig.

„Oh, du willst die Feierlichkeiten doch wohl nicht vorzeitig verlassen?“

Ich blicke hoch. Zwei übereinandergestapelte Schinder stehen vor mir, beide mit türkisem Röckchen. Das Totem ist...der Schädel, den Endugu von über Natalyas Marterpfahl mitgenommen hat. Er wäre wohl ein dunkles Gold, wenn ich Farben sehen könnte.
Ich halte den Folianten locker in der Hand, als ich mich aufrichte.

„Denkst du, du kannst mich aufhalten?“

Beide grinsen, und beide antworten unisono.

„Warum sollte ich? Du kannst nicht einfach verschwinden. Es gibt doch noch so viel zu tun hier unten. Du hast dein ach so wichtiges Organ noch nicht gefunden...und eigentlich wolltest du doch noch mit dem Gastgeber tanzen, oder nicht?“

Der Träger hüpft auf der Stelle. Der Schädel wackelt.

„Es tut mir zu Leid, diese großzügige Einladung ablehnen zu müssen. Ein ander Mal, wir verschwinden. Deine Fete war grauenhaft, besonders die anderen Gäste ließen zu wünschen übrig.“

Totemhalter legt seinen Kopf schief.

„Ach komm. Du willst mir nicht erzählen, dass du akzeptierst, dass ihr hier für Nichts und wieder Nichts geblutet habt? Und nicht nur ihr – euere gemeinsame Freundin doch auch, wenn ich mich recht entsinne? Ein wirklich hübsches Mädchen, zu schade, dass ich kein Mensch mehr bin, sonst hätte ich eine andere Verwendung als Köder für sie gefunden.“

Dieser Bastard...aber ich werde ihn nicht dafür bestrafen, was er sagt, darf es nicht. Mir juckt es natürlich in den Fingern, ihm sein Lästermaul mit den eigenen Füßen zu stopfen, aber das wird nicht geschehen, solange ich noch einen klaren Gedanken im Kopf habe. Im Gegensatz zum Zweiten zum Beispiel.

„Du versuchst nur, mich zu provozieren, aber das wird dir nicht gelingen, Endugu. Ich weiß, dass wir verloren haben, aber nur die Schlacht, nicht den Krieg – zumindest, solange ich unseren General jetzt zurückziehe.“

„Zu komisch, gerade sah es noch so aus, als wolltet ihr euch einen Privatraum für ein kleines Techtelmechtel suchen. Was ist denn daraus geworden? So vernünftig, wie du gerade tust, kannst du gar nicht sein.“

„Mephistos Hass wirkt im Moment schwächer auf mich, als du vielleicht denken magst, Dämon. Deine Taktik ist viel zu offensichtlich.“

„Ach? Du tust gerade so, als wärst du plötzlich zum Paragon der Vernunft geworden. Ich habe genau gesehen, was du getan hast hier unten, Golem. Etwas treibt dich doch um! Warum bricht plötzlich blinde Wut aus dir hervor, nur um kurz darauf durch tödliche Ruhe ersetzt zu werden? Was ist mit deinem Verhalten deinem Meister gegenüber? Es ist, als wohnten zwei Seelen in deiner Brust. Bist du dir dessen überhaupt bewusst? Ich schätze, so genau willst du darüber gar nicht nachdenken...immerhin hast du gerade fast den Menschen erwürgt, dem du Alles verdankst. Also, an mir würde so eine Tat zehren, aber du scheinst ein kälterer Bastard zu sein, als ich bisher gedacht hatte!“

Ich spiele mit der Stadtportalsrolle in meiner Hand.

„Sagt mir der, den es offenbar nicht besonders kümmert, dass sämtliche Truppen unter seinem Befehl letztlich sinnlos aufgerieben wurden – oder wo sind denn deine Diener? Hinter uns, sich heranschleichend? Längst hätten sie zugeschlagen, abgesehen davon, dass ich ein sehr offenes Ohr habe. Du bist völlig alleine hier unten, Endugu. Du hast eigentlich versagt, wir haben alle Fallen bezwungen, die du uns gestellt hast, jetzt ist dir Nichts mehr geblieben. Ich bezweifle, dass deinen Herren das zusagt...ich werde jetzt in die Docks von Kurast verschwinden, und dich in der Dunkelheit und dem Moder zurücklassen, zwischen den zerfetzten und langsam faulenden Leichen aller deiner Untergebenen. Ich wünsche dir viel Spaß dabei.“

Zwischen uns hängt ein blau umschlagenes Stück Pergament.

„KoKo...“

Er beginnt, loszusprinten. Eine Feuerzunge formt sich vor dem Schädel...die Rolle geht in Flammen auf. Direkt vor Endugus Gesicht.

„Mal!“

Das blaue Leuchten tut sich kurz auf, flackert in eine unregelmäßige Flammenzunge...und vergeht in normalem Feuer. Die Rolle ist verbrannt, der Zauber unterbrochen. Aber der Totemträger fällt überrascht nach hinten, instinktiv vor dem hellen Leuchten zurückzuckend. Und meine Hand schießt vor, sicher, da das Inferno nicht mehr züngelt, und packt sich den Träger. Ich muss einfach mal auf Glück bauen, dass dieser der Richtige ist – denn schon beginnt der andere, den Schädel schleppend, nach hinten zurückzuweichen. Zu gerne würde ich ihn verfolgen, um sicher zu gehen...aber das wäre dumm. Der Spatz in der Hand...na, du Spatz?
Ich hebe ihn vor mein Gesicht. Er versucht, hektisch zu entkommen, aber wie eine normale Puppe schüttele ich ihn, und das beendet das.

„Siehst du? Ich weiß auch, welche Knöpfe ich bei dir drücken muss, um dein Gehirn auszusetzen.“

Meine Finger brechen eine winzige Kehle, ohne noch Worte aus ihr dringen zu lassen. Das Glühen roter Augen flackert...
Moment...
Ich werfe den Kadaver, der hoffentlich Endugu ist, gegen die nächste Wand. Der letzte Hauch Unlebens entweicht dem Dämonenkörper...und er explodiert. Gerade noch rechtzeitig...fast hätte mich der Hass wieder am Denken gehindert. Ist es vorbei?
Kurz verharre ich still.
Nichts ist zu hören. Der Schinderdungeon liegt still da. Endugu...ist tot?
Ein Stein fällt zu Boden. Ha, wenn die Explosion stark genug gewesen wäre, um hier Alles zum Einsturz zu bringen...zumindest, nachdem wir verschwunden sind...das wäre schön.
Es sind noch genug Rollen vorhanden. Ein letztes Mal lasse ich meinen Blick über die ekelhaften Wände hier wandern, die so viel Leid gesehen haben. Nie wieder, wenn es nach mir geht.

„KoKo...“

Moment mal. Gerade fiel ein Stein? Wo? Wenn, dann um die Explosion von Endugus Kadaver herum. Aber ich sehe hier Nichts...und ich sehe sehr genau durch die Dunkelheit. Etwas stimmt hier doch nicht...
Soll ich...mein Blick schießt zum Meister herab. Atmet er noch? Muss er, sonst wäre ich Schrott. Wie lange habe ich Zeit? Darf ich es wagen, dem Rätsel nachzugehen?
Der Knall hat einiges an Stein zerfetzt...wahrscheinlich habe ich durch die schnelle Änderung der Lichtverhältnisse ein falsches Bild bekommen. Raus hier. Die Wände sind ohnehin hart genug, um meine Knöchel einzudellen, was soll denn...
Halt! Die Knöchel! Als der Zweite in blinder Wut auf den Stein einschlug...das Geräusch...
Ich laufe zum nahem Epizentrum auf halber Wandhöhe. Das war doch...ich hebe mein Bein, drehe es schräg und trete mit voller Wucht zu.
Steine, schon geschwächt von vielen Schlägen, poltern weg. Ein Loch tut sich auf.
...hohl.
Ich zerre den Meister hindurch, immer ein Auge auf ihn haltend, während ich den Weg frei mache. Es gibt eine mittlere Kammer in diesem Labyrinth – die Schinder haben sie zugemauert! Und ich habe gerade ein letztes Mal nicht nach Endugus Regeln gespielt...
Eine goldbeschlagene Schatztruhe, seltsam frei von Staub, steht in der Mitte des kleinen, völlig schmucklosen Raumes. Das Gewicht des ohnmächtigen Menschen auf meinen Schultern hält mich kaum auf, als ich darauf zulaufe. Ist das wirklich...
Unter meinem Fuß gibt eine Platte nach. Oh Himmel, nein...
Mein Schwert schießt aus seiner Scheide, vor dem Kopf des Meisters.
Eine Stachelkugel trifft die Klinge frontal.
Sie beginnt zu zittern.
Danke, Engel, danke, Himmel, danke allen Göttern.
Mit einer Hand öffne ich die Truhe, fluchtbereit. Aber sie öffnet sich ohne Tricks – und ich erspähe Tand. Was soll das? Warum ist der hier? Ich werfe einen Kreisel zu Boden, zwei Gabeln, ein Figurenset zu einem Spiel, das ich nicht kenne...haben die Schinder dieses Gerümpel gesammelt, oder was? Es könnte sich seit Ewigkeiten hier befinden!
Halt, nein. Kein Staub war auf dem Deckel! Das heißt, erst vor Kurzem...
Ich grabe tiefer. Und stoße auf einen größeren Gegenstand, der sich leicht nach unten bewegt, wie auf Gummi gelagert. Hö? Ich packe ihn, ziehe ihn hoch.
Es ist die Wand der Augenlosen. Meine eigenen fallen mir fast aus dem Kopf – wie kommt das Ding hierher? Auch nach längerem Nachdenken komme ich nicht darauf, wann der Meister sie zurückgelassen hat – irgendein Skelett hat sie getragen, irgendwann wird es vernichtet worden sein, in einem Angriff von hinten, oder es hat den Schild einfach fallen lassen. Emsige Schinder müssen ihn gestohlen und sofort hergebracht haben. Wie kommen die Biester hier rein? Keine Ahnung, interessiert mich nicht. Was lag jetzt darunter? Ich greife tief...
Meine Finger holen ein komplettes menschliches Gehirn hervor. Ich starre es an wie einen Diamanten gleicher Größe.

„Endugu, du hast offenbar noch höher verloren, als ich bisher dachte...“

Laut lachend, auch wenn das ohne Luft in der Kehle grauenhaft klingt, aktiviere ich ein Stadtportal und bringe den Meister und Khalims Gehirn in Sicherheit.
 
Huhu :hy:

Nettes Kapitel, gefällt mir gut. Ausführlichere Filmkritik kommt per Edit, wenn ich Zeit habe ^^
Eins nur: "Gestalkt" - naja... "Big Blood Hawk is watching you!!" ;) Mir gingen bloß die Reime aus.
"Spam" - das war eigentlich nicht meine Absicht.

Was die Uhrzeit angeht - die Forenuhr geht ne Stunde vor, oder? Der Anzeige nach kam das Update Montag ^^

Großer Haupt-Edit: Zeit habe ich wohl frühestens in den Semesterferien, also nur ne kurze Anmerkung:
Ich finde es fast schade, dass der Zweite die Kontrolle wieder verloren hat ^^ Wobei das durchaus überzeugend (meiner Meinung nach) gehandhabt worden ist. Interessant sind vor allem die Beziehungen alter Meister - Zweiter - General. Dass sich mir Fragen nach dem Leben (und Tod) des alten Meisters aufdrängen, hatte ich schon mal erwähnt...
Nebenbei: Ich bin sehr froh, dass dies hier keine Diskussion über übersteigerte Metaphern ist. Das Bild der beiden Golems passt eigentlich ganz gut - auch wenn man es sicher fürchterlich zerreißen könnte ;)
Was das Verhalten des Golems angeht: Das Gute scheint erst zu scheitern, zu zerbrechen, wächst dann jedoch über sich hinaus, nimmt die Herausforderungen an und überwindet schlussendlich in der Stunde der größten Not seinen Gegner (sowohl in der geistigen als auch körperlichen Fassung). Klingt fast wieder nach klassischen Motiven, hm?
Auf die Erklärungen des Golems zu seinem Verhalten bzw. zum Zweiten bin ich wirklich gespannt.

