So, sry, dass es wieder so lange gedauert hat, aber dafür kommt das nächste up dann auch umso schneller. Ursprünglich waren 19 und 20 ein Kapitel, aber das sprengte dann doch den Rahmen...
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Kapitel 19: zu Dritt unterwegs
Der Frühnebel hing noch in den Senken und das Gras glitzerte im ersten Raureif, als Jaella von Khalid geweckt wurde. Sie kroch aus ihrem Reisezelt und zitterte in der kühlen Luft, und suchte als erstes die Gegend nach dem Druiden ab.
„Wo steckt unser neuer Freund?“, fragte sie leise ihren Gefährten, der ihren Blicken gefolgt war.
„Ich weiß es nicht. Er ist vor einiger Zeit aufgebrochen und ich habe seither weder ihn, noch eines seiner Tiere gesehen.“
Khalid entflammte das Feuer neu, um seiner Gefährtin einen Tee zu kochen, die sich sorgfältig die Stiefel schnürte und danach das flache Zelt einrollte und verstaute.
Lächelnd nahm sie Khalid den Becher mit dem heißen Getränk ab und wärmte ihre klammen Finger.
„So langsam beginnt dann doch die Jahreszeit, in der man lieber am heimischen Feuer sitzt und Geschichten erzählt“, kommentierte Khalid.
„Ja, das kann ich nachvollziehen. In Lut Gholein wird es tagsüber niemals richtig kalt, es ist eigentlich das ganze Jahr über Sommer mit unerträglicher Hitze. Was würde ich nun für die Glut in der Wüste geben!“, spottete Jaella über sich selbst.
In diesem Moment strich der Wolf an ihr vorbei. Überrascht schrak sie zusammen und schalt sich in Gedanken selber. Ebenso lautlos hatte sich der Waldläufer genähert, zwei fette Birkenhühner hingen an seinem Gürtel.
„Wenn Ihr mich nicht Wache halten lasst, werde ich eben das Jagen übernehmen“, grinste er.
Neugierig besah sich Jaella die toten Vögel.
„Keine Spuren einer Verletzung, außer einem sauberen Genickbruch. Habt Ihr eine Falle aufgestellt?“ Sie war höchst interessiert nach welchen Methoden die Druiden wohl jagten, kannte sie selber nur das Fallenstellen aus ihrer Heimatgegend und die Jagd mit Pfeil und Bogen, wie die Amazonen es taten.
„Wollen wir nicht unterwegs über verschiedene Jagdmethoden diskutieren?“, mischte sich Khalid ein, und erleichtert wandte sich der Waldläufer ab. Beinahe hatte er einen riesigen Fehler gemacht, er nahm sich vor, in Zukunft besser aufzupassen, damit er nicht allzu viel über sich verriet.
Nach einem hastigen Frühstück brachen sie auf. Khalid setzte sich, wie selbstverständlich, an die Spitzte ihres Trecks, Jaella ging an seiner Seite. Der Waldläufer folgte den beiden in ein paar Schritten Abstand, damit er nicht in die Verlegenheit kam, von der Amazone über die Jagd auf die beiden Hühner ausgefragt zu werden, bevor er sich eine passende Antwort zurechtgelegt hatte. Der Wolf blieb meist in seiner Nähe, hielt jedoch ab und zu zum Schnüffeln oder verschwand auch gelegentlich ganz.
Jaella hatte sich noch immer nicht an das lautlose Auftauchen des Tieres gewöhnt und zuckte jedes Mal zusammen, doch im Laufe des Tages gewöhnte sie sich langsam an sein Kommen und Gehen. Der Paladin allerdings warf immer finstere Blicke auf ihren tierischen Begleiter.
Die Sonne stand noch nicht lange am Himmel, als Catulo die beiden Gefährten einholte.
