Wie jetzt?!?
Ihr motzt?!?
Ihr spammt?!?
Geht ja gar nicht!!!
Also gut, Ihr habts nicht anders gewollt
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Hier ist Kapitel 16, allerdings ist es nicht durch den Beta... strotzt also vermutlich vor Fehlern...
Kapitel 16: Tristram
Während Jaella und Khalid nach der überstandenen Gefahr heißen Tee schlürften, blickte Belinda von ihrem Ausguck am Tor über die weite Ebene. Drückende Spannung hatte sich über das gesamte Lager gelegt und nahm seinen Bewohnern schier die Luft. Völlig unangemessen schwebte ein vereinzeltes Lachen zu ihr hoch. Es schien so gar nicht hierher zu gehören, dabei waren sie früher ein fröhliches Volk gewesen. Diese Tage waren beinahe vergessen.
Doch plötzlich wurden Belindas Gedanken abrupt unterbrochen. Im Schatten der nahen Bäume bewegte sich etwas. Zehn, zwanzig, hundert Gestalten traten aus dem Halbschatten ans Licht und es wurden noch mehr. Eine Überlegenheit von drei zu eins bewegte sich im Laufschritt auf die Palisaden zu. Es waren einige niedere Kreaturen wie Gefallene und deren Schamanen, aber auch gut dreißig abtrünnige Jägerinnen. Mitten unter ihnen liefen die verderbten Werke eines nekromantischen Geistes: Zombies und Skelette, nicht wenige mit Bögen bewaffnet. Und schließlich spie der Wald eine Horde von fünf Gargantuas aus.
Mühsam riss sich Belinda von dem entsetzlichen Anblick los und rief das vereinbarte Signal zu ihren Schwestern hinunter. Augen schlossen sich unter letzten, hastigen Gebeten an
Diana, Talismane wurden gerieben, ein letztes Mal wurden Waffen und Rüstung geprüft. Dann versteinerten die Gesichter.
Kaschya stand mit wehender Mähne auf dem Wall am Tor und hob die Hand hoch in die Luft. Zwei Dutzend Bögen wurden ächzend gespannt, die Pfeile stolz in den Himmel gereckt.
Die Angreifer kamen schnell näher, doch noch bevor die Amazonen die Gesichter der Abtrünnigen erkennen konnten, bevor ein verwandtschaftliches Band das Handeln versagte, fiel der Arm der Heerführerin nach unten. Die Pfeile verließen singend die Sehnen und fanden Ziele, die erste Welle des Angriffs strauchelte, doch schoben sich unerbittlich die Folgenden nach. Hastig nach dem nächsten Pfeil greifend, suchten sich die Bogenschützinnen ein neues Ziel aus. So manche von ihnen zögerte, auf die dunklen Jägerinnen anzulegen, und so schossen sie auf die Untoten oder die anderen Kreaturen. Die erfahrensten und schnellsten unter ihnen schafften es dreimal nachzuladen, bis die Angreifer das Lager erreicht hatten.
Geschütz von einigen Schildträgern hatte sich eine Horde Skelettkrieger ein kleines Feuer entfacht, an dem sie Brandpfeile anzündeten und sie hoch über die Köpfe der Amazonen blind in das Lager feuerten. Manche von ihnen fielen zu Boden, wo sie ausbrannten und schadlos liegen blieben, doch einige trafen das dünne Tuch an den Zelten, die sofort in Flammen aufgingen. Aber die Männer standen bereit, viele Krüge mit Wasser wurden entleert und die Feuer zu löschen und sogleich rannten die jüngeren, kräftigeren mit den leeren Gefäße zum Fluss, um sie neu zu füllen.
Großen Schaden richteten sie kaum an, doch viele der unerfahrenen Jung-Amazonen verfolgten unnötig lange die Flugbahnen der Pfeile, sorgten sich um Gefährte oder Kind und waren so einen Moment lang abgelenkt. Manch eine schaute zu lange. Die nächste Salve der feindlichen Pfeile war direkt auf die Bogenschützinnen auf dem Wall gerichtet. Fast jede vierte wurde getroffen, einige so schwer verwundet, dass sie nicht mehr kämpfen konnten. Drei Amazonen starrten mit leerem Blick in den Himmel. Sie brauchten sich nicht länger zu sorgen.