Und, last but not least: Tut mir leid, aber bei der Alter-Meister-General-Ähnlichkeitsandeutung musste ich herzlich lachen. Das Einzige, was hier gerade nicht ins Bild passt, ist die räumliche Trennung in Metallrüstung (= Golem) und Körper (= Meister).
Welcher Spitzname ist dir lieber - "Lukas" oder "Georg"?

Seleya

Edit 1: Entweder ich halluziniere (glaub ich nicht), oder *jetzt gerade* ist die Uhr umgestellt worden. Hä??
Edit 2: Jetzt ist die Zeitanzeige wieder falsch. Na, vielleicht hat auch einfach mein Rechner ein Problem. Restalkohol vom Wochenende kann ich zumindest ausschließen.
Edit 3: Schon gut... Ich nehme mir einfach nicht mehr die Zeit, um über die Zeit zu reden - so viel Zeit habe ich nämlich nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Na endlich. Damit ist Sanktuario wieder halbwegs in Ordnung ;)
Der Zweite am Steuer war wirklich mal interessant, aber ich finds gut, dass jetzt wieder alles normal ist.

Einer von den beiden Schindern ist entkommen, also gibts eventuell nochmal ein Wiedersehen mit Endugu. Hoffentlich wird der auch noch erledigt.

Ich bin mal gespannt, wie der Golem erklären wird, was mit ihm passiert ist. Der Meister war zwar zu dem Zeitpunkt nicht ganz klar, aber er müsste sich schon daran erinnern, dass er von seinem besten Freund abgewürgt worden ist.


Der Zweite greif - greift

elendiglich - Heißt das nicht einfach nur elendig?

fische in den Folianten - ich statt in
 
:hy:

Wenig Kommentare zum letzten, aber hab ich eigentlich nicht anders erwartet. Ich bin SEHR unzufrieden damit, wie das geworden ist, so unzufrieden wie wohl bei keinem anderen Kapitel bisher kurz nach Vollendung. Aber durch Zeitdruck musste ich es halt doch veröffentlichen, und gelesen ist gelesen, ne? Ist jetzt kein Weltuntergang oder so, aber ich finde, die ganze Situation hätte weit besser gelöst werden können und generell interessanter werden.

Mein Drang, die Sache schnell zu beenden, war wohl zu groß. Sind schon 7 Seiten und ist trotzdem gehetzt, viel zu viel Inhalt.

Na ja, was solls. Ich bin immerhin auf das richtige hinausgekommen, aber dermaßen klobig...

Das hier gefällt mir dagegen schon besser. Viel Spaß!

Simon


EDIT:
Dass sich mir Fragen nach dem Leben (und Tod) des alten Meisters aufdrängen, hatte ich schon mal erwähnt...
Na, mal sehen, ob ich die nicht noch mal beantworten werde...

Nebenbei: Ich bin sehr froh, dass dies hier keine Diskussion über übersteigerte Metaphern ist. Das Bild der beiden Golems passt eigentlich ganz gut - auch wenn man es sicher fürchterlich zerreißen könnte ;)
*pfeif* Ich mag Metaphern. Hab ja schon mal angefragt, ob sie euch nicht zu freaky werden...

Und, last but not least: Tut mir leid, aber bei der Alter-Meister-General-Ähnlichkeitsandeutung musste ich herzlich lachen. Das Einzige, was hier gerade nicht ins Bild passt, ist die räumliche Trennung in Metallrüstung (= Golem) und Körper (= Meister).
Welcher Spitzname ist dir lieber - "Lukas" oder "Georg"?
...say what? Auf gut Deutsch: HälolIdon'tgeddit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kapitel 55 – Morales Motivation

Wieder liegt der Meister im Bett, in der gleichen Stellung, in der ich ihn hier drin schon viel zu lange sehen musste; aber diesmal ist Heilung kein Problem. Ormus hatte sich um die schlimmsten Wunden gekümmert, und Alkors Tränke taten ihr Übriges. Ersterer hatte noch darauf hingewiesen, wie gut der Meister sich trotz all dieser Tortouren gehalten hatte; allein Ku'Ylehs Asche zu verdanken, vermute ich. Das heißt, dies ist nur ein Schlaf geboren aus tiefster Erschöpfung, die letzten Spuren von Verletzungen und Krankheit vergehen in heilsamen Schlummer gleich mit. Einige neue Narben sind zurückgeblieben; es wird ihn wohl nicht besonders stören.
Hratli hat sich bereit erklärt, die nahezu völlig zerstörten Rüstungsteile zu reparieren; natürlich nicht ohne Gegenleistung...aber er war großzügig genug, Rabatt zu geben. Ein Novum, schätze ich, aber ein gewaltiger Schwall allgemeiner guter Laune ist über die Docks gekommen, seit die Barriere wieder sicher steht. Die Menschen haben nicht lange benötigt, um zu bemerken, was ihnen Mephisto heimlich, still und leise Alles an Freude genommen hatte, jetzt holen sie sich die zurück im Überschwang. Die Situation ist immer noch ernst; wir verlieren mehr und mehr Zeit mit diesen zumindest im Moment noch sinnlos scheinenden Nebentätigkeiten, es ist mehr und mehr wahrscheinlich, dass wir Diablo und Baal nicht mehr davon abhalten können, zu Mephisto zu gelangen. Was passiert, wenn sie ihre Kräfte vereinen können...will ich es wissen? Ich fürchte, wir werden es herausfinden, ob wir wollen oder nicht.
Aber wir sind ja nicht ohne Waffen. Wie Deckard nicht müde wurde zu betonen, ist Khalims Gehirn ein unschätzbar wertvolles Mittel, gegen unsere Feinde vorzugehen, da es „deren Schwächen kennt“...was auch immer ich davon halten soll. Er hat es sicher verwahrt. Ein Organ noch, meint er, dann liegt das Ziel vor Augen. Also noch mehr Abzweigungen in unserem Pfad...aber was soll es, mehr als resigniert hinnehmen können wir es ja doch nicht.
Ich fokussiere meinen abgedrifteten Blick wieder auf den schlafenden Menschen vor mir.
Oder wir nehmen es nicht resigniert hin, sondern beißen die Zähne zusammen und kämpfen. Der eiserne Wille des Meisters ist es, der bisher über alle Hindernisse triumphiert hat; erneut muss ich mir die Frage stellen, warum ist zu solchen Leistungen einfach nicht fähig bin. Besser: Gewesen bin, denn wir wollen ja mit Hoffnung in die Zukunft blicken, nicht? Wir Alle wachsen mit unseren Erfahrungen. Vielleicht hat der Meister ja doch seine sechzehn Jahre Vorsprung mir gegenüber. Aber dafür ist er ja auch der Meister, wäre ja eigentlich schlimm, wenn ich ihm überlegen wäre in der Hinsicht. Da wäre ich wohl äußerst frustriert. Eine Frustration, die sich hervorragend für böse Zwecke ausnutzen ließe...wenn man nicht willensstark genug ist. Hm?

...na schön, bleib still, aber ich weiß, dass du mich hören kannst. Ich konnte dich ja auch hören, wenn du das wolltest. Im Gegensatz zu dir werde ich auch nicht meine inneren Ohren dir gegenüber verschließen. Du weißt selbst, was du getan hast und wie ich dazu stehe, aber ich habe erfahren müssen, wie die Gefangenschaft in mir ist – kann sein, dass du sie verdient hast, darüber will ich mir eigentlich kein Urteil erlauben, aber ich werde sie sicher nicht grausamer machen, als sie zu sein hat.

Himmel, es wäre weit weniger grausam, wenn du mir dein rechtschaffenes Gesülze sparen würdest. Ich spüre so gut wie du, dass du kein Stück von dem, was du sagst, aus echter Überzeugung tust.

Und? Gebe ich auch offen zu, welchen Teil von „ich bin mir nicht sicher“ hast du nicht verstanden? Es wird Zeit, dass ich mir offen eingestehe, dass ich schlicht keine gefestigten Überzeugungen haben kann, weil ich dafür einfach zu unerfahren bin.

Weise Worte, viel zu spät. Dumm nur, dass du daraus nicht die richtigen Schlüsse ziehst und die Leute machen lässt, die Ahnung haben.

Was daraus geworden ist, haben wir ja gesehen. Und sehen wir immer noch. Diese hübschen Blutergüsse auf dem Hals des Meisters passen nicht nur rein zufällig auf meine und damit auch deine Finger!


Hör zu, es tut mir Leid. Wirklich und aufrichtig.


Das will ich doch hoffen! Aber ändern tut das auch nicht besonders viel. Anders gesagt, es ändert Alles. Sobald er aufwacht, zumindest.

Du willst doch nicht...

Hast du mir eine Wahl gelassen?

Das ist Irrwitz, du kannst ihm das nicht einfach sagen, nicht so spät.

Besser spät als nie, oder? Was ist denn mit dir jetzt los, doch völlig verrückt geworden statt nur einen kleinen Aussetzer gehabt, der fast den Meister umgebracht hätte?

Hör auf, darauf herumzureiten! Als ob du nie unter Mephistos Einfluss dummes Zeug getan hättest.

Ein gewisser Unterschied in der Größenordnung ist bei unseren verschiedenen Fehltritten doch vorhanden, hm? Und ganz nebenbei, mehr als den Finger in offene Wunden legen kann unser guter Freund doch auch nicht. Glühender Hass kommt immer aus glühender Überzeugung – und ich hätte mich fast verbrannt an dem, was du abgezogen hast. Wer sich noch mehr die Finger verbrannt hat, warst du selbst, denn mit einem halbwegs kühlen Kopf hättest du mich auf ewig unter Verschluss halten können, nicht?

Da muss ich dir doch mal Recht geben. Im Gegensatz zu dir habe ich da genug Kontrolle, um dich nicht entkommen zu lassen. Für mich dagegen wird es kein Problem werden, zu entkommen, und das wird dir nicht gefallen.

Leere Worte, und jetzt hör auf, abzulenken. Je mehr du mit deiner ach so tollen geistigen Disziplin angibst, desto offensichtlicher wird, dass die Realität deinen Ansprüchen nicht genügt.

Was du „Ansprüche“ nennst, würde ich simpel „Fakten“ nennen.

Verdammt, jetzt hör auf, die Augen zu verschließen davor, dass du genausowenig perfekt bist wie ich! Jedes Mal, wenn die Frage auf ein Thema kommt, das dir nicht passt, lenkst du ab, bis du mich sinnlos beleidigen kannst, und ich die Lust verliere, mich weiter mit dir zu streiten. Das hat jetzt aufzuhören. Ich kann dich nicht dazu zwingen, gewisse Dinge einzusehen, aber wenn du dich da sträubst, dann tu wenigstens nicht so, als wärst du irgendwie besser als ich.

Es ist schon sehr lustig, wie du dir hier Dinge zusammenreimst...

Ich für meinen Teil bin im Moment ziemlich humorlos, um genau zu sein stocksauer. Ich dachte, nach dem, was du getan hast, wäre vielleicht einmal die Zeit gekommen für dich, auch ein wenig über dich selbst nachzudenken, statt mir die ganze Reflektion zu überlassen, aber an deiner Fassade absoluter Arroganz prallt Alles ab, was auch nur im Mindesten nach Kritik aussieht – wahrscheinlich sogar von dir selbst. Du musst doch wissen, dass das nicht funktionieren kann, du hast immerhin gesehen, was mir es bisher gebracht hat, wenn ich Probleme ich mich hineingefressen habe: Nichts außer einer Menge Schmerz.

Dass du überhaupt Probleme hast, ist eben schade. Wie schon öfter erwähnt, wenn deine eigene Fassade mal ordentlich aufgebaut wäre, wärst du viel besser dran.

Eine Fassade aus Gefühl- und Fehlerlosigkeit? Schön poliert, aber so offensichtlich falsch wie deine kranken Auffassungen zu Moral.

Abermals: Du machst den Fehler, zu glauben, dass es so etwas überhaupt braucht.

Und wir sind wieder dabei, mich zu beleidigen? Sehr schön. Mach nur so weiter, bis ich jegliches Bisschen an Respekt, das ich vielleicht gehabt hätte für dich, verliere. Je mehr ich über dich erfahre, desto mehr widerst du mich an.

Denkst du, das geht mir anders? Ich habe dir zur Genüge klargemacht, wie ekelhaft ich dein ständiges Geheule finde, aber du hörst damit ja auch nicht auf, warum sollte ich dann mit meinen im Gegensatz zu deinen begründeten Kritikpunkten?