„Hinter den Hügeln da vorne sammeln sich irgendwelche Kreaturen. Ich denke, es sind hauptsächlich Untote.“
Besorgt runzelte Khalid die Stirn. „Können wir ihnen ausweichen?“
„Ich denke nicht, die Senke ist riesig und es ein Tagesmarsch sie zu umgehen.“
„Dann ist es an der Zeit, dass Ihr Euren Wert beweist. Jaella, wir brauchen Akaras Fläschchen.“
Doch die Amazone hatte bereits nach dem giftigen Gemisch gekramt. Sie schüttete einige Tropfen in ihren Köcher, stellte ihn dann auf den Boden und füllte ihn dann eine Handbreit mit klarem Wasser. Die Flüssigkeit umschloss so alle Pfeilspitzen, und auch wenn der Sud nach kurzer Zeit aus dem undichten Behälter in die Erde floss, waren ihre Geschosse dennoch mit einer ausreichenden Menge benetzt.
Daneben tränkte sie noch ein kleines Tuch mit der grünen Flüssigkeit und rieb die blanke Klinge ihres Dolches und Khalids Langschwertes damit ab.
Unterdessen legte sich Khalid die vollständige Rüstung nebst Helm an und kniete dann kurz nieder, um den Beistand der Götter zu erbitten. Doch er tat dies schweren Herzens, jetzt würde sich wohl zeigen, ob sie ihn noch begleiteten.
Der Druide hatte sich dem Wolf zugewandt und redete in seiner weichen, schwingenden Heimatsprache auf ihn ein. Aufmerksam das gesunde Ohr gespitzt lauschte das Tier, gleich so als würde es sich die Anweisungen einprägen, die sein Herr ihm gab. Der Rabe hatte sich wieder in die Lüfte geschwungen und kreiste über der Ebene.
Die Amazone trat an den Waldläufer heran. „Nutzt Ihr Stichwaffen? Ich möchte Euch anbieten, sie hiermit zu vergiften.“ Sie hielt das Tuch mit den grünen Schlieren in der ausgestreckten Hand.
Sowohl die grünen, als auch die bernsteinfarbenen Augen wandten sich ihr zu. „Das ist freundlich von Euch, doch ich nutze im Nahkampf nur eine stumpfe Waffe und ich möchte ungern die Zähne meines Wolfes vergiften.“
Seine höflichen Worte täuschten jedoch kaum darüber hinweg, dass er Gift verabscheute. Es war eine feige Waffe, die nur von feigen Menschen eingesetzt wurde. Doch in dieser Schlacht kämpfte auch der Feind unfair, daher mochte es hier angehen. Im Stillen hoffte der Druide allerdings, er würde nie erleben, wie die stolze Amazone ihre Waffen vor einem Kampf gegen einen anderen Menschen vergiftete.
Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, liefen die vier Kameraden über die Hügelkuppe in die Senke hinein. Von allen Seiten stürmten die Gegner auf sie ein.
Es waren hauptsächlich Skelettkrieger und Zombies, weiter hinten begannen auch eine Handvoll Gargantuas auf die Gruppe zuzustapfen. Die größte Bedrohung ging allerdings von einigen feindlichen Skelett-Bogenschützen aus, die einen wahren Pfeilhagel auf die Gefährten sandten.
Khalid hob sein Schild und warf sich brüllend vor seine Gefährtin, die bereits den Bogen angelegt hatte und unermüdlich in schneller Abfolge Pfeil auf Pfeil in die Gegnerschar fliegen ließ.
Mit einem furchterregenden Grollen sprang der Wolf an ihnen vorbei in die Menge und biss wild um sich.
Catulo richtete die Arme gegen die Feinde und begann mit tiefer Stimme seine Beschwörungen. Er vermochte die Kräfte der Natur anzuzapfen und sie sich bis zu einem gewissen Grade nutzbar zu machen. Bald bildetet sich an den Stellen, wo die feindlichen Bogenschützen sich versammelt hatten, kleinere Windwirbel, bliesen Staub in deren Augen und nahmen ihnen so die Sicht oder ließ Steine und andere Trümmer gegen die morschen Knochen krachen, die teilweise allein durch die Wucht brachen. Die übrigen sahen sich bald dem schwarzen Wolf gegenüber, der sich rasch bis zu ihnen durchgekämpft hatte. Seiner Wut hatten sie nichts entgegenzusetzen.
