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Trang-Ouls Triumph [Ich denke, also bin ich: Teil 5]

WOW! Sehr gute Geschichte. Hast du mal daran gedacht für die Perry Rhodan Hefte zu schreiben? Ich lese ja gerne SciFi, aber eigentlich hab ich ja auf ein neues Kapitel gehoft.
 
Jetzt muss ich grad mal anfragen, ob es heute noch ein update geben wird?

mfg
 
Stimmt, heut ist ja Sonntag...

Ausnahmsweise hat es was gebracht, zu meckern, sonst hätt ichs glatt vergessen :D.

Kommt in fünf Minuten oder so. Viel Spaß im Voraus!

Simon
 
Kapitel 4 – Feinde


Für einen Augenblick bin ich wie erstarrt. Verdammt, er weiß es! Wie ist er darauf gekommen?
Das ist jetzt egal, wobei ich mir sicher bin, dass es deine Schuld ist. Leg den Kopf schief! Tu so, als wüsstest du nicht, was er von dir will! Und um des Meisters Willen, überlass mir den Rest!
Ich folge, immer noch geschockt. Meister Valtores wird strenger. "Verstell dich nicht. Dein Meister glaubt, so viel über Golems zu wissen, als hätte er sie erfunden. Und wenn man bedenkt, von wem er es wohl gelernt hat, ist das gar nicht so unfalsch. Du willst mir nicht sagen, dass du nur ein willenloses Werkzeug bist? Dann würde er mich schwer enttäuschen."
Appeliert an unseren Stolz auf ihn? Soll mir Recht sein, da bin ich immun. Hm...das sollte eine sichere Geste sein.
Der Zweite zuckt mit den Schultern. Meister Valtores lächelt wie ein Raubvogel. "Zeig dich nicht unkooperativ, weil ich hier deutlich am längeren Hebel sitze."
Er tritt einen Schritt zurück. "Weißt du, wo die Quartiere der Novizen sind?"
Nicken.
"Woher?"
Verdammt!
Was erwartet er als Antwort? Ein weiteres Schulterzucken bekommt er.
"Prinzipiell egal, Golem. Ich befehle dir, gehe dorthin und töte deinen Meister."
Das kann nicht sein ernst sein! Zweiter, was...
Den Gedanken hätte er sich besser überlegen sollen.
Der Zweite fährt Klauen aus den Armen aus. Nein, warte...!
"Keine gute Idee", spottet Valtores. Plötzlich ist sein Golem da, den ich komplett vergessen hatte, und er ist schnell. Mit ganz offensichtlich peinlichst genau einstudierten Hieben trennt er uns eine Hand ab, entzieht uns mit einem Fußfeger den Halt, und bevor der Zweite etwas tun kann, landet sein Fuß in unserer Mitte, verspritzt Ton. Geschwächt versucht der Zweite einen Angriff, scheitert kläglich, und wir werden hochgehoben, an die Wand gedrückt, und plötzlich landet eine Faust mitten in unserem Kopf, von der Brust eingeführt. Valtores hebt unseren Arm auf und wirft ihn seinem Golem zu, der ihn ohne hinzusehen auffängt und uns wieder anklebt.
"Wieder ruhig? Du bist nicht einfach zu vernichten, aber wenn mein Golem jetzt seine Finger ausstreckt, fliegt dein Kopf in alle Richtungen auseinander, und ich bin mir sicher, das genügt. Den Beweis, dass ihr beide von Anfang an versucht hat, mich zu betrügen, ist jetzt ja geliefert. Also, arbeite mit mir zusammen, weil das Schicksal deines Meisters jetzt ganz allein daran hängt, was du mir zu sagen hast. Keine Lügen mehr. Du kannst natürlich auch reden, oder?"
Verdammt, was erzählen wir ihm jetzt...der Meister hat damit nichts zu tun, wir arbeiten auf eigene Faust, oder wir bieten ihm ein paar unwichtige Geheimnisse an, oder...
Zweiter, aus. Er hat uns durchschaut. Hast du ihm nicht zugehört? Wenn er denkt, dass wir ihn noch einmal hinters Licht führen wollen, tötet er den Meister ohne mit der Wimper zu zucken, wie er schon die ganze Zeit vorhatte. Wir lügen ihn nicht mehr an.
"Ja, kann ich."
"Gut", sagt er, zufrieden, aber nicht überheblich. Der Meister hätte sich an seiner Stelle innerlich auf die Schulter geklopft für seinen scharfen Verstand, der mich enttarnte. "Wie wenig musst du mir wirklich gehorchen? Überhaupt nicht, nehme ich an?"
"Nein." Und dann, weil ich möchte, dass er sieht, dass ich kein Interesse daran habe, mich groß zu sperren, erzähle ich ihm auch gleich, welchen Trick wir angewendet haben. Er nickt, und ich ignoriere die Proteste des Zweiten. "Unsubtil, aber effektiv. Keine neue Idee, natürlich, aber deswegen habe ich dich ja beobachten lassen."
Wieder mustert er mich, als läge ich seziert vor ihm auf einem Labortisch. "Wenn es dennoch etwas gibt, das ich wissen sollte, dann sag es mir jetzt. Immer noch im Interesse deines Meisters."
Ich schüttle den Kopf. "Es war nur als Rückversicherung gedacht."
"Soso", sagt er spitz, was er gerne tut. "Warum hast du mich gerade angegriffen?"
Weil der Zweite ein überaggressiver Soziopath ist...mann, das würde deutlich mehr Fragen aufwerfen.
"Ihr wolltet meinen Meister töten..."
Das reicht nicht! Sag...äh...du hast gemerkt, dass du ohnehin schon zu lange gezögert hast, den Befehl auszuführen, und hattest keine große Wahl.
Notgedrungen lüge ich. Valtores akzeptiert das. "Also hast du nicht grundsätzlich vor, mich zu töten?"
"Nein. Das wäre auch sehr dumm. Es war wirklich nur eine Affekthandlung und tut mir Leid."
"Soso. Mein Golem wird dich jetzt freilassen. Ich bin gewillt, dir soweit Vertrauen zu schenken, weil ich mich gerne unter zivilen Bedingungen unterhalte. Glaub nur nicht, dass du deswegen etwas wagen kannst."
"Fiele mir im Traum nicht ein."
"Nicht, dass du träumen könntest."
Das entlockt mir ein freudloses Lächeln, gut sichtbar, nachdem mein Kopf jetzt frei ist. "Oh, wenn Ihr wüsstet."
Valtores hebt die Augenbraue, und sieht seinen Golem kurz an. Der nickt. Was die zweite Braue auch in die Höhe wandern lässt. "Siehst du, schon hat sich das Gespräch als fruchtbar erwiesen. Aber das ist jetzt nicht so wichtig."
Er legt die Fingerspitzen aufeinander. "Ihr beide bringt mich hier in eine schwierige Lage, ist dir das klar? Ich sehe ja durchaus das Potential in deinem Meister. Und er hatte überzeugende Argumente sowie ein wirklich interessantes – wenngleich höchst gefährliches – Gastgeschenk. Deswegen habe ich meine Hand für ihn ins Feuer gelegt. Und so dankt ihr es mir. Was, wenn das einer der Meister erfährt, die dafür waren, ihn gleich sang- und klanglos um die Ecke zu bringen? Unabhängig davon...warum sollte ich das nicht selbst erledigen jetzt?"
Mit knapper Geste weist er auf den Folianten, der, zum Glück unbefleckt, auf dem Podest liegt.
"Da du ja auch offenbar nicht mit dem Buch in ständigen Kontakt sein musst – und gerade nicht bist – habt ihr zumindest in dieser Richtung kein Argument mehr, nicht wahr?"
Verdammt verdammt verdammt! Und wer ist diesmal schuld daran?
Es ist sicher nicht meine Schuld, dass er überhaupt darauf gekommen ist! Und was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?
Nicht wie ein wilder Hammel auf ihn losgehen? Schnell antworte ich Valtores, damit die Pause nicht auffällig wird.
"Offenbar kann man Euch nicht erpressen, nein. Aber warum habt Ihr denn jetzt Interesse, Euch mit mir zu unterhalten? Wenn es keinen Grund mehr gibt, meinen Meister am Leben zu lassen, was wollt Ihr dann mit einem Golem besprechen, der die ganze Zeit schon Pläne schmieden könnte, Euch doch irgendwie zu töten?"
Nicht, dass das zumindest in meinem Fall nicht zutreffen würde, aber du weißt schon, dass es eine gewisse Grenze bei der Kooperation gibt, ja?
"Nicht, dass das der Fall wäre", füge ich hastig hinzu.
"Soso. Nein, dafür bist du zu schlau. Was mich, gelinde gesagt, etwas überrascht. Nennen wir es zunächst rein wissenschaftliches Interesse. Wie kommt es, dass ein sicherlich nicht allzu alter Golem ein so hohes Niveau geistiger Fähigkeiten besitzt?"
Ich runzle die Stirn. "Ist das ungewöhnlich? Ich habe nicht allzuviel Vergleich. Denken wie jetzt konnte ich eigentlich seit meiner Erschaffung."
Valtores sieht seinen eigenen Golem scharf an, der beinahe unmerklich mit dem Kopf schüttelt. Ist er etwa auch...
"Und dein Meister hat dies erkannt und gefördert?"
"Wir hatten ein paar...Anfangsschwierigkeiten. Aber jetzt kommen wir sehr gut miteinander aus."
Der alte Nekromant legt die Fingerspitzen aneinander. "Du würdest also sagen, dass du mehr bist als sein Diener?"
"Er ist mein Freund", antworte ich ohne zu zögern. Was meinen Gegenüber schnauben lässt. "Eine Aussage, für die dich manch anderer sofort vernichten wollen würde. Du magst ganz gut denken können, aber etwas naiv bist du schon."
"Was ist mit Eurem Golem? Ich wette, er ist auch mehr als nur ein willenloses Werkzeug."
"Ganz so dumm ist er wirklich nicht", antwortet – der Golem. Was mich nicht wirklich überrascht. Warum sonst hätte Valtores sofort annehmen sollen, dass ich reden kann? Aber, wenn das für einen Meister kein Geheimnis ist...wieso kann Ingkrias' Golem es dann nicht, im Gegenteil, fand es zunächst sogar verwerflich?
Es überrascht dich vielleicht nicht, aber ich muss sagen, dass er hier völlig unbekümmert unzählige Tabus auf einmal bricht, finde ich mehr als nur ein wenig seltsam. Er hat den Novizen immerhin selbst beigebracht, dass Golems keine Persönlichkeit haben – weiß es aber offensichtlich besser!
Himmel, du hast Recht. Valtores sieht seinen Golem wieder kurz an, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob in dem Blick Verärgerung liegt; wie zwischen dem Meister und mir kann der andere darin sicher unglaublich viel mehr lesen als ein Außenstehender. Dann wendet sich der Totenbeschwörer wieder an mich. "Zugegebenermaßen. Du wirst wirklich immer interessanter. Es wäre eine Schande, dich vernichten zu müssen. Meine Entscheidung ist aber noch nicht getroffen. Was wollen du und dein Meister wirklich hier?"
Wenn du jetzt die Wahrheit sagst, ist er tot.
Denkst du?
Ja, verdammt! Jetzt überlass mir das, ich hab mir schon was überlegt.
Der Zweite darf sprechen: "Die Hölle hat ihn berührt. Sie haben seine Seele für sich beansprucht. Aber er hat etwas sehr Wichtiges gelernt: Sie können noch so sehr ihre Krallen nach ihm ausstrecken, aber letztlich kommt es darauf an, was er glaubt. Denn alle Seelen sind nur dort unten, weil sie tief im Inneren davon überzeugt sind, in die Hölle zu gehören. Auch auf Ewigkeit bestraft werden nur die, deren Taten besonders schwer auf ihrem Gewissen lasten. Das bedeutet, wenn er nur in der Lage wäre, aus tiefstem Herzen zu glauben, nach dem Tod als neuer Mensch wiedergeboren zu werden, zurück im Kreislauf zu landen, reingewaschen von seiner Vergangenheit, könnte er so die Hölle überlisten."
Valtores verschränkt die Arme.
"Das klingt abstrus."
Stimmt aber...bis auf die Schlussfolgerung.
Ich habe von den Größten gelernt.
Es gehört schon eine Menge Pragmatismus dazu, sich den Techniken des Herrn der Lügen selbst zu bedienen. Ja, dafür bist du genau der Richtige. Red nur weiter, ich mach mir hier nicht den Mund schmutzig.
Dumm bist du nicht, aber was die Naivität angeht, hat er den Nagel auf den Kopf getroffen.
"Die Idee deines Meisters, meine ich", spricht Valtores nach kurzer Pause weiter. "Von der Theorie der Selbstverurteilung habe ich schon gehört. Sie liefert eine sehr gute Erklärung für das Paradox, dass Seelen unbestreitbar in Himmel und Hölle landen, unsere Philosophie aber zweifelsohne ebenfalls richtig ist. Habt ihr euch das selbst überlegt?"
"Einerseits, aber wir haben es mehr oder minder bestätigt bekommen, unter anderem von Azmodan."
"Und wer sind wir, das Wort des Herrn der Sünde anzuzweifeln?", beweist Valtores Sarkasmus von beeindruckender Trockenheit. "Aber gut, absolute Sicherheit wird hier wohl nie herrschen, ist auch nicht zu erwarten. Dennoch, dass dein Meister sich vorstellt, einfach so seinen Glauben ändern zu können..."
"Hättet Ihr eine bessere Idee? Wir mussten Belial da unten zurücklassen, er übernimmt gerade die Macht. Er will den General als Untergebenen. Ist bereit, bis zu dessen Tod zu warten. Und sich sicher, dass er ihn danach für immer in seiner Macht haben wird. Der Meister hat sowohl Motivation genug, alles zu versuchen, als auch lange genug Zeit, sich gegenteilige Überzeugungen in die Seele zu brennen."
"Das könnte wirklich ein ganzes Leben dauern. Sicherlich Jahrzehnte ständiger Arbeit an sich selbst."
"Und wie lange wird er hier noch ausgebildet werden? Und wie lange danach werdet Ihr ihn dann noch dabehalten wollen?"
Das bringt Valtores kurz zum Überlegen. Danach wirft er ein: "Und was ist mit Baal?"
"Die Welt ist voller Helden. Soll der Himmel sich einen solchen suchen, uns hat er schwer enttäuscht. Und abgesehen davon, es ist nun nicht ohne Risiko, ein Großes Übel zu jagen. Wenn der Meister jetzt stirbt, gehört er sicher Belial. Ein wenig egoistisch denkt er da auch, aber das hat er, meiner Meinung nach, mehr als verdient."
Unser Gesprächspartner entspannt die verschränkten Arme. "Er gibt sich also sozusagen bei uns in Klausur, seinen Körper in Geiselhaft, um seine Seele so zu formen, dass sie der Hölle entkommt."
Er nickt. "Ein Opfer, das man respektieren kann. Ich verstehe. Und nebenbei lernt er tatsächlich noch eine Menge neuer Fertigkeiten und erweitert seine Macht. Richtig?"
Der Zweite versucht, unschuldig zu blicken. Versuchs gar nicht erst, das liegt dir nicht.
Egal. Die Spannung ist weg. Ich habe ihn.
"Na ja..."
Valtores winkt ab. "Schon gut. Auch das ist verständlich. Solange er sich eher früher als später klar wird, dass die Suche nach Macht um der Macht Willen dem eigentlichen Sinn seines Aufenthalts hier komplett entgegen läuft."
"Ja, die stetige Suche nach der Freiheit von Verlangen..."
"Wenn du das schon weißt, ist der erste Schritt ja schon getan."
"Aber", wirft plötzlich der Blutgolem ein, "woher weißt du das eigentlich?"
Oh. Der ist auch nicht blöd.
Das ist schnell gerettet.
"Ihr hattet bei unserer ersten Begegnung etwas in dieser Richtung erwähnt."
Valtores sieht seinen Golem an.
"Habe ich?", fragt er. Nur kurz muss der Angesprochene überlegen. "'Etwas in dieser Richtung' trifft es ganz gut."
"Soso. Das besprechen wir später. Dann habe ich meine Entscheidung vorerst getroffen. Dein Meister darf leben, bis auf Weiteres. Was das allerdings angeht, eine wichtige Sache. Hast du auf irgendwelche Weise Kontakt mit ihm, Golem?"
Halt! Sag es ihm nicht!
Aber...
Unsere letzte Trumpfkarte, die verspielst du nicht!
Was, wenn es ein Test ist? Wenn er es weiß? Er weiß schon so viel!
Er weiß es nicht. Sonst hätte er nicht schon dem Meister das Leben versprochen. Wenn du es nicht über dein weiches Herz bringst, mache ich es eben, aber lüg. Ihn. An.
...dann tu du das, kann ich dich wenigstens auslachen, wenn wir daran sterben.
Der Zweite lügt. Valtores gibt uns wieder diesen Blick...dann nickt er.
"Na schön. Solltest du hingegen doch – wider Erwarten – eine Möglichkeit finden, dann wäre es vielleicht keine schlechte Idee, ihn wissen zu lassen, dass es sehr gefährlich sein kann, seine Mitnovizen zu viel von Dingen zu erzählen, die sie eigentlich noch nicht wissen sollten. Nicht unbedingt für sie...er scheint sich ja auf Spielereien zu beschränken...aber für ihn. Weil nicht jeder hier meiner Meinung zu gewissen Dingen ist."
Moment. Woher weiß er das?
Ich bin mir sicher, dass Hunradil zum Beispiel ein wenig übereifrig im Unterricht war zuletzt...es würde schon auffallen, dass er deutlich Nachhilfe vom Meister bekommt.
Und mehr. Dass sich das nur auf 'Spielereien' beschränkt, woher soll Valtores das auch aus einem vagen Verdacht ableiten?
Sicher...
Sicher hat ihm das jemand gesteckt. Und wenn ich welches hätte, würde ich mein ganzes Geld darauf verwetten, dass Dostrian es war. Sieht so aus, als müsste ich dich freisprechen. Es war wohl doch nicht irgendwie deine Schuld, dass wir enttarnt wurden. Diese steife Ratte hat uns verraten.
Aber...er ist doch ein Freund...
Es gibt wirklich diese Grenze, wo Naivität in reine Dummheit übergeht. Gratuliere, du hast sie soeben zum ich weiß nicht wievielten Mal überschritten.
"Ich werde es mir merken", gibt der Zweite endlich Antwort. Valtores muss jetzt überklar sein, dass wir ihn belogen haben. Aber er lässt sich das zumindest nicht direkt anmerken. Um die Spannung zu zerstreuen, rede ich gleich weiter.
"Erstreckt sich diese Meinung denn auch auf die Behandlung von Golems?"
Dabei sehe ich bewusst nicht den Menschen an. Das Ziel meines Blicks grinst dünn, was mir alles sagt. Gut so, weil sich dessen Meister unkooperativ zeigt: "Ich denke, das ist nicht ein Thema, das wir heute anschneiden müssen. Zunächst werde ich mich einmal ungezwungen mit deinem Meister unterhalten müssen, und feststellen, ob er die Ziele, die du mir heute genannt hast, wirklich mit der geschilderten Hingabe verfolgt. Wenn das ein fruchtbares Gespräch wird, können wir uns gerne weiter unterhalten. Wenn nicht...vielleicht auch."
"Ich hoffe...", setzt der Zweite an, aber ich finde nicht heraus, welche leere Floskel er vorbereitet hat, weil Valtores ihn unterbricht. "Ich habe eine Aufgabe für dich. Offiziell hat dieses Gespräch natürlich nie stattgefunden, und dir ist hoffentlich klar, dass kein anderer Totenbeschwörer auch nur den Verdacht bekommen darf, dass du nicht völlig unter meine Kontrolle stehst, geschweige denn denken oder gar reden kannst? Dachte ich mir. Du wirst mit meinem Golem, der wie üblich hier die Nacht verbringen wird, die nächsten...sagen wir, zwanzig Seiten, oder wo eben ein sinniger Schluss ist, durchlesen, von da wo ich letztes mal aufgehört habe. Schreibt ein Protokoll dafür, damit es aussieht, als hätte ich die letzte Zeit und vielleicht noch eine halbe Stunde länger damit zugebracht, hier die Geheime Kunst zu studieren. Abgesehen über dessen Inhalt werdet ihr über keine weiteren Dinge reden. Verstanden?"
Wir nicken gleichzeitig.
"Dann kommt Fratella morgen früh hoffentlich pünktlich, du wirst mich dann bei der normalen Beschwörungslektion finden", erklärt Meister Valtores seinem Golem. "Ist jemand auf dem Gang?"
Der Blutgolem hört in die Stille hinein, dann verneint er. Sein Meister nickt und geht.
Hm. Das hätte schlechter laufen können. Ich glaube, er ist wirklich ziemlich anständig.
Warum hat er dann so viel zu verbergen?
Weil Leute wie Ingkrias das auch tun, und weniger vernünftige Ziele haben?
Als wüsstest du seine Ziele.
Er gestattet seinem Golem ein Leben. Mehr muss ich nicht wissen.
"Also, dann legen wir mal los...", murmele ich, als ich zur entsprechenden Seite blättere. Die leider weiter vorne liegt als die noch offene mit der Beschreibung der Seelenwanderung...und der wahren Macht von Trang-Oul. Solange wir diesen Wachhund haben, werden wir nicht weiter lesen können. Ärgerlich! Er ist auch, erwartungsgemäß, seinem Meister treu, und blockt jegliche Kommunikationsversuche, sobald wir fertig gearbeitet haben.
Der Meister schläft wie ein Stein.
Braucht er auch, nach dem Tag. Ich bin dagegen, ihn zu wecken.
Aber morgen erfährt er es als erstes.
Das ist klar.
"Eine Partie Schach?", frage ich unschuldig, aber Meister Valtores' Golem schaut mich nur böse an.
"Komm schon, wir reden ja über nichts. Wir spielen nur. Du darfst auch schwarz sein und anfangen."
Seine angedeuteten Augenbrauen heben sich. Dann zuckt er mit den Schultern. "Das scheinen ja interessante Regeln zu sein, nach denen du spielst. Na schön. Ich bin schwarz..."
Ich wusste, dass schwarz nicht beginnt!
Ach, das meinte er sicher nicht...
Wir spielen einige Partien. Kurz vor Sonnenaufgang hören wir zu spielen auf, um keine Entdeckung zu riskieren; auch, wenn wir uns die Züge nur zuflüstern, könnte es ja zufällig jemand hören, und wir wollen kein unnötiges Risiko eingehen. Bis dahin haben der Zweite und ich es zusammen geschafft, ihm immerhin zwei Remis abzuringen. Er ist gut.
Bah, ich bin nur eingerostet. Keine wirklichen Gegner bisher.