Negative Kritik, ja. Ich dagegen versuche zumindest, konstruktiv zu sein. Nebenbei: Was du als „Geweine“ bezeichnest, ist womöglich härter, als du denkst. Vielleicht solltest du es einmal versuchen.

Einer deiner dämlicheren Vorschläge.

Aha. Nur, dass du es offenbar wirklich noch nie versucht hast – weil du dafür viel zu feige bist.

Zu feige, mich bewusst schwach und ineffizient zu machen? Ja, man könnte sozusagen behaupten, dass ich Angst davor habe. Oder möchtest du deinen letzten Gedankenschritt vielleicht etwas näher erläutern?

Nur zu gerne. Du denkst also, man muss sich einfach nur gehen lassen, auf etwas verzichten, das du großspurig „Stärke“ nennst, um sich mit eigenen Fehlern, Zweifeln und Trauer zu befassen? Von wegen. Es ist verdammt noch mal nicht einfach, die Entscheidung zu treffen, diese persönlichen Schwächen überhaupt als solche anzuerkennen. Eine Entscheidung, die du bisher wohl noch zu keiner Schwäche getroffen hast. Ein einfacher Weg, der dich zu einem verbitterten Wesen mit leeren Geist, freudlos und asozial gemacht hat: Du funktionierst, keine Frage. Aber ist das denn erstrebenswert?

Was zur Hölle hast du denn für Ansprüche? Wir sind Golems. Wir haben zu funktionieren.

Ach? Weißt du, wer funktioniert? Skelette, die funktionieren. Sie machen genau, was sie sollen, nicht mehr und nicht weniger. Und sie sind vollkommen nutzlos, wenn es hart auf hart kommt. Arbeiter für Standardsituationen, wenn es dagegen an Extreme geht, sind sie hilflos, weil ihr Geist völlig leer ist. Wofür hat der Meister uns Intelligenz geschenkt? Dein Meister, offenbar, uns beiden! Damit wir unabhängig von ihm denken können – und auch für uns selbst.

Falsch. Wir sollen nicht für uns denken – wir sollen für ihn denken. Jede Gefahr von ihm abhalten, die er womöglich nicht selbst sieht, weil er zu beschäftigt ist – wir sind ein zweites Gehirn. Mit Klauen.

Merkst du nicht, wie diese Ansicht deine Aufgabe unglaublich einengt – bis an die Gefährlichkeitsgrenze? Spontaneität, Kreativität, Improvisation – Eigenschaften, geboren aus Eigenständigkeit, und nicht nur daraus – sondern vor Allem aus den Emotionen, die unser Selbst ausmachen. Was bringt es dir, ein leeres Abbild des Meisters zu sein, ein verlängerter Arm mit Flammenkorona? Was bringt es dem Meister?

Du scheinst zu denken, dass man unsere Aufgabe nicht erfüllen kann, wenn man den nutzlosen Unfug weglässt, den du so liebst.

Unsere Aufgabe können wir sicher erfüllen, aber wie ich erwähnt habe, bestenfalls eingeschränkt. Dein Meister hat es wohl irgendwie geschafft, ohne einen Golem auszukommen, der für sich selbst denken kann und über dessen Tellerrand hinaussieht; wohl, weil er selbst die Prozedur durchgeführt hat, die dich zu dem gemacht hat, was du bist, ein amoralischer, kalter Bastard. Sag mir bitte, wie du dem Meister geholfen hättest, als er fast völlig zusammengebrochen wäre, damals, im Lager der Jägerinnen? Später, nach Kaschyas Tod?

Einfach: Ich hätte ihn erzogen, wie mein Meister mich einst erzog. Was ist denn ein Mensch, der nicht an sich selbst glaubt? Wertlos, unnütz, fehlbar! Wir brauchen keine Fehler. Es war reines Glück, dass wir überhaupt so weit gekommen sind, ohne kläglich zu scheitern, weil ihr beide ständig in Frage stellt, was ihr tut. Zweifel sind schädlich, immer! Wer sie verteidigt, ist verrückt – und scheint scheitern zu wollen. Verstehst du denn nicht, wie rasend mich diese Tatsache macht? Der Meister muss vor sich selbst gerettet werden, ja – vor dir gerettet werden! Ich hätte mich selbst erwürgen sollen da unten statt ihn! Eigentlich kann er Nichts dafür, einen so nutzlosen und falschen Freund wie dich zu haben, der ihn ständig auf den Irrweg des Zweifelns bringt.

Jetzt reichts mir aber langsam...
Halt. Das ist falsch. Der Zweite provoziert mich hier doch nur, weil er sich eigentlich nicht über dieses Thema unterhalten will – er weiß genau, dass ich mich bisher immer in belanglosen Streitereien verloren haben, wenn er wieder geschickt meine persönlichen Knöpfe gedrückt hat. Ich muss sachlich bleiben...sonst werde ich dies ständigen Streits auch nie gewinnen.
Nur...wie kontere ich denn hier überhaupt? Nach seiner eigenen Logik hat er völlig Recht. Wenn man voraussetzt, dass jegliche Zweifel und Moral irrelevant sind, dann ist es durchaus logisch – und sehr pragmatisch – selbige grundsätzlich zu verdammen. Und prinzipiell hindern sie uns ja auch an vielen Dingen. Vor Allem aber daran, wie unsere Feinde zu werden...wofür kämpfen wir denn eigentlich, wenn nicht gegen die, welche auf unsere Ideale spucken und sämtlichen Prinzipien zuwider sind, denen wir uns verschreiben?
Ja! Das ist ein guter Ansatzpunkt. Motivation. Wenn man absolut pragmatisch handelt, könnte man den Kampf gleich sein lassen, das erhöht die Überlebenschancen ungemein.
Ich konfrontiere den Zweiten mit diesem Schluss.

Vermutlich wird dich das verwundern, aber ich kann auch weiter denken. Niemand kann gut in einer Welt überleben, die von Dämonen beherrscht wird – oder zerstört werden wird, je nachdem, was die wirklich wollen. Deren Motivation versteht nämlich wirklich Niemand.

Also erneut reiner Eigennutz? Hindert dein Verzicht auf anerkanntere Moral dich denn daran, Mitgefühl zu zeigen?

Du tust gerade so, als wäre es ein Credo von mir, so „böse“ zu sein wie nur möglich - „böse“ in deinen Augen, natürlich. Das hat damit überhaupt Nichts zu tun. Ich werde von Vernunft beherrscht, in Form eines vernünftigen Meisters, der mich ursprünglich geschaffen und erzogen hat. Dass dieser hier nicht vernünftig ist, ist sehr schade, aber korrigierbar. Wie so Vieles.

Demzufolge hat es dir wohl wirklich keine großartigen Probleme bereitet, die Kinder zu verschonen. Was die Frage nicht beantwortet, warum du es getan hast.

Ich verstehe nicht, warum du ständig auf dieser einen Sache herumreitest, die du da gemeint hast, gesehen zu haben.

Du bist doch wohl selbst schuld, wenn du mir deine Erinnerungen zeigst und die dann Fragen aufwerfen! Es geht nicht nur um deine äußerst fragwürdige Leichenmatratze, sondern darum, dass du nachdem du die Frau getötet hast, ihre Kinder nicht – und das...was mich am meisten wundert...obwohl der Befehl deines Meisters dir zu Folge sonnenklar war: Eines der Kinder tot zu ihm zu bringen.

Tu nicht so, als hättest du diesen Befehl gehört.

Du hast gezögert! Du warst kurz davor, den Jungen doch zu töten. Aber du hast es nicht getan. Erzähl mir Nichts. Du hattest Zweifel. Irgendetwas hat einen Konflikt in dir hervorgerufen. Einen Konflikt wozwischen? War es nur die Überlegung, ob die eine unspezifische Leiche, die du besorgen solltest, schon grausam genug war...oder hast du doch deinem Meister bewusst zuwidergehandelt?

Ha, und warum sollte ich das jemals tun?

Diese Frage stelle ich an dich zurück. Dein Meister war alles Andere als ein Engel – erzähl mir nicht, dass er dich immer gut behandelt hat.

...das hat damit Nichts zu tun...

Liebst du ihn wirklich? Nein...du kannst nicht lieben, oder? Ist es also eine Mischung aus Respekt und Furcht...oder doch nur Letzteres?

Projiziere nicht deine Probleme auf mich. Den Meister zu fürchten hat nur, wer ungehorsam ist.

Ach? Als du endlich deine so herbeigesehnte Kontrolle hattest und der Meister schwach war – du nicht wusstest, was genau er will – warst du in Panik, das Falsche zu tun. Gib das endlich zu. Ich habe es genau gespürt.

Dann erinner dich mal genauer, wann die Welle der Angst durch mich geronnen ist.

Ich tue es.
...als der Meister gesagt hat, dass er mich lieb hat?
Etwas wie ein Zucken geht vom Zweiten aus.
Was...bedeutet das?

Ich erhalte keine Antwort. Zweiter! Was soll das, wir sind noch nicht fertig...

Er bleibt still. Habe ich...diesen Streit gewonnen?
Draußen ist es stockdunkel; ich studiere die Umrisse der ärmlichen Hütten durch das Fenster. Über Alkors steht wie so oft eine Rauchwolke...bald werden wir wieder einen guten Vorrat an Tränken haben. Vielleicht sollte ich mir auch welche holen und sie in meinen Gürtel stecken, seit der Truhenschlüssel wieder in Meisterhand ist, ist der recht nutzlos. Sieht aber gut aus.
Nervosität beginnt, sich in mir breit zu machen. Soll ich mir doch eine andere Erklärung suchen? Aber nein, mein Entschluss steht doch...dennoch zweifle ich. Das muss ich in Kauf nehmen, wenn ich Zweifel generell zulasse.
Endlich, nach viel zu langer Zeit einsamen Brütens, regt der Meister sich. Um genau zu sein, er fährt aus dem Bett hoch. Sein Kopf zuckt umher, seine Hände sind in Abwehrhaltung...ich warte, bis er erkennt, wo er ist.
Dann fällt mir ein, dass er allenfalls das schwach durch das Fenster hinein fallende Mondlicht als Beleuchtung hat. Ich mache meine Stimme sehr sanft.

„Du bist in Sicherheit, General. In deinem Bett in Kurast. Es ist Nacht.“

Er hält inne und richtet seinen Blick in ungefähr meine Richtung.

„Golem? Wir...wir sind entkommen aus der Hölle da unten?“

Ich nicke, dann korrigiere ich mich und spreche das „ja“ laut aus. Er lässt sich schwer nach hinten auf das Kissen fallen. Meine Nervosität steigt immer höher; die Frage, was zur Hölle mit mir los war, muss jeden Augenblick kommen...und ich weiß nicht, wie er meine Antwort aufnehmen wird.

„Dem Himmel und allen Engeln sei Dank. Mir kam es vor wie eine Ewigkeit, als wäre ich schon gestorben und mein Körper würde erst langsam merken, wie es meine Seele in den Abgrund zieht...jeder Schritt, jeder Moment ein Alptraum. Das einzig gute am Absinken war, dass es die Schmerzen allmählich betäubt hat...“

Er fasst sich an sein Kinn.

„Mich hat Niemand rasiert?“

Ich verneine knapp.

„Also ist wenig Zeit vergangen, die ich nicht mitbekommen habe?“

„Kommt...darauf an, wann genau du ohnmächtig geworden bist...“

Kurze Zeit, nachdem der Zweite dich gewürgt hat, oder noch währenddessen?

Seine Miene wird etwas ratlos.

„Du hast Recht, irgendwann muss ich eingeschlafen sein, nech? Aber die Details...ich sag dir, seit mich diese verfluchte Puppe erwischt hat, ist meine Erinnerung irgendwie verwaschen. Unglaublicher Schmerz, ständige Enttäuschung, eine böse Überraschung nach der nächsten...im Grunde ist es mir lieber, wenn ich nicht genau weiß, was da unten passiert ist.“

Heißt das...ich muss überhaupt Nichts erklären? Der Moment, vor dem ich mich so gefürchtet habe, wird einfach nicht auftreten? Der Meister fröstelt.