Jetzt schickte Kaschya die Speerkämpferinnen hinaus. Die Kämpfer prallten aufeinander und bald schon tobte das Chaos. Belinda riss eben ihre Lanze aus dem Wanst eines Zombies und blickte sich suchend nach einem weitern Gegner um, als sie neben sich zweier Jägerinnen gewahr wurde. Wild prallten ihre Speere gegeneinander, beide Gesichter vor Zorn und Wut verzerrt, so dass Belinda kaum erkennen konnte, wer Feind und wer Freund war. Aber sie erkannte beide. Janni und Claudia waren einst Freundinnen gewesen und nun fochten sie verbittert gegeneinander. Plötzlich erstarrten die beiden Frauen, jede den Speer der anderen in der Brust. In einer Farce einer freundschaftlichen Umarmung sanken beide anmutig zu Boden, im Tod wieder vereint. Das machte diesen Kampf so besonders und so entsetzlich: der Feind hatte einen Namen. Sie zogen gegen ihre eigenen Schwestern aus.
Würgend wandte sich Belinda ab und stellte sich einem weiteren Zombie.
Eine kleine Gruppe, der Amazonen, die im Umgang mit dem Schwert geübt waren, bahnte sich unter der Führung Amplisas einen Weg zu den Skelettkriegern, um den Beschuss durch die Brandpfeile zu stoppen. Doch die Gargantuas hatten sich vor die Horde geschart und hieben stumpf und wild auf jeden Angreifer ein. Viel zu spät erkannten die verbliebenen Bogenschützinnen auf dem Wall die Gefahr durch diese fellbedeckten Riesen. Eilig wurden sie unter Beschuss genommen, doch für die Gruppe der Schwertkämpfer kam jede Unterstützung zu spät. Keine kehrte zurück.
Der Boden vor dem Lager verfärbte sich rot, wahre Lachen bildeten sich, auf dem sumpfigen Boden rutschend, versuchten die Verteidiger ihre Stellung zu halten. Wie seltsame Pflanzen schienen verlorene Waffen und abgetrennte Körperteile aus dem blutigen Boden zu wachsen. Blutmoor würde man ihn später hinter vorgehaltener Hand nennen, diesen Teil der Ebene, der so viele stürzende Jägerinnen mit seinen weichen Armen umfing.
Doch die Angreifer hatten den Vorteil des Überraschungsmomentes verloren, nachdem Flavie sie entdeckt hatte. Die Amazonen waren gerüstet und vorbereitet gewesen und so lichteten sich langsam die Reihen der Widersacher, und schließlich wandten sich die letzten verbliebenen Feinde ab und suchten das Heil in der Flucht. Viele Pfeile holten sie jedoch ein und die Speerkämpferinnen setzten ihnen erbarmungslos nach. Sie sollten keine zweite Gelegenheit bekommen, ihre Heimstätte anzugreifen.
Eine junge Jägerin schoss mit tränenüberströmtem Gesicht Pfeil um Pfeil in die Ebene, auch als die letzten Flüchtlinge längst außerhalb ihrer Reichweite war. Sanft und bestimmt nahmen ihr zwei Männer den Bogen aus der Hand und führten sie, beruhigend auf sie einflüsternd, zu einem Ruheplatz.
Mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht wanderte Kaschya durch die Menge. Nun folgte die schrecklichste Aufgabe: sie zählte die Jägerinnen. Aliza, Hannah, Raissa, Elly und Amplisa hatten den Angriff auf die feindlichen Bogenschützen nicht überlebt. Auf den Wällen waren Kundri, Tylena, Annor und Oriana gefallen. Claudia, Basanti und Kyle, Maeko, Diana und die kleine Fio lagen vor dem Tor. Zehn weitere Amazonen waren schwer verwundet, bei dreien von ihnen war es fraglich, ob sie den nächsten Sonnenaufgang erleben würden. Akara! Wo war Akara?