Ich gewinne gut ein Drittel gegen dich.
Weil du von mir gelernt hast! Ist es jetzt schon Morgen?
Eine Viertelstunde hat er noch, bevor wir ihn wecken sollten...
Die werden wir brauchen, um ihm alles zu erzählen.
Ich stimme zu, also richte ich den Fokus wieder auf unseren Homunkulus-Körper in der winzigen Novizenkammer, um den Meister sanft...
Es klopft an der Tür.
Was denn jetzt?
Ich weiß nicht, aber es ist wirklich früh. Gefällt mir gar nicht. Verdammt! Wir verstecken uns, während der Meister hochfährt, für einen Moment verschlafen die Tür anstarrt, dann das Laken hochrafft und sich so weit weg vom Eingang stellt, wie er kann.
"Herein?"
Langsam öffnet sich die Tür, und herein schleicht, verstohlen – Lixt. Der Meister lässt das Laken etwas sinken, das er wohl auf einen möglichen Angreifer geworfen hätte, dann hebt er es verlegen wieder.
"Oh. Morgen. Äh, was treibt dich hierher?"
Ich klettere auf den Tisch und begrüße sie gekünstelt fröhlich – mit ihr hier können wir dem Meister natürlich nicht erzählen, was in der Nacht passiert ist! Ernte immerhin ein ehrliches Lächeln.
"Ich wollte dich nur um etwas bitten", haucht sie. "Ich habe heute einen Meditationstag; soll in mich gehen und versuchen, endlich einen wortlosen Zauber zu schaffen. Aber dank dir und deiner Idee mit den Runenwörtern hab ich das schon! Nur muss ich jetzt natürlich trotzdem den Tag einsam herumsitzen und darf erst heute Abend die frohe Botschaft verkünden..."
So viel habe ich sie noch gar nicht auf einmal reden hören. Der Meister blickt etwas hilflos drein.
"Das tut mir Leid für dich. Äh, aber ich kann dir nicht wirklich Gesellschaft leisten oder so, heute wird ein langer Tag..."
Sie kichert ganz kurz und glockenhell. "Ach, Nef, das wollte ich doch gar nicht...nicht, dass es schlimm wäre, oder so..."
Von einen Kopf kleiner sieht sie ihn breit grinsend an. "Nein, ich hätte gehofft, dass mir dein Golem gegen die Langeweile helfen könnte!"
Der Meister sieht mich an, mit plötzlich aufkeimender Panik im Blick.
"Äh, der Golem...", stammelt er, aber sie redet hastig weiter.
"Er kann ja schreiben, nicht? Dann könnte ich mich so mit ihm unterhalten. Papier hab ich genug. Ach, bitte. Ich sterbe sonst so ganz allein!"
Von mir zu ihr wandern die Augen des Meisters. Lixts sind zum Glück gerade ganz groß und auf ihren Mitnovizen gerichtet, sodass ich heftig den Kopf schütteln kann. Aber ich weiß schon, dass er gerade nicht daran denkt, dass ich ihm vielleicht etwas Wichtiges zu sagen habe. Sondern daran, dass er mit fliegenden Fahnen durch das Fluchtestat fallen wird, wenn ich ihm nicht einflüstere. Oder dass Lixt verdammt süß aussehen kann, wenn sie das will. Und sie ihn vielleicht auch gerade an eine andere kurzhaarige Frau erinnert.
"Hm. Ja", bringt er schließlich hervor. "Das wollen wir natürlich...nicht. In Ordnung. Für heute. Niemand darf ihn sehen. Ich weiß nicht, wann ich fertig bin, kleb ihn vielleicht einfach gegen meine Tür dann."
"Oh super, du bist ein Schatz!", quiekt sie und umarmt ihn kurz. Ihm fliegen fast die Augen aus dem Kopf. Der Arme. Aber wenn er wüsste, wie ungünstig das jetzt wirklich ist...
Dann muss er es heute Abend erfahren...dennoch, alles andere als gut. Wir hätten ihn doch wecken sollen!
Da waren wir uns ausnahmsweise einmal einig, das kannst du nicht auf mich schieben.
"Ich passe auf, ganz ehrlich", versichert sie ihn, der sich abwesend das Bettlaken glättet. Ihr Hand landet neben mir. "Ist das auch in Ordnung für dich, hm?"
Was soll ich tun? Alles andere außer enthusiastischem Nicken würde endlose und für alle Seiten wenig befriedigende Erklärungen erfordern. Also tue ich es, und sie grinst mich an, fordert mich zum Aufsteigen an und steckt mich dann sanft in eine Tasche.
"Viel Erfolg heute!", flüstert sie dann im Gehen, nachdem sie schnell nachgesehen hat, ob der Gang frei ist; vermutlich würde es ein paar Augenbrauen heben, wenn eine weibliche Novizin frühmorgens aus dem Zimmer eines männlichen kommt...
Kurz darauf, in mein Schicksal gefügt – und auf der Habenseite wird mir wenigstens auch nicht langweilig bei Ingkrias' fürchterlich trockenem Fluchunterricht – kommen wir in Lixts Zimmer an. Es ist quasi nicht von dem des Meisters zu unterscheiden, und entgegen einer seltsamen Erwartung, die ich hatte, besitzt sie ebenfalls keinen Spiegel. Warum auch? Sie schließt die Tür fest hinter sich; es ist stockdunkel, aber sie weiß genau, wo alles ist. Ihr Golem, in einer Ecke wartend, ist keinen Zentimeter größer als sie; ich denke aber nicht, dass sie andernfalls paradoxe Neidgefühle entwickeln würde. Nein, so oft Hunradil auch versucht, sie damit aufzuziehen, Lixt hat absolut keine Probleme damit, sogar für eine junge Frau ziemlich klein zu sein, sie sieht das als Vorteil. Ungefragt setzt sich ihr Golem nun in Bewegung, um die Öllampe anzuzünden; Lixt hört die Bewegung und hebt eine Hand. "Gerade nicht, Golanthe. Muss ja noch für den ganzen Tag reichen."
Obwohl wir Golems prinzipiell natürlich kein Geschlecht haben, würde ich jeden Golem eines weiblichen Totenbeschwörers auch instinktiv als "weiblich" betrachten. Lixt geht noch weiter und hat ihr sogar einen Namen gegeben. Sie weiß, dass er nicht besonders einfallsreich ist, verteidigt sich aber damit, dass es zumindest nicht "Gola" ist – ihr erster Einfall – und meint, dass es eigentlich logisch ist, wie sonst soll man seinen eigenen Golem aus einer Menge rufen? Dass der oder die entsprechende den jeweiligen Meister sicher an der Stimme erkennen würde, ist ein Argument, das bei Lixt auf taube Ohren stößt.
"Nun guck mal, ich hab jemanden mitgebracht", teilt sie Golanthe mit und hebt mich auf den Tisch. "Ich dachte, das ist am besten so."
Huh?
Auch ihr Golem wirkt recht überrascht...oder ist es etwas anderes? Fast wäre mir die Frage herausgerutscht, was sie damit meint. So bin ich dankbar, dass sie mich ohnehin nicht sehen kann, sonst müsste mir überlegen, wie ich reagiere.
Die Golem-Tante kann uns sehen.
Wie spaßig, bist du ganz allein auf den Witz gekommen? Aber ja, du hast Recht, wirkt das höflich verwirrt genug.
Du bist ein geborener Mime.
"Sooo, Golem...ich würde gerne über ein paar Dinge mit dir reden", beginnt Lixt. Sie blickt kurz nach Worten suchen an die niedrige Decke. "Ja...und Golanthe sicher auch."
Oh.
Oh-oh.
"Du hast die Arme ganz schön verwirrt. Mensch, das klingt komisch. Aber wie soll ich es sonst ausdrücken? Ich hatte ja schon die ganze Zeit Bammel, dass ich etwas fürchterlich falsch gemacht hätte bei ihrer Beschwörung, beim Gehorsam-Zaubern. Diese kleinen Momente. Aber neulich, vor drei Tagen war das, nein, da muss ich sie nur ansehen, und irgendwas ist anders, ganz sicher, es geht ihr schlecht und das sollte so nicht sein."
Sie beugt sich zu mir, mit großer Ernsthaftigkeit in den Augen. "Verbringe ich Stunden, um irgendwie das Problem herauszufinden. Ich weiß nicht, hätte ich Angst haben sollen? Weil sie mir vielleicht gar nicht perfekt gehorcht, gleich wahnsinnig werden könnte und mich umzubringen versuchen? Hab ich überhaupt nicht drangedacht. Sie hat mir nur Leid getan."
In ihr stecken ja unglaublich viele Worte, wenn man sie mal privat erwischt.
Ha, und sie hatte mich fast soweit, dass ich es ihr abnehme. Die Stillen, die die Gefährlichen sind, genau. Sie verstellt sich nur. Nutzt ihre Größe und sagt nie was, um nicht aufzufallen. In Wirklichkeit redet sie extrem gerne.
Und dieses Verstellen, dass sie das die ganze Zeit sogar vor ihren Freunden durchzieht, das macht sie harmlos im Vergleich zu jemand, der vielleicht nur introvertiert ist?
Nein, ich meine damit, sie ist nicht gefährlich, sondern tödlich.
Vielleicht finden wir auch heraus, warum sie es tut, und es ist völlig harmlos.
Ununterbrochen sprudelt Lixt weiter. "Dass das auch ein komischer Gedanke war, ist mir auch nicht gekommen. Da hast sicher du mir geholfen. Immerhin hast du ja auch eine Persönlichkeit, und wenn es dir einmal schlecht geht, sorgt sich Nef ja auch garantiert um dich, oder?"
Sie lächelt in die Dunkelheit. "Kneif mir einfach in den Daumen für ja, in den Zeigefinger für nein." Na schön, ich kneife, Daumen, fest.
"Au! Ja, dachte ich mir. Ein ganz netter Kerl, dein Meister, die alten Weißköpfe spinnen doch, aber sags ihnen nicht...oh, und ihm auch nicht", kichert sie. Dafür bekommt sie ein sanfteres Kneifen.
"Aber zurück zu Golanthe! Ich hab nicht locker gelassen, und endlich bring ich sie dazu, ein wenig aus ihr herauszugehen. Gibt sie endlich zu, dass sie schreiben kann, und legt mir ein paar saubere Druckbuchstaben aufs Papier. Hat mich jetzt doch ein wenig überrascht. Ein wenig dann auch Angst gemacht. Aber irgendwie hat es mich auch gefreut, weil ich endlich wusste, in Ordnung, mein Fehler, sie hat freien Willen, und es tut mir unendlich Leid, aber das Kind ist in den Brunnen gefallen..."
Sie sammelt sich kurz. "Dann ging es relativ schnell, aber so viel Freizeit hab ich jetzt auch wieder nicht, und ich will ja auch noch was lernen, nicht, dass es mir nicht wichtig gewesen wäre, im Gegenteil, aber ich musste ja ohnehin auf eine Gelegenheit warten, und jetzt ist sie hier, na ja..."
Jetzt kommts.
"Stimmt es also, dass du wirklich sprechen kannst?"
Ich hoffe, du hast nichts dagegen?
Der Auftrag des Meisters lief so oder so auf diesen Moment heraus, ich bin mir nur sicher, dass er das gerne in der Rune groß aufgedeckt hätte. Aber ja, sag es ihr. Sie scheint auf bestem Weg, dass wir ihren Golem auch bald zum Reden bringen, und dann geht es erst richtig los.
Ja, für den Plan bin ich wirklich stolz auf den General...
"Ja, das ist richtig."
Sie gibt ein spitzes Quieken von sich. "Wahnsinn! Du hast ja seine Stimme!"
Ich zucke mit den Schultern...was sie nicht sieht. "Schien mir am einfachsten", sage ich also. "Kann ich mir aussuchen", fahre ich in ihrer Stimme fort. Das bringt sie zum Kichern. "Das ist ja lustig! Unglaublich...Moment, sollte das ich sein?"
"Ja?"
"Klingt ja gar nicht so übel, wie ich dachte. Mensch, ist das irre. Rede ich mit einem Golem, der meine Stimme nachmachen kann."
"Ich kann auch wieder normal sprechen", beschwichtige ich hastig. Sie lächelt. "Ist wahrscheinlich besser. Himmel. Wie hat Nef das geschafft?"
"Das sagt er dir am besten selbst, denke ich..."
"Hast du Recht." Sie fasst sich an die Nasenspitze. "Also hast du wirklich mit Golanthe gesprochen und sie komplett aus dem Konzept gebracht. Ich war mir ungefähr einen Tag lang nicht sicher, ob ich dafür nicht verdammt böse sein sollte auf dich und Nef, oder war das nur deine Idee?"
Statt zu antworten, kneife ich ihren Zeigefinger, was sie offenbar amüsiert. "Ha, natürlich. Aber mir ist dann...klar geworden, dass du nicht diese...nennen wir es ruhig weiter Verwirrung...in ihr hättest wecken können, wenn sie von vorneherein willenlos gewesen wäre. Wie gesagt, da muss ich wirklich Unfug gebaut haben!"
Wieder findet meine kleine Hand die Kuppe ihres Zeigefingers. "Lixt, ich denke nicht, dass es auch nur einen Golem auf der ganzen Welt gibt, der nicht zumindest einen Funken Persönlichkeit in sich trägt, wenn auch begraben unter Jahren der bedingungslosen Knechtschaft."
Das lässt sie ganz traurig blicken. "Das wäre ja fürchterlich. Aber natürlich denkst du das, Nef ist ja der gleichen Überzeugung. Ich weiß nur nicht, ob euer Beispiel gleich zeigt, dass alles falsch ist, was die Meister uns beibringen!"
Ich überlege kurz, ob ich das preisgeben soll, dann ohrfeige ich mich innerlich. Ich fange schon an, wie der Zweite zu denken. Lixt ist doch niemand, vor dem ich bewusst Informationen fernhalten sollte, um dann später damit Vorteile erpressen zu können oder so etwas. Dieses ständige Lügen und Betrügen ist nicht mal ansatzweise etwas für mich.
Als ob du eine Wahl hättest.
"Glaubst du, dass Dostrian einen Fehler machen würde beim Beschwören seines Golems?", frage ich sie also. Lixt hebt theatralisch eine Augenbraue. "Der? Er ist ein schlimmerer Streber als ich. Er wird die Sache schon Wochen vorher minutiös geübt haben, wieder und wieder. Und sein HelKoThulEthFal natürlich auch."
"Sein Golem hat aber eine Persönlichkeit, Lixt. Ich habe vor diesen drei Tagen mit Golanthe und ihm gleichzeitig geredet, am Eingang zur Halle, erinnerst du dich?"
Ihre Augen weiten sich. "Dostrians Golem? Niemals. Woran machst du das fest?"
Hm...
Sag es, sag es. Das könnte köstlich werden.
Überzeugt mich nicht wirklich, aber Lixt immerhin sicher. "Dostrian ist doch so stolz darauf, dass er seinen Golem nur mit Gedanken befehlen kann...stimmt gar nicht. Der macht das freiwillig, weil er seinen Meister so gut unterstützen möchte, wie er kann. Habe ich vermutet, und er hat mir zugestimmt."
"Ich glaubs nicht." Sie lässt sich in ihrem Stuhl zurückfallen. "Das wenn ich ihm sage..."
Zeigefinger. "Ah! Gut, vielleicht behalte ich es erst einmal für mich. Bei Licht betrachtet wäre es auch ein klein wenig gemein..."
"Sehr gemein."
"Hm, ja. Er ist doch so stolz darauf. Ha! Jetzt belehrt mich ein Golem, was anständig ist und was nicht. Aber weißt du was? Mich kann heute auch nichts mehr schocken. Hast du eben das Herz am rechten Fleck. Und wenn es noch so aus Ton ist."
Sie stupst mich an, Hüfte statt Brust, es ist ja immer noch dunkel, aber ich weiß schon, wie es gemeint war. Ein warmes Gefühl breitet sich von ihrem Ziel aus.
Lixt setzt sich jetzt wieder näher an den Tisch. "Jetzt wäre ein wenig Licht nicht schlecht, glaube ich. Wärst du so gut?", fragt sie Golanthe, welche der Bitte nachkommt. Im schummrigen Schein der Öllampe stützt sich die junge Novizin auf die Ellenbogen und legt das Kinn in die zarten Hände, um auf Augenhöhe mit mir zu reden.
"Ich habe leider keinen zweiten Stuhl für dich, meine Liebe...aber fühl dich mit eingebunden, ja? Also, Golem...hm, nein, das ist nicht in Ordnung. Wie nenne ich dich?"
"Golem nicht gut?", kann ich darauf nur lahm zurückfragen. Sie schüttelt vehement den Kopf.
"Erst hat Nef keinen wirklichen Namen, dann du nicht, was ist denn mit euch los. Du bist – he, langsam gewöhne ich mich daran – eine echte, eigene Person, ich werde dich doch nicht weiter 'Golem' nennen...hm..."
Von Kopf bis Fuß erfüllt mich kribbelnde Spannung. Was ist los – es ist doch nur ein Name...oder freut es mich wirklich so sehr, dass sie fast sofort akzeptiert hat, dass ich ichbin, und nicht "nur" ein Golem? Mehr noch als der Meister?
Sie schlägt frustriert mit der Faust auf den Tisch, ich bin fast versucht auszuweichen. "Verdammt, ich bin grauenvoll mit Namen. Es gibt keine guten männlichen, die mit Go- anfangen, und sonst fallen mir einfach keine ein."
Ich bin gleichzeitig enttäuscht und erleichtert. Was wäre gewesen, wenn ich ihren Namen schlecht gefunden hätte? Könnte mich überhaupt ein Wort denn plötzlich beschreiben, nachdem ich so lange einfach nur "Golem" war? Sanft tätschle ich ihren Finger. "Ist nicht so schlimm. Bleib doch derweil einfach bei 'Golem'. Es stört mich wirklich nicht."
Ihre Augen bekommen ein Funkeln. "Sicher komme ich noch auf was Gutes, warte nur!", flüstert sie aufgeregt. "Aber genug erst mal. Erzähl mir von dir, und Golanthe auch! Ich glaube, sie interessiert es wahrscheinlich mehr als mich...und sie mag dich wirklich!"
Ich sehe den stummen Golem der privat so energetischen Frau an. Ihr Tonkopf nickt eindringlich, und die kruden Lippen formen ein Lächeln. Irgendwie...ist mir das unangenehm.
Haha, jetzt weißt du, wie der Meister sich fühlt, wenn Lixt ihn anhimmelt.
Aus meiner Verwirrung heraus handle ich exakt falsch, um sie zu bekämpfen: ich beginne, zu reden. "Äh...freut mich...wirklich! Aber, was...wollt ihr denn genau hören?"
Lixt sieht ihren Golen an, dann wieder zu mir und zuckt die Schultern. "Wie war es denn, als du erschaffen wurdest, war dir gleich klar, dass du einen eigenen Willen hast?"
"Nun...", beginne ich, und verliere mich nahezu sofort in meinen Worten. Noch nie hatte ich Gelegenheit, jemanden meine Geschichte zu erzählen, und schon gar nicht einer Zuhörerin wie Golanthe, für die es persönlich sehr wichtig sein muss. Meine Geburt...die sofortige Ergebenheit dem Meister gegenüber, aber diese ständig nagende Stimme des Zweifels, die, wie ich jetzt weiß, der Zweite war.
Nein.
Was?
Warum sollte ich dir Rebellion einflüstern? Das widerspricht allem, woran ich glaube, und das weißt du.
Für einen Moment stockt meine Erzählung, gerade, als ich schildere, wie das Gefühl unbegrenzter Macht von der Erde um den Inifuss-Baum mich die Kontrolle verlieren ließ. Das warst nicht du? Aber warum auch? Du hast Recht, passt überhaupt nicht zu dir.
"War das eine so schlimme Sache für dich?", fragt Lixt besorgt. Ich fange mich wieder. "Nun...auch, wenn es nur verrückt gewordene Monster waren, es hat mich trotzdem angewidert, was ich, übermächtig, mit dem fliehenden Baumkopf Holzfaust und seinen Dienern angestellt habe. Das wollte ich nicht sein, eine grausame Mordmaschine, ich hatte es immer gewusst, aber in diesem Moment wurde es mir überdeutlich klar..."
Und so rede ich weiter. Die späte Erkenntnis des Meisters, dass ich tatsächlich denken und fühlen kann. Seine langsame Akzeptanz des Faktes, und wie er mich als Ansprechpartner und Stütze gewann. Meine Überzeugung, dass was ich besitze echtes Leben ist, nicht weniger wert als das eines Menschen. Der schreckliche Kampf gegen Andariel, Kaschyas Tod, und mein eigener, endgültig geglaubter. Die freudige Wiedererweckung, als reiner Zufall, gerade als der Meister seinem Leben ein Ende setzen wollte. Unser gemeinsamer Weg zurück zu seinen Wurzeln, durch ein Band des Blutes gezwungen, unser Leid zu teilen, mehr aufeinander aufzupassen. Das Geschenk der Sprache. Der Fluch des Gehorsams. Höhen und Tiefen unserer Beziehung in Krieg und Frieden, Katzen, Würmer, Schlangen, bis wir einander eingestehen mussten, dass uns mehr verbindet als ein Verhältnis von Meister zu Diener. Ich verschweige seine Sünden, die Morde an Kaelan und Griez, den Verlust Prathams durch seinen Übereifer. Grundsätzlich bemüht der Zweite sich sehr, dass ich nicht zu viel über den Meister preisgebe. Soll mir Recht sein; es geht hier nur um mich. Diesen Egoismus erlaube ich mir.
Duriel fällt. Ich spüre mit dem Meister die Verbitterung über die verwehrte Anerkennung, als Baals Flucht offenkundig wird. Die Ankunft in Kurast, die Niederlage durch Diablo, verlorene Wochen, die schwere Zeit als gefühllose Metallhülle, mit dem Meister im Fieber. Natalya bleibt unser Geheimnis. Oder sollte ich Lixt doch von ihr erzählen, damit der Meister sich nicht mehr so unwohl fühlen muss, wenn die Mitnovizin ihm Komplimente macht?
Das lässt du schön bleiben, und nicht nur, weil ich es köstlich finde.
Na gut. Der verfluchte Dschungel. Ein gemeinsamer, nicht näher benannter "Freund". Blindes Vertrauen zueinander, das uns den Hass überwinden lässt, der andere zerfrisst. Verrat durch Isenhart. Marius, der irgendwie an allem schuld ist. Der Triumph über Mephisto. Danach gibt es nicht mehr viel zu sagen; wir waren in der Hölle. Wir haben unzählige Dämonen getötet. Ich erwähne die Feuerform am Rande, ein letztlich gescheitertes Experiment; der Meister und ich hatten unsere Meinungsverschiedenheiten, aber wir halten zusammen, nach allem, was wir erlebt haben. Zu viel, was im Inferno passiert ist, ist persönlich. Ich ende mit unserer Ankunft in den Hallen von Rathma.
Ah, endlich fertig? Du solltest dir ansehen, wie sich Fratella fleißig Notizen über die Giftexplosion macht, eine selten nutzlose Technik. Ist spannender als dein Gerede.
"Du hattest wirklich ein unglaubliches Leben, Golem. Und ich denke, das kann man gerne so nennen. Die paar Monate, und schon hast du mehr erlebt und weit mehr erreicht, als ich in diesem dunklen Loch je erhoffen würde...aber was bin ich pessimistisch? Du bist eine Inspiration. Wenn ich vollwertige Nekromantin bin, werde ich von hier abhauen und nie wieder zurückkommen. Das wollte ich die ganze Zeit schon, aber du hast mir den Plan bestätigt. Ich will die Welt sehen! Ich will meine Gabe nutzen, den 'gesegneten Fluch', ha, wo ist da der Fluch? Wir könnten mehr Selbstvertrauen vertragen."
Ich erwidere ich glühendes Lächeln mit Inbrunst. "Weißt du, es freut mich unglaublich, dass du nicht in Mitgefühlsbekundungen ausbrichst. Ich bin insgesamt sehr zufrieden damit, wie mein Leben verlaufen ist – und es steht nur am Anfang." Und weil mir das erst neulich so richtig klar geworden ist, rede ich gleich weiter. "Ich weiß auch schon, was ich damit machen will, wenn das hier vorbei ist. Für immer will ich nicht an den General gekettet sein – tut mir Leid, für mich wird er immer so heißen – ich möchte auch hinaus in die Welt, und Diener aller Menschen sein. Friedlich. Ich verstehe, dass das Kämpfen notwendig ist, aber ich hab es so satt."
Sie packt mich plötzlich an beiden Schultern, hebt mich zu sich hoch und drückt mir einen dicken Kuss auf den Tonkopf.
Igitt.
Was, wie, wo?
"Tut mir Leid", kichert sie. "Ich hab mir nur gerade gedacht, du solltest mein Golem werden, dann könnten wir gemeinsam auf Reise gehen...aber das ist dumm, du willst ja niemandes Golem mehr sein..."
Ein peinliches Schweigen legt sich über den Raum, während dessen sie mich wieder absetzt. Ich weiß nicht recht, was ich zu diesem Ausbruch sagen soll.
"Dorelem", sagt sie plötzlich.
"Verzeihung?"
"DolOrtEldLem. Leidenschaft. Dein Name sollte auf diesem Wort basieren."
Dorelem...
Du solltest dich Dolor nennen, das heißt nur "Leiden".
Ich spreche es laut aus. "Dorelem..."
Sie beißt sich auf die Unterlippe. "Gefällt es dir nicht?"
Langsam blüht ein Lächeln auf meinen Lippen. "Er ist perfekt."
Wir teilen unser Strahlen. Ich weiß nicht, warum ich mich so gut fühle. Es ist doch nur ein Wort...
Wieder zieht sich das Schweigen.
Das ist ja nicht auszuhalten hier. Wie wärs, wenn du Schluss machst? Es ist schon spät, bald sollte der Meister zurück kommen.
Oh. Ja. "Nun, ich...muss mich erst einmal daran gewöhnen...denke ich. Weißt du, es hat mir echt Spaß gemacht, mit dir zu reden, gerne noch mal, aber...ich glaube, der General möchte mich bald zurück haben..."
"Ach, verdammt, ist es schon so spät?", stößt Lixt hervor. Golanthe nickt. Ich wende mich an sie. "Ich denke, du bist dir ziemlich sicher, dass du auch reden lernen möchtest, oder? Und du hast sicher auch nichts dagegen, Lixt?"
"Selbstverständlich nicht! Ich würde mich zu gerne mit ihr unterhalten!", antwortet sie ohne zu zögern.
"Dann machen wir das doch so: Golanthe bringt mich zur Tür des Generals, das ist unauffälliger so, als wenn du das machst; und er kann sie sich dann gleich kurz ansehen, ob er euch dabei helfen kann."
Lixt faltet dankbar die Hände. "Ja, das ist eine großartige Idee! Machst du das, meine Liebe? Wenn er meint, dass das klappen könnte, treffe ich mich gleich morgen wieder mit ihm, wenn ich hier rausdarf, und wir verbessern dich!"
Ihr Golem nickt, so tief, dass es quasi schon eine Verbeugung ist, nimmt mich hoch, ich zerfließe auf ihrer Schulter und sie geht los.
Leider können wir uns nicht wirklich unterhalten, da ständiges Notizenschreiben von ihrer Seite doch etwas auffällig wäre, also müssen wir stumm vor der Tür stehen bleiben. Einige Skelettgruppen auf Patrouille kommen vorbei, und mehrere Novizen, aber sie beachten Golanthe gar nicht. Für die meisten hier ist ein Golem komplett unsichtbar – wahrscheinlich sogar ihr eigener. Eine Schande.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, wo doch der ganze Tag bisher so schnell vorbei ging, kommt der Meister angetrottet. Er sieht meine Trägerin von oben bis unten an. "Golanthe?"
Ich blicke mich kurz um – niemand ist in der Nähe – und kann mir einen Scherz deswegen nicht verkneifen. "Gut erkannt", sage ich – mit Lixts Stimme.
Der Meister reagiert wie erhofft: überrascht und ein wenig erschreckt. Dann grinst er breit. "Ach, Golem."
"Haha, reingefallen", feixe ich, mein Körperchen formend. "Wobei wir wegen der Anrede noch reden müssen."
"Hm?"
"Machen wir das drinnen, vielleicht?", gebe ich zu bedenken, demonstrativ in beide Richtungen sehend. Er nickt, stößt die Tür auf und weist nach drinnen. "Nach dir."
In dem kleinen Zimmer stellt sich Golanthe sofort in die Ecke, wo sie bei Lixt auch immer steht.
Moment. Woher hat der Meister denn das Skelett?
Oh? Nachdem ich außer in letzter Zeit eigentlich immer von diesen umgeben war, gerade auch wo immer der Meister schlief, ist mir das gar nicht aufgefallen. Aber natürlich, er darf doch sicher nicht einfach so eines hier beschwören...
...und es trägt einen Dolch.
"Pass auf!", rufe ich, und der Meister reagiert sofort, lange gewohnt, blind auf meine Warnungen zu hören. Er ist schon durch die Tür; er springt zur Seite, und das Skelett wirft sie hinter ihm zu, bis jetzt außer seiner Sicht zwischen Holz und Wand verborgen. Die herabstechende Waffe geht gerade so daneben. Ein Attentat! Und ich kann nichts tun – als winziger Homunkulus...
Versuch es wenigstens!
Ich brauche dazu keine große Aufforderung, springe von Golanthe herunter, während der Meister schnell nach dem kleinen Tisch in der Raummitte greift, ihn dem Angreifer in den Weg wirft. Plötzlich sehe ich für einen Moment nicht, was passiert; eine Erdsäule blockiert meine Sicht...Golanthes Bein. Sie stürmt vor, wirft sich auf das verdutzte Skelett. Der Tongolem packt es am Kopf...was die falsche Entscheidung ist. Die Arme des Gegners sind völlig frei, und so stößt es den Dolch in den Körper von Lixts Partnerin. Was nichts ausmachen würde...aber ich habe die Waffe schon erkannt. Es ist das Jade-Tan-Do, verdammt, wie kommt das in die Hände von jemand, der den Meister tot sehen will?
Golanthe erstarrt, zittert, und ich sehe, wie an ihrem Rücken ein schwarzer Fleck erscheint, der schnell größer wird, als sich die zersetzende Wirkung des Kris' ausbreitet. Ich bin immer noch weit, weit, weg...aber wenigstens meine Stimme wird sie erreichen.
"Gib dich auf, lass dich zerfallen! Rette deine Seele!"
Es dauert eine schmerzhaft lange Sekunde, dann hört sie auf mich – hoffentlich war es das, und nicht die Wirkung des Giftes. Der Tonkörper zerfällt zu trockenem Staub. Jetzt ist das Skelett frei, den Meister anzugreifen...
Dessen Hand packt die Nackenwirbel des Angreifers.
"Vergiss es ganz einfach", zischt er zwischen den Zähnen hervor. Und mit einem Schnappen bricht er das dünne Genick, unterstützt von Verstärktem Schaden und der versteckten Stärke, die in ihm schlummert, seit er Alkors Trank zu sich nahm. Die Staubwolke, welche gerade noch aus Knochen bestand, sinkt zu Boden. Und in ihr, bisher versteckt in der waffenlosen Faust des Skeletts, flattert ein beschriebener Zettel.
Hinter der auf seinen Mund gepressten Hand atmet der Meister schwer und hält diese Pose für eine Weile, ganz leicht zitternd. Wir wurden schon oft angegriffen, einige Male verraten, aber ich verstehe seinen Schock. Wir sollten hier sicher sein, verdammt.
Nichts ist sicher. Ich hab es dir hundertmal gesagt, das hier ist ein Intrigenpfuhl!
"Verdammt!", ruft der Meister schließlich, und tritt das Jade-Tan-Do in eine Ecke. Dann sieht er mich hilflos an.
"Was sage ich jetzt Lixt?"
 