Auch der Rabe blieb nicht untätig. Mit kräftigen Flügelschlägen segelte er auf die Gargantuas zu und hackte nach deren Augen. Die wenig intelligenten Riesen hieben wütend brüllend nach dem Vogel und verschafften den Menschen damit genug Zeit, sich erst den anderen Bedrohungen zuwenden zu können. Wenigen Momente herrschte Chaos, dann begannen die Kameraden sich die Stärken des anderen zunutze zu machen und stimmten sich besser auf einender ab.
Jaella war wie im Rausch. Sie achtete kaum noch auf ihre Umgebung. Sie sah nur den Pfeil an der Sehne und den nächsten Gegner. Wohl hatte sie bemerkt, dass sich Khalid von ihr entfernt hatte, nachdem sie den Schutz vor den gegnerischen Geschossen durch seinen Schild nicht mehr benötigte, doch wo er kämpfte, blieb ihr verborgen. Sie achtete auch nicht auf den Druiden hinter sich und seine heiseren Beschwörungen, sie hatte lediglich ein Auge auf dem Wolf, der wild in der Gegnerschar hin- und herlief, damit sie ihn nicht versehentlich traf. Im Stillen notierte sie, den Waldläufer zu bitten, den Wolf möglichst an einer Stelle zu halten, damit er nicht in ihren Schuss sprang.
Doch auch Catulo hatte die Gefahr bereits erkannt und rief mit heller Stimme einige unbekannte Worte in die Menge. Der Wolf reagierte sofort und begab sich mit langen Sätzen in die Nähe des Paladin, um ihm den Rücken zu schützen.
Sie waren ein seltsames Gespann. Der blonde Hüne, der das lange Schwert wirbeln ließ, und der schwarze Schatten. Zunächst fühlte sich Khalid gestört durch die Anwesenheit des Wolfes, rechnete er doch beinahe damit, im nächsten Moment dessen scharfe Zähne in seinem Genick zu fühlen. Doch im Laufe der Schlacht, begann er den vierbeinigen Helfer ein wenig zu schätzen. Bald schon kämpften sie einhellig Seite an Seite.
Als sich die Schar der Gegner bereits stark gelichtet hatte, ging der Amazone die Munition aus. Eben noch hatte sie bei jedem Griff über die Schulter das fedrige Ende eines Pfeil gespürt und ihn rasch gepackt, und auf einmal griff sie mit verblüfftem Gesicht ins Leere.
Ihren Ersatzköcher hatte sie gedankenlos bei dem Gepäck gelassen. Sie schalt sich rasch für Ihre Dummheit und hörte beinahe Kaschyas gehässige Stimme in ihrem Ohr.
Sie wandte sich rasch um und wollte ihn holen, als ihr Blick auf den Druiden fiel, der unablässig seine Beschwörungsformeln murmelte. Sein Gesicht war starr und blass vor Anstrengung, das traf auf sie selber bestimmt auch zu. Doch seine Augen lenkten ihren Blick auf sich. Der smaragdgrüne Schimmer war verschwunden, ebenso wie jegliches Weiß. Die Augen hatten ein leuchtendes Gelbbraun angenommen, in dessen Mitte die schwarze Pupille geradezu glühte. Als sie ein zweites Mal schauen wollte, hatte ein Windhauch allerdings die schwarzen Haare so vor sein Gesicht geweht, dass sie nichts mehr erkennen konnte. Schulterzuckend tat sie ihre Beobachtung ab. Das angestrengte Zielen auf die Feinde hatte ihre Augen wohl mehr ermüdet, als sie gedacht hatte. Eilig griff sie ihren zweiten Köcher, schnallte ihn um, und begann erneut mit dem Schießen.
Endlich fiel auch der letzte Gargantua unter den kräftigen Hieben des Paladins. Schwer atmend standen die Menschen da und schauten nach Verwundungen.
Jaella war unverletzt geblieben, ebenso wie der Druide, doch sie sah sorgenvoll, dass Khalid humpelte und seine linke Gesichtshälfte vollkommen blutverschmiert war. Eilig legte sie ihren Bogen ab und rannte auf ihren Kameraden zu.
