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Stahles Spaltung [Ich denke, also bin ich: Teil 3]

Also mir gefällt die zweite Version deutlich besser :)

lg, Gandalf
 
Das freut mich, Gandalf ;). Abgesehen davon, dass ich die Erste Version natürlich eh nicht aus dem Hut zaubern konnte :>.

Ist auch so, dass, als ich länger über den ursprünglichen Kampf nachgedacht habe, mir der immer weniger gefallen hat. Ich benutze zu oft Sprünge, die dann auch immer fast unmöglich hoch und wendig sind, wenn er das dauernd machen würde, könnte man ihm gleich Federn in die Beine einbauen. Wär zwar lustig, aber wird irgendwann langweilig, und auf die Dauer, so blöd das bei dem Thema klingt, auch zu unrealistisch.

Simon
 
Nicht wundern wenns heute mitm Update nicht klappt, Simon hat wichtigers zu tun :p

Nur mal schon gesagt, weil sonst wieder die "Wo bleibt unser Update?" +1 Abstauber zum Zuge kommen :ugly:
 
Was Santa sagte :p.

Also, sorry, dass ich so spät dran bin. Das ganze Wochenende über Spaß gehabt - muss ja auch mal sein...er und ein paar Andere könnens bezeugen. Aber jetzt wieder voll da, mit einem hoffentlich spannenden Kapitel und dem Hinweis, dass es ja immerhin jetzt nicht mehr so lange bis zum nächsten Update ist :D.

Nebenbei...das Kapitel wird Post #6000. Hell yeah.

Simon
 
Kapitel 43 – Zwei Stunden Ruhe

Ich kehre zurück, gelöchert und verkrüppelt, die Trophäe eines bedeutungslosen Sieges tragend. Den Meister zieren bereits Bandagen um den Unterleib, Natalya gibt ihm etwas Wasser zu trinken. Als sie mich sieht, dringt ein Keuchen unter ihrem schwarzem Helm hervor.

„Du siehst grauenhaft aus, Golem! Alles in Ordnung bei dir?“

Der Schild fällt achtlos in den Schlamm, als ich mich neben den liegenden Menschen knie.

„Ich kann mich noch bewegen, das zählt. Weitaus wichtiger: Wie geht es ihm?“

Ein Blick glasiger Augen unter schmutzigem weißen Haar trifft mich.

„Frag mich...doch selbst. Schlimm genug...dass dieses Weib...völlig ignoriert, was ich sage. Ich werds überleben...Unkraut vergeht nicht.“

Ich schüttle den Kopf, als der Zweite mir eine Fülle an interessanten, aber beängstigenden Informationen zuspielt.

„Nur überleben reicht aber womöglich nicht. Diese Messer waren so dreckig und verrostet...was ist, wenn du eine Blutvergiftung bekommst? Wundstarrkrampf?“

Er runzelt die Stirn.

„Was soll das denn sein? Jetzt hört auf...euch Sorgen zu machen. Holt mir einfach einen Heiltrank...irgendein Monster hat sicher...einen fallen lassen.“

Natalya umfasst sanft sein Kinn. Er weicht etwas zurück, und sie lässt ab von ihm – wohl aber nur, um einen Ring von ihrem Finger zu ziehen.

„Wir haben Pech, vorher habe ich schon nach welchen gesucht, da meine ja auch verbraucht sind und ich verletzt war. Aber wir sind nicht hilflos. Nimm diesen Ring. Er hat – neben anderen netten Vorzügen – leichte Heilfähigkeiten. Wenn du ihn trägst, wirst du viel schneller gesund als ohne.“

Sie steckt ihn an den Ringfinger seiner linken Hand, da der rechte ja schon belegt ist.

„Danke...aber ich...“

„Schhhh...es ist gut. Ein, zwei Stunden Ruhe, und es geht dir viel besser.“

„Zwei Stunden?“

Er stemmt sich auf die Ellenbogen hoch und fällt sofort in sich zusammen, von Schmerzen durchzuckt. Leise haucht er seinen nächsten Satz.

„Wir nehmen einfach ein Portal hier raus und ich lasse mich heilen!“

Ihre Hand legt sich auf seine Stirn er ist zu schwach, sie abzuschütteln. Oder will es nicht.

„Ruhig. Ich weiß, dass deine Mission nicht warten darf. Dennoch will ich es nicht riskieren, dich zu transportieren, angenehm würde das sowieso nicht – abgesehen davon, dass ich nicht helfen dürfte, weil man mich ja nicht sehen darf. Deswegen werde ich alleine weitersuchen nach den Instrumenten, mit denen ihr den Sieg der Übel herbeiführen werdet.“

Sie ist aufgestanden, ich springe hinterher.

„Nein! Das ist viel zu gefährlich!“

Das wird sie nicht gerne hören.

Ihre Stimme wird spöttisch und ein wenig gekränkt.

„Denkst du, ich kann nicht alleine auf mich aufpassen, Golem? Deine Sorge in Ehren, aber mein Entschluss steht bereits, und da ich euch ohnehin nur freiwillig begleite, könnt ihr mir auch Nichts befehlen, oder? Wache über deinen Meister! Und dieser...schlafe.“

Hilflos stehe ich da, wohl wissend, in meinem Zustand nicht einmal den Anflug einer Chance zu haben, sie aufzuhalten.

Deine Stimme hast du doch noch, oder? Oder soll ich für dich das Nötige sagen?

Sie ist schon losgelaufen...

„Na...Tees, warte!“

Und hält nicht an.

„Der Schilddieb ist noch am Leben! Er steckt hinter den Angriffen! Sei...“

Aber schon ist sie verschwunden.

Hoffentlich hat sie das noch gehört.

Ja...dann bleibt uns wohl nur Warten...ah, könnte ich ihr doch helfen! Was, wenn sie es nicht schafft? Ich will sie nicht demnächst in einem Kochtopf finden!

Hör auf, dir Gedanken zu machen. Sie kommt schon klar. Wir können Nichts tun. Außer, was schon immer unsere Aufgabe war: Den Meister zu schützen.

Ich sehe auf seinen geschundenen Körper herab...und stelle fest, dass er tatsächlich schläft. Würde ich ihm ja zu gerne nachtun...
Innerlich seufzend sammle ich Blätter, mache daraus ein Kissen, lege die Decke über ihn, suche nach halbwegs frischem Wasser – halbwegs erfolgreich – damit wir vorbereitet sind, falls er tatsächlich Fieber bekommt, richte die Rüstungsteile, die Natalya ihm ausgezogen hat, her...und stelle fest, dass gerade einmal zehn Minuten vergangen sind.

Genieß doch die Ruhe.

Kann ich nicht. Die ganze Zeit etwas zu tun gehabt. Mein Schicksal in die eigene Hand genommen. Jetzt liegt es in Natalyas, in denen des Himmels, die er über den Meister halten möge...und über sie...und ich dachte, diese Zeiten