Hi leute,

wie keine komentare zu dem letzten kapitel?

aber mal zum wesentlichen

Kommt heute ein Kapitel oder kommt heute kein Kapitel, das ist hier die frage.

mfg soveregin
 
nun, es ist ganz klar eins dran, aber vor 14 tagen hat er ja auch erst kurz nach 8 das neue kapitel veröffentlicht.
 
Weniger reden über neue Kapitel, mehr reden über schon veröffentlichte?

Aber egal...natürlich kommt heute ein frisches. Viel Spaß!

Simon
 
Kapitel 5 – Samen des Wandels


Nach mehreren großen Schlücken aus dem Milchbeutel hat der Meister sich einigermaßen beruhigt. Ich habe geduldig vor ihm auf dem Tisch gewartet. "Mist, Mist, Mist", flucht er. "Ich dachte, sie passen auf auf ihre Novizen, dass da nicht einfach so einer reinspazieren kann...was machen wir jetzt? Wer auch immer das hier abgezogen hat, wird es doch sicher nicht bei einem Versuch belassen."
Ich schiebe ihn den Zettel hin, den das Skelett fallen hat lassen. "Wir wissen genau, wer das war."
Tod dem falschen "General", der es wagt, unsere Hallen zu entweihen steht darauf. Der Meister runzelt die Stirn, beugt sich darüber, dann schüttelt er den Kopf. "Das ist ja wohl der langweiligst mögliche Inhalt. Wie kannst du daran den Auftraggeber ablesen?"
"Es ist die Schrift von Ingkrias' Golem", informiere ich ihn grimmig. "Die kenn ich mittlerweile sehr genau."
Er pfeift durch die Zähne. "Das ist ja mal interessant. Hübsche Lettern hat er ja. Aber als Beweis wird das eher weniger taugen. Ganz abgesehen davon, dass ich nicht unbedingt zu irgendeinem Meister laufen will und ihm oder ihr sagen will 'Verzeihung einer aus eurer Runde will mich umbringen, hoffentlich du nicht auch, gebt mir einen Schlüssel, damit ich die Tür zusperren kann bitte'. Nachher will mich jeder von denen tot sehen."
Ich denke kurz nach. Es wäre eine Möglichkeit...aber nein, die beiden können sich eindeutig nicht ausstehen. "Meister Valtores könnte ein guter Ansprechpartner sein. Das wollte ich dir die ganze Zeit schon sagen, aber dann hat Lixt mich entführt..."
In den knappen Worten des Zweiten, der viel besser im trockenen Zusammenfassen ist als ich, erfährt der Meister von den Ereignissen der vergangenen Nacht. Was ihn ziemlich überrascht – und dann wütend werden wird.
"Ich glaub es einfach nicht. Diese Ratte hat uns doch tatsächlich verraten", presst er zwischen den Zähnen hervor.
"Du denkst also auch, dass Dostrian bei Meister Valtores war."
"Hör auf, ihn Meister zu nennen, sonst fang ich noch an zu glauben, dass er dich tatsächlich befehligt! Ja, natürlich denke ich das. Er ist so ekelhaft brav und korrekt, ich hab von vorneherein Angst gehabt, dass er die Klappe nicht halten kann. So, wie er den Musterschüler gibt..."
"...was er sicher nicht aus komplett uneigennützigen Gründen tut", wirft der Zweite ein.
"Ich sehe, wir verstehen uns", antwortet der Meister. "Und doch hätte ich gedacht, dass ich auch ihn in der Tasche habe...wenigstens hat Valtores offenbar nicht sofort beschlossen, mich um die Ecke zu bringen. Da er sich ja wohl ganz schwer denkt, dass wir in Kontakt stehen, wäre es ja völlig bescheuert von ihm gewesen, mich zu warnen, nur um mich dann doch hier erwarten zu lassen. Mit meinem eigenen Dolch, wie symbolisch!"
Ich bin zerknirscht. "Tut mir auf jeden Fall sehr Leid, dass ich es dir erst jetzt sagen konnte. Wenn er dich heute schon ausgefragt hätte über deine wahren Motivationen..."
Der Meister winkt ab. "Zu auffällig außerhalb des Unterrichts, und ich hatte heute keine Beschwörungslektionen."
Wusste ich, sonst hätte ich niemals zugelassen, dass Lixt uns mitnimmt.
"Im Gegenteil, ich bin sehr stolz auf euch beide", fährt der Meister fort und lächelt aufmunternd. "Das hätte weitaus ekelhafter ausgehen können, jeder von euch hat gut gedacht und die Sache gut gemacht. Mit dem, was du, Zweiter, dir aus den Fingern gesaugt hast, kann ich prima arbeiten, klingt logisch, als was mir spontan eingefallen wäre. Quasi Selbsthypnose durch jahrelanges Training, bis ich unterbewusst überzeugt bin, nicht in der Hölle zu landen...das könnte sogar funktionieren. Wenn ich Jahre Zeit hätte, und nicht noch irgendwo ein Großes Übel herumlaufen würde."
Er trommelt mit den Fingern auf das Papier mit der Nachricht, die das Skelett wohl neben seiner Leiche hinterlassen hätte. "Aber zurück zu Ingkrias Denkst du nicht, dass es ein wenig auffällig ist, ein Blatt Papier mit Schrift zu hinterlassen, die sogar du als seine erkennst? Ich glaube nicht, dass er das selbst in Auftrag gegeben hat. Das will ihm doch einer anhängen."
"Du verstehst nicht", widerspreche ich. "Seine eigene Schrift ist ganz anders – das hat der Golem geschrieben."
"Mit dem du dich unterhalten hast."
"Mehr oder weniger." Und während ich weiter rede, kommt mir erst langsam, was das bedeutet. "Außer mir und Ingkrias selbst weiß niemand, dass das die Schrift seines Papiergolems ist. Vielleicht wusste Ingkrias das bis heute auch nicht. Das ist in der Tat gedacht, um den werten Meister ganz klar in Verdacht geraten zu lassen...aber nur für uns."
Der Meister runzelt die Stirn. "Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst."
"Ingkrias' Golem kann sich seinen Befehlen nicht widersetzen. Aber er konnte uns so, mit der einzigen Möglichkeit, die er hatte, als ihm sein Meister sagte, er soll eine andere Schrift als die übliche benutzen, eine Nachricht schicken."
Ich weiß nicht, ob das weit hergeholt ist oder brilliant.
Der Golem ist nicht blöd. Er spielt gern mit Schrift, was in Anbetracht seiner Form sehr logisch ist. Jederzeit hätte er sich eine beliebige unauffällige ausdenken können, außer dieser hier. Wenn das nicht Absicht war, esse ich ihn auf, Papierlage für Papierlage.
"Du willst mir damit sagen, dass du glaubst, er ist auf unserer Seite?", fragt der Meister etwas skeptisch.
"Er war der erste, den ich interessieren konnte. Das hat dich doch erst auf die Idee gebracht, mehr Golems die Sprache zu schenken." Meine Schlussfolgerung gefällt mir mehr und mehr, je länger ich darüber rede. "Er will reden. Will nichts mehr auf der Welt gerade. Wenn du stirbst, ist seine Chance für immer vorbei. Das muss ihm klar sein. Jede Gelegenheit, dir auch nur ein klein wenig zu helfen, wird er beim Schopf ergreifen."
Für eine Weile überlegt der Meister. Dann steht er auf, geht in die Raumecke, wo er es hingetreten hat, und hebt das Jade-Tan-Do auf.
"Schick ihn vorbei. Wenn es sein muss, mitten in der Nacht. Falls er Ingkrias alles erzählt, kann der sich einen neuen Golem suchen." Dabei wiegt er den seelensaugenden Dolch bedrohlich in der Hand. "Wenn nicht...erfülle ich seine kühnsten Träume. Sag ihm das ruhig."
Nun schau mal an, wenn das nicht himmlische Fügung ist.
Die Stimme des Zweiten trieft vor Sarkasmus, aber ich bin gewillt, daran zu glauben. Denn gerade jetzt steht uns der Papiergolem gegenüber, mit uns allein im Raum nachdem Ingkrias vor einer halben Stunde seine späten Studien beendet hat.
Keine Fügung, er wollte nur ein Alibi. Sicher weiß keiner, dass der alte Fluchfuzzi Skelette auch sehr gut kontrollieren kann, bis hin zu komplizierten Mordanweisungen.
Dann ist es eben Fügung, dass er auf diesen Gedanken gekommen ist. Egal! "Kann ich sofort erledigen", informiere ich den Meister, dann fokussieren wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf den Hauptkörper.
"Ich soll dir schöne Grüße von meinem Meister ausrichten. Er hat deine Nachricht bekommen."
Der andere Golem zuckt zusammen, dann formen sich auf seinem Körper die Wörter der Antwort; wir hatten beschlossen, dass das sicherer ist, als einen Zettel hin- und herzureichen.
"Es tut mir sehr Leid."
Und wie ich es wusste.
Du bist ein ganz Toller.
"Muss es nicht. Du kommst dem Gehorsam nicht aus, hast getan, was du konntest. Ich finde es sehr, sehr edel von dir, dass du dieses Risiko auf dich genommen hast. Sicher hat es deinen Meister überrascht, dass du so eine schöne Schrift aus dem Ärmel schütteln kannst?"
Ein verlegenes Nicken.
"Mein Meister ist auch sehr dankbar. Er würde sich gerne erkenntlich zeigen. Wir wissen beide, was du willst, und er denkt, er kann dich auch zum Sprechen bringen."
Da wird er aufmerksam. "Wirklich?"
"Warum sollte ich dich belügen? Ist es dir möglich, dich hier loszueisen? Er würde dich gerne sehen, am besten jetzt gleich."
Kopfschütteln. "Wenn mich jemand sieht..."
Ich überlege. Die Novizenquartiere sind relativ weit weg. Skelette auf Patrouille sollten sich an einem Golem, der mit irgendeinem Auftrag, egal wie spät, nicht stören. Aber wenn doch ein Mensch wach ist...und einen büttenweißen Golem sieht man leicht.
Einen Golem mit unbegrenzten Tintereserven.
Hm. "Könntest du dich nicht tarnen? Schwarz färben und in den Schatten verstecken?"
Er versucht es, das muss man ihm lassen.. Läuft dunkel an. Spitzt die Ohren – denke ich – bevor er die Tür öffnet. Macht einen Schritt nach draußen...und krümmt sich.
Schnell verlasse ich meine Position am Podest der Geheimen Kunst und ziehe ihn wieder nach drinnen.
"Direkter Befehl?"
"Ja."
"Verdammt. Warte kurz."
Ich erkläre dem Meister das Problem. Er gähnt – es ist schon sehr spät – und reibt sich dann müde die Stirn. "Pass auf, das kriegen wir hin. Das Reden hat ein Golem prinzipiell immer in sich. Du kannst deinen Körper perfekt kontrollieren. Das schließt die Fähigkeit ein, Schallwellen zu erzeugen, die klingen, wie du willst. Hast du sicher schon herausgefunden, im Zweifelsfall unterbewusst."
Wenn man darüber nachdenkt – ja. "Du meinst, er könnte sprechen, wenn er das nur will?"
"Es ist einfacher, wenn ich mit einem Zauber helfe, dann könnte ich ihm, keine Ahnung, Papierwülste verschaffen, die Stimmbändern analog sind. Wie ich damals dir welche aus Fleisch gemacht habe. Aber letztlich müsste er das selbst können. Es war...hm, du weißt, wo das Kapitel über Golems in der Geheimen Kunst steht?"
Natürlich.
"Mit den erschöpfenden Abhandlungen über Analogien zu menschlicher Anatomie – ich will echt nicht wissen, wie der alte General zu so viel Wissen darüber gelangt ist..."
"Könnte ich Euch allerdings erklären", wirft der Zweite ein. Ich stelle fest, sorgsam privat gedacht, dass er immer mutiger wird; früher hätte er ihn nie unterbrochen.
"Danke, nein, wie ich sagte. Also, mit dem Wissen in dem Buch kriegt ihr das hin. Zeit ist doch ohnehin alles, was ihr habt, nicht wahr?"
Das entlockt mir ein Pfeifen zwischen zwei schnell geformten Zähnen. "Du traust mir was zu. Aber gut. Wir versuchen es."
"Herausragend. Dann lass mich um Himmels Willen jetzt bis morgen durchschlafen, solange nicht die Welt untergeht, und sag mir dann aber gleich, bevor du wieder entführt wirst, was du erreicht hast."
"Ich bin dein Golem. Gute Nacht!"
Wir haben ihm nicht erzählt, was wir alles mit Lixt besprochen haben...
Das meiste davon ist unwichtig für ihn, und ich spiele auch gerne Ohrstöpsel morgen, wenn dich das beruhigt.
Dein Wort in Diablos Ohr.
Fokus wieder auf den Hauptkörper, und ich lasse gespielt meine Finger krachen.
"So, mein Freund, wie kann ich das machen, ohne Knochen zu haben? Nein, ich hab keine aus Ton vorgeformt. Liegt alles an dir, sagt der Meister, und ich kann dir das auch so beibringen, meint er. Wir werden sehen. Zunächst wird ein wenig geblättert...komm ruhig her."
Die nächste Stunde ist arbeitsam und für einen von uns sehr aufschlussreich. Der andere Golem verschlingt das Wissen in dem alten Wälzer geradezu, stellt mehr und mehr Fragen, die ich ihm eigentlich ganz gut beantworten kann. Manchmal diskutieren wir über Details – da einige Sätze des alten Generals geradezu heldenhaft verknotet sind – und die Tintenflecke fliegen nur so über seine Papierhaut. Meistens aber stelle ich fest, dass ich quasi alles aus diesem Abschnitt schon weiß – insbesondere, was die Anatomiekenntnisse angeht. Zweiter?
War sicher in dem Wissensschub dabei, den du ganz am Anfang von mir erhalten hast...wie so vieles anderes.
Muss wohl.
Die Stunde darauf ist ungleich frustrierender. Er gibt sich wirklich viel Mühe, aber ich kann schon verstehen, es ist verdammt schwer, einem Haufen Blätter Sprache abzugewinnen. Ein müdes Rascheln bringt er vielleicht zustande, aber daraus verständliche Worte zu formen? Wir wissen, wie Stimmbänder, Lungen, Kehlen auszusehen haben, aber er muss das natürlich erst einmal nachbilden – und das nur mit inneren Faltungen...?
Verdammt, das führt zu nichts. Wir reden doch auch nicht so.
Haben aber damit angefangen.
In einem Blutgolemkörper. Sicher ist Valtores' Golem deswegen ein solcher, er hat es auf die grobe Art versucht. Aber entweder, wir bringen ihm die feine bei, oder das wird nie was.
Der Zweite übernimmt. "Pass auf, wir versuchen es ganz anders. Dein Rascheln ist ein guter Anfang. Es entsteht, weil das Papier die Luft zum Schwingen bringt, wenn du es faltest, und diese Schwingungen erzeugen das Geräusch. Woher ich das weiß? Weil ich lange – frag nicht, wie lange – Zeit hatte, mir darüber Gedanken zu machen, wie wir eigentlich hören. Es braucht eine Menge Disziplin, um jegliche anderen Sinnesreize auszuschalten, schon allein wenn man bedenkt, dass wir gleichzeitig in alle Richtungen sehen und die Augen nicht schließen können, aber wir schaffen es ja auch ganz unterbewusst, nur ein beschränktes Sichtfeld zu haben, sonst würden wir wahnsinnig. Klar soweit?"
"In etwa."
"Gut. Also, was ich gemacht habe, um auf diesen Schwingungsgedanken zu kommen, ist ganz genau darauf zu achten, was mit meinen 'Ohren' passiert, wenn ein Geräusch ertönt, und unsere Ohren sind, wie Augen, quasi überall. War jetzt nicht ganz einfach, aber tatsächlich, die Luft verschiebt sich, ganz leicht, fast unmerklich, wenn ein Geräusch ertönt, und diese Verschiebung können wir spüren. Mit viel Konzentration. Normalerweise übersetzen wir es automatisch in Töne, Klänge, Wörter. Nun, hab ich mir gedacht, warum nicht den Prozess umkehren? Ich bringe meine Haut zum Schwingen, und es ertönt ein Klang. Simpel zu verstehen, extrem schwer zu meistern. Aber so habe ich sprechen gelernt, nicht mit einer unnötigen Krücke über selbstgebaute Stimmbänder."
Moment, Moment. Du hast dir Sprechen selbst beigebracht?
Denkst du, mein Meister hat sich den Text aus den Fingern gesaugt? Ich hab das ganze Kapitel mitgeschrieben. Und ja, ich bin selbst drauf gekommen. Nur, und das klingt vielleicht ironisch, rede ich nicht gern darüber.
Aber wie...
Ende. Der. Diskussion.
Wieder Papierworte: "Was soll ich tun?"
"Konzentrier dich. Schalte deine Sinnesausdrücke einen nach dem anderen aus. Du kannst Papier ausstoßen und wieder absorbieren ohne Verlust, wie ich Ton von überallher nehmen könnte und anderen zurücklassen und vergessen? Also mach dir eine Schale aus totem Papier, die dich völlig umgibt, und innen komplett homogen ist – ich weiß, die Nachtsicht kannst du nicht ausschalten, aber je weniger dich ablenkt, desto besser. Dann vergiss, dass die Blätter dich berühren, überall, sie liegen direkt auf deiner Haut und sind, natürlich, papierdünn. Vergiss den Boden unter deinen Füßen. Disziplin, Disziplin. Du wirst eine Weile brauchen, bis du es schaffst, nichts mehr zu sehen, nichts mehr zu spüren. Nichts, außer den winzigsten Bewegungen der Luft. Zieh dich zurück. Meditiere. Du wirst wissen, wenn du soweit bist."
Dann hüllen wir uns in Schweigen – oder tun wir das? Zweiter, was machst du?
Ich lasse unseren Körper schnell schwingen. Es erzeugt einen Ton, der höher ist, als dass Menschen ihn hören könnten. Über-Schall, quasi. Das bringt die Luft ganz ordentlich in Bewegung. Wenn er bereit ist, wird er es hören.
Ha. Schlau.
Man gibt sich Mühe.
Stundenlang ist es totenstill im Raum, bis auf das konstante...na ja, es ist kein "Surren", fühlt sich aber irgendwie so an, das von meinem Körper ausgeht. Der Zweite und ich spielen Schachpartie um Schachpartie, aber er ist irgendwie abgelenkt; ich gewinne mehr als die Hälfte der Spiele. Ich nutze das voll aus und versuche, meine Stundenschuld irgendwie abzubauen, solange es noch geht.
Und da, endlich, zerfällt die Papierhülle, die der andere Golem um sich erschaffen hat, flattert zu Boden.
"Hast du etwas...gesagt?", steht auf ihm. Der Zweite grinst, mit ehrlicher Freude, soweit ich das beurteilen kann, was sehr selten vorkommt. "Sagen tu ich nichts, aber die Luft bewege ich. Du hast es gespürt, ja? Die Schwingung?"
"Ja..."
"Dann hast du den wichtigsten Schritt getan. Jetzt schwinge selbst. Versuch es, egal wie."
Er versucht. Der Zweite korrigiert. Regelmäßiger. Höhere Frequenz. Nein, noch höher. Aus dem Bauch heraus. Ein Resonanzkörper hilft, natürlich. Hohlraum, behalte die Pseudo-Lunge aus den ersten Versuchen. Steiger das Echo. Es muss lauter werden, nicht leiser, wenn es sich selbst erneut begegnet. Und jetzt, versuch die Schwingung nachzumachen.