„Würde es dir etwas ausmachen, eine Kerze anzuzünden oder so? Eine ganz normale Kerze...mir ist irgendwie unwohl mit nur deiner Stimme im Dunkeln. So ganz kann ich noch nicht glauben, dass der Alptraum vorbei ist, oder wo kommt sonst diese Furcht her...? Ich bin doch in Sicherheit...allein mit dir...?“

Ich kann es einfach sein lassen, ich kann ihn im Ungewissen lassen, aber es ist klar, wovon er gerade redet. Unterbewusst weiß er, was mein Körper ihm angetan hat. Vertuschung – möglich, natürlich, aber das...das kann ich ihm nicht antun. Das wäre einfach nur grausam. Er hat ein Recht darauf, zu erfahren, was vorging.

Du willst diese Chance wirklich wegwerfen?

Du...wieder?

Begreif doch, was dir das Schicksal gerade für einen Gefallen getan hat! Amnesie, aus Angst und Fieber geboren...er muss es nie erfahren.

Ach, willst du deine Schuld nicht eingestehen?

Für diese Sache bin ich nicht völlig verantwortlich, und du weißt das.

Irrelevant, Zweiter. Du hast es getan, aber es geht überhaupt nicht darum. Wie ich dir schon angekündigt habe, ich bin darüber hinaus, naiv zu glauben, dich alleine unter Kontrolle bringen zu können. Du bist ein Problem, das hat sich eindeutig gezeigt, und du wächst mir über den Kopf.

Kein Grund, jetzt ihn damit zu konfrontieren...

Je früher, desto besser! Es ist ohnehin schon viel zu spät.

Was denkst du denn, wie er reagieren wird? Du hattest viele gute Gründe dafür, es zu lassen. Sind die auf einmal verschwunden?

Sagen wir es einmal so: Sie stehen besseren, es doch zu tun, gegenüber. Zum Beispiel dem, dass du dich derart sperrst.

Nein!

„General, ich schätze, ich muss dir etwas gestehen...was ich schon längst hätte tun sollen.
Ich bin...nicht allein in mir.“
 
Uah, was für ein Cliffhanger! Das ist ja kaum auszuhalten. Du weißt schon, wie du deine Leser bei der Stange halten kannst, da besteht kein Zweifel.

Ansonsten zum Kapitel: Wenig Handlung, viel Dialog, aber gut durchdacht und geschrieben und deswegen absolut nicht langweilig. Zuerst war ich etwas enttäuscht von der Amnesie des Generals, weil der Golem so um Erklärungen herumkommen würde. Aber das scheint ja anderweitig gelöst zu werden. Die Frage ist nur, ob der Golem die Gefährlichkeit seines zwiegespaltenen Daseins auch noch nach außen kehren will, indem er die Umstände des Beinahe-Erwürgens schildert.
Diese "moralisch-philosophischen" Gespräche zwischen den Golems finde ich immer hochinteressant, und sie geben den Charakteren noch mehr Tiefe. Und zeigen die Widersprüche auf. Wehrt sich der Zweite deswegen so heftig gegen die Interpretation des Ersten, dass auch er Moral habe wegen des verschonten Kindes, weil er genau dies fürchtet? Hat der Zweite Angst davor sich eingestehen zu müssen, dass er seinen eigenen amoralischen Ansprüchen nicht genügt (Und sind es wirklich seine eigenen Ansprüche, oder wirkt der Einfluss seines Meisters nach und der Zweite sieht seine eigenen Rechtfertigungsschemata bröckeln)? Kommt daher auch der Hass auf den Ersten? Eine These, die wiederum durchaus Raum lässt für Spekulationen über die weitere Entwicklung des inneren Duells, vor allem, wenn der General jetzt davon erfährt. Getroffene Hunde bellen...

Fehlerkorrektur:

aber an deiner Fassade absoluter Arroganz prallt Alles ab, was auch nur im Mindesten nach Kritik aussieht
--> "alles" schreibt man in der Regel klein

Du musst doch wissen, dass das nicht funktionieren kann, du hast immerhin gesehen, was mir es bisher gebracht hat, wenn ich Probleme ich in mich hineingefressen habe:

P.S.: Erwähnte ich schon, was für ein unsagbar gemeiner Cliffhanger das ist? ;)
 
Nicht ganz so viel Diskussionspotenzial wie sonst schonmal, aber mal wieder ein ruhigeres Kapitel ist auch nicht schlecht. Gut dass der Golem sich endlich traut, dem General die Wahrheit zu sagen.


warum ist zu solchen Leistungen einfach nicht fähig bin - ich statt ist

ich mich bisher immer in belanglosen Streitereien verloren haben - wir uns statt ich mich

dies ständigen Streits - diesen ständigen Streit
 
Hallo :hy:

@schwarze_Nase: Ich empfehle, immun dagegen zu werden ;)
Sämtliche Kritik in diese Richtung wird hier gnadenlos mittels "Das ist ein Stilmittel!!!" erschlagen und führt nur zu wunden Fingern, sollte man den Fehler machen, tipptechnische Kritik daran üben zu wollen.

Zum letzten Kapitel und kryptischen Wortverdrehungen meinerseits (so sich überhaupt jemand daran gestört hat) sei nur zu sagen, dass ich erneut Star Wars - Analogien zu sehen vermeint habe und mir demnach die (wohlgemerkt schlechte) Anspielung auf George Lucas nicht verkneifen konnte. Hätte ich es mal gelassen.

Zum aktuellen Kapitel: Ah ja, wieder eines, wo ich sehr froh bin, keinerlei noteninduzierte Verpflichtung zu ernsthaften Interpretationen zu haben. Denn Potential wäre schon vorhanden. Moral und ihr Fundament, der Antrieb des Einzelnen, die Begründung dafür, erst zu denken und dann zuzuschlagen. Eigentlich, zusammengefasst, der Versuch einer Antwort auf die Frage "Warum sollte man überhaupt gut sein". Wobei dies wieder Fragen nach der Definition von "gut" und "böse" lostritt - lassen wir dies also lieber.
Interessant dabei wieder das Verhalten des Zweiten - eindimensional ist das letzte Wort, was auf ihn passt. Auch wenn der geehrte Autor nach eigener Aussage sehr unzufrieden mit dem letzten Kapitel ist (und ich dies teilweise schon nachvollziehen kann, über die Abruptheit der Lösungen habe ich mich ebenfalls gewundert - Deus Ex Machina, beinahe zumindest), möchte ich mich dieser Fundamentalkritik dennoch nicht anschließen. Der Grund für meine Einschätzung "Kapitel gefällt mir" lag / liegt mit an dieser einen Szene - der tiefe Schock des Zweiten, als er (zum ersten Mal seit langem, vielleicht gar überhaupt) mit etwas anderem als Abscheu, Hass, Furcht oder bestenfalls kühler Neutralität konfrontiert wird.
Und dieses Thema wird nun wieder aufgegriffen. Der Zweite, der sich hinter seiner Mauer aus Kälte versteckt, scheinbar unangreifbar und unberührt hinter seinem Wall aus grausamkeitgetränktem ironisch-sarkastischem Realismus. Doch was steckt dahinter? War es Mitleid, was kurz aufflackerte, damals, trotz dominierender Furcht?

Hiermit sei zugegeben, dass ich den Schlusssatz wunderbar gelungen finde. Noch nicht einmal aus spannungstechnischen Gründen (den fiesen Klippenhänger sehe ich nicht ganz) - es ist eher die Stimmung, die hier einfach passt. Der General, der mit seinem einen Satz "Ich bin doch in Sicherheit...allein mit dir...?", ja alleine mit dem verwendeten Satzzeichen so schön alles auf den Punkt bringt. Oder eben nicht auf den Punkt, sondern auf das Fragezeichen ;)
Der Golem, der, konfliktgeplagt, aus Selbsterkenntnis Stärke zieht und den Zweiten, wohl zum ersten Mal wahrhaftig, in seine Schranken weist.
Und der mittels dieser gewonnenen Kraft, nun auch den Mut hat, sich der (nicht physisch, aber emotional) wohl gefährlichsten Situation seines Lebens (wohlgemerkt, nicht nur Existenz) zu stellen, den längst überfällig gewordenen Erklärungen dem Meister gegenüber.

Daher sei meine Befürchtung für das nächste Kapitel hier lieber als Hoffnung formuliert: Ich hoffe, dass das kommende Kapitel ein angemessener (würdiger wäre vielleicht doch zu hoch gegriffen) Nachfolger wird.

Seleya

PS: Den Begriff "Korona" würde ich noch einmal überdenken. "Zarter Strahlenkranz" trifft es meines Erachtens nicht ganz...
 
Soso :D.

Freut mich, euch stets aufs Neue quälen zu können...

Simon

Ich schlage einen Deal vor: Ich weise weiterhin auf solche Fehler hin, um mein Gewissen zu beruhigen, und du verzichtest weiterhin auf die Umsetzung wenn du meinst, dass es zu deinem Stil gehört. Dann sind alle zufrieden. :D Ist ja nicht so, dass ich die "Stil-Argumentation" nicht schon häufiger mitgelesen hätte - und beschlossen habe, es ab und an zu ignorieren.

Im Übrigen pflichte ich Seleya bei:
Der General, der mit seinem einen Satz "Ich bin doch in Sicherheit...allein mit dir...?", ja alleine mit dem verwendeten Satzzeichen so schön alles auf den Punkt bringt. Oder eben nicht auf den Punkt, sondern auf das Fragezeichen

Das passt wirklich wunderbar. Chapeau!
 
Warum nur, oh Forum, frisst du meine Beiträge in so unerklecklicher Regelmäßigkeit? Sauerei, darf ich das alles noch mal tippen. :motz:

Aaaalso. Natürlich haben sich die Ereignisse im letzten Kapitel gewissermaßen überschlagen, aber ich denke mal da gehst Du etwas zu hart mit dir ins Gericht, denn erstens hat (zumindest bei mir ^^) das Lesevergnügen nicht nennenswert darunter gelitten und zweitens ist es ja auch nun nicht so, als wären plötzlich Adler durch das Labyrinth gerauscht um Meister mitsamt Golem vor den Wargen die unter dem Baum, der... äh... da... Genau. Insofern Du durch die Introspektive ja wieder ausgleichst, nimmt auch wie ich finde die Gesamtkonzeption deiner Geschichte keinen Schaden.

Damit zum jetzigen Kapitel: Zunächst wüsste ich gerne wo bei Seleyas Beitrag unten drunter die gepunktete Linie zwecks Unterschrift ist, seh da keine... (Muss auch das Forum verspiesen haben... Die Sau.) Dann zu dem was ich daran besonders gelungen finde, nämlich die Demonstration dessen was den Golem als Charakter in deiner Erzählung in der Figurenanlage so auszeichnet: Antworten. Du musst sie zu keinem Zeitpunkt bringen, kannst in aller Seelenruhe darüber spekulieren, abwägen diskutieren, aber in die Verlegenheit Antworten auf die aufgeworfenen Fragen zu mutmaßen, kommst du nicht. Herrlich. Die inneren Dialoge des Golems bleiben, egal wie man es dreht völlig ergebnisoffen und sind eben kein platonischer Lehrdialog, keine Didaxe, letztendlich auch keine Gewissheit, was der Spannung ungemein zu Gute kommt. Natürlich könnte man jetzt die Textanteile bemessen, nach rhetorischen Stilmitteln fahnden - kurzum anfangen ernsthaft zu interpretieren - aber zumindest wenn ich mich allein auf den Leseeindruck verlasse kommt dabei Denken aus der Liebe zur Weisheit heraus: Dein Golem betreibt Philosophie ^^

Und dann der letzte Satz. Hocherfreulich... "Ich bin... nicht allein in mir." Ach was, nicht Herr im eigenen Haus, wie? Ja, geht den meisten so...
 
Ich hoffe, es klingt nicht leer, weil ich das immerhin jedes Mal tue, aber DANKE für euer Lob. Gibt mir wirklich viel, möchte das noch mal extra betonen, weil ihr ja auch immer elaborierter werdet in eueren Hymnen auf mich ;). Passt bloß auf, dass mir das nicht zu Kopf steigt. Besonders zu schätzen weiß ich, wenn ihr euch auch an den kleinen Details erfreuen könnt, auf die ich gelegentlich auch gerne achte - wie simple Satzzeichen oder einzelne Sätze. Das spornt mich unglaublich an, mir wirklich Mühe zu geben, Alles so gut zu machen, wie es geht. Ihr seid einfach ein tolles Publikum.