Hastig zuckte Kaschyas Kopf herum, für einen Moment wurde die starre Maske gesprengt und pures Leid stand in ihren Augen. Doch dort hinten stand die Hohepriesterin, beugte sich über eine der Kämpferinnen und kühlte deren Brandverletzung, verteilte Honigwasser und sprach beruhigend auf die Jüngsten ein.
Charsi hatte einen Verband um ihre rechte Hand. Hoffentlich hatte sich ihre einzige Schmiedin nicht ernsthaft verletzt! Einer der jungen Männer, die dem Heiler unterstanden, trat an sie heran. Respektvoll wartete er, bis sie ihre grünen Augen auf ihn richtete. „Sollte ich nicht jetzt Eure Wunde versorgen?“, fragte er leise.
`Was für eine Wunde?´, dachte Kaschya verwundert. Doch dann registrierte sie das dumpfe Pochen aus ihrem linken Arm. Sie schaute an sich herunter. Aus irgendeinem Grund hatte sich ein zweiter Ellenbogen gebildet. `Komisch´, überlegte sie verworren. `Es tut gar nicht weh.´ Sie nickte dem angehenden Medikus zustimmend zu, ließ sich eine Tasse grausam schmeckenden Suds einflößen und zu einem Hocker in einem abgelegenen Zelt führen, wo er sie fest von hinten an den Schultern packte und sie stützte. Ein dazugerufener Mann zog nach kurzem Gespräch fest und gleichmäßig an Ihrem Unterarm. Ein ekeliges Knirschen ertönte, als sich der Knochen wieder einrenkte. Schmerz verspürte die Heerführerin immer noch nicht. Seltsam unbeteiligt betrachtete sie die feinfühligen Finger des Jungen, als er ihr mit sicheren Händen eine Schiene anlegte.
Es war auch unwichtig. Etwas anderes war wichtiger. „Zwölf!“, sagte sie undeutlich.
Der Heiler schaute sie unsicher an. „Was meint Ihr?“
„Zwölf! Sagt Akara, es waren nur zwölf. Wir haben zwölf Jägerinnen verloren.“ Und dann begann die stolze Amazone zu weinen.
Nach einem langen Moment des Schweigens ergriff Jaella das Wort, um die unerträgliche Stille zu vertreiben.
„Was wirst Du tun, wenn wir Cain finden sollten, wenn Du Deinen Eid erfüllt hast?“
Khalid nippte an seinem Becher. „Dann werde ich Andariel aufsuchen und sie vernichten, wie ich es Akara gelobt habe.“
„Und wann?“, bohrte die Amazone weiter. „Wohin wirst Du dann gehen? Wirst Du bei uns bleiben?“
Doch die Vorstellung eines Paladins in der festen Gemeinschaft weiblicher Kriegerinnen führte einen Missklang mit sich, den auch Jaella nicht überhören konnte. Er würde niemals zu ihnen gehören, selbst wenn er seine Glaubensvorstellungen verdrängen könnte.
Khalid sah sie mit umwölkten Augen an, antwortete aber lange nicht.
„Ich weiß es nicht“, sagte er dann leise. „Ich sollte wohl zum Orden der Zakarum zurückkehren, aber... ich weiß es nicht.“
Für einem Augenblick war die Zerrissenheit, die ihn umgab, beinahe spürbar, dann verbarg er seine Gefühle wieder unter der unbewegten Maske. Umständlich das Feuer austretend, wich er den Blicken seiner Gefährtin aus.
Wissend, dass sie heute keine Antworten mehr bekäme, bereitete auch Jaella sich auf den weiteren Marsch nach Tristram vor.