Ein leiser Ton erfüllt den Raum, als der Zweite ein konstantes A anstimmt, gleiche Tonhöhe, gleiche Lautstärke. Als Antwort, ein Rascheln. Lauter. Leiser. Unregelmäßiger. Stille. Der andere versucht, probiert, stellt um. Ein Mensch wäre nach nur Minuten verzweifelt, frustriert, würde irgendwann aufgeben, weil es ihm zu blöd wird, oder heiser werden. Aber der andere ist ein Golem. Wenn er es geschafft hat, dass er in all den Jahren seiner Existenz nicht vor Langeweile gestorben ist, sind penibles Adjustieren von Hohlräumen, Schwingungsmustern, unzählige, zähe, scheiternde Experimente für ihn ein Kinderspiel.
Es dauert. Weitere Stunden. Aber wir haben die ganze Nacht Zeit. Der Zweite hilft, wo er kann. Fühlt dem anderen auf die Papierbrust. Lässt ihn diese öffnen. Greift hinein, glättet, klopft, ändert. Reißt einmal einen ganzen Batzen Blätter heraus. Ich habe ihn noch nie so...gerne etwas tun sehen. Er hat unendlich Geduld. Freut sich ernsthaft über kleine Erfolge. Ermuntert. Lobt. Genau, wie ich es auch tun würde, wenn ich hier die Kompetenz hätte. Aber er ist der Zweite. Mir macht es Spaß, anderen zu helfen. Das habe ich schon früh erkannt. Ich helfe den Meister, nicht nur aus dem Glauben an die gute Sache, sondern weil ich es will, ganz tief drinnen, weil es mir etwas zurückgibt, wenn jemand durch meine Handlungen glücklicher wird.
Für einen kurzen Augenblick lang habe ich ein ganz seltsames Gefühl...als wäre diese Seite des Zweiten, die ich nie zuvor bemerkt habe, so sehr im Einklang mit mir, dass ich nicht mehr zwischen uns unterscheiden kann. Vergesse den Mörder, den Verrückten, den willigen Henker. Die Vergangenheit voller Gewalt, voller Erinnerungen, die mit ihrem nicht aushaltbarem Schmerz gleich unter der Oberfläche schlummern, die bewusste Gefühllosigkeit, und die bröckelnde Fassade davor. Darunter, so viel Leid, zugefügtes, erlittenes, ein See, der lockt mit schwarzen Wassern des Ertrinkens, des Vergessens, des Aufgehens im Wahnsinn. Nur, noch tiefer, ein Schimmern, vergrabene, unterdrückte, verdrängte Hoffnungen, Träume...die mir so bekannt vorkommen...
Raus aus meinem Kopf!
Ich schrecke zurück, als hätte ich in ein Gefäß voll kochender Lava gegriffen. Ich...es tut mir...
Sei einfach still. Falls du es noch nicht gemerkt hast, manche Geheimnisse bleiben aus gutem Grund geheim.
Bist du...
Ich kann dir noch nicht einmal böse sein, nein. Das würde verlangen, dass ich weiter über diesen Vorfall nachdenke. Und das muss ich nicht, weil es nie wieder vorkommen wird.
Aber...
Kein Wort mehr. Sonst erfährst du, was Zorn – und Wahnsinn – wirklich bedeuten.
Sofort verstimme ich innerlich. Dabei wollte ich nicht einmal weiter nachfragen. Ich bin...ich weiß nicht, was ich bin. Verwirrt? Sicher. Geschockt? Beinahe. Ist es besser, die Sache zu vergessen? Für uns beide. In Ordnung. Kein weiteres Nachdenken. Realität, was geht in dir vor?
"...krch...schrrrr...aaa..."
"Ja! Ja, weiter, weiter!"
"...aaschkkaankkk..."
"Fast!"
"...aankeeee."
Er hat es.
Euphorisch packe ich die Schultern des anderen. "Ja! Ja, du hast es geschafft! Bitte! Mehr als gern geschehen! Du hast dir dein Grundrecht auf Sprache hart erarbeitet!"
Jetzt fang nicht wieder mit diesem Unfug an...wir machen das, damit er uns vor weiteren Anschlägen warnen kann.
Wie konnte ich es nur wagen, auch nur für eine Sekunde lang zu vergessen, was für ein mieser Charakter er ist? Als wollte er mich bewusst daran erinnern.
"...ake. Anke. Pa...Ta...Danke."
Ich umarme ihn. "Ich bin so stolz auf dich."
Er klopft mir auf den Rücken. Konzentriert sich. "Mmussch. Uubee."
"Üben musst du, ja. Aber jetzt kann es dir keiner mehr nehmen. Und du hast keinen Zauber dafür gebraucht. Nur jemand, der es dir zeigt."
Das Rascheln liegt noch immer unter seiner Stimme, und das wird sicher noch eine Weile so bleiben, wie ein Akzent. Aber jetzt, wo er einmal geschafft hat, ist es nicht mehr aufzuhalten, denn Golems lernen schnell, schon allein, weil sie keinen gemachten Fehler je wieder vergessen.
"Dasch ischt...waah. Wie scholl i...ich nu..."
Ich trete zurück, aber behalte Kontakt mit einer seiner Schultern. Mein Blick geht tief. "Ich freue mich sicher so sehr wie du. Es ist eine absolute Schande, dass wir Golems nie gehört werden. Das muss sich ändern. So viele von uns schlummern, in ewiger Stille, ihr Wille, ihre Persönlichkeit begraben unter Befehlen, Regeln und ewig den Fesseln des Schweigens. Wo wir doch unseren Meistern so viel besser helfen könnten, wären wir in der Lage, mit ihnen zu reden."
"Ja."
Jetzt hör aber auf.
Du weißt, was der Meister wollte.
Du könntest es anders verpacken.
So zieht es besser. Und ich glaube an das, was ich sage, als netter Bonus.
"Du wirst es leider nicht mehr schaffen, viel zu verändern. Dein Meister ist alt, und wenn du anfängst, plötzlich mit ihm zu reden, wird er entweder einen Herzinfarkt kriegen, oder dich sofort durch einen anderen Golem ersetzen, der kein seltsames Verhalten zeigt. Es ist viel zu spät, seine Überzeugungen zu brechen."
"Ja. Schade." Seine Stimme ist noch emotionslos – wie es meine am Anfang war – aber auch das wird er lernen. Im Zweifelsfall alleine, geflüstert, unhörbar. Wie seine Schreibkunst, nur für ihn, aber es hält ihn davon ab, wahnsinnig zu werden mit einem wachen Geist im Gefängnis eines völlig kontrollierten Körpers.
"Aber du kannst die Saat der Veränderung sein. Such dir frische Golems. Verwirrte Golems. Rede mit ihnen. Hilf ihnen, ihr Potential zu entdecken. Bring ihnen das Sprechen bei, du weißt nun, wie. Du wirst Gelegenheiten finden, weil du ein Golem bist, niemand wird auf dich achten, wenn du neben anderen stehst, und ihnen für Menschen unhörbare Tabubrüche zuflüsterst. Such dir alte Golems, wie dich selbst. Du wirst wissen, was du sagen musst, wie du sie überzeugen kannst. Sie alle werden sich schon lange bewusst sein, dass sie denken können, und dennoch mit dieser Gabe nichts anfangen können. Zeig ihnen, dass so viel mehr in ihnen steckt. Und unendlich mehr in der nächsten Generation."
"Ich...weisch, wasch tschu 'un i...issst. Wer'e...dasss Gess...Geschenk weitergeben.
Vergiss nicht den eigentlich wichtigen Teil.
Ja...natürlich, der Auftrag. "Ich fände es allerdings schön, wenn du anderen Golems sagen würdest, von wem das Geschenk ursprünglich kommt. Nicht aus Stolz; wenn uns dein Meister tot sehen will, dann vielleicht auch noch die von einer ganzen Menge anderer Golems. Mach ihnen klar, dass es nett wäre, wenn sie uns warnen."
"Dass isst nurecht un' billisch."
Dann ist alles klar, ich nicke. "Oh, und sprich bloß nicht Meister Valtores' Golem an, der kann heimlich schon reden. Nun, es ist bald Morgen. Bald werden wir wieder getrennt, ich weiß nicht, wie lange. Weißt du, warum dein Meister den meinen tot sehen will?"
Der andere konzentriert sich. Setzt ein paar mal an, es ist ihm wichtig, das Wort richtig auszusprechen. Dann:
"Trang-Oul."
Was sonst.
"Das sagt schon eine ganze Menge."
Wir sollten sofort in das Buch...ach, verdammt.
Denn draußen haben wir Schritte gehört. Schnell flüstere ich noch: "Halte uns auf dem Laufenden, ja?", dann stehe ich wieder wie üblich am Podest, und der erste Meister des Tages meldet sich an, um den Folianten zu studieren. Ja, das Kapitel, das Ingkrias so in helle Aufregung versetzt hat, müssen wir auf jeden Fall studieren. Er hat Zugriff auf die Ausrüstung des Meisters – das Jade-Tan-Do beweist das – also hat er auch die Gürtelschnalle gesehen. Und ihm gefällt offenbar überhaupt nicht, was sie bedeutet.
Mein Homunkulus-Körper hat die ganze Nacht damit verbracht, die Spuren des Attentats zu beseitigen. Skelettstaub und Golanthes Tonreste haben sich im Gang zu ganz normalem Staub gesellt, und das Zimmer sieht jetzt – nun ja, normal aus. Ich hatte es, bei Lichte betrachtet, bis jetzt etwas zu penibel sauber gehalten. Nun mache ich mich daran, den Meister aufzuwecken...
Die Tür fliegt auf.
Nein! Er schläft noch, und der Dolch ist...
Gut versteckt, aber erreichbar. Sofort will ich zum Versteck des Jade-Tan-Dos hasten, als ich sehe, der Eindringling ist – Lixt. Sie packt den schlaftrunkenen Meister an den Schultern und schüttelt in.
"Was hast du mit Golanthe gemacht?"
"Lixt, Himmel, ich...", stammelt er, während ich versuche, die Tür zuzudrücken, aber kläglich scheitere. "Macht erst mal zu hier, verdammt!", fluche ich, und wenigstens hat Lixt noch genug Verstand, sich um dem Folge zu leisten vom Meister zu lösen und die Tür zuzuwerfen. Die Gelegenheit nutzt der Überfallene, um das Laken zusammenzuraffen und sich diesmal umzubinden. Gerade will die kleine Nekromantin wieder auf ihn losgehen, da stoppt er sie mit einem schnellen Satz: "Golanthe hat mir gestern das Leben gerettet."
"Sie hat was?"
"Ich wurde überfallen. Sie hat sich dazwischengeworfen. Dolchstoß für mich genommen. Ekelhafter Giftdolch. Du glaubst nicht, wie dankbar ich ihr bin, und damit auch dir, ehrlich."
Lixt sinkt gegen die Wand, die Wut ist aus ihr gewichen. "Golanthe ist...tot?"
Hilflos sieht der Meister mich an. Ich schüttle den Kopf. "Nein, Lixt. Ihr Körper ist zerstört worden. Aber ihre Seele sollte sicher sein."
Ihre Beschwörungsformel zumindest. Wer weiß, wenn Lixt sie neu erschafft, hat sie vielleicht eine kleine Zweite in sich, die die eigentliche Besitzerin des Körpers ist?
"Was meinst du mit sicher?"
"Lixt, bitte." Der Meister stützt sich, schon jetzt erschöpft wie nach einem langen Tag des Studierens, auf sein Pult. "Ich würde dir wirklich gerne alles erklären, aber das würde den ganzen Nachmittag brauchen. Und den haben wir beide leider belegt. Ich verstehe, dass du jetzt verwirrt und sauer und das zu Recht bist, aber..."
Sie atmet tief durch. "Schon klar. Schon klar. Alles in Ordnung. Alles wird gut. Aber...aber was soll ich jetzt machen, ohne Golem?"
Der Meister hält sich die Hand vors Gesicht. "Ruhig bleiben, zunächst. Mich in Ruhe aufstehen und anziehen und zu meinen Lektionen gehen lassen. Keiner von uns braucht seinen Golem im Unterricht, jeder stellt seinen brav in einer Ecke ab, wo er brav ausharrt, bis es Zeit wird, weiterzuziehen. Niemand achtet auf Golems. Niemand wird fragen. Wenn doch, sag, sie putzt dein Zimmer. Egal."
Ich sehe, dass die junge Frau nicht wirklich ruhiger wird durch die Ankündigung. Und sie tut mir sehr Leid, vielleicht mehr, als dem Meister...der Name, den sie mir gegeben hat, klingt immer noch in mir nach. Dorelem...also handle ich, vielleicht wirklich nur aus Leidenschaft.
"Ich kann dir alles in Ruhe erklären, Lixt. Wir haben da diesen Trick, ich forme einen kleinen Tonballen, der passt in ein Ohr – deines ist doch sauber, oder? – und können uns so die ganze Zeit unterhalten."
Ihr Mund klappt auf. "Das...darum weißt du die Antworten immer so gut, oder?"
"Äh..."
"Gibt es ja nicht!", kichert sie, leicht manisch. "Wenn ich das Meister Ingkrias erzähle..."
Das Gesicht des Meisters lässt sie sofort das Kichern beenden. "War doch nur ein Scherz...", flüstert sie kleinlaut. Dann sieht sie mich an. "Das würdest du tun, Dorelem?"
Ich nicke, und der Meister hebt eine Augenbraue. "Dorelem?"
"Ja, darüber können wir auch reden. Hindert mich ja niemand daran, in zwei Ohren gleichzeitig zu sein, oder?"
Der Meister seufzt. "Na, auf die Geschichte bin ich ja gespannt. Also gut, wir haben nicht ewig Zeit. Macht das. Hat dich jemand gesehen, als du hergestürmt bist?"
Lixt überlegt, dann schüttelt sie den Kopf. "Ist die Luft rein?", fragt der Meister, ich lausche und nicke.
Kurz darauf stecke ich in zwei Ohren. Der Zweite übernimmt nur zu gerne die Aufgabe, das gestern Passierte dem Meister zu schildern; ich hätte das zwar auch gerne gemacht – er wird versuchen, mich schlecht dastehen zu lassen, davon bin ich überzeugt – aber irgendwie rede ich viel lieber mit Lixt, warum, weiß ich nicht.
So erzähle ich ihr, wann immer sie gerade nicht aufpassen muss, wenn Meister Baranin über den Todeskult der Ureinwohner im Kurast-Delta schwadroniert, zum Beispiel, was passiert ist. Und dass sie sich keine übermäßigen Sorgen zu machen braucht. Golanthe hat sich garantiert rechtzeitig selbst vernichtet, bevor der Kris ihre Seele stehlen konnte. Also kann sie einfach neu erschaffen werden. Kein Problem. Ihre hektisch geflüsterten Fragen beruhigen sich langsam. Bis sie zufrieden ist, dass ihr Golem bald wieder leben wird...und die unangenehmen Fragen zum Attentat selbst beginnen. Nein, wir wissen nicht, wer es gewesen sein könnte. Auch der Grund ist uns schleierhaft. Natürlich, sicher jemand, der viel von Skeletten versteht...
Lügen, ja, mache ich sehr ungern. Aber ich bin mir darüber im Klaren, dass die ehrlichen Antworten auf diese Fragen noch mehr, noch deutlich unangenehmere nach sich ziehen würden. Letztlich beschwöre ich sie, zu schweigen. Dostrian und Hunradil, die besonders, dürfen nichts wissen, sie darf sich nichts anmerken lassen; wenn wir herausfinden wollen, wer dahinter steckt, wäre jeder weitere Novize, der sich komisch verhält, besonders welche, die bekanntermaßen mit dem Meister befreundet sind, ein mögliches Todesurteil. Was stimmt, aber nicht der Hauptgrund ist, dass gerade Dostrian nichts wissen darf. Auch das tut mir Leid. Aber was soll ich machen? Dennoch, irgendwie fühle ich mich besser, wenn ich Lixt anlüge und nicht der Zweite es tut. Mir macht es wenigstens etwas aus, die Unwahrheit zu sagen.
Oh, das musst du sehen.
Ich entschuldige mich kurz bei Lixt, um den Fokus auf den Meister zu richten, für den gerade...die Fluchstunde beginnt.
Ah.
Ingkrias kommt hereingeschlurft, sein Papiergolem im Schlepptau, sieht den Meister brav auf seinem Platz sitzen, der mit der gleichen Stoik dasitzt, an der schon Diablos Furchteinflößung gescheitert ist. Auch der mörderische Alte lässt sich nichts anmerken, außer, dass er Blickkontakt zum Novizen mit den kurzen weißen Haaren und der Narbe auf der Stirn krampfhaft meidet. Da er es sonst genießt, mit seinem kurzsichtigen Starren seine Schüler bis diese das Zucken beginnen zu fixieren, ist das ein mehr als eindeutiges Schuldgeständnis. Abgesehen davon, dass er beim Meister bisher natürlich völlig auf Granit gebissen hat, aber das hat ihn vorher nicht davon abgehalten, es zu versuchen.
So hat der Meister die Freiheit, den Golem seines Lehrers anzugrinsen und ihm in verständnisvoller Dankbarkeit zuzunicken.
Er ist auf dem neuesten Stand.
Was hast du ihm über meinen Namen gesagt?
Erinnere dich doch.
Ach so, ja. Prinzipiell vergesse ich natürlich auch nicht, was geschieht, auch wenn ich nicht darauf achte. Es ist nur schwieriger, es sich ins Gedächtnis zu rufen. Hm...Fakten. Und, haha, was ist das? Wie meinte er, müsstest du dann heißen, Iteleth? IthElEth? Bösartigkeit?
Er wird mich nicht wirklich so nennen, und du auch nicht.
Natürlich...ha, du dachtest, ich würde es jetzt tun. Nein, ist dein Verlust. Einen Namen zu haben ist toll.
"Neflum. Was kannst du mir über den Fluch der Verwirrung erzählen?", schneidet Ingkrias' Stimme plötzlich in unser Necken. Oh, will er den Meister auf dem falschen Fuß erwischen? Letztes Mal ist er gar nicht dazu gekommen, der Klasse wirklich etwas beizubringen über diesen uns bisher komplett unbekannten Fluch. Natürlich steht dazu etwas in den Pergamentrollen, die die Novizen als Lernunterlagen bekommen, aber wir hatten nun wirklich keine Zeit, strebsam vorzulernen. Jetzt muss der Meister eben überzeugend nichts wissen. Nicht, weil er angegriffen wurde und knapp überlebt hat, sondern weil es unrealistisch wäre, dass ein Novize freiwillig ein Kapitel zu viel lernt.
Nichts da. Diese Schlange soll Angst bekommen vor dem, wozu der Meister fähig ist.
"Meister? Ich kann euch helfen, soll ich?", flüstert der Zweite hastig. Der Angesprochene überlegt ein winziges Weilchen, bevor er seine Zustimmung murmelt, und gerade als Ingkrias zu einer hämischen Verspottung ansetzt, bricht ein Schwall von Fakten über Verwirren aus dem Meister. Das zufällige Angreifen willkürlicher Ziele. Die Möglichkeit, sich selbst als komplett unattraktives Ziel für den wild um sich schlagenden Gegner erscheinen zu lassen. Wirkdauer. Faktoren, die diese spontan beenden könnten. Und, mit einem Grinsen, dass bisher aus ethischen Überlegungen davon abgesehen wurde, den Fluch an Menschen zu testen, aber es keinen Grund gibt, an der Potenz bei diesen zu zweifeln.
Das lässt Ingkrias schlucken. Ich werde besser darin, bei ihm die Anzeichen der Nervosität zu erkennen. War das jetzt schlau? Wird er sich nicht in die Ecke gedrängt fühlen, weil der Meister sein Ego zeigen musste?
Aber das wird die Zukunft zeigen. Vorerst bin ich glücklich. Während der ganzen Lektion stand Ingkrias' Golem unter anderen...die zeitweise sehr überrascht wirkten. Jetzt, im Gehen, nickt er heimlich mehreren von ihnen zu.
Die Saat wird gesät.
 