Der winkte lächelnd ab, als er die Besorgnis in ihrer Miene sah. „Halb so wild!“, rief er ihr entgegen. „Das ist nichts, was ich nicht selber wieder richten könnte.“
Trotz seiner munteren Worte sah sie den Schmerz in seinen Augen und nahm ihm den schweren Schild ab. Sie gingen zu dem angelegten Gepäck zurück, bei dem der Druide inzwischen in Windeseile ein Feuer entfacht und sich zitternd in eine schwere Decke eingewickelt hatte, das blasse Gesicht hinter dem schwarzem Haar verborgen.
Jaella setzte hastig den mit Wasser gefüllten Kessel in die Flammen, damit sie alle etwas Heißes zu trinken bekämen.
Vorsichtig näherte sie sich dann dem Waldläufer und sprach ihn leise an.
„Seid Ihr verletzt, Catulo?“
Langsam hob der Angesprochene den Blick. „Nein, Jaella, aber ich habe meine Kräfte schon lange nicht mehr eingesetzt. Ich brauche nur Ruhe.“ Auf einmal sah er sich hastig um. „Habt Ihr den Wolf gesehen?“
Jaella schrak hoch. An das Tier hatte sie gar nicht mehr gedacht. „Ich gehe ihn suchen“, sagte sie mit fester Stimme. Als sie sich aufrichtete, schoss die Hand des Druiden unter der Decke hervor und packte sie am Arm.
„Berührt ihn nicht, wenn er verletzt ist“, flüsterte er heiser. „Wenn er Schmerz empfindet, wird er selbst Euch anfallen, wenn Ihr ihm zu Nahe kommt.“ Einen Moment lang hielten sie den Blick des jeweils anderen, dann wandte sich die Amazone entschlossen ab und stapfte wieder in Richtung der Senke.
Schon wenige Schritte hinter der Hügelkuppe hatte sie den Wolf gefunden. Er lag schwer hechelnd auf der Seite, außer ein paar kleineren Kratzern sah sie jedoch keine äußeren Verwundungen. Sie bedachte die Worte des Waldläufers und hockte sich in einiger Entfernung zu dem Tier hin und rief es leise an. Der stattliche Wolf öffnete die gelben Augen und schenkte ihr einen langen Blick, dann winselte er leise und versuchte auf die Beine zu kommen.
„Nein, ist schon gut, bleib liegen, ich hole Hilfe“, sprach Jaella in beruhigendem Tonfall auf das Tier ein.
Doch dessen ungeachtet richtete sich der Wolf mühsam auf und stand schließlich schwankend auf drei Beinen vor ihr, die linke Hinterpfote bis unter den Bauch hochgezogen.
Vorsichtig machte die Amazone einen Schritt zurück in Richtung der Gefährten. Zittrig folgte ihr der Wolf.
Langsam näherten sich die beiden der Hügelkuppe und schließlich konnte Jaella die beiden Männer sehen. „Catulo, Eurer Wolf ist verletzt!“, rief sie.
Trotz seiner Schwäche waren Aufspringen und zu der Amazone Laufen für den Druiden nur eine Sache von wenigen Lidschlägen. Der Wolf jaulte leise, als er seinen Vertrauten sah. Dieser bückte sich, hob das Tier vorsichtig auf und trug es, unter der Last schwankend, zum Lager. Dort legte er den Wolf ans Feuer und begann Kopf und Rumpf abzutasten.
Unterdessen ging Jaella zu dem Paladin der eben dabei war, seine eigenen Verletzungen zu versorgen.
„Kannst Du etwas für den Wolf tun, Khalid?“
Erstaunt blickte der Angesprochene die Amazone an. „Es ist nur ein Tier, das wird schon wieder“, entgegnete er.