Dafür bekommt ihr auch etwas zurück. Dieses Mal hab ich mich nämlich nicht durch Hetze aufhalten lassen und den ganzen Nachmittag benutzt...und den Abend bis jetzt...um genau das zu schreiben, was ich wollte.

Ist denn auch geworden, wie ich wollte, und ich hoffe, das zeigt sich. Ihr habt jetzt erst mal eine Weile zu tun.

Simon
 
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Kapitel 56 – Ein offener Trialog

„Bitte was?“

Ich lasse den Kopf hängen.

„Das wird...eine längere Geschichte...“

Er verschränkt die Arme.

„Du hast meine volle Aufmerksamkeit. Ich bin ausgeruht, wir haben die ganze Nacht.“

Seine Augenbraue sieht mich fragend gehoben an. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und konzentriere mich darauf, mich bloß nicht falsch auszudrücken, gebe mir noch ein paar Augenblicke, um mich zu sammeln, unterdrücke das flatternde Gefühl absoluter Panik in meinem Herzen und beginne.

„Schon kurz nach meiner Geburt musste ich feststellen, dass etwas sehr Komisches vorging mit mir, wann immer wir in Kämpfe gerieten. Eigentlich habe ich es schon immer gehasst, Gegner zu töten, warum genau – ich weiß es nicht. Aber sobald es wirklich hart auf hart kam und die ersten Klingen in meine Richtung zeigten, überkam mich eine seltsame...Kompetenz. Scheinbar instinktiv schien ich zu wissen, was zu tun war – dass es effektiver war, Kehlen zu zerquetschen als Arme zu brechen, dass in den meisten Brüsten an der gleichen Stelle ein Herz schlägt, das man anhalten kann, dass man mit geblendeten Augen nicht sehen kann. Was mir auch erst später aufgefallen ist: Allzu viel hast du mir damals nicht erklärt über die Welt an sich, aber Konzepte wie Wetter, Sprache, grundsätzliche Umgangsformen haben mich nie groß überraschen können. Das Wissen war irgendwie da...ich weiß immer noch nicht genau, wie viel davon ursprünglich begründet ist – dass ich automatisch verstehe, was du mir sagst, ist wohl inhärent – aber gerade das, was ich meine 'Kampfpersönlichkeit' nannte, war etwas ganz Anderes. Wie ich bald feststellen musste.
Als du mir das Schwert verschafft hast, meine erste Verbesserung, fing ein sehr beunruhigender Trend an, nämlich dass ich ständig Gedächtnislücken bekam. Damals konnte ich dir das schlecht mitteilen – ich weiß jedoch nicht, ob ich es getan hätte...na ja. Interessanterweise traten selbige meist dann auf, wenn gerade ein Kampf dabei war stattzufinden, und ich fand wieder zu mir, als ich von Leichen umgeben war. Keine sehr schöne Sache, war dir aber viel Lob wert. Absolut ungerechtfertigterweise; ich bin selten stolz auf Morde, kannst du mir glauben...na ja. Ich war sehr verwirrt davon, äußerst beunruhigt, aber was sollte ich dagegen tun, ohne es zu verstehen? Vielleicht, dachte ich mir, wäre das ja ganz normal. Bis mir aufgefallen ist, dass ich durch Konzentration verhindern konnte, dass ich die Kontrolle verlor...und ich während Kämpfen, die ich bewusst durchlebte, keine Unterstützung durch die mysteriöse Kompetenz meiner 'Kampfpersönlichkeit' hatte...“

Der Mund des Meisters klappt in Überraschung auf.

„Du willst mir ernsthaft sagen, dass du schon seit Ewigkeiten teilweise von einer unbekannten Macht kontrolliert wirst?“

Ich hebe die Hand.

„So ist es nicht...ganz. Wir sind noch am Anfang der Geschichte. Aber du wirst dich ja erinnern an gewisse...stürmische Episoden meiner. Etwas sehr Aggressives brach aus mir hervor, das nie zu mir passte, wenn es daran ging, gewisse Gegner zu vernichten.“

„Rakanishu? Der Schmied?“

Ich nicke.

„Und damit nicht genug...ich hatte schon seit Anfang an dich immer wieder in Frage gestellt, was du mir hoffentlich nicht übel nimmst, du weißt es ja auch. Nach einer Weile, als meine Zweifel an deiner absoluten Kompetenz – erneut, es tut mir Leid, aber du weißt selbst, dass du nicht perfekt bist – immer mehr wurden, kamen in mir auch immer mehr Zweifel an den Zweifeln hoch. Im Klartext: Wann immer ich es 'wagte', dich als nicht absolut idealen Führer zu sehen, korrigierte mich etwas wie eine innere Stimme. Wenn ich jetzt zurückdenke, war es furchtbar idiotisch von mir, aber ich benötigte ewig, um die Verbindung zu sehen – nämlich bis du mir Klauen gabst und er deutlicher hervorzutreten begann: Diese innere Stimme war nicht aus mir selbst geboren, es war eine komplett andere Persönlichkeit, und zwar die gleiche, die gerne einmal über die Stränge schlug und sich sinnlosem Morden hingab.“

Der Meister lehnt sich an sein Kissen und hält die Hand an die Stirn gepresst.

„Das ist eine Menge zu verdauen, Golem, das weißt du schon? Aber du bist noch lange nicht fertig, oder?“

Ich sehe auf meine Hände herab.

„Nein. Als ich endlich herausfand, dass dieser Jemand in mir mich kontrollieren konnte, wann immer er wollte, wurde mir ernsthaft Angst. Gleichzeitig konnte ich ihn endlich konfrontieren, da ich wusste, mit was ich es zu tun hatte. Und er begann tatsächlich, mit mir zu sprechen. Was ich herauslesen konnte: Fanatische Treue zu seinem Meister – und eine äußerst ungesunde Lust am Töten. Außerdem schien er überzeugt davon, dass ich ihm seinen Körper gestohlen hätte und er allein das Recht dazu hätte, ihn zu benutzen. Und da errang ich meinen ersten großen Sieg, als ich nämlich feststellte, warum er stärker geworden war: Da du meinen Körper verbessert hattest. Ich ließ die Klauen verschwinden...und seine Stimme verstummte in mir.“

Sein Finger hebt sich, als ihm ein Licht aufgeht.

„Deswegen trugst du sie nicht einfach ständig!“

„Genau...so konnte ich ihn kontrollieren. Wir begannen daraufhin, öfter zu reden. Er war teilweise durchaus für Vernunft erreichbar, aber wir hatten ein gewisses Problem in unserer Beziehung, namentlich dass er mich absolut hasste dafür, dass ich ihm, wie schon erwähnt, den Körper gestohlen hätte. Wir schafften es schließlich, einen Kompromiss zu schließen, und ab und an durfte er mich steuern. Ich muss gestehen, dass ich das Abkommen letztlich gebrochen habe, da er mir unheimlich wurde...“

Dass du das zugibst, hätte ich jetzt nicht erwartet.

Oh, eine Stimme von den billigen Plätzen? Hast du etwas mehr an Inhalt beizutragen?

...jetzt ist es eh zu spät, um noch etwas zu verhindern. Dann bleib mal deiner ach so hoch gehaltenen Wahrheit treu, wenn wir Glück haben, vernichtet er uns beide nicht sofort.

Ich gebe mir Mühe, keine Sorge.
Der Gesichtsausdruck des Meisters hat jede Emotion verloren.

„Und das ließ er so auf sich sitzen?“

„Nein. Mein Fehltritt hatte später üble Konsequenzen...zu denen wir sofort kommen. Als Andariel meinen Tonkörper vernichtete, wollte er mir noch etwas mitteilen, dass ich nicht hören wollte, ich zog es vor, allein zu 'sterben'...was sich letztlich als obsolet erwiesen hat, da du mich unabsichtlich als Blutgolem neu erschufst. Was ich nicht wusste: Er blieb genauso erhalten wie ich, nur war er komplett still und unbemerkbar. Aber trotzdem da. Mittlerweile weiß ich auch, was er mir sagen wollte: Nämlich, dass der Tod vor uns beide billig ist, da wir durch dich immer wieder verlustlos belebt werden können. Was du ja auch nicht wusstest. Woher wusste er es? Dazu kommen wir bald.
Ich war also allein in mir und hatte schwer zu tun damit, dir klar zu machen, dass ich immer noch der Gleiche war; nebenbei kamen ja auch noch...andere Dinge...dazwischen, und ich begann, ihn zu vergessen.
Bis du meinen Blutkörper das erste Mal verbessern wolltest...du erinnerst dich, dass ich mich dagegen wehrte, dass du mich weiter veränderst, und mir dafür die Beherrschung einfing? Das war der Grund. Ich hatte Angst, dass er wieder auftaucht.“

Seine Hand fährt ihm vor den Mund.

„Himmel, ich hatte ganz vergessen, dich nach dem Grund dafür zu fragen. Jetzt gibt gleich viel mehr einen Sinn...begann er denn, wieder aufzutauchen?“

„Nein...aber als wir beide am Boden waren nach Prathams Tod und du mir die Stimme gabst, um dich selbst zu geißeln...begann ich plötzlich, erneut geistige Aussetzer zu bekommen. Ich wusste, er war zurück. Versuchte, mit ihm zu reden, aber er konnte nicht antworten, wobei ich nach einer Weile herausfand, dass er mich in der Tat hörte. Und eines Nachts hatte ich einen Traum – ich sah ihn, seinen Körper, wie er ihn in Erinnerung hatte, ein grausiges Amalgam aus Stahl, Ton und Feuer. Sein Hass auf mich war noch gestiegen, da ich daran festgehalten hatte, ihn zu unterdrücken, und er die ganze Zeit, während wir Aranoch durchstreiften, zu absoluter Untätigkeit verdammt gewesen war, in mir eingesperrt. Meine Schuld überwältigte mich...und deswegen bat ich dich darum, meine Füße zu verändern, um sie seinem Modell anzupassen.
Es funktionierte. Wir konnten wieder miteinander reden. Meine kleine Geste war ihm natürlich nicht genug...aber es war ein Anfang gewisser Entspannung zwischen uns. So konnten wir in Tal Rashas Grab viel effizienter zusammenarbeiten als je zuvor, und es war wohl auch der Grund, weswegen wir letztlich über alle Hindernisse triumphierten.“

Ich werde kurz still, um mich auf den wichtigsten Teil meiner Erzählung vorzubereiten. Der Meister schüttelt den Kopf in Unglauben.

„Deine Geschichte...das ist Wahnsinn. Es scheint fast zu verrückt, um stimmen zu können. Und doch...es erklärt so Vieles. Und warum hast du mich nicht informiert, nachdem du reden konntest und ihn offenbar voll im Gedächtnis hattest?“

Ich breite die Arme aus.

„Angst. Schlicht und einfach Angst um unsere Beziehung – gerade erst hatten wir zu etwas Vertrauen zueinander gefunden, wie sollte das aufrecht erhalten werden, wenn du erfahren würdest, dass ich nicht alleine der bin, den du kanntest? Aber dieser Grund war eigentlich nur vorgeschoben, wenn ich es recht bedenke...ich wollte es dir nicht gestehen, weil ich nicht wusste, wie du reagieren würdest, und auch davor hatte ich Angst.“

„Und was hat dich jetzt doch dazu gebracht, es zuzugeben?“

„Ich bin noch nicht fertig...während unserer Reise nach Kurast konnte ich mich immer mehr an ihn gewöhnen, und die Situation schien fast normal zu werden. Dann wurdest du tödlich verletzt, ich bekam einen neuen Körper, und in dem Augenblick, als ich wieder zu Bewusstsein kam, griff er, den ich mittlerweile den 'Zweiten' getauft hatte, an. Ich schaffte es gerade so, in einer Art geistigem Duell seinen Versuch, die Kontrolle an sich zu reißen, abzuwehren, aber mir wurde klar, wie gefährlich er eigentlich war. Von nun an hielt ich ihn in mir gefangen, aber er war nicht daran gehindert, mit mir zu reden, und das tat er. Erbarmungsloser als je zuvor kritisierte er nahezu Alles, was ich tat, versuchte mich dazu zu erziehen, gewisse Prinzipien von mir aufzugeben...es war keine schöne Zeit, zumal ich genug andere Probleme hatten...deine Verletzung, der ungewohnte Körper, an den ich lange brauchte, mich zu gewöhnen...aber letztlich war er es eigentlich, der mir half, mit mir selbst klarzukommen, eine grausame, geißelnde Stimme, aber die kompromisslose Härte, dir mir entgegenschlug, hielt mich davon ab, völlig wahnsinnig zu werden. Dafür sollte ich wirklich dankbar sein, schätze ich...“

Er verzieht das Gesicht.