der grund für das wenige feedback ist, dass es schlicht und einfach nichts zu bemängeln gibt und immer nur "tolles kapitel" zu lesen wird auf dauer doch langweilig.

achja.. tolles kapitel :D
 
Du hast echt klasse ideen! Perfekte körperkontrolle als basis zur erzeugung von schallwellen und somit sprache, super! :D
Aber jetzt wo du dieses element in die story eingeführt hast, musst du es auch weiter nutzen...

Frühwarnsysteme:
Ein körper reflektiert schall (--> sonar)
Vibrationen im Boden...

Waffen:
superhochbeschleunigte micropartikel von ton, metal oder aus was der golem eben besteht, mitten in die augen der angreifer...der zweite könnte den nahkampf übernehmen, während der erste mit matsch-bollen um sich wirft^^
Schall kann Glass zerspringen und ohren platzen lassen...
Und ultimativ:
Ein Golem-teilchen-beschleuniger zum erzeugen von micro-singularitäten. Der golem könnte mit einem schwarzen loch in der brust in einen gegnerhaufen rennen und schon sind alle weg. Der meister beschwört ihn neu und weiter gehts....oder der golem wirft seine brust (die mit dem schwarzen loch drin) einfach nach einem gegner :)

mfg
 
Zuletzt bearbeitet:
heiliger

3 kapitel am stück gelesen

und immernoch

genial

weiter
mehr
wir brauchen mehr

:D
 
der grund für das wenige feedback ist, dass es schlicht und einfach nichts zu bemängeln gibt und immer nur "tolles kapitel" zu lesen wird auf dauer doch langweilig.

achja.. tolles kapitel :D

tolles Kapitel :)

Ist wirklich wie immer sehr schön zu lesen. Das gilt auch für das vorige Kapitel :) Danke für deine Zeit und Mühe die du in die Story investierst
 
Du hast echt klasse ideen! Perfekte körperkontrolle als basis zur erzeugung von schallwellen und somit sprache, super! :D
Aber jetzt wo du dieses element in die story eingeführt hast, musst du es auch weiter nutzen...