Auf Jaellas fassungslosen Blick beeilte er sich hinzuzufügen: „Ich kann meine Kräfte nicht einmal bei fremden Menschen sicher steuern, von dem Körper eines Wolfes weiß ich gar nichts. Ich habe keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte. Außerdem würde er mich sicher nicht nahe genug an sich heranlassen, so dass ich ihn berühren könnte.“
Wenngleich Jaella klar war, dass diese Ausflüchte dem Paladin ganz Recht kamen, begriff sie doch die Wahrheit hinter seinen Worten. Sie erinnerte sich selber noch zu gut, an den Schock bei ihrer ersten Begegnung mit Khalids Heilungsfähigkeiten. Sie selber vertraute dem Mann und wusste, dass er ihr nichts Böses wollte, nur so hatte sie die seltsame Berührung ertragen. Der Paladin lehnte den Wolf eindeutig ab und dieses Gefühl beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Voller Schmerzen würde das Tier sicher nach dem Mann beißen, wenn er das Gefühl bekäme bedroht zu werden.
Hilflos musste die Amazone zusehen, wie der vierbeinige Helfer litt und konnte nichts tun.
Schließlich richtete sich der Waldläufer auf und beendete seine Untersuchung. „Ich denke nicht, dass er innere Blutungen hat. Vermutlich hat er einige heftige Schläge abbekommen und hat sich die Rippen und den Lauf geprellt. Er braucht nur Ruhe und Wärme. Wenn Ihr erlaubt, werde ich ihm von unserem Essen etwas abgeben, er kann jetzt nicht selber jagen gehen.“
Khalid, der den anklagenden Blick Jaellas immer noch vor Augen hatte, beeilte sich dem zuzustimmen, und so beschlossen sie, die Reise für heute zu unterbrechen. Obgleich es grade mal Mittag war, schlugen sie ihr Lager auf und ruhten sich von den Strapazen der Schlacht aus.
Stockend kam eine Unterhaltung in Gange, als Jaella den Waldläufer nach seinem Volk fragte.
Er schenkte ihr einen langen, undeutbaren Blick und antwortete ausweichend:
„Unsere Völker waren einander einst nicht unähnlich. Die Amazonen lebten wie wir im Einklang mit der Natur, ehrten und respektierten sie. Doch vor einigen Jahren begannen sie, die Natur auszubeuten. Sie töteten der Felle wegen mehr Tiere als sie aßen, und vertrieben Wolf und Bär beinahe ganz aus diesen Ebenen.“ Anklage lag in seiner Stimme.
„Ich wuchs nicht bei meinem Volk auf, doch es gab gewiss einen Grund“, verteidigte Jaella die Jägerinnen.
„Ihr seid bestimmt die Tochter von Rexina?“, fragte der Waldläufer. „Ihr habt ihre Augen.“
„Ihr kanntet meine Mutter?“, fuhr die junge Jägerin hoch.
„Ich war damals noch ein Kind, doch ich erinnere mich gut an sie“, begann Catulo, bevor er mit einem raschen Seitenblick eine unwillkürliche, abwehrende Geste des Paladins bemerkte. „Ihr seid so schön, wie sie es damals war.“
„Was könnt Ihr mir über sie erzählen? Ich weiß fast nichts über sie“, fragte Jaella begierig. Khalid saß hinter ihr, daher bemerkte sie nicht das eindringliche Kopfschütteln ihres Gefährten. Der Druide jedoch sah es, und da der geradezu flehende Blick des Paladins das erste Mal nicht nur Ablehnung, sondern eine menschliche Regung beinhaltete, beschloss Catulo sich für den Moment zu fügen.
„Es ist lange her“, antwortete er ausweichend. „Aber sie war ein guter Mensch. Ich werde nun einige Heilkräuter suchen gehen.“ Mit diesen Worten erhob er sich und verschwand im Halbdunkel zwischen den Bäumen und ließ eine etwas enttäuschte Amazone zurück.
Es tat ihm leid, dass er sie zurückgewiesen hatte, doch die Dankbarkeit im Blick des großen Mannes war es wert gewesen. Catulo nahm sich vor, möglichst bald herauszufinden, was genau das Mädchen nicht erfahren sollte.
Die Gelegenheit ergab sich schon recht bald, als Jaella am Nachmittag loszog, um wenigstens einige ihrer versprengten Pfeile wieder einzusammeln. Deren Herstellung war mühsam und zeitraubend, daher lohnte sich die Suche.
Khalid nähte einen Riss in seinem Hemd, als der Schatten des Druiden über ihn fiel.