Ohne Zwischenfälle erreichten die beiden am Abend die von Akara beschriebenen Monolithen. Grau und trotzig erhoben sich die stummen Wächter über die weiten Ebenen. Massive Kräfte mussten von Nöten gewesen sein, sie hierher zu transportieren und aufzustellen, oder eine mächtige Magie, denn sie waren beinahe dreimal so hoch wie die Menschen zu ihren Sockeln. Der bittere Zahn der Zeit hatte bereits von ihnen gekostet und wenn sie einst einem bestimmten Zweck gedient hatten, so war dieser schon seit vielen Generationen in Vergessenheit geraten. Jetzt bargen die steinernen Riesen bloß noch das Geheimnis des versteckten Zugangs nach Tristram, das immer nur die jeweilige Hohepriesterin der Schwestern vom verborgenen Auge im nahen Kloster und die Königin der Amazonen in der Stadt kannte.
„Das ist alles, was Akara mir über diesen Ort erzählt hat“, schloss Jaella ihren Bericht.
„Wo ist diese Königin jetzt?“, fragte Khalid interessiert. „Hat sie dazu etwas gesagt?“
Jaella schüttelte den Kopf.
„Nein, ich glaube, sie hat sie versehentlich erwähnt. Vielleicht ist dies ein Wissen, dass Fremden nicht zugänglich ist.“ Und vielleicht war sie, Jaella, immer noch eine Fremde, die nicht ins Vertrauen gezogen werden konnte.
Hinter Khalids gefurchter Stirn arbeitete es heftig. Er öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen und schloss ihn sogleich wieder. Dann drehte er sich weg. „Ja, vielleicht. Egal, lass uns das Portal aktivieren.“
Sie berührten die Monolithen in der angewiesenen Reihenfolge und die eingekerbten Runen leuchteten in fahlem Blau auf. Aus den Tiefen der Erde ertönte ein leises Grollen und unter zuckenden Blitzen öffnete sich ein manngroßer flammender Ring, in dessen Mitte sich undeutlich ein anderer Ort zeigte.
Unsicher schauten sich die Amazone und der Paladin an, uneins darüber, was sich in den Augen des jeweils anderen zeigte. Hier eine Bewunderung des Magiers, der diesen Durchgang geschaffen hatte, dort die anerzogene Ablehnung solch mächtiger Zauberei. Und doch waren sie geeint in einer leisen Furcht, sich dieser Magie anzuvertrauen.
Unwillkürlich streckten sie die Hände nacheinander aus und betraten dann gemeinsam, ohne sich anzusehen, das rote Portal, dass sich schaudernd hinter ihnen schloss.
Sie standen in einem von hohen, altersschwachen Mauern aus unbehauenen Feldsteinen umgebenen Hinterhof. Der Geruch von Verwahrlosung und Verfall stand drückend in der Luft und machte das Atmen zur Qual. Rauchschwaden durchzogen die engen Gassen, die sich zwischen den steinernen Ruinen wanden.
Mit schreckensgeweiteten Augen starrte Jaella auf das Ausmaß der Zerstörung. Wände und Mauern ragten schwefelgeschwärzt aus Asche und Dreck, Reste von verkohlten Dachbalken waren darauf gestürzt, als der Hunger gnadenloser Flammen sie ihrer Stützen beraubten.
Zwischen den Überresten ehemaliger Wohnstätten lagen verschmorte Reste allerlei Gebrauchsgegenstände und Mobiliar. Dann sahen sie auch die Quelle jenes süßlich-fauligen Geruchs: Die Körper der ehemaligen Bewohner dieser Stadt lagen unbeachtet zwischen ihren Mauern. Tristram war vor beinahe zwei Mondzyklen überrannt worden und keiner hatte sich seither der Toten angenommen. Aufgedunsen, angefressen, grotesk lagen sie am Ort ihres Sterbens. Es waren nicht nur Kriegerinnen, sondern auch deren Männer und Kinder. Ein abscheuliches Gemetzel hatte hier statt gefunden.
Mühsam riss sich Jaella von dem Anblick los, sie hatten keine Zeit zum Verweilen, wollten sie sich unbemerkt umsehen.
Doch sie blieben nicht lange unentdeckt.