„War es wirklich so schlimm? Du scheinst gar nicht so...“

Ich sehe auf meine imaginären Fingernägel.

„Er brauchte mir auch gut bei, mich zu verstellen. Etwas, auf das ich wirklich nicht stolz bin. Wobei wir uns näher kamen, nicht zuletzt durch Natalya. Du weißt mittlerweile ja, dass wir uns schon länger kennen; ich habe dir davon schon Alles erzählt, und es stimmte auch, nur eine Sache habe ich dir verschwiegen: Sie wusste von uns beiden. Du bist tatsächlich der Zweite, dem ich vom Zweiten erzähle.“

Das trifft ihn.

„Du hast ihr davon erzählt, aber mir nicht?“

„Natalya hatte etwas an sich, dass man ihr einfach vertrauen musste...sein Innerstes offenbar. Findest du nicht auch?“

Jetzt blüht Wut auf in seiner Miene.

„Sie hat das an sich, Golem!“

„Ja. Tut mir Leid. Auf jeden Fall...ich weiß nicht, warum, aber sogar der Zweite mochte sie sehr gerne, und sonst mag er eigentlich Niemand...“

Denk mich nicht so fragend an.

Ich dachte mir fast, dass du nicht darüber reden willst.

„...und als du endlich wieder gesund warst, schien Alles in Ordnung zu gehen. Der Zweite jagte mir immer noch ab und an gewaltige Schauer über den Rücken, aber unser Geheimnis schien sicher und ich hatte nie wirklich Lust, dir davon zu erzählen – je länger ich damit wartete, desto weniger, denn die Frage, warum ich jetzt erst damit herausrückte, musste immer brennender werden, nicht?“

Seine Augenbrauen ziehen sich gefährlich zusammen.

„Ist schon sehr heiß, ja.“

Ich seufze übertrieben, wie ich es anders nicht kann.

„Mehr als eine Entschuldigung dafür, dass ich schrecklich naiv war, kann ich nicht anbieten. Denn bald ging die Sache gehörig den Bach herunter, als klarer und klarer wurde, dass der Zweite es nicht ewig auf sich sitzen lassen würde, zweite Geige zu spielen. Sein Anspruch auf den Körper war so vorhanden wie eh und je – immer wieder musste ich ihn bekämpfen, um die Kontrolle über Teile von mir zurückzuerhalten – und doch wurde er immer wichtiger für mich, je schwieriger unserer Reise wurde. Du dachtest bisher, ich wäre komplett alleine gewesen, als ich das Große Moor durchschritt, während Natalya dich...ablenkte. Stimmt nicht, ich hatte ihn, und ohne wäre ich verloren gewesen.“

Mein Blick wendet sich von ihm ab, ich kann ihm nicht in die Augen sehen für den letzten Teil.

„Und dann stiegen wir in den Schinderdungeon.“

„Den was?“

„...er nennt ihn so. Ich weiß auch die Namen vieler Monster von ihm, er hat mich dazu gebracht, die Kreaturen des Geisterbeschwörers beständig als Gespenster zu bezeichnen, zum Beispiel...na ja. Als vor dir die Puppe explodiert ist, war ich völlig überfordert, aber der Zweite war es nicht. Er wusste, was zu tun war, woher auch immer, und er war es, der dich notdürftig versorgt hat und dir damit wohl das Leben gerettet hat. Nur...danach gab er die Kontrolle nicht mehr zurück. Und auf einmal war ich in ihm gefangen.
Es hat nicht allzu lange gedauert – warum, erfährst du gleich – aber es war die Hölle. Ich weiß nicht, wie er es so viele Wochen ausgehalten hat, seit wir zusammen erschaffen wurden, im Grunde. Eigentlich müsste ich komplettes Mitleid mit ihm haben, wenn nicht...“

Meine Stimme versagt kurz.

„Ich habe mehr über ihn erfahren. Um mich zur Zusammenarbeit zu zwingen, hat er mich in eine seiner Erinnerungen katapultiert, denn tatsächlich gibt es ihn schon viel länger als es mich gibt. Was ich darin gesehen habe...es hat jeglichen Respekt und jegliches Mitleid zerstört, das ich für ihn hegte. Wobei das auch nicht stimmt, ich kann es nicht über mich bringen, ihn absolut zu hassen, er hatte es auch nicht leicht, aber...diese Erinnerung...“

Der Meister wird hart.

„Golem, was hat er getan? Ich muss das jetzt wissen.“

Ich gebe ihm einen sehr kurzen Abriss. Nach kurzer Zeit wird er bleich, aber ich erspare ihm auch das Ende der Episode nicht.

„...und damit war völlig klar, dass ich sein Joch abschütteln musste, er war nicht einfach nur störend, sondern brandgefährlich. Für uns beide. Was sich nur zu bald zeigte. Sein ehemaliger Meister war...etwas...härter als du bist. Was ihn schon immer ziemlich gestört hat. Und Mephistos Hass ließ den Zweiten schließlich komplett durchdrehen. Du erinnerst dich offenbar nicht daran, aber ich kann dir genau sagen, warum du gerade Angst hattest, mit mir im Dunkeln allein zu sein: Er hat versucht, dich zu töten.“

Unwillkürlich fährt des Meisters Hand an seine Kehle.

„Das...ist nicht dein Ernst.“

„Mein Körper war so kurz davor, dich zu erwürgen, General...ich schauere noch immer bei dem Gedanken. Geraden noch rechtzeitig konnte ich ihn überwinden...mit Hilfe einer äußerst verstörenden Methode. Ich zeigte ihm ein Bild seines eigenen Meisters, das ich ihn seinen Erinnerungen fand, um ihn daran zu erinnern, dass er gerade dabei war, seinen Meister zu töten – einen Menschen, dem gegenüber er immer fanatische Loyalität gezeigt hatte.
Es war sehr wirksam – da du aussiehst wie eine jüngere Version seines Herrn. Das ist es eigentlich, was mich am meisten verängstigt bei der ganzen Sache.“

Er ist bleich. Sehr bleich. Seine Stimme ist ein Krächzen.

„Lass mich alleine, Golem. Zehn Minuten. Dann komm zurück, und keine Sekunde früher oder später.“

Ich flüchte.
Am Flussufer starre ich in das Wasser, auf meine Reflektion im Mondlicht. Jetzt...ist es zu spät, noch zurück zu gehen.

Sehr unfair, deine Darstellung meiner. Du hast nicht einmal erwähnt, dass ich jetzt wieder normal bin.

Ha, normal! Du warst nie normal! Solange du kein Bisschen von dem bereust, was du getan hast, wirst du immer ein wahnsinniger Irrer bleiben!

Ha, dabei bist du es, der immer die Wichtigkeit betont, zu seinen Prinzipien zu stehen. Aber ich kann dir eines sagen: Ich bin äußerst erfreut, dass du jetzt deine eigene Suppe auslöffeln darfst. In...8 Minuten und siebenundfünfzig Sekunden möchte ich wirklich nicht in deiner Stahlhaut stecken. Zu blöd, dass ich es trotzdem tue, aber es ist immerhin ein Logenplatz, von dem aus ich deine persönliche Apokalypse beobachten kann.

Es wird eine der längsten Wartezeiten meines Lebens; man würde meinen, nach den vielen anderen dieser Art in den letzten paar Tagen müsste ich mich langsam daran gewöhnen, aber das Gefühl, kurz vor der Hinrichtung zu stehen, wird nicht besser...

Ich stehe eine geschlagene Minute vor der Tür zu unserer Hütte, da ich viel zu früh losgegangen bin, um ja nicht zu spät zu kommen. Hätte ich ein Herz, würde es wie wild klopfen...exakt zehn Minuten, nachdem der Meister seinen Befehl gegeben hat, ihn so lange alleine zu lassen, öffne ich die Tür und stürme geradezu hindurch.
Und stolpere. Aus irgendeinem Grund verliere ich meine Balance...

Du bist schwächer! Der Meister hat uns verflucht!

Das ist...plötzlich berührt mich etwas an der Schulter, dessen Berührung ich schon kenne. Etwas durchflutet mich...ein Kribbeln am ganzen Körper...die Berührung verschwindet.
Der Meister tritt in mein Sichtfeld, seinen Stab immer noch hochhaltend, kurz vor meinem Gesicht. Mit Erschrecken stelle ich fest, dass ich mich nicht mehr bewegen kann!

„Reine Vorsichtsmaßnahme, Golem, nicht? Ich denke, du wirst mich verstehen.“

Den Stab immer noch bereit, prüft er sorgfältig meine Knie und Hüften, widmet sich dann meinen Schultern, den Ellenbogen und dem Hals. Er hat sich angezogen, komplett mit Helm, alle Rüstungsteile, die noch intakt waren nach dem Spießrutenlauf des Dungeons. Wie ich festzustellen beginne, hat er meine Gelenke festgeschmolzen; deswegen bin ich völlig immobil. Nach seiner Überprüfung nickt er zufrieden, zieht einen Stuhl vor mich, senkt mit einer weiteren Stabberührung meinen Blick darauf hinab und lässt sich nieder, die Arme verschränkend.

„Du kannst noch reden?“

„...ja...“

„Schön, dann reden wir. Eins kann ich dir sagen: Ich bin stinksauer, dass du mir diese doch etwas relevanten Informationen wirklich viel zu spät zukommen lässt, aber abgesehen davon, dass du mich deinen Worten nach fast erwürgt hättest...“

„Nicht ich!“

„Scheiß drauf, Golem, es wäre deine Schuld gewesen! Abgesehen davon hast du mich offenbar aus diesen Höllenloch herausbefördert und mir damit den Hintern gerettet, deswegen bin ich bereit, auf einen womöglich für dich recht ekligen Wutausbruch zu verzichten und stattdessen nur ein hoffentlich ebenso ekelhaftes Kreuzverhör aufzuziehen, das du dir auf jeden Fall verdient hast. Fangen wir also an. Der Zweite hört mit, nehme ich an?“

Tue ich. Zu schade, dass es nicht ekelhafter wurde, aber was nicht ist, kann ja noch werden...

Sei still.

„Ja, tut er.“

„Fein, dann könnt ihr euch abwechseln, wenn ich etwas wissen will. Also. Was mir im Moment am meisten unter den Nägeln brennt: Hast du ihn sicher unter Kontrolle jetzt?“

So sicher wie eh und je. Also gar nicht.

„Nein. Ich bin noch vorsichtiger als je zuvor, aber das reicht nicht – ein Moment der Ablenkung könnte reichen, und ich bin wieder gefangen. Durch einen schweren Schock konnte ich ja auch entkommen.“

„Der Schock, dass sein Meister aussieht wie ich?“

Ich bleibe still. Er schneidet eine Grimasse.

„Ist ja wirklich hervorragend. Absolut hervorragend. Wenigstens diese Erkenntnis konnte dich dazu bringen, dein Schweigen endlich zu brechen, nehme ich an. Aber dazu kommen wir später noch, du hast nämlich noch eine Menge ungesagt gelassen, eines vor Allem: Wie zur Hölle kommt er überhaupt dazu, sich in meinem Golem breitzumachen?“

Jetzt wird es erst richtig interessant.

Ruhe auf den billigen Plätzen, verdammt!

Oh, ich genieße nur, wie deine dumme Entscheidung dir so viel Pein bringt. Also: Vergiss es.

