~Cassandra~ schrieb:
apropos staatsform: schon mal jmd was vom
verfassungskreislauf gehört (achtung, wiki-link

)? panta rhei, gell?
Ja, habe ich schon von gehört.
Beim im Link nicht genannten Herodot findet sich etwas recht ähnliches (Hist. III. 80 ff.). Ich poste es hier einmal, weil wirklich sehr schön die Vorzüge und Nachteile der einzelnen Staatsformen dargestellt werden.
Kurz vorab zur Stuation des Textes: Der König der Perser war ohne Erben verstorben, worauf sich zwei Magier (medische Priester) des Thrones bemächtigten. Diese wurden nun von einer siebenköpfigen Gruppe getötet. Die Gruppe beratschlagt nun, wie die Zukunft des Perserreiches aussehen soll; wobei Herodot den Rat haltenden Persern hier freilich die bei den Griechen üblichen Ansichten über die Staatsformen in den Mund legt.
>> Otanes nämlich war der Meinung, die Regierung des Reiches in die Hände aller Perser zu legen und äußerte sich darüber also: "Ich halte es nicht für gut, daß wieder einer von uns Alleinherrscher werde: denn es ist weder angenehm noch gut, ihr wisst ja, wie weit des Kambyses [der verstorbene König] Übermut gegangen ist und ebenso habt ihr ja auch den Übermut des Magiers empfunden. Wie aber könnte die Alleinherrschaft eine wohlgeordnete Sache sein, wo jeder [Alleinherrscher] das tun kann, was er will, ohne Verantwortlichkeit. Denn selbst den besten Mann von allen, wenn er in eine solche Herrschaft einträte, würde sie außerhalb des Kreises seiner gewohnten Anschauungen versetzen; denn Übermut entsteht ihm infolge der der ihm zu Gebote stehenden Güter (...)
Das Ärgste aber ist das, was ich nun angeben will: Er rüttet an den väterlichen Einrchtungen, er tut den Frauen Gewalt an und er tötet ohne Verhör und Urteil. Wenn aber das Volk herrscht, so hat dies zuerst den schönsten Namen von allen, die Gleichheit vor dem Gesetz (Isonomie); zum anderen aber tut es nichts von dem, was der Alleinherrscher tut: (...), jedes Amt ist zur Rechenschaft verpflichtet; alle Entschließungen überlässt es der Gemeinschaft. Darum gebe ich nun meine Meinung dahin ab, wir wollen dem Volk alle Macht überlassen: denn in dem Volke ist alles enthalten."
(...) Megabyzus daggen wollte die Regierung einer kleinen Zahl überlassen. "Was Otanes gesagt hat, um die Alleinherrschaft zu beseitigen, das soll auch von mir gesagt sein; wenn er aber die Macht auf das ganze Volk übertragen will, so hat er damit das Recht gänzlich verfehlt: denn es gibt nichts Unverständigeres und Übermütigeres als die blinde Masse, die zu nichts nütze ist; und unerträglich wäre es für uns in der Tat, wenn wir, dem Übermut eines Alleinherrschers entgangen, in den Übermut eines zügellosen Volkes gerieten. Denn wie kann man Einsicht erwarten von dem, der weder eine Unterweisung erhalten, noch überhaupt das kennt, was schön ist und sich gehört? (...)
Wir aber wollen einige der besten Männer in einen Ausschuß wählen und diesem die Macht übertragen (...). Die besten Männer aber werden natürlich auch die besten Ratschläge erteilen."
Das also war der Vorlschlag des Megabyzus. Zum dritten legte Darius seine Ansicht dar in folgender Weise: "Mir scheint es, Megabyzus hat vollkommen Recht in dem, was er über die Masse des Volkes gesagt hat, aber Unrecht in Bezug auf die Herrschaft einiger weniger. Denn unter den drei Formen der Regierung, welche uns hier vorliegen, selbst wenn eine jede in größter Vortrefflichkeit angenommen würde (...), glaube ich immerhin, das die Alleinherrschaft bei weitem den Vorzug verdient. Denn offenbar kann doch nichts besser sein als wenn einer, welcher der beste ist, herrscht; denn mit einer solchen Gesinnung begabt, wird er über die Massen des Volkes tadellos walten, während seine Ratschlüsse gegen feindselig gesinnte Männer so am besten verschwiegen bleiben.
Bei einer Herrschaft von wenigen aber pflegt bei denen, die um das gemeinwohl sich Verdienste erwerben, doch im Privatleben starke Feindschaft zu entstehen. Denn da jeder Einzelne der Erste sein und mit seiner Ansicht durchdringen will, so geraten sie leicht in große Feindschaft miteinander; daraus entstehen Parteiungen, aus den Parteiungen kommt es zu Blutvergießen, aus dem Blutvergießen aber kommt es zu Alleinherrschaft, und dann eben zeigt es sich, um wie viel besser dieselbe ist.
Hinwiederum wenn das Volk herrscht, so ist es gar nicht anders möglich, als das Schlechtigkeit in die öffentlichen Angelegenheiten gedrungen. So entsteht allerdings keine Feindschaft unter den Schlechten, wohl aber Freundschaft: denn die, welche es auf das Verderben des Ganzen abgesehen haben, stecken die Köpfe zusammen und handeln gemeinsam. Dies geht in der Weise fort, bis einer an die Spitze des Volkes sich stellt und dem Treiben solcher Menschen ein Ende macht. Darum wird nun eben dieser aus dem Volk bewundert und infolge dieser Bewunderung tritt er alsbald als Alleinherrscher auf." <<
Eine interessante Sicht der Dinge:
Alleinherrschaft < Volksherrschaft < Herrschaft weniger < Alleinherrschaft
Dem Verfassungskreislauf sehr ähnlich. Das Problem an dieser Verfassungskreislauftheorie ist allerdings, daß sie historisch nicht belegt ist.
Es gibt ständig Wechsel zwischen den verschiedenen Staatsformen, ohne daß die postulierte Reihenfolge eingehalten wird.
Man nehme nur das antike Rom als Beispiel: Etruskische Könige - Senatsoligarchie - Kaiserreich. Wo ist die Volksherrschaft geblieben?
Das ganze ging bei den Persern übrigens so aus, daß Darius zum König ernannt wurde.
Tja, und unser Staat wurde anscheinend von den geistigen Nachfolgern des Megabyzus gegründet, die aber so dreist waren, einen Etikettenschwindel zu begehen und die ganze Veranstaltung einfach Demokratie zu nennen, obwohl doch das, was Megabyzus vorgetragen hat, die Herrschaft einiger weniger, bei uns voll verwirklicht ist.