Ein Pulk von sieben oder acht Skelettkriegern stand ihnen gegenüber, als sie den Hof verließen, vielleicht zwei Dutzend Schritte entfernt. Khalid riss mit wütendem Knurren sein Schwert hervor und wollte auf die Gegner zustürmen, doch Jaellas zugreifende Hand erwischte ihn am Arm.
„Warte. Solange Du nicht unter ihnen bist, kann ich streuen.“
Khalid hatte keine Vorstellung, wovon sie sprach, doch zu seinem eigenen Erstaunen vertraute er blind ihrem Urteil und wartete, ließ die Gegner herankommen.
Im Augenwinkel sah er die Amazone mit rechts zu ihrem Köcher greifen und dann kraftvoll den Bogen spannen. Zwei Pfeile zischten auf die langsam näherkommende Horde zu, einer traf zielgenau in den Schädel eines Skelettes, der andere streifte das daneben gehende nur. Zwei Pfeile?
Ein rascher Blick bestätigte ihm , dass sich hinter ihnen kein weiterer Schütze befand. Er blickte wieder zu Jaella. Mit angespannt konzentriertem Gesicht legte sie bereits wieder an, doch hatte sie den Bogen nicht in der üblichen Haltung, sondern waggerecht vor sich gestreckt. Mit zusammengekniffenen Augen zielte sie an dem Pfeil entlang, den sie fest zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, doch mit den anderen Fingern hielt sie das gefiederte Ende eines weiteren Geschosses. Die Sehne schnellte nach vorne und die Pfeile schossen davon. Der linke fällte wieder eines der Unwesen, und auch der rechte stak diesmal in der Brust eines Skelettes.
Ein drittes Geschosspaar verließ Jaellas Bogen, dann waren die Gegner nur noch wenige Schritte entfernt. Khalid sprang vor seine Gefährtin, ließ das Schwert in seiner Hand kreisen und begann seinen eigenen Kampf. Immer noch surrten Jaellas Pfeile unterstützend heran, doch kamen sie jetzt wieder einzeln und in schnellerer Abfolge. Dank ihrer Vorarbeit war die Anzahl der Angreifer bereits um zwei reduziert, vier weitere waren verletzt und hatten den kraftvollen Schwüngen des Paladins nicht viel entgegenzusetzen.
Kurze Zeit später ruhten Klinge und Sehne und deren Besitzer schauten sich angespannt um. Der Kampf war nicht lautlos vonstatten gegangen, das Brechen von Knochen und die Rufe mussten von den hallenden Gassen weit fort getragen worden sein. Den schnellen Atem mühsam beruhigend lauschten die Kämpfer auf sich nähernde Schritte. Mit dem geschlossenen Hof im Rücken war dies ein guter Platz zum Kämpfen, so konnten sie zumindest nicht von mehreren Seiten angegriffen werden.
Doch die Augenblicke verrannen und kein weiterer Gegner tauchte in den engen Gassen auf. Möglicherweise waren die Echos des Kampfes im Nichts verklungen, oder deren Ursprung war durch die Verzerrung unzähliger Winkel nicht zu entdecken.
Vorsichtig schlichen sie weiter, immer bereit, sofort in Deckung zu gehen, sofort zu kämpfen. Die beginnende Dunkelheit schmiegte sich um sie und half ihnen, sich zu verbergen.
Weiter und weiter huschten sie durch die verheerten Straßen und durch zerborstene Fenster drängten sich ihnen die Bilder der erbarmungslosen Vernichtung der Tristramer Bürger auf.
Tief in Jaellas Brust begann sich das Entsetzten zu regen. Sie drückte es angestrengt beiseite, doch es riss bereits an ihrer Seele und mit jeder weiteren toten Jägerin, die sie passierten, gewann es an Kraft. Ihr Atem wurde immer schneller und schließlich hörte auch Khalid das Wimmern in ihrem Ringen nach Luft. Sie war bleich wie der Tod und nur einen Fingerbreit entfernt, unter dem Schock des Gesehenen zusammenzubrechen. Schnell trat er zu ihr und packte sie an den Schultern, schüttelte sie und sprach drängend auf sie ein.