„...du hast mich ja mit der Formel aus dem alten Buch beschworen, das du in dem Grab gefunden hast. Offenbar ist es die gleiche Formel, mit der auch der Zweite einst erschaffen wurde, weswegen er schlicht wiedergeboren wurde, wie ich es ja auch werde, wann immer du mich neu erschaffst – mit immer der gleichen Formel. Das bedeutet zunächst, dass der Autor des Buches, der alte General, der alte Meister des Zweiten ist; außerdem hinterlässt es in mir einen etwas bitteren Nachgeschmack, denn dass ich überhaupt entstanden bin und dass nicht nur der Zweite beschworen wurde liegt daran, haben wir uns zumindest bisher zusammengereimt, dass du eben nicht der alte General bist, sondern ein komplett neuer Meister; du benutzt die Formel auf leicht andere Weise als er es getan hat, zwangsweise, und nur durch diese leichten Abweichungen bin ich überhaupt entstanden, während der 'Wortlaut' der Beschwörung den Zweiten mitkommen hat lassen. Meine Existenz ist im Grunde nur...ein Unfall. Zufall.“

Ein freudloses Lachen entweicht dem Meister.

„Tja, in Zukunft sorge ich für ordentliche Empfängnisverhütung bei meinen Zaubersprüchen, schätze ich.“

„...was?“

Ha, ha, ha!

„Vergiss es. Das ist in der Tat eine sehr beunruhigende Theorie, die ihr beiden euch da zusammengeköchelt hat. Wie viel von dem, was ich tue, ist denn dann das Meine? Sind es auch seine Skelette? Von dem Bisschen, das ich über ihn weiß, war er nicht gerade ein Engel, hm?“

Ich komme nicht umhin, Zweifel in meine Antwort zu legen.

„Na ja, erst ist nun tot, nicht...? Du warst immerhin in seinem Grab?“

„Womöglich. Aber warum frage ich dich das eigentlich? Es gibt immerhin Jemanden, der da weit mehr Bescheid weiß als du.“

Oh nein.

Oh nein.

„Das halte ich für keine gute Idee...andererseits, er auch nicht, also ist es vermutlich eine?“

„Das überlässt du schön mir, ja? Raus mit dir, Zweiter. Wir haben uns zu unterhalten.“

Das wird nicht gut...das wird gar nicht gut...

Soll ich jetzt lachen, oder was?

„Euer unterwürfigster Diener, Meister. Welche Fragen darf ich Euch beantworten?“

Der Meister zuckt kurz zurück.

„Das ist aber eine...ungewöhnliche Stimme. Habe ich die schon einmal gehört? Ach, was solls! Du bist also der Kerl, der ungefragt meinen Golem belästigt?“

„Ich habe mir meine Situation nicht ausgesucht, Meister.“

„Spar dir das Gekrieche, wenn ich meinem Freund noch glauben kann, hast du vor nicht allzu langer Zeit noch versucht, mir das Licht auszuknipsen. Oder hast du eine andere Version dieser Geschichte?“

Scham erfüllt den Zweiten, eine Gefühl, das mich bei ihm immer noch sehr überrascht. Ihn womöglich auch.

„...nein. Ich wurde von Mephistos Einfluss verwirrt, Meister, aber das entschuldigt meine Übertretung nicht. Bitte bestraft mich, wie Ihr es für richtig haltet.“

Der Meister schlägt sich hart auf den Schenkel.

„Meine Herren, das ist ja nicht auszuhalten! Hat dein Meister dich etwa zu derartiger Arschkriecherei erzogen? Kein Wunder, dass du völlig krank im Kopf zu sein scheinst – und er auch, das hält ja kein normal denkender Mensch aus! Lass den Müll und rede normal mit mir. Du kriegst dein Fett schon noch weg, keine Sorge.“

„Wie Ihr wünscht.“

„Ja, ja, ist gut jetzt. Mein Golem hat also nicht übertrieben, was dich angeht? Du bringst gerne Leute um, hattest einen Irren als Meister und bist generell kein besonders netter Zeitgenosse?“

„Verzeiht mir, wenn ich es etwas anders ausdrücken würde...“

Der Meister hebt drohend den Finger.

„Verarsch mich nicht, Kamerad, ich bin gerade überhaupt nicht in der Stimmung. Hat er gelogen?“

Wehe, wenn...

Wäre das nicht der Meister, ich würde dich so fertig machen, du würdest dir wünschen, nie erschaffen worden zu sein...

Mich schmerzt eigentlich genug, dass der Meister mir nicht einfach vertraut...

„Nein. Zumindest, was seine Ansichten über mich angeht, die ich gerne in gewissen Punkten korrigieren möchte, wenn Ihr mir eine Chance dazu zu geben gewollt seid.“

„Na, dir kann ich da ja wenigstens vertrauen. Jetzt klär mich mal auf, wenn du schon meinem Golem gegenüber offenbar recht verschlossen warst: Wie war dein Meister denn so? Besser: Wer war er, was hat er getan in seinem Leben?“

Jetzt wird es interessant.

Wenn für euch Interesse aus Langeweile geboren wird?

Du lenkst doch ab. Kann es sein, dass du die Frage nach deinem Meister am meisten von allen fürchtest?

Warum sollte ich?

Weil du einen kleinen Komplex hast, was ihn angeht?

„Was mein Meister vor meiner Erschaffung getan hat, weiß ich nicht; er hat nie darüber gesprochen, und es hat mich auch nicht besonders interessiert. Zu diesem Zeitpunkt aber war er einer der mächtigsten, wenn nicht der mächtigste Totenbeschwörer vermutlich aller Zeiten; immerhin hat er ganz allein die Formel zum Erschaffen von Golems entwickelt. Und einige andere Techniken, worüber Ihr aber sicher Bescheid wisst, immerhin habt Ihr sein Lebenswerk gelesen. Das bedeutet natürlich, dass ich nicht sein erster Golem war; klar sollte aber sein, dass ich sein letzter war, und ich kann Euch versichern, dass ich mir dieses Privileg verdient habe. Er hatte keinen treueren Diener als mich in keinem perfekteren Körper, das ließ er mich auch wissen, genauso wie er es mich wissen ließ, wenn ich etwas tat, das nicht perfekt genug war.“

Der Meister lehnt sich vor; der Zweite verstummt sofort, als er sieht, dass er etwas einwenden will.

„Wenn ich das richtig verstehe: Die ganzen Golems, die dein Meister vor dir erschaffen hat – sie sind alle...tot? Er hat sie nicht neu erschaffen?“

„Da Golems nicht leben, ist die Wortwahl vielleicht etwas gewagt von Euerer Seite.“

Eine Augenbraue hebt sich.

„Aus diesem Körper habe ich bisher aber keine andere Wortwahl gehört.“

„Das liegt schlicht daran, dass der andere Bewohner dieses Körpers teils völlig lächerliche Vorstellungen davon hat, was es bedeutet, ein Golem zu sein. Wir sind als Diener erschaffen, und mehr als das sollten wir nie erstreben zu sein; unsere Existenz liegt völlig in der Hand des Meisters, ja, ist auch völlig an seine gebunden, also haben wir keinen Gedanken an uns zu verschwenden; er ist es, was zählt, sonst Nichts.“

„Moment Mal, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Wenn du keinen Grund hast, deine Existenz aufrecht zu erhalten, weil sie ohnehin unwichtig ist, welchen Grund gibt es dann, die des Meisters zu garantieren?“

„Ich verstehe nicht.“

„Nehmen wir einmal an, dein Meister ist ein gigantisches Arschloch und nervt dich seit Ewigkeiten. Eines Tages stolpert er und fällt in ein Loch; gerade so kann er sich noch halten. Er sieht zu dir hoch und befiehlt dir, ihn zu retten. Wenn dir egal ist, ob es noch Jemand gibt, der dich wieder erschafft, sobald dein Körper zerfällt – warum solltest du ihm helfen? Gib ihm noch einen Tritt mit und genieße die Ruhe.“

Das...ist allerdings ein Argument. Warum komme ich nicht auf solche? Jedoch, Schock durchzieht den Zweiten, und nicht, weil er durch die Logik geschlagen wäre, sondern weil der Gedanke an Blasphemie grenzt.

„Das wäre völlig unmöglich! Er ist der Meister, jegliche Art von Handeln seiner ist automatisch die richtige, und etwas zu tun oder zu unterlassen, das ihm schadet, ist...es geht nicht.“

„Aha. Und warum habe ich dann blaue Flecken am Hals?“

Eine erneute sehr gute Frage.

„Das...war eine Ausnahmesituation.“

„Nun mal langsam, so leicht kommst du mir nicht davon. Ich bin im Moment ganz eindeutig dein Meister, aber du scheinst nicht wirklich zufrieden zu sein mit dem, was ich tue, oder? Ich dachte, das wäre absolut unmöglich?“

„Das ist es nicht...mit Zufriedenheit hat das Nichts zu tun...“

„Jetzt erzähl mir keine Scheiße! Golem, mein Golem – wie war das da unten? Warum hat er es tun wollen?“

Hm, ich dachte, du würdest mich gerne hineinreiten? Jetzt darf ich das machen und muss dafür nicht einmal lügen.

Du verdammter...

„Seinen Worten nach hat es ihn angeekelt, wie sehr viel schwächer du seist als sein alter Meister, und dass er deiner ihn beleidigenden Existenz schon lange ein Ende hätte setzen sollen.“

„Aha? Ich glaube fast, mich an so etwas erinnern zu können. Danke, du kannst wieder in der zweiten Reihe Platz nehmen.“

Sein Gesicht wird steinhart. Ich ziehe mich gehorsam zurück.

„Also, Zweiter, bloß weil ich ach so viel schwächer bin als dein wertvoller Meister, brauchst du mir hier keinen Schwachsinn einzuschenken. Zwei Möglichkeiten also: Entweder, deine Meistertreue ist von vorne bis hinten ein Haufen Unfug, oder dein Gekrieche ist eine einzige Farce. Was soll ich also glauben?“



Du hast irgendwie Recht, einfach nur zuzusehen ist gewaltiger Spaß.

„...Ihr seid nicht mein Meister.“

Der Meister beißt die Zähne zusammen und knurrt seine Entgegnung.

„Da haben wirs. Also hör mir den Ehrentiteln auf und rede mit mir, wie du es gerne möchtest.“

„Na schön...General.“

Seltsamer Widerwille...

Es ist leicht ungewohnt, einen Menschen namens General zu duzen.

„Zurück also zu deinem Meister, und nein, ich habe ihn nicht vergessen. Er war also auch 'der General', kanntest du sonst einen Namen von ihm?“

„Nein.“

„War dir egal, nehme ich an?“

„Ja.“

„Himmel, du hast diesen Kerl geliebt, oder? Neugierde war nie deine Stärke?“

Wenn er so fragt, wäre es meine auch nicht – immerhin weiß ich auch nicht, wie er genannt wurde, bevor er zum General wurde. Aber eigentlich interessiert es mich auch nicht...ich mag ihn ja auch. Oder ist es auch...Liebe? Was auch immer das ist...der Meister redet weiter.

„Also, was hat er so den lieben langen Tag getan, während du dabei warst? Irgendwelche Leute von dir umbringen lassen, offenbar. Aus Spaß an der Freude, oder was?“

„Nein. Er war der Herrscher über viele Menschen. Und ein guter, im Vergleich zu vielen anderen, die zu der Zeit geherrscht haben. Nicht, dass seine Untertanen es ihm gedankt hätten. Er hat ihnen viele Freiheiten gelassen, und stets zahlten sie das mit Missgunst zurück, obwohl er nur ihr Bestes im Sinne hatte. Ich weiß nicht, wie lange das schon so ging, aber als ich erschaffen wurde, war er bereits sehr verbittert darüber, dass ständig versucht wurde, seine Herrschaft auf drastische Weise abzuschütteln – obwohl er das Beste war, was den Menschen in dieser Region je passiert ist. Gelegentlich ließ er durchscheinen, dass er früher zu weniger drastischen Strafen greifen musste, um die Masse davon abzuhalten, etwas Dummes zu tun – aber wir tun schließlich Alle nur, was notwendig ist, nicht wahr? So regierte er mit harter Hand, aber er blieb immer fair. Einzig Gehorsam forderte er, und machte immer klar, dass den zu verweigern eine sehr schlechte Idee war.“

Es bleibt kurz still im Raum. Wir müssen das beide scheinbar erst einmal verdauen. Was soll ich davon jetzt halten? Natürlich ist die Perspektive des Zweiten auch sehr von seiner Hingabe gefärbt, aber wenn ein Kern von Wahrheit darin steckt...hat sein Meister seinen absoluten Pragmatismus vielleicht doch für gute Ziele eingesetzt? Einen ernsthaft guten Zweck die grausamen Mittel heiligen lassen?
Der Meister fängt sich vor mir.