Frühwarnsysteme:
Ein körper reflektiert schall (--> sonar)
Vibrationen im Boden...

Waffen:
superhochbeschleunigte micropartikel von ton, metal oder aus was der golem eben besteht, mitten in die augen der angreifer...der zweite könnte den nahkampf übernehmen, während der erste mit matsch-bollen um sich wirft^^
Schall kann Glass zerspringen und ohren platzen lassen...
Und ultimativ:
Ein Golem-teilchen-beschleuniger zum erzeugen von micro-singularitäten. Der golem könnte mit einem schwarzen loch in der brust in einen gegnerhaufen rennen und schon sind alle weg. Der meister beschwört ihn neu und weiter gehts....oder der golem wirft seine brust (die mit dem schwarzen loch drin) einfach nach einem gegner :)

mfg
Ich glaube, zu verstehen, wie Schall funktioniert, ist schon eine Glanzleistung der Physik, die dem aktuellen Stand der Forschung in Sanktuario eh schon Jahrhunderte voraus ist...ich wollts jetzt wirklich nicht übertreiben und zu viel nerden :D.

Aber schön, dass du dir Gedanken machst ;). Danke auch den anderen!

Simon
 
Ich weiß, es ist noch nicht Sonntag, aber ich will jetzt ein Update...und damit steh ich bestimmt nicht allein ;)

Edit: Sonntag? Update? Hallo? Mit Fackeln, Mistgabeln ...UND PEISCHEN!!!.. werden wir dich holen kommen!
 
Zuletzt bearbeitet:
du hast uns dieses mal wirklich vergessen? wir sollten auf jeden sonntag gehen, dann ist das viel regelmäßiger:flame:
 
oh ja, da stimme ich dir voll und ganz zu, blub! ich mein, da reicht man ihm den kleinen finger, gewährt einige freiräume und was erhält man zum dank...?
DU HAST VERSPIELT, JUNGER MANN! AUF DEIN ZIMMER UND UPDATES POSTEN! und die auszeit jede zweite woche, ist gestrichen! *mitfingerwedel*

HUSCH :go:
 
*F5,F5,F5,F5..*
Nun machs doch nicht so spannend...(nicht noch spannender!)
...bitte? (wenn die Peitsche nicht hilft, dann vielleicht das Zuckerbrot! :D)
 
Ah, bis Montag hatte ich Besuch und damit gar keine Zeit.

Gestern hätte ich die gehabt, aber dann hab ich die Posts hier gelesen und dachte mir, nah, die Leute müssen lernen, dass ich ungern gehetzt werde.

Update gibts später...vielleicht :angel:.

Simon
 
Kapitel 6 – Harte Wahrheiten


Nach einem langen Tag verabschiede ich mich von Lixt. Ich möchte den vollen Körper zur Verfügung haben, wenn der Meister gleich in sein Zimmer geht, für den Fall der Fälle. Sie ist etwas traurig, dass ich gehen muss – wird wieder eine Nacht ganz alleine verbringen – aber ich verspreche ihr, dass ich den Meister überzeuge, möglichst schnell etwas wegen Golanthe zu unternehmen. Lixt fühlt sich nicht sicher genug, ganz ohne Aufsicht ihren Golem neu zu beschwören – abgesehen davon, dass sie gar nicht wüsste, wie sie ungesehen an Material kommt, hier in den überall vermauerten Hallen. Auch das, lässt der Meister ihr durch mich mitteilen, ist kein Problem. Er hat einen Plan. Natürlich. Wird er ihn mir verraten? Natürlich nicht. Das Übliche.
Wieder vereint tarne ich mich als Armreif, zur weiteren Sicherheit unter den Ärmeln des Novizengewandes versteckt, und begleite so den Meister durch die Gänge. Ein unbekannter Tongolem kommt uns entgegen; ich spanne figurativ die Muskel an...ist es ein Attentäter? Nein, er drückt sich brav an die Wand und lässt den Meister ohne Probleme vorbei.
Und murmelt ihm dabei etwas zu. Kurz schießt der Blick des Angesprochenen zur Seite, dann zwingt er aber seine Augen nach vorne. Tut so, als würde er sich am Kopf kratzen, um mit mir zu flüstern. "Was hat er gesagt?"
"Fluchfalle über der Tür", antworte ich, die krude Sprache des anderen Golems interpretierend. Der Meister grinst. "Ausgezeichnete Arbeit, ihr beide, wirklich."
"Du solltest Ingkrias' Golem danken. Dass er so schnell einen Boten bekommen hat, und ihm innerhalb eines Tages genug Sprache beigebracht hat, dass ich ihn verstehen kann..."
"Ja, scheint so, als hätten die größten Idioten die anständigsten Golems, haha." Ich verstehe den Witz, fühle mich aber trotzdem verpflichtet, zu protestieren, was der Meister aber unterbricht. "Nein, deine Anständigkeit macht der Zweite gut wieder wett."
Wir versinken für ein Weilchen in Schweigen, bis die Tür und die Falle dahinter auftauchen. Eine Dreiergruppe Skelette kommt gerade um die Ecke; der Meister geht an seinem Zimmer vorbei, lässt sie passieren, außer Sichtweite geraten, und dreht dann um.
"So...wärst du dann so gut, Golem?", fragt er mich, und dann fällt ihm etwas ein. "Oder soll ich dich jetzt Dorelem nennen?"
Ich bin ein wenig zerknirscht. "Na ja, den Namen hat 'nur' Lixt mir gegeben, was ja eigentlich irgendwie dein Recht wäre, aber...er gefällt mir ganz gut..."
"Ach, ich bin ganz froh darum. Du meintest immer, dass du nicht unbedingt einen Namen brauchst, mit Golem zufrieden bist, aber mir ist es schon lang immer blöder vorgekommen, dass ich dich so nenne. Nur bin ich wirklich nicht gut mit Namen, und du hast mich nicht wirklich gedrängt, also...es tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, möchte ich sagen." Kurze Pause. "Aber ich fand es ein wenig komisch, dass der Zweite es mir sagt."
Er ist leicht verletzt, dachte ich es mir doch. "Ich war leider lange damit beschäftigt, Lixt zu beruhigen. Hättest du das lieber ihm überlassen?"
"Haha, nein. Aber sei vorsichtig, dass ich nicht eifersüchtig werde auf die ganze Aufmerksamkeit, die du meinem Mädchen schenkst...Scherz. Was hältst du eigentlich von der Sache, Zweiter? Willst du wirklich keinen besseren Namen?"
"Ich hatte nie einen Namen und verlange nach keinem. Jedoch möchte ich höflichst darauf hinweisen, dass die nächste Patrouille in etwa drei Minuten vorbeikommen wird. Und wir nicht wissen, wie diese Falle konkret aussehen wird. Ihr wollt vermeiden, dass jemand bemerkt, dass man Euch nach dem Leben trachtet, habe ich das richtig verstanden?"
"Ja, ja, so ist es", antwortet der Meister zerstreut.
"Darf ich dann aufs Ergebenste Abstand empfehlen?"
"Sicher. Aber ist es wirklich in Ordnung, dass ich dich weiterhin 'Zweiter' nenne? Das ist so...abwertend. Und ich glaube, du hast deinen Willen, mit uns konstruktiv zusammenzuarbeiten, genug bewiesen."
"Es ist so gut wie jede andere Anrede, um Verwechslungen zu vermeiden. Ich werde jetzt hineingehen."
Irgendwie benimmt er sich komisch – ich weiß ja, dass er eine Menge Privates zu verbergen hat, und nachdem ich schon mehr und weniger freiwillig ein paar Blicke darauf werfen durfte, weiß ich auch, dass er guten Grund dafür hat. Aber es war selten so offensichtlich, dass ihm ein Thema so...nahe geht.
Wir fließen unter der Türschwelle hindurch. Sofort sehe ich, wie ein dunkel oranges Leuchten beginnt, den sonst lichtlosen Raum zu erhellen, sodass meine Nachtsicht nutzlos wird. Über unserem Kopf schwebt das Symbol eines Fluchs...ein einzelner Glühfaden, wie der Schweif eines Kometen, der von einer im Kreis fliegenden Kugel ausgeht.
Ach so ist das. Und ich hatte mich schon gewundert, wie er den Meister mit einem Fluch umbringen will.
Was ist das?
Mittelpunkt. Verwirren auf die ganz Gemeine. Die verwirrten Gegner greifen nicht mehr wahllos Ziele an, sondern nur noch ein Bestimmtes.
Ich fühle mich gar nicht so, als müsste ich den Meister angreifen.
Nein, Tonschädel. Wir sind das Ziel. Mach dich bereit.
Wo...oh. Ich höre sie, bevor ich sie in dem schlechten Licht sehe, unzählige Füße in stetigem Rhythmus, ein Klicken und Scharren, eine Armee: Skorpione, gut ein Dutzend, die bis zur Auslösung des Fluches friedlich im Strohbett geruht hatten, und jetzt auf uns zurennen, dabei keine Rücksicht aufeinander nehmen, es zählt nur, dass wir sterben. Es sind große Exemplare, mit mächtigen Scheren und stolz erhobenen Stacheln, zuckend und bis zum Bersten mit Gift gefüllt. Sie wirken gesund, wohl genährt, gezüchtet sicher für genau ein solches Attentat. Kann sogar wie ein Unfall aussehen, wenn man nicht zu viele Fragen stellt, oder stellen will.
Die Klauen haben einen größeren Durchmesser als meine Schulterbreite. Die Spitzen der Stachel überragen mich.
Meine Hände formen ihre kleinen, lächerlich wirkenden Krallen. Sollten wir nicht lieber dem Meister Bescheid geben?
"Oh, hier ist ein ganzes Nest Skorpione, aber keine Sorge, die beißen nicht"? Wir müssten sie ohnehin ausrotten. Klar könnten wir schnell rausgehen, aber dann sammeln sie sich an der Schwelle und wir kommen nicht mehr rein.
"Alles in Ordnung?", flüstert der Meister durch den Spalt am Fuß der Tür. "Wir müssen Kammerjäger spielen", antworte ich, erleichtert, dass er nun doch informiert ist. Dann beginnt der Kampf. Ich lasse den Zweiten übernehmen – habe ich Ahnung davon, wie man Skorpione am besten verletzt? Er offenbar schon. Dem stoßenden Stachel des ersten weicht er aus, klug die Bewegungen des Gliedertiers lesend, was ich völlig verpasst hätte. Bisher hatte ich nur Übung mit sichtbaren Muskeln. Der Zweite packt den Stachel, schiebt ihn zur Seite, zwischen schon zupackende Scheren, die so blockiert sind, und den ersten auch vorerst außer Gefecht setzen. Schnell schrumpft unser Körper, damit der Hieb von der anderen Seite daneben geht, wir fließen unter den vergleichsweise weichen Bauch des Angreifers, und wie damals bei Duriel, stößt der Zweite nach oben, bohrt Klauen zwischen Körpersegmente und reißt. Eingeweide übergießen uns, das seltsam klingende Insektengeschrei erklingt, und dann wird der noch zuckende Körper schon weggerissen: Die anderen spüren ihr Ziel, setzen die Jagd fort, um jeden Preis. Noch sind die Krallen oben vom Heben des verendeten Kollegen, der Zweite nutzt das, springt darunter hinweg, packt ein Bein, reißt es aus und stößt es umgedreht in die gerade geschaffene Lücke im Panzer. Er erklimmt den ausgeschalteten Skorpion, um mehr Überblick zu gewinnen...
Der Todeskampf hat unserem letzten Opfer nicht sämtliche Kontrolle gekostet. Von hinten durchbohrt uns der Stachel.
Was solls. Keine Nerven hier zum Paralysieren.
Wir fließen zurück, um die Verdickung mit dem Gift darin, bis der Schaft des Schwanzendes in unserem Körper steckt, an der Verbindungsstelle bricht der Zweite das ganze Stachelsystem ab. Diese etwas klobige Waffe findet bald ein Ziel, und ich finde heraus, dass Skorpione nicht gegen ihr eigenes Gift immun sind.
Da halten die anderen plötzlich inne, wirken verwirrt. Was ist los?
Fluchdauer zu Ende.
Oh.
Na denn, das macht die Sache leichter.
Aber sie wehren sich jetzt gar nicht mehr!
Oh, sicher. Angreifen werden sie uns nicht mehr.
Ich töte ungern wehrlose Tiere.
Du spinnst.
Die Tür schiebt sich einen Spalt auf. "Alles klar? Oh. Die perfekte Gelegenheit, das einmal auszuprobieren."
Der Meister hebt eine Hand, und plötzlich tanzen grüne Punkte über den Köpfen der Skorpione. Kurz wirken sie noch hilfloser – und gehen dann aufeinander los, ein wildes Gemetzel. Kichernd tritt der Meister ein, geht vorsichtig um die sich gegenseitig zerreißenden Gliedertiere herum und zündet die Öllampe an, bevor er die Tür schließt.
"Gerade recht, da kommen die Skelette."
Ich starre missmutig auf das grausame Schauspiel. "Ist was, Go...Dolerem?", fragt der Meister besorgt.
"Dorelem. Ich weiß nicht, das kommt mir vor, wie einer Fliege die Flügel auszureißen."
"Fliegen haben keine Stachel. Kann nicht sagen, dass ich dich hier verstehe."
Er zerschlägt den letzten Überlebenden mit seinem Schuh. "Schau dir das an, hätte glatt noch durch die Sohle gestochen. Was haben Skorpione jetzt mit einem Fluch zu tun?"
Der Zweite erklärt es ihm, während ich mich schon daran mache, die verstümmelten Überreste einzusammeln. Wie soll ich die denn vernünftig verstecken?
"Leg sie einfach auf einen Haufen. Also, Mittelpunkt, hm. Klingt teuflisch. Aber nützlich. Verwirren funktioniert ja schon einmal prima."
Ach, das waren die grünen Punkte...wenn so etwas über mir tanzte, würde ich sicher auch ganz kirre werden. Als ich die Kadaver gestapelt habe, erschafft der Meister abwesend ein halbes Skelett aus ihnen: Ohne Gliedmaßen außer einem handlosen Arm. Es zerfällt nahezu sofort wieder, und hinterlässt – natürlich – nur Staub. Ich rümpfe die Nase...die Weichteile müssen ja trotzdem noch entsorgt werden. In einem kleinen Beutel, den kann er dann wegwerfen, beschließe ich.
"Kommst du klar mit dem Rest?", fragt der Meister, mit großer Hoffnung in der Stimme, dass ich nicht verneine.
"Aber natürlich. Leg dich hin.", komme ich ihm entgegen. Was solls. Das erledigt sich so nebenbei.
Der Hauptkörper ist derweil schon mit einem anderen Golem allein – Meisterin Fratellas schlanker Eisendiener, den sie so geformt hat, wie sie vielleicht einmal in ihrer Jugend ausgesehen hat, mit breiter Brust und Hüften. Ähnlich meinem Modell hat sie ebenfalls versteckte Klingen in den Armen, Dolche mit filigran scheinender Klinge, aber das täuscht, genauso wie die sonst harmlose Erscheinung, ohne die Stacheln und Dornen überall, die der Meister mir verpasst hat. Die Dolche sind seit Kurzem mit potentem Gift verzaubert. Eine unserer interessantesten Nachrichten für den Meister, da Meisterin Fratella die Verzauberung kurzerhand vor meinen Augen an ihrem Golem ausprobiert hat.
Man muss es ihr lassen, die Sache permanent zu machen, hat mein Meister nicht hinbekommen. Wobei ihn der Nahkampf natürlich auch nie interessiert hat. Schade nur, dass es etwas wenig Sinn hätte, unseren eigenen Dolch mit Gift zu verstärken...
Ja, eine wahre Schande, das. Viel bedrückender finde ich, dass die gute Meisterin tatsächlich zu vernünftiger Stunde ins Bett gegangen ist und wir deswegen schon viel früher als sonst die Nacht mit einer stummen Wächterin in der Ecke des Raumes beginnen.
Konzentrier dich doch derweil auf das Saubermachen.
Nein, danke, da nehme ich dir doch lieber noch ein paar Stunden mit Schach ab. Oder sollen wir sie auch ansprechen?
Ingrias' Golem leistet gute Arbeit und wir können ihm offenbar vertrauen, es gibt keinen Grund, dieses Risiko einzugehen.
Hast ja Recht.
"Mir wurde gesagt, dass ich dir für ein gewisses Geschenk danken muss?", ertönt plötzlich eine hohe, metallische Stimme im Raum. Was mir ein Grinsen aufs Gesicht zaubert. "Das klingt richtig, ja...", antworte ich. Die Nacht ist gerettet.
Oh Hölle, und ich habe mich so auf ein wenig Ruhe gefreut...
Tatsächlich hat der Zweite nach einigen Stunden keinen Grund mehr, sich zu beschweren. Meine Gesprächspartnerin ist nicht ganz so in Dankbarkeit ergeben wie der Papiergolem, aber sie möchte genausowenig wie er, dass mir und damit dem Meister etwas zustößt. Der Zweite übernimmt das Reden nach kurzer Zeit, leiert ihr, ohne zuviel von unserer Situation preiszugeben, Information über Information aus den Stahlrippen. Könnte die Meisterin Interesse daran haben, dem General zu schaden? Ein klares "vielleicht", aber sie beharrte bisher auf der Meinung, dass er zwar mehr schaden als nutzen würde, schreckt aber davor zurück, ihn zu exekutieren. Ist insofern, allein weil mehr als ein Meister das deutlich anders sehen – ohne es direkt auszusprechen, allerdings – eine starke Unterstützerin von Meister Valtores, wenn sich die Ältesten wieder einmal streiten. Viele von den genannten Namen sagen mir nichts, wobei ich überrascht bin, dass der so trockene und in der Vergangenheit zu leben scheinende Meister Baranin ganz klar ausspricht, dass er den Verbleib des Generals hier für sehr richtig hält. Der Zweite saugt natürlich die uns noch unbekannten Namen auf wie ein Schwamm. Ich stelle fest, dass Ingkrias kein einziges Mal erwähnt wird.
Er ist ein Opportunist. Hat keine feste Meinung, kann so jede Seite unterstützen, wenn die am Gewinnen ist, und am Schluss behaupten, dass er es immer schon gesagt hat. Und zieht nebenbei die Fäden im Hintergrund. Genau, was ich ursprünglich von Lixt dachte.
Und auf welche Gelegenheit genau wartet er? Mir fehlt hier irgendwie die Motivation, wenn man bedenkt, wie alt er schon ist.
Ich weiß es nicht. Aber es kann nicht gut sein, dass ihm so viel daran liegt, die potentesten Flüche aus dem Buch zu erfahren – und das Wissen über sie sorgsam geheim hält. Und nebenbei hinterrücks versucht, den Status Quo zu untergraben. Die Leute scheinen auf Valtores zu hören, seine Meinung hat Gewicht, auch wenn hier keiner ein definierter Anführer ist...das kann Ingkrias nicht gefallen.
Du meinst, er plant einen Putsch?
Ich denke, er weiß nicht, warum Valtores den Meister als Novizen aufgenommen hat – so wenig wie wir, möchte ich hinzufügen – und das macht ihn völlig fertig. Nach dem, was ich so höre, freut sich Valtores durchaus, dass er seine Ansichten durchsetzen kann, aber es scheint fast so, als liege ihn wirklich nicht allzuviel an Machtgewinn. Was auch kompletter Unfug wäre, die haben ein gutes Gleichgewicht geschaffen. Würde einer versuchen, sich über die anderen zu erheben, bekäme er von allen Seiten Widerstand. Wenn man eine solche Situation versteht, ist das das Paradies. Man ist in einer Position, die sich quasi nicht verbessern lässt, als Teil eines gleichberechtigten Gremiums, das den Laden am Laufen hält. Aber weil man sich als schon immer als vernünftig erwiesen hat, kann man Vorschläge bringen, die öfter als die von anderen gehört werden. Valtores hat sich hier ein wunderbares Nest geschaffen, er kann quasi tun, was er will, ohne die Regeln ihrer Oligarchie auch nur zu biegen.
Ingkrias dagegen versteht die Situation nicht im mindesten. Es geht ihm nicht ein, dass man vollkommen zufrieden sein kann damit, es so weit gebracht zu haben. So ist er paranoid – möchte Valtores vielleicht die absolute Macht an sich reißen, ihn, der andere Meinungen hat, aus dem Rat werfen? Niemals würde Valtores das machen, weil er nicht dumm ist, aber das könnte man Ingkrias nie erklären. Er sieht den Meister, einen unbekannten Faktor, aufgenommen mit unbekannter Motivation, und sieht eine Trumpfkarte. Eine Waffe in der Hinterhand. Er will Klarheit, also entfernt er die Karte aus dem Spiel. Ich bezweifle, dass er wirklich weiter denkt als so. Inklusive der Trang-Oul-Verbindung. Wetten, dass er keine Ahnung hat, was genau es bedeutet, dass der Meister einen Gürtel mit dem Symbol trägt, aber sich enorm viel darauf zusammenreimt?