„Sieh mich an, Jaella! Sofort!“
Ihr wirrer Blick fand seinen und sie wurde ein wenig ruhiger.
„Du darfst sie nicht ansehen, Du kannst ihnen nicht mehr helfen. Aber Du kannst Deinen Verwandten dort hinten in den Ebenen helfen. Hörst Du mich?“
Ihr Blick glitt wieder davon und erneut schüttelte er sie. „Hörst Du mich? Jaella!“
Aus weiter Ferne, gedämpft wie durch ein dickes Kissen, hörte sie ihren Kameraden sprechen, seine Worte blieben unverständliches Gemurmel. Doch die Dringlichkeit in seinen Rufen zog sie langsam in die Wirklichkeit zurück.
„Bitte verzeih“, flüsterte sie. „Es ist alles so schrecklich. Ich wünschte, ich wäre hier gewesen.“
„Dann wärst Du mit ihnen gefallen“, antwortete der Paladin behutsam. „Doch Du lebst, und Du hast die Chance, die Übeltäter zu strafen. Und vielleicht kannst Du einen noch retten: Cain. Wir müssen herausfinden, was mit ihm geschah!“
Das klärte Jaella endgültig den Kopf. Sie nickte langsam. Khalid gab ihr noch einen Moment, um sich zu fangen und so standen sie in absoluter Stille beieinander. Da zuckte der Kopf der Amazone herum.
„Hast Du das gehört?“ wisperte sie aufgeregt.
Auch seine Ohren hatten ein Geräusch aufgefangen. Ein Rufen, aus der schmalen Häuserschlucht, an der sie eben vorübergegangen waren. Es klang menschlich.
Sie einigten sich durch einen schnellen Blick, dann krochen sie sich vorsichtig näher. Das Gackern und Quieken einer Horde Gefallener schwebte heran, und da war es wieder. Zwischen den Lauten hörten sie eindeutig einen anderen Laut, doch nun klang es eher wie der Ruf einer Krähe oder eines Raben.
Die Geräusche wurden lauter als sie sich einer Häuserecke näherten, hinter der ein offener Platz zu sein schien, denn im Gegensatz zu den engen Gassen fielen dort die letzten schwachen Sonnenstrahlen ein. Der Helligkeitsunterschied verbarg die beiden Krieger, als sie aus dem Schatten heraus behutsam um die Ecke blickten.
Khalid schnappte entgeistert nach Luft und Jaella konnte nur knapp einen Aufschrei ersticken. Die kleinen roten Teufelchen und deren Schamane nagten an den Gebeinen eines Toten. Nicht weit von Ihnen ruhte eine Gruppe Gargantuas in den Resten eines Hühnerstalles und sie schnarchten einträchtig.
In der Mitte des Platzes war eine Art Galgen aufgestellt auf dem ein Rabe mit glänzend schwarzem Gefieder saß und ab und zu krächzte. Unter ihm hing an dem Gerüst ein Käfig, kaum groß genug für den darin kauernden Mann. Er war alt, sehr alt, das graue Haar und der lange Bart wucherten ungestutzt und fielen schon auf seine Schultern. Die vor Schmutz starrenden, fadenscheinigen Kleidungsstücke lösten sich teilweise schon auf und waren durch davon abgerissene Fäden notdürftig um den dürren, verkommenen Leib geschnürt.
Augen von elektrisierendem Blau schauten aus dem Dreck und hefteten sich fest an die Ankommenden. Trotz des verwahrlosten Zustandes funkelte wache Intelligenz in ihnen.
„Bitte helft mir!“, rief der Alte leise, doch dieser Aufforderung hatte es nicht bedurft. Jaella hatte bereits den Bogen gespannt. „Erst der Schamane“, flüsterte Khalid seiner Begleiterin zu. „Und dann versuche bitte, möglichst viele der Gargantuas zu verwunden. Sie sind nicht schnell, aber sehr stark, doch hoher Blutverlust schwächt sie.“
Jaella nickte grimmig und zog ein kleines Fläschchen mit breiter Öffnung hervor, in das sie rasch einen Pfeil nach dem anderen steckte, so dass sich eine grüne, schmierige Masse um dessen Spitzen legte.