„Sehr...interessant. Klingt nach einem äußerst kompromisslosen Menschen. Aber ob er vielleicht doch nur aus Machtlust seine Position an der Spitze so...drastisch...verteidigt hat, wirst du mir wohl auch nicht ehrlich beantworten können, hm? Zumal ich jetzt ja weiß, dass du mir im Grunde die ganze Zeit ein Märchen erzählen könntest, da du dich nicht im Mindesten an mich gebunden fühlst.“

„Nun...“

„Wie sehr teilst du eigentlich seine Prinzipien?“

„Absolut natürlich.“

„Klingt nicht sehr ansprechend, wenn ich bedenke, was der dich anstellen hat lassen. Keine Bedenken von deiner Seite da? Gar keine? Golem, du hast mir doch gesagt, dass du nie besondere Lust hattest, Monster zu töten, obwohl ich damit wenig Probleme hatte...“

Was alte Fragen erneut aufwirft.

„Stimmt. Aber ich habe nie absolute Hingabe dir gegenüber empfunden, was du hoffentlich verzeihst – und ironischerweise scheint es auch die Schuld des Zweiten zu sein, der mich schon immer unterbewusst beeinflusst haben muss. Wobei ich wirklich nicht weiß, warum ich sogar noch friedlicher bin als du.“

Sein Ausdruck wird sauer.

„Das können wir wann anders diskutieren. Zurück zu dir, Zweiter – wie stehst du also, mit eigenen Worten, zum Töten?“

„Es stört mich in keinster Weise.“

„Und dein Meister?“

„Er hat unterstützt, wenn ich...kreativ wurde dabei.“

„Himmel! Also schön, das soll vorerst genügen. Ich muss darüber eine ganze Weile nachdenken. Jetzt einmal eine ganz andere Sache: Wie soll das mit uns dreien weiter gehen? Golem, du bist dir bewusst, dass ich dir schlicht nicht mehr vertrauen kann nach dieser Sache – beziehungsweise deinem Körper?“

Das, was am meisten an dem ganzen Problem schmerzt.

„Ja...“

„Was dich wohl auch bisher mit davon abgehalten hat, dich mir zu öffnen, hm?“

Dieser so unglaublich verständnisvolle Satz von ihm öffnet etwas in mir, ich weiß nicht, was es ist, aber was ich weiß, ist, dass ich in diesem Augenblick wirklich Alles von ihm akzeptieren würde; selbst nach dem, was ich getan habe, kann er immer noch nachvollziehen, was ich getan habe. Er hasst mich nicht, so schwer es ihm zu fallen scheint...ich breche fast zusammen unter dem Schwall meiner Gefühle.

„Oh, General, es tut mir so Leid...“

Er steht auf und legt mir eine Hand auf die Schulter.

„Du hattest es nie leicht, und jetzt erfahre ich, dass es sogar noch schlimmer war als ich bisher angenommen hatte. Wie hast du es mit diesem Arschloch in dir ausgehalten? Das muss ja die reinste Folter gewesen sein.“

Ich schweige. Bringe keine Worte heraus. Es ist, als wäre meine Kehle zugeschnürt, was natürlich nicht möglich ist, aber...

„Schon gut, Golem. Mir tut es auch Leid, dass das jetzt so ist. Und jetzt haben wir ein großes Problem...was soll ich denn jetzt tun? Wer garantiert mir, dass du immer der bist, mit dem ich spreche? Die Stimme sicher nicht, oder?“

„N...nein.“

„Dachte ich mir. Wer garantiert mir, dass dein Schwert nicht auf einmal zwischen meinen Schultern steckt? Ich kann dich nicht ständig im Auge behalten, es geht einfach nicht. Der Zweite ist eine Gefahr für Alles und Jeden, weil er völlig unberechenbar ist. Hast du irgendeine Idee, was wir tun können, um ihn zu kontrollieren?“

Meine Gedanken rasen, aber etwas wirbelt sie immer wieder davon. Was nur, was nur könnten wir machen? Wenn der Zweite ihn wirklich nicht als seinen Meister sieht, dann ist er einfach nicht unter Kontrolle zu halten...
Aber halt. Ich sehe ihn definitiv als meinen Meister. Und ich bin unter Kontrolle zu halten.

„General...was ist mit der Beherrschung? Sie garantiert doch, dass ich deinen Befehlen absolut folge. Sollte sie nicht auf ihn auch wirken?“

Seine Augen weiten sich.

„Du hast Recht! Das wäre eine Lösung!“

Oh Himmel...

„...die ihm nicht gefällt.“

„Zweiter, übernimm die Kontrolle!“

Nein!

„Er weigert sich!“

Der Meister packt meinen Kopf und sieht mir tief in die Augen. Besser: Dem Zweiten tief in die Augen.

„Jetzt hör mir mal zu, du Komiker. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wirst du überhaupt keine Lust haben, ständig eingesperrt zu sein. Das klingt nämlich nicht wirklich spannend, untätig in einer dunklen Ecke in einem Gehirn zu sitzen. Ich seh es gerade nicht passieren, aber vielleicht, nur vielleicht, lasse ich dir in Bälde ein wenig Auslauf. Ich bin mir sicher, mein Golem hätte da auch Nichts dagegen, hm?“

„Ein Kompromiss?“

„Genau daran denke ich.“

„...es hätte schon einmal funktionieren können...“

„Wenn du dein Versprechen nicht gebrochen hättest.“

„Ich sorge dafür, dass er es nicht tut, Zweiter. Wenn du jetzt kooperierst, hast du eine Chance, ab und an diesen Körper kontrollieren zu dürfen. Wenn du dich weigerst, darf das Keiner von euch. Also, höre ich ein 'jawohl, Meister'?“



Tu es.

„...jawohl, Meister.“

„Dann bleib so.“

Er hält den Stab über meinen Kopf.

„HelKoThulEthFal, Zweiter!“

Ich spüre, wie sich die unsichtbaren Fesseln um mich legen...Moment, warum spüre ich das?

„Also, Golem? Denkst du, es hat funktioniert?“

„Es...fühlt sich nicht anders an, General. Kann es sein, dass er von vorneherein durch die Beherrschung gehalten wurde?“

„Oh? Zweiter, sag die Wahrheit – ist das so?“

„...ja.“

Er grinst mich an.

„Das ist eine gute Nachricht! Dann ist jetzt Alles in Ordnung...?“

Da fällt mir siedend heiß etwas ein.

„...nein. Es ist nicht perfekt, Meister. Die Beherrschung ist nämlich fehlerhaft.“

Bist du wahnsinnig?

„Was?“

„Wenn ich einem Befehl nicht gehorche, fügt mir das gewaltige Schmerzen zu – aber falls ich sie aushalte, dann kann ich ihm zuwiderhandeln. Das heißt, der Zweite könnte für den Moment, den es braucht, Unsinn anzustellen, das immer noch tun.“

Er streicht über sein Kinn.

„Das ist...schlecht.“

Der Vorschlag wird nicht einfach...aber ich habe, wie so oft, keine Wahl.

„Kannst du nicht...die Beherrschung verstärken? Versuchen, sie absolut zu machen?“

Er sieht mich groß an.

Das ist nicht dein Ernst.

„Golem, ich dachte, du hasst die Beherrschung?“

„Tue ich.“

Wir sehen uns eine Weile an.

„Das ist ein großes Opfer...“

„Und eine Gefahr. Was ist, wenn du mir Unsinn befiehlst? Aber ich sehe keine andere Möglichkeit...“

Seine Mundwinkel senken sich.
Dann umarmt er meinen steifen Körper. Ich spüre schon wieder dieses seltsame Gefühl, das mich so verwirrt. Aber es ist irgendwie schön.

„Es tut mir Leid...“

Dann wiederholt er das Beherrschungsritual. Ich fühle die unsichtbaren Fesseln sich einengen, bis ich fast nicht mehr atmen kann. Gleichzeitig lösen sich meine Gelenke, aber das bedeutet Nichts. Trauer erfüllt mich...

„Hat es funktioniert? Du solltest dich jetzt wieder bewegen können. Lauf im Kreis! Du weißt, was du zu tun hast.“

Ich beginne, mich zu bewegen. Und versuche, anzuhalten.
Ohne Erfolg.
Im Laufen gebe ich meinen Bericht.

„Es wirkt...“

Du hast uns beide verdammt.

„In...Ordnung. Zweiter! Du wirst nie etwas unternehmen, was mir schadet – tu so, als wäre ich dein alter Meister.“

„Jawohl, General.“

„Und du wirst dem...'Ersten'...stets gehorchen, als wäre er dein alter Meister.“

Nein!

So gesehen sieht es aus, als wärst nur du verdammt.

„...jawohl, General.“

„Dann ist wirklich Alles in Ordnung...so sehr, wie es eben geht.“

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Alles, wirklich Alles hat sich verändert...aber es ist besser so, viel besser. Ich spüre, wie die gewaltige Last meines bisherigen Schweigens von mir gefallen ist...hoffentlich kann das die Bürde der Beherrschung ausgleichen...
 
Huhu :hy:

Vorweg ein Selbstzitat:
Daher sei meine Befürchtung für das nächste Kapitel hier lieber als Hoffnung formuliert: Ich hoffe, dass das kommende Kapitel ein angemessener (würdiger wäre vielleicht doch zu hoch gegriffen) Nachfolger wird.

Somit sei meine Befürchtung für das aktuelle Kapitel hiermit ausgeräumt: Ich sehe, dass das kommende Kapitel ein angemessener (nennen wir es ruhig wirklich würdiger) Nachfolger geworden ist.

Ich habe gelacht, sowohl mit als auch über den Zweiten, habe mich gesorgt, mit dem Golem mitempfunden, habe versucht, aus dem Kapitel heraus das Ende abzuschätzen und bin doch daran gescheitert - obgleich das präsentierte Ende einfach passend ist.

Weiter so.

Seleya

Ein paar Fehler sind drin, und vermutlich habe ich noch einige weitere übersehen. Man möge es mir nachsehen, wenn ich sie hier nicht aufzähle - es erscheint mir fast nicht angemessen. Bei Bedarf kommt die Aufzählung per Edit nach.
 
Wunderschönes Kapitel, ist wirklich gut geworden.
Der General wird mir immer sympathischer, wie der mit dem Zweiten umgeht ist herrlich zu lesen (vor allem beim Thema "Umgangsformen" :lol:) Und die fiesen Kommentare des jeweiligen Zuschauers machen es noch besser.

Auch auf die Gefahr hin, dass es dir zu Kopf steigt: Das Kapitel war eines der Besten seit langem, weiter so.


der Tod vor uns beide - für

Er brauchte mir auch gut bei - brachte

Geraden noch - ein n zuviel

das ich ihn seinen Erinnerungen fand - in
 
Danke erneut, ihr beiden ;).

Hab noch nie so viel altes Zeug nachgelesen wie für dieses Kapitel :read:. Meine Herren, war ich früher schlecht. Und festgestellt, dass meine Erinnerung echt zum Kotzen ist, ich hätte blind ungefähr Alles falsch gemacht, was die Rekapitulation angeht.

Gerade erst gesehen, dass du mich in deiner Sig verlinkst, Seleya - das ehrt mich :).

Oh, und ich hab dann auch noch festgestellt, dass die ganzen Kapitellinks in den alten Threads im Arsch sind durch die Forenumstellung, womöglich auch manche hier.

Fuck.

Simon
 
Wen interessieren die Links, man fängt vorne an zu lesen und hört hinten auf ;)

Also die investierte Zeit bei dem Kapitel hat sich auf jeden Fall gelohnt. Als es Anfing mit der "Geburt" des Golems und seinem Wissen über die Welt hab ich schon befürchtet nun eine komplette Zusammenfassung der bisherigen zweieinhalb Teile lesen zu müssen - aber das hast du gut gelöst und die Art wie der General nun mit der Sitaution umgeht ist ... interessant.

es war keine schöne Zeit, zumal ich genug andere Probleme hatten.
-> hatte

Natalya hatte etwas an sich, dass man ihr einfach vertrauen musste...sein Innerstes offenbar.
-> offenbaren?

die ihr beiden euch da zusammengeköchelt hat.
-> habt
 
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