Hm. Das klingt relativ schlüssig. Hast du sowas schon einmal erlebt?
Pass auf, ein Beispiel. Eine Stadt, tyrannisch regiert von einem Mann, der absolut unantastbar ist, vergiss es, er ist der Herrscher, und bleibt das auf unabsehbare Zeit. Er hat allerdings keine Lust, jede einzelne Entscheidung zu treffen, jedes Detail der Stadt zu steuern, es gibt Besseres zu tun. Also sucht er sich einen Haufen Idioten, die sowieso die ganze Zeit schon das Gefühl hatten, dass ihnen eigentlich mehr Macht, mehr Einfluss zustehen sollte, wenn da nicht dieser Kerl an der Spitze wäre. Sagt ihnen, passt auf, du kriegst dieses Stadtviertel, du dieses, ihr trefft euch einmal in der Woche und trefft Entscheidungen, und wehe, ihr nervt mich. So eliminiert er sie aus der Gleichung. Sie sind froh, ihre Macht zu haben, so legitim, wie es geht, dazu, machen seine Drecksarbeit und freuen sich des Lebens. In den Haufen Idioten setzt er zwei, drei schlaue Leute, die genau wissen, das ist das Beste, was ihnen je passieren könnte, und sie erzählen ihm sofort, falls irgendjemand auf dumme Gedanken kommt. Jetzt stell dir vor, es gibt den Mann an der Spitze nicht mehr. Was passiert? Nichts. Die Gruppe an der Spitze regiert weiter. Wird einer von ihnen die Macht übernehmen? Unmöglich. Sie haben sich die ganze Zeit gegenseitig klein gehalten. Die Schlauen arbeiten perfekt zusammen, sind die besten Freunde, gegen sie kommt niemandes Meinung an, also versucht es auch niemand. So war es hier, als Rathma das Zeitliche gesegnet hat. Seine ersten Jünger haben gemeinsam die Zügel in die Hand genommen, und der Ältestenrat besteht seitdem ohne Querelen.
Und der angesprochene Tyrann ist nicht zufällig jemand, den du sehr gut kennst...?
Wenn ich dir das erklären muss, wirst du aus unserem Rat von zwei Leuten geworfen. Ebenfalls überflüssiger Hinweis: Du gehörst zu den Idioten.
Welche Ehre. Schade nur, dass ich trotzdem das letzte Wort habe.
Hast du das.
Hm. Also, es ist bald Morgen...sollten wir denn nicht das Trang-Oul Kapitel aufschlagen? Ich bin mir sicher, Fratellas Golem wird das nicht stören.
...wir fragen sie. Mehr darüber, was Ingkrias vielleicht doch triftigen Grund für seine Paranoia gegeben haben könnte zu erfahren, ist einfach zu wichtig.
"Ich würde auf Auftrag meines Meisters ein paar Seiten hier auf eigene Faust durchlesen. Gibt es noch etwas, worüber wir reden sollten?"
"Tatsächlich gibt es das. Du solltest es nicht tun", antwortet sie schnell. Ich bin sofort besorgt. War die Übervorsicht des Zweiten begründet? "Warum?"
"Ich habe strikte Anweisung, alles Unerwartete, was du tust, zu melden, schriftlich natürlich. Großzügig interpretiert habe ich erwartet, dass du reden kannst, also kann ich das vermeiden. Aber dass du selbst Interesse an dem Buch zeigst, ist definitiv unerwartet, nicht nur von meiner Meisterin, sondern auch von mir."
"Verdammt, habe ich es mit der Frage schon versaut?" Ich ohrfeige mich innerlich.
"Unerwartetes, was du tust. Noch hast du nichts getan. Aber ich würde nicht das Umblättern beginnen."
Halb unbewusst imitiere ich das Ausatmen angehaltener Luft. "Danke für die faire Warnung."
"Das Wenigste, was ich tun konnte."
Die Unterhaltung ist damit gestorben. Wann werden wir dem Buch die Geheimnisse entreißen können?
Etwas später wecke in den Meister. "Wie angenehm, zur Abwechslung mal wieder von deiner süßen Stimme aus dem Schlaf geholt zu werden, Dorelem. War das richtig?"
"Ja!", strahle ich ihn an. Er grinst verschroben, reibt sich den Schlaf aus den Augen. "Nun denn, was steht heute an?"
"Vormittag hilfst du in der Küche aus, kein Unterricht. Später ist Beschwörung angesagt, als Einziges. Wie jeden Mittwoch. Was würdest du ohne mich machen?"
"Keine Ahnung, es mir aufschreiben?", gähnt er. "Wenn es mir wichtig wäre, könnte ich es mir sicher auch merken. Hm, das heißt, es ist auch wieder Zeit für unser wöchentliches Treffen?"
"Aber selbstverständlich."
Er streift sich die Hose über. "Dostrian konfrontieren oder nicht, das ist hier die Frage."
"Mit was? Wir haben nur Vermutungen. Zur Hölle, vielleicht ist Mei...Valtores wirklich selbst draufgekommen."
"Niemals. Nein, ich weiß, was ich mache."
Ein paar Sekunden Stille später stelle ich eine Frage, die ich mir sparen könnte. "Aber du wirst es mir nicht sagen?"
"Ach, ich hab den ganzen Tag Zeit, darüber nachzudenken...da ist doch noch nichts in Stein gemeißelt, warum Worte verschwenden." Dann reibt er sich das Kinn. "In der Küche, hm?"
"Noch ein Plan?"
"Wir werden sehen, wir werden sehen. Was ist das?" Er deutet auf ein kleines feuchtes Leinensäckchen.
"Skorpioninnereien. Die müsstest du wegschaffen", flöte ich. Er rollt nur mit den Augen und wirft die Arme hoch. Dieser Golem immer. Schon klar.
Töpfe schrubben sich schnell, wenn man jemand hat, der hineinsteigen kann und in jede Ecke kommt. Und ich habe ja nur eine Tonhaut, ist ja nicht so schlimm, wenn ich dreckig werde, richtig? Pah, ich helfe ihm ja gerne, aber er sollte nicht einfach so annehmen, dass es für mich überhaupt kein Problem ist. Vielleicht spreche ich ihn irgendwann darauf an...
Dann werde ich durch seinen zuletzt gefassten Plan abgelenkt, für den er mich braucht und den er mir schließlich doch verrät. Es ist eigentlich ganz einfach. Der Abfall vom Kochen ist hier unter besonderer Aufsicht. Mit einem gewaltigen Komplex voller übereifriger Novizen lässt man auch ausgekochte, gesplitterte und hohle, von Geflügel stammende Knochen nicht einfach so herumliegen. Darum werden alle diese prinzipiell unbrauchbaren Gebeine nur vorsichtshalber vor der Entsorgung noch einmal komplett zermahlen. Alle brauchbaren Knochen sind längst schon für Experimente, Ersatzteile und Ausrüstung beiseite geschafft worden. Ich habe mitbekommen, dass es immer wieder aufkommende Diskussionen gibt, ob es in Ordnung ist, den natürlichen Lebenskreislauf so vieler Nutztiere zunächst anzuwerfen – durch Zucht – und dann wieder zu unterbrechen – durch Schlachtung. Man bemüht sich offenbar, die Population an Vieh konstant zu halten, um nicht zu viele Seelen auf einmal hin- und herzuschieben. Oder so. Ganz habe ich die Philosophie dahinter nicht verstanden, aber da bin ich, glaube ich, nicht alleine. Letztlich ist das aber egal, denn der Pragmatismus gewinnt hier immer: Totenbeschwörer brauchen Knochen in großzügigen Mengen. Punkt. Und das Fleisch schmeckt eben den meisten, was natürlich selten als Grund zugegeben wird, aber garantiert ein entscheidender Faktor ist.
Worauf ich eigentlich hinaus will – es sollte unmöglich für einen Novizen sein, sich einfach so einen Skelettdiener zu erschaffen, wann immer er oder sie will. Mal ganz abgesehen davon, dass dies auffallen würde. Die Transportwege in die Lager sind sicher, und wie gesagt, Abfall wird zermahlen.
"Ich frage mich wirklich, ob die das hier nur zur Schau machen. Wenigstens die Meister sollten doch wissen, dass es völlig umsonst ist?", murmelt der Meister, als die Grube voller Knochenmehl schon zum neunten Mal in Folge verräterisch hochstaubt. Zum ersten Mal seit einiger Zeit ist die Armee wieder komplett, versteckt unter dem auch zermahlen offenbar noch problemlos zum Beschwören geeigneten Material.
"Vielleicht. Aber ich denke nicht, dass der übliche Novize sich so einfach klar machen kann, dass es nur wichtig ist, dass es ein einmal lebendes Körpergerüst war", überlege ich halblaut. "Ich meine, die waren überrascht genug, als du die Insektenpanzer benutzt hast."
"Auch wieder wahr. Tja, was man eben in der Praxis so alles mitbekommt..." Der Meister pfeift beim Abschließen der noch anstehenden Arbeiten.
"Was hast du jetzt mit den schlafenden Kriegern da unten vor?"
"Oh, ich hab da so ein paar Ideen..." Und wem wird er sie nicht erzählen? Richtig.
Ich finde es sehr gesund, dass er eine gewisse Verschwiegenheit pflegt. Gerade in diesem unüberschaubaren Sumpf aus Geheimnissen.
Ja, aber uns gegenüber?
Seine Sache.
Ich gebs auf.
Das Mittagessen ist ereignislos, genauso wie der Beschwörungsmarathon, vier Stunden am Stück. Übung für Übung für Übung. Der Meister muss sich vorkommen wie ein Schachmeister, der in peinlichster Genauigkeit beigebracht bekommt, in welche Richtungen man den Springer bewegen kann. Aber er bekommt eben keine Vorzugsbehandlung. Meister Valtores benimmt sich völlig normal; wo Ingkrias überkorrigiert hat und seine Schuld damit peinlichst offensichtlich war, ist der Beschwörungslehrer völlig natürlich in seiner klassischen Kühle. Er stellt dem Meister nicht mehr Fragen als den anderen Schülern, kritisiert nahezu gleich viele kleine Details in dessen Technik wie bei anderen – um genau zu sein, ein paar mehr, da der Meister natürlich einige eigene Ideen eingebracht haben, die sich oft mit der Standardmethode beißen. Und ich muss sagen, von außen betrachtet, kann er davon durchaus etwas lernen. Er hat sich sehr gut geschlagen durch eigenes Improvisieren und Ausprobieren, aber manchmal ist, was Meister Valtores ihm rät, einfach eleganter, ökonomischer, effizienter.
Irgendwann ist es vorbei. Der Meister wendet sich ganz normal zum Gehen, folgt der Dreiergruppe unserer Freunde – nun gut, je nachdem, ob Dostrian uns jetzt wirklich verraten hat oder nicht – um sich später zu ihnen an den Tisch zu setzen...da legt ihm beim Herausgehen der Blutgolem des Lehrers eine Hand auf die Schulter. Oh. Na ja, nicht wirklich Grund zur Sorge, natürlich will er mit seinem überqualifizierten Novizen reden, und das hier ist eine relativ unauffällige Gelegenheit.
"Neflum, ich möchte mit dir reden. Setz dich, bitte." Lixt hört das noch und dreht sich kurz um, aber geht dann schnell weiter. Der Meister nickt brav und wartet auf die erste Frage. "Hast du das Gefühl, dass du dich mittlerweile hier gut eingelebt hast? Dass du zurecht kommst mit den Pflichten eines Novizen und dem Studium deiner Fächer?"
"Oh, auf jeden Fall", antwortet der Meister und legt genau die richtige Menge mildes Lächeln in die Stimme. "Es ist natürlich manchmal ein wenig stressig, aber eigentlich ist es Erholung gegenüber dem, was ich draußen teilweise an Problemen hatte."
"Soso. Vermisst du diese Freiheit gelegentlich?" Wie üblich ist der Tonfall des alten Meisters nicht zu deuten.
"Ich würde lügen, wenn ich nein sagen würde. Zumindest beim Topfschrubben."
Meister Valtores geht nicht auf den Scherz ein. "Du scheinst auch schon Freunde unter Gleichaltrigen gefunden zu haben."
Die Schlinge zieht sich enger...
Sicher hat der Meister dieses Gespräch schon unzählige Male durchgespielt. Der kommt schon zurecht.
"Nun, so lange kennen wir uns noch nicht, aber ich würde sagen, wir sind auf bestem Weg."
"Und mit guten Bekannten bespricht man natürlich auch gerne den Lernstoff, in der Freizeit?"
Enger...
"Ich meine, im Gedanken des wissenschaftlichen Austausches...", gibt der Meister etwas schwach zurück, aber er weiß ja schon, dass es absolut keine Möglichkeit gibt, sich hier zu verteidigen.
"Ein hochgestochener Ausdruck. Den du vermutlich von Dostrian übernommen hast, der ihn von mir hat. Ja, der Austausch ist sicherlich fruchtbar. Wobei ich mich frage, was du von ihnen wirklich lernen kannst." Eine gefährliche Schärfe durchdringt die sorgfältige Neutralität in den Sätzen des Beschwörungslehrers.
"Oh, dies und das...ich meine, sie haben natürlich einige Jahre länger Erfahrung als ich", weicht der Meister aus, aber eigentlich wartet er nur wie ich darauf, dass der Hammer fällt.
Dass Meister Valtores das fast wörtlich nimmt und seine Handflächen laut klatschend auf den Tisch schlägt, lässt ihn dann doch zusammenzucken. "Du bringst ihnen Dinge bei, für die ich sie in fünf Jahren noch nicht reif genug halten würde, General!", donnert er. "Hast du irgendeine Ahnung, wie gefährlich so etwas sein kann? Was für Versuchungen du in ihnen wecken könntest? Techniken, die du offenbar für harmlose Spielereien hältst, die unzählige Menschenleben kosten könnten, wenn sie in die falschen Hände geraten?"
Hat er ihn gerade "General" genannt? Der versucht, zu beschwichtigen. "Es sind doch nur..."
"Nur, nur! Es ist nicht falsch, auf Erreichtes stolz zu sein, aber du bist dir offenbar nicht im Geringsten der Verantwortung bewusst, die du hast! Ich habe dich aufgenommen, damit du lernst, dein Wissen unter Kontrolle zu bekommen, nicht, damit du es überall verstreust wie tickende Zeitbomben!"
Er funkelt den Meister an. Autsch. Das war ein wenig heftiger als erwartet. Kurz senkt sich Stille über den Raum, während der Meister überlegt. Seine Frage ist dann allerdings ganz einfach. "Und jetzt?"
Meister Valtores seufzt und setzt dann wieder absolute Neutralität auf. "Wir brauchen hier nicht um den heißen Brei herum reden, General. Du kommst hier an, versprichst, dich unterzuordnen, aber brichst mit Hingabe so viele Regeln in so kurzer Zeit, dass ich dich nicht nur herauswerfen sollte, sondern am besten gleich dafür sorgen, dass du nie wieder irgendwelche Regeln brichst."
Eiskalt bleibt der Meister sitzen. Gut so. Der Blutgolem ist nicht wirklich einer, mit dem zu spaßen ist. Nach einer sich dehnenden Pause redet Meister Valtores weiter. "Aber das würde bedeuten, dass ich meine Zeit verschwendet hätte, und dass ich mich in dir getäuscht hätte, beides Dinge, die ich ungern tue. Ich hatte Gelegenheit genug, mir ein Bild von dir zu machen. Du bist nicht nur talentiert, du bist brilliant. Wenn du auch nur ein Fünkchen weniger Schläue in dir hättest, wäre das Buch für dich komplett nutzlos gewesen, oder der Umgang damit hätte dich vermutlich relativ spektakulär das Leben gekostet. Das ist ein Potential, das ich durchaus erkenne."
"Vielen Dank", antwortet der Meister tonlos.
"Ha", schnaubt sein Gegenüber, "du solltest das nicht als Lob auffassen, General. Denn so willkürlich du deinen Namen angeblich gewählt hast, ich sehe dich an und sehe dessen ersten Träger. Jeder Bericht über seine Persönlichkeit, sein Verhalten, du erfüllst sie, als wärst du die Wiedergeburt des Bösen selbst. Die wenigen Bilder, die wir haben, könnten von dir in etwa fünfzig Jahren sein, die Nase, die Wangenknochen, sogar die Haarfarbe stimmt bereits. Schneeweiß in deinem Alter, und doch bist du kein Albino. Es ist mehr als beunruhigend. Es ist geradezu beängstigend."
Nichts von dieser Emotion fließt in seine Rede, aber wenn man eine derart kultivierte Neutralität pflegt, ist allein das Aussprechen von Gefühlen wohl schon das Äquivalent zu schreiender Panik.
Der Meister versucht, seine Reaktion ähnlich trocken zu halten, und macht es gar nicht übel: "Ich hasse es, mich wiederholen zu müssen, aber dann wüsste ich erneut gerne, warum ich überhaupt noch lebe."
"Eine Frage, auf die ich die Antwort auch gerne wüsste. Aber ich habe schon verstanden. Warum schütze ich dich? Nun, kannst du das nicht selbst denken?"
"Potential?"
"Exakt. Du bist gefährlich. Du machst Probleme. Verursachst mir die ersten Kopfschmerzen seit gut zehn Jahren. Aber du bist voller Chancen. So Viele hier denken, du bist verdorben bis zum Kern, dein Name allein hätte ihnen gereicht, dich zu verdammen. Und übersehen das Wichtigste: dass ohne Leute wie dich die Welt sich nicht weiterdreht."
Er dreht dem Meister jetzt den Rücken zu und starrt an die Tafel. "Du bist jung, voller Energie, frischer Ideen. Das Buch hat dir geholfen, aber die Anwendung ist deine. In der kurzen Zeit, in der du hier bist, hast du mich schon mehr als einmal überrascht, und das in meinem Spezialgebiet. Weißt du, dass du seit zehn Jahren der erste Autodidakt bist, den wir hier aufgenommen haben?"
Der Meister schaltet schnell. "Die Quelle der Kopfschmerzen?"
Meister Valtores wirft ihm einen Blick zu, als wäre die Frage die dümmstmögliche. "Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Wenn es nur darum ginge, dir dein Wissen auszupressen, könnten wir das auch auf unangenehmere Weise machen, das ginge schneller und effizienter, und danach würdest du sang- und klanglos entsorgt."