„Das Gift von Stachelratten“, raunte sie auf Khalids fragenden Blick.
Dann zielte sie sorgfältig hinter der Häuserecke hervor auf den Schamanen und legte alle Gebete hinein. Der Pfeil traf ihr Opfer genau in den Hals, es starb gurgelnd bevor es auch nur einen Feuerball in ihre Richtung hatte werfen können. Dann sprangen die beiden Krieger aus ihrem Versteck, Khalid stürzte sich zunächst auf die kleinen Gefallenen, um Jaellas Schüssen aus dem Weg zu gehen und sie drehte wieder den Bogen quer und jagte die giftigen Geschosspaare auf die schlafenden Gargantuas. Fortuna war ihr gewogen und so trafen beide Pfeile genau in die fellbedeckten Riesen. Sie brüllten und sprangen erstaunlich rasch auf die plumpen Beine, doch die beiden Getroffenen schwankten bereits nach wenigen Schritten in Richtung ihrer Angreiferin und blieben hinter den anderen zurück. Eine zweite Salve erbrachte einen weiteren Volltreffer, doch der zweite Pfeil streifte den Angreifer nur, zu einer dritten Doppelattacke kam sie nicht mehr. Die ersten Gargantuas hatten sie beinahe erreicht und sie entschloss sich zur Flucht. Ungepanzert wie sie war, würde ihr ein einziger Treffer sämtliche Knochen zerschmettern. So sprang sie, den Bogen fest umklammert, über einige Trümmerstücke und rannte quer über den Hof. Khalid hatte in der Zwischenzeit die kleinen Teufelchen überwältigt und wollte ihr eben zur Hilfe kommen, als sie ihn anrief: „Ich lenke die hier ab, erledige inzwischen die anderen!“
Beunruhigt wandte der Paladin sich nun den Untieren zu, die Jaellas Pfeile bereits verletzt hatten, doch ein Teil seiner Aufmerksamkeit richtete er stets auf die flüchtende Amazone. Abgelenkt durch seine Sorge, aber dennoch durch ihre bloße Anwesenheit gestärkt, rammte er dem ersten Gargantua sein Langschwert in den Bauch und trat dann fest gegen dessen Brust, um seine Waffe möglichst schnell aus dem dichten Fell herauszuziehen. Der zweite war durch Blutverlust und Gift bereits so geschwächt, dass er auf allen Vieren im Kreis kroch. Khalid sprang an ihm achtlos vorüber, er war keine Gefahr mehr. Der nächste Gegner hielt ihn eine Weile auf, er war nur gestreift worden und durch den Schmerz noch aggressiver als sonst.
Währenddessen lief Jaella in einem irrwitzigen Zerrbild eines Kinderreigens mit den drei unverletzten Unwesen auf den Fersen im Kreis um den Hof.
Jedes Mal, wenn ihr Vorsprung es ihr erlaubte, wandte sie sich um und schoss mehr oder weniger ungezielt auf die Verfolger. Doch allmählich erlahmten ihre Kräfte und ihre Ausdauer schwand. Langsam geriet sie in Bedrängnis. Dann endlich war Khalid an ihrer Seite und schnellte als Bollwerk zwischen sie und die mächtigen Pranken ihrer Angreifer.
Bebend vor Anstrengung blieb sie einen Moment lang stehen, um nach Luft zu ringen. Sie war kaum mehr in der Lage, den Bogen ruhig zu halten. Doch sie musste ihren Freund unterstützen, denn alleine hatte er gegen drei kaum verletzte Gargantuas keine Chance. Und so raffte sie sich nach einem kurzen Augenblick auf und legte wieder an. Gemeinsam erlegten sie einen der Unwesen.