Ohne Umschweife begann Catulo: „Was sollte sie nicht erfahren, Khalid? Welche Wahrheit soll ihr verborgen bleiben?“
Der Paladin sah nicht einmal auf. „Das ist nicht Eure Sache. Haltet Euch einfach da raus.“
Nun sank der Waldläufer in einer geschmeidigen Bewegung in die Hocke und starrte den Krieger durchdringend an.
„Was ist sie für Euch, Paladin, Eure Braut? Ich glaube nicht, dass ich Euch ihr Lager habe teilen sehen. Welche Rechte habt Ihr an ihr?“
Khalid knirschte mit den Zähnen „Ich habe das Recht sie zu beschützen.“
„Ich denke, es ist ihre Entscheidung, vor was oder wem sie beschützt werden will. Wir sind Reisegefährten, ob Ihr meine Gegenwart nun zu schätzen wisst, oder nicht, und wir sollten versuchen, mit einander auszukommen. Ich werde sie nicht anlügen, nur weil Euch irgendetwas unangenehm ist. Gebt mir einen nachvollziehbaren Grund, dann werde ich schweigen.“
Der Verlauf des Gespräches erinnerte Khalid sehr an die Unterhaltung, die er mit Akara über das selbe Thema geführt hatte. Unwillkürlich begannen sich seine Züge zu entspannen, und ein leichtes Lächeln erwärmte seine Augen.
Catulo sah dies mit Erleichterung. Es war schwer, sich das Vertrauen des Paladins zu erarbeiten, gerade für einen wie ihn, und er wollte ungern eine Auseinandersetzung riskieren.
Khalid sah sich rasch um, ob er die Amazone erblicken konnte und legte dann die verhasste Handarbeit zur Seite.
„Ihr wisst vermutlich, welche Stellung Rexina bei den Amazonen hatte.“
„Das ist mir bekannt.“
„Nun, Jaella weiß es nicht.“
Der Druide sah ihn aufmerksam mit hochgezogener Augenbraue an und wartete, dass der Paladin fortfuhr.
„Ihre wahre Herkunft muss zunächst verschleiert bleiben. Ihr Volk wird sie wohl aufgrund ihres Geburtsrechtes zur Königin machen, wenn wir erfolgreich zurückkehren, aber sie soll die freie Wahl haben, ob sie überhaupt bei ihnen bleiben will. Sie wuchs bei einem vollkommen anderen Volk, bei einfachen Leuten auf, sie hat keine Vorstellung, was sie erwarten könnte. Sie kennt weder die Traditionen der Amazonen, noch hat sie gelernt zu führen. Sie muss erst selber wissen, was sie will, bevor sie eine so große Verantwortung auf ihre Schultern lädt.“
Der Waldläufer nickte. „Ihr habt gute Absichten, Khalid. Das ehrt Euch. Doch seid Euch darüber im Klaren, dass ihr sie nicht vor allem schützen könnt. Und macht Euch bewusst, ob Ihr sie die eigene Wahl treffen lassen wollt, oder ob sie Eure Wahl treffen soll. Ich werde schweigen, wie Ihr es wünscht, doch ich rate Euch, sie nicht zu lange im Ungewissen zu lassen.“
Damit wollte er sich erheben, doch Khalid hielt ihn noch zurück.
„Ich ... danke Euch, Catulo.“ Diese Worte fielen dem stolzen Paladin sichtlich schwer. „Ihr und Euer Wolf habt Euch vorhin gut geschlagen.“
Gerne nahm der Druide die ihm angebotene Hand und drückte sie fest. Dann zog er sich, den Moment des Waffenstillstandes genießend, zu dem Wolf zurück.
Jaella war eben den Weg zum Lager zurückgekommen und hatte die Geste gesehen. Sie freute sich, dass sich die beiden Gefährten anscheinend aneinander gewöhnt hatten.
Die folgende Nachtwache teilten sie durch drei, auch wenn der Waldläufer anhand der Atemgeräusche unzweifelhaft feststellen konnte, dass der Paladin nur vorgab zu schlafen.
Aber es war immerhin ein Anfang.
Insidias