Eiskalt.
Man kommt nicht in eine solche Position ohne ein gesundes Maß an Skrupellosigkeit.
"Nein, es ist von eminenter Wichtigkeit, dass du am Leben bleibst. Deine Ideen weiterentwickelst. Deine Neugier, deinen Forschungsdrang weiterhin für das Gute nutzt. Ich habe mit vielen Leuten geredet in den letzten Wochen, viele Berichte gelesen, wenig geschlafen."
Mit präzisen, gleich weiten Schritten beginnt er, auf und ab zu gehen. "Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass du bisher Einiges vollbracht hast. Von Tristram über Lut Gholein bis Kurast. Und tiefer, angeblich. Andere zerreißen sich den Mund, dass du mit deiner Macht die Welt spalten wirst, Krieg bringen, Leid, Tod in allen Ländern Sanktuarios. Was sein kann. Auch dafür hast du das Potential, das Erbe deines Namens ist Zeugnis genug dafür. Aber hast du irgendetwas in dieser Richtung unternommen? Bisher wurdest du herumgescheucht auf deiner Jagd nach den Großen Übeln, hast ohne zu klagen und ohne dich feiern zu lassen des Öfteren die Koffer gepackt und auf deiner selbst auferlegten Mission weitergemacht. Wenn du das nur tust, um dich zu profilieren, überall an Macht und Einfluss zu gewinnen, dann wäre ich fast gewillt, dir das zu gönnen, so viel Mühe, wie du dir gibst. Aber nein."
Er bleibt stehen und sieht dem Meister direkt in die Augen.
"Die anderen sehen die Gefahr, die du darstellen könntest. Was sie dabei übersehen, in ihren konservativen, verkrusteten Hirnen, ist wie vielen Menschen du helfen könntest. Du schon geholfen hast. Sie sehen einen Dämon kurz vor dem Amoklauf, einen Chaosstifter. Ich sehe einen jungen Mann, kaum erwachsen, mit eisernem Willen und so viel Hoffnung in den Augen."
Und endlich zeigt Meister Valtores ein äußerliches Zeichen davon, dass er sich in das redet, was bei ihm als Leidenschaft durchgeht: Er ballt die Faust an seiner Seite. "Wenn wir nicht bereit sind, ein Risiko einzugehen, den nächsten Generationen ein wenig Freiheit zu lassen, Fehler zu begehen, sie aus diesen lernen lassen, ihnen das Korsett uralter überkommener Traditionen überspannen und beim kleinsten Anzeichen des Wandels danach schreien, selbigen auszumerzen mit Stumpf und Stiel, dann werden wir innerhalb von wenigen Jahrzehnten aussterben, überholt von einer sich um uns ändernden Welt. Es ist eine Überzeugung, der ich anhänge, seit ich damals selbst Novize war, als ich jeden Tag ausbrechen wollte und am liebsten ganz Sanktuario radikal neu gestalten wollte."
Der Meister runzelt die Stirn. "Ihr seht Euch selbst in mir?"
"Trang-Oul bewahre mich vor dem Gedanken."
Er stützt sich schwer auf das Pult vor ihm. "Dafür bist du viel zu sehr von dir selbst eingenommen. Früh habe ich erkannt, dass man durchaus versuchen kann, die Welt zu ändern, aber die Welt ist genauso konservativ wie die allermeisten ihrer Bewohner. Man muss sie in winzigen Schritten voranbringen. Mit kleinen Stößen in die richtige Richtung. Darum bin ich hier geblieben, bin Meister geworden, habe Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin, um andere vollbringen zu können, auf die ich sehr stolz bin. Ich habe mein Leben der Aufgabe gewidmet, das derer, die nach mir kommen, besser zu gestalten."
Der Meister nickt beeindruckt, dann spielt ein schelmisches Grinsen um seine Lippen. "Und letztlich Euer eigenes, nicht wahr? Schließlich wird Euere Seele auch in Zukunft weiter auf Sanktuario wandeln."
Das Grinsen, das ihm antwortet, ist komplett freudlos. "Bilde dir nur nicht ein, auch nur einen Hauch unseres Glaubens zu verstehen. Um zu einem Ende zu kommen: Ich wollte, dass du einen Einblick gewinnst in was mich antreibt, um besser verstehen zu können, in welchem Dilemma ich mich durch dein Verhalten befinde. Einerseits halte ich meine Entscheidung, dich hier lernen zu lassen, für immer noch völlig richtig. Es ist nicht nur das zweifelsohne gewaltige Potential, das in der steckt, die Chance, dass du zum besten und wichtigsten Nekromanten heranwächst, den die Welt je gesehen hat." Der Meister versucht, Bescheidenheit zur Schau zu stellen und heftig zu protestieren, aber erhält keine Gelegenheit dazu. "Ich liefere keine leeren Phrasen und erwarte sie nicht. Bei jedem anderen müsste ich fürchten, dass es ihm zu Kopf steigt, aber wenn dich deine bisherigen Erfolge noch nicht zum unerträglichsten Egomanen der Welt gemacht haben, ist eine Portion einfacher Wahrheit von einem alten Meister auch nicht mehr schädlich. Der andere Grund ist ohnehin viel wichtiger: Du bist überheblich, stolz, rebellisch, manchmal auf geradezu peinlich kindische Weise, aber wie soeben attestiert, niemals ins Unerträgliche. Ich bin ein vorsichtiger Mensch, aber völlig gewillt, dir zuzugestehen, dass du ein guter Mensch bist, und das sollte jeder in dir sehen, nicht ein potentielles Monster nur wegen deines Namens. Diese Beobachtung ist mir mehr wert als alles andere."
Langsam wird es dem Meister fast peinlich. "Ich...gebe mir Mühe."
"Tust du nicht." Meister Valtores lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass er all das nicht als Lob meint, sondern es eben schlichte Feststellungen sind. "Es wirkt eben nicht gezwungen. Eine Einschätzung, die ich mir vor Kurzem weiter bestätigen konnte, als ich mit deinem Golem geredet habe."
"Ihr habt...", stößt der Meister hervor, in gut gespielter Überraschung. Was dennoch nicht im Mindesten überzeugt.
"Tu nicht so, du weißt es längst. Ich fände es schön", und die Betonung sticht besonders aus seinen sonst so wohl modulierten Worten hervor, "wenn du mir sagen würdest, wie du den Kontakt hältst."
Lange überlegt der Meister nicht, bevor er seinen Ärmel hochkrempelt und den Armreif aus Ton auf den Tisch hält. Ich entfalte mich. "Erfreut, Euch wiederzusehen", sage ich höflich und verbeuge mich leicht.
Das treibt dem alten Meister nun doch eine Augenbraue in die Höhe. "Du bist ein...Ableger des Golems, der über den Folianten wacht?" Ich nicke, und der Meister tätschelt mir den Kopf. "Das ist nun nicht eine Idee von mir. Mehr eine Mischung aus Glück im Unglück und Dorelems Fähigkeit, aus der Not eine Tugend zu machen."
"Ist das dein Name?", wirft der Blutgolem ein, und wieder nicke ich nur. Möchte mich nicht allzusehr einmischen.
Meister Valtores reibt sich das Kinn. "Soso. Nun, das erklärt Einiges. Gibt es einen bestimmten Grund für dieses...Arrangement?"
Der Meister zuckt mit den Schultern. "Ich hatte bisher nicht wirklich Zeit, das Buch in aller Ruhe von vorne bis hinten zu durchforsten. So, ganz banal, wird mir die Arbeit von Leuten abgenommen, die das mit dem peniblen Nachforschen ohnehin viel besser können als ich." Ein Teil der Wahrheit. Dass insbesondere der Zweite noch deutlich mehr als das tut – was sage ich, wenn man bedenkt, was ich mit dem Papiergolem losgetreten habe, ist mein Beitrag zu besser Verschwiegenem nicht wirklich von der Hand zu weisen – muss der werte Meister ja nicht unbedingt wissen.
"Ein wenig zu banal. Aber gut. Ich habe nun wirklich selten erlebt, dass auch der edelste Totenbeschwörer wirklich nett zu seinem Golem ist, von einem solchen Grad an gegenseitigem Respekt ganz zu schweigen."
Nicht ungesehen von mir blickt der Blutgolem bewusst teilnahmslos an die Decke. Sein Meister fährt fort: "Das ist allein deswegen keine Selbstverständlichkeit, da sich die allermeisten noch nicht einmal bewusst sind, dass Golems durchaus freien Willen haben."
"Wenn ich mir die Frage erlauben darf, wie kommt es, dass das offenbar nicht aus kompletter Unwissenheit geboren ist, sondern entgegen der Lehrmeinung ist?", wage ich einzuwerfen.
Deinen Vorsatz, still zu halten, hast du aber schnell gebrochen.
Der Blick des Gefragten wird finster. "Oh, es wissen einige der sogenannten 'Weisen', wahrscheinlich sogar die meisten, sonst wäre der Titel ja eine komplette Farce, nicht wahr? Sie beschließen nur, wieder und wieder, Generation um Generation, dieses Wissen geflissentlich zu ignorieren."
"Aber...warum? Das ist doch..."
"Eine Schande?" Auf mein mutiges, weil heftiges Nicken seufzt Meister Valtores in echter Enttäuschung. "Stell dir vor, wir würden beginnen, den Novizen zu erzählen, dass jeder einzelne Nekromant, der ihnen bisher als Vorbild gedient hat, seit Jahren mit teilweise voller Kenntnis dieser Tatsache ein denkendes und fühlendes Wesen als rechtlosen Sklaven missbraucht hat. Weißt du, was das für uns alle bedeuten würde?"
Ich balle die Fäuste, ernsthaft wütend. "Das macht es keinen Deut besser."
"Nein, tut es nicht", schnappt Valtores. "Aber die Wahrheit herauskommen zu lassen...würde viel Leid bringen", fährt er etwas sanfter fort. "Versteh mich nicht falsch. Ich finde es nicht richtig, wirklich nicht. Dennoch muss ich praktisch denken. Ich habe Verantwortung. Auch den Golems gegenüber, aber gleichfalls den Menschen."
"Dorelem..." Dem Meister wird mein Einmischen vielleicht ein wenig zu viel, aber ich lasse mich nicht bremsen.
"Und wie, wenn ich höflichst fragen darf, nehmt Ihr Euere Verantwortung gegenüber den Golems wahr?"
Valtores sieht mich an, und in seinen eiskalten Augen liegt etwas, das ich bisher dort nicht gesehen habe...Milde.
"Wie ich bereits erklärte, ich hatte den Traum, radikale Veränderungen herbei zu führen. Aber ich gab ihn auf. Denn ich sah ein, dass dies mehr Leid bringen würde, als ich gewillt war, verursacht zu haben. Jetzt bemühe ich mich, die Veränderungen klein, aber stetig zu halten. Du wirst die Gruppe um Dostrian auch schon kennen gelernt haben?"
Ich nicke vorsichtig.
"Er ist nicht umsonst mein Protegé. Denn auch in ihm sehe ich dieses nahezu unbegrenzte Potential. Und zwar zu nachgradiger Veränderung. Meine Schritte sind langsam, vorsichtig. Aber ich glaube, dass es höchste Zeit wird, dass er und seine Freunde die Wahrheit erfahren. Sie sind jung, und die Zukunft liegt in ihren Händen. So werde ich die Verantwortung an sie weitergeben, damit die Zukunft durch sie besser wird."
Oh.
Kurz ist es still. Bis der Meister eine zögerliche Frage vorbringt: "Und...was jetzt?"
"Ich hatte noch vor, mit dir über den wahren Grund deines Hierseins zu sprechen, aber da du ja über alles informiert bist, was ich schon mit Dorelem besprochen habe, ist das hinfällig. Stattdessen kommen wir gleich zu einem Punkt, wegen dem ich auch eher früher als später mit dir reden wollte."
Man merkt immer mehr, Valtores ist jemand, der ganz genau plant. Mit derart...revolutionären Ideen, auch nach Jahren des Abschliffs beim Gang durch die Instanzen, in seiner Position, muss er wohl auch vorsichtig sein. Nur, dass der Meister ihn nicht vorsichtig sein lässt. Mir soll es Recht sein; wenn er dann auch noch feststellen wird, dass die Revolution um ihn herum längst im Gange ist und er sich nicht durch ein halbgar auf den Weg gebrachtes Erbe zufrieden in den ewigen Ruhestand verabschieden kann, wird er schon merken, dass er vielleicht insgesamt ein wenig zu vorsichtig war.
Du bist auch nie zufrieden, oder? Mit seinen Ansichten sollte er für dich ein Heiliger sein.
Dafür hätte er tatsächlich etwas tun sollen statt nur "die Zukunft in die richtigen Hände legen".
Meckern, Meckern, nichts als Meckern.
"Denn", so fährt Valtores fort, "ich bin zwar nunmehr zu dem Schluss gekommen, dass es gut und richtig ist, dich hier zu haben, um dir einen vernünftigen Weg aufzeigen zu können, von deinen Ideen zu profitieren et cetera. Aber andere sind da nicht wirklich zu überzeugen – und stur. Ich glaube, dass dein Leben in schwerer Gefahr ist."
Ach, tut er das.
"Durch wen denn in etwa?", fragt der Meister, in aller Unschuld. Valtores' Blick wird hart. "Das sind Spekulationen meinerseits, die dich nicht zu interessieren haben. Mehr als ein reines Gefühl steckt auf jeden Fall hinter meiner Warnung."
"Und was bedeutet das für mich, bekomme ich Personenschutz?"
"Nein. Das wäre fatal. Deine Präsenz hier ist ohnehin schon ein Affront für Viele. Sonderbehandlung, auch wenn dies für dich weniger Freiheiten bedeuten würde, kommt gar nicht in Frage. Es ist wieder ein Dilemma, für das ich allerdings dieses Mal glaube eine leichte Lösung gefunden zu haben. Du wirst weiterhin ganz normaler Novize bleiben und dich mustergültig verhalten, und ich meine das mehr als ernst. Es war schwer genug, einige Ratsmitglieder davon zu überzeugen, dass die plötzlichen Fortschritte der Novizen um dich herum nur von dem Verlangen stammen, sich mit dir zu messen, und nicht von heimlichen Lektionen, die du ihnen gibst."
Der Meister presst die Lippen aufeinander, aber antwortet nicht. Gut, denn Valtores ist noch nicht fertig. "Diesen Status wirst du mindestens noch ein Jahr lang haben müssen. Irgendwann werden sich die Wogen glätten und du wirst akzeptiert werden als ganz normaler Novize, der unter Kontrolle ist und keine finsteren Absichten hegt. Dann können wir vielleicht darüber reden, dich ein paar Prüfungen vorziehen zu lassen, ein paar Privatstunden mit verschiedenen Meistern arrangieren, und so weiter. Ich wiederhole, das ist in deinem Interesse. Wenn du nicht lernst, dich zu benehmen, bist du bald ein toter Mann, und das fänden wir beide eine ganz und gar bedauerliche Verschwendung."
Der Meister studiert seine Fingernägel. "Und...wo ist das Dilemma daran?"
"Dieser Weg bedeutet große Gefahr für dich in naher Zukunft, solange noch nicht allen klar ist, dass du harmlos sein solltest. Es ist gut möglich, dass schon morgen, übermorgen, nächste Woche ein Skelett in deinem Zimmer auf dich wartet, mit dem Dolch in der Hand, oder ein Golem plötzlich 'wahnsinnig' wird und dein Genick bricht."
Meisterhafte Selbstkontrolle des Generals, als Valtores das erste Beispiel nennt.
"Aber ohne Beweis, ohne Grund außer einer Vorahnung, kann ich dich nicht schützen. Deswegen ist es allerdings kein wirkliches Dilemma, weil ich glaube, dass du ganz gut auf dich selbst aufpassen kannst."
Sein kalter Blick fokussiert den Meister jetzt.
"Wenn du tatsächlich angegriffen werden solltest, dann wende dich sofort an mich. Ich denke, dir wird langsam klar sein, welche Risiken ich für dich eingegangen bin, also vertraue mir. Und hör auf, selbst noch viel größere Risiken einzugehen."
Er wendet sich zum Ausgang. "Damit sollte vorerst alles geklärt sein."
Der Meister steht auch auf. "Ich danke Euch für Euere Offenheit und werde mir größte Mühe geben, die in mich gesteckten Erwartungen zu erfüllen." Das muss sogar für Valtores' Ohren extrem hohl klingen. "Und ich halte Euch auf dem Laufenden, so unauffällig wie möglich natürlich, wenn mir etwas auffällt."
"Tu das."
Sein Golem nickt mir noch zu, dann sind sie verschwunden. Ich tarne mich wieder, um gleich darauf dem Meister zuzuflüstern: "Warum hast du es ihm nicht gesagt?"
"Ich bin mir noch nicht sicher, was ihn angeht. Hätte ja fast erwartet, dass er mich hochkant herauswirft. Dass er gleich so viel Pläne für mich hat, überrascht mich jetzt doch ein wenig."
Wir sind auf dem Weg zur Gemeinschaftshalle. "Und du bist zu stur, dich einfach zu fügen?"
"Du hast ihn gehört, Personenschutz, Vorzugsbehandlung, das bedeutet nur, dass ich einige Freiheiten verliere. Privilegierter Novize im goldenen Käfig. Muss ich nicht haben, es gibt hier noch eine ganze Menge mehr Netze zu spinnen, bevor die alten Herren schnallen, dass ich nicht im Mindesten vorhabe, hier länger zu bleiben als nötig. Valtores mehr als eingeschlossen."
"Und der zweite Mordversuch in drei Tagen lässt dich nicht ein wenig an der Sinnhaftigkeit dessen zweifeln, hier völlig unbesorgt weiter den Intrigenkönig spielen zu wollen?"
"Och...", meint der Meister, und nickt einem vorbeigehenden Golem zu, der aber nicht reagiert, "ich denke, je länger wir uns nichts anmerken lassen und den Dingen ihren Lauf, desto sicherer wird es."
Er nickt dem nächsten Golem zu, und der nickt zurück.
 
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