Immer noch von vier mächtigen Pranken bedrängt, wich Khalid in seiner Verteidigung weiter zurück und auch Jaella rückte mit vorsichtigen Schritten nach hinten, bis sie sich plötzlich in einem Gewirr aus Fell und Gliedmaßen wiederfand und rücklings stürzte. Sie war über den knienden Gargantua gestolpert, der zwar nicht mehr laufen konnte, jedoch nicht wehrlos war. Seiner wichtigsten Waffe durch die Lähmung des Giftes beraubt, riss es sein großes Maul auf und biss der erschrockenen Amazone tief in die linke Schulter. Aufschreiend wand sie sich, bis es ihr gelang, ihren Dolch zu greifen und in die Kehle ihres Widersachers zu stoßen. Khalid wand sich innerlich. Zwar hörte er das Schreien, doch konnte er sich nicht nach Jaella umwenden. Jeder Moment der Unachtsamkeit, würde unweigerlich sein Ende bedeuten. Endlich fand er eine Lücke in den wirbelnden, fellbedeckten Armen und hieb mit einem mächtigen Schlag einem der Wesen den Kopf ab. Dadurch öffnete er zwar für einen Moment die eigene Deckung, doch musste er das Risiko eingehen, wollte er nicht kämpfen, bis schmerzende Muskeln und mangelnder Atem ihn zwangen, sich dem Tod zu ergeben.
Der Lohn für sein Manöver waren ein Gegner weniger und ein gebrochener Schildarm, wo der Hieb des anderen ihn getroffen hatte. Dann – unverhofft – war Jaella bei ihm. Sie hielt ihren kurzen Dolch in der Hand und rammte ihn mit einem Aufschrei dem letzten Ungeheuer ins Genick. Das Wesen fiel wie ein abgeschnittener Gehenkter zu Boden. Jaella sank daneben auf den Boden und rührte sich nicht mehr.
Khalid eilte indes zu dem Galgen und kappte das Seil, das den Käfig dort oben hielt. Vorsichtig ließ er ihn hinab und öffnete das Gefängnis mit einem letzte kraftvollen Streich seines Schwertes.
„Deckard Cain?“, presste er mühsam heraus.
„Der bin ich“, antwortete der Alte. „Wer seid ihr, edler Paladin?“
„Ihr müsst ohne Umschweife in das Lager der Jägerinnen gehen!“, wich Khalid der Frage aus. „Es liegt unweit der Kalten Ebene, an dem alten Wegpunkt am Flusslauf.“
„Ich kenne den Ort“, erwiderte Cain. „Jetzt, da ich diesem mit Flüchen und magischen Barrieren geschützten Käfig entronnen bin, kann ich ein magisches Portal dorthin öffnen, aber ich bin nicht sicher, ob meine Kraft reicht, es für mehr als eine Passage offen zu halten.“
„Dann geht!“, drängte der Paladin. „Sorgt Euch nicht um uns. Wir kommen zurecht, doch die Jägerinnen bedürfen Eurer Hilfe und Eures Rates!“
Ein forschender Blick aus den hellen Augen berührte den Krieger, doch dann wandte sich der Alte ab und rief murmelnd ein Portal herbei, durch das er mit gebeugten Gliedern humpelte. Es schloss sich sogleich hinter seinem Rücken und Khalid schleppte sich mit letzter Kraft zu seiner Gefährtin zurück.
Er packte die Regungslose bei den Armen und zog sie durch den zerborstenen Eingang eines Hauses in dessen Schatten. Es mochte kein gutes Versteck sein, doch waren sie zumindest vor zufällig vorbeikommenden Augen sicher. Allerdings bezweifelte der Paladin, dass selbst ein zufällig Vorbeikommender die Flucht Cains übersehen würde. Und bei der folgenden Suche, würde man die beiden entkräfteten Krieger sicher finden. Doch er hatte keine Wahl, er würde die besinnungslose Kameradin nicht bis zum geheimen Ausgang tragen können, er konnte sich ja selber kaum auf den Beinen halten. Vollkommen erschöpft warf er sich neben sie, er fand nicht einmal die Kraft seine Selbstheilung zu aktivieren. Er schlief ein.
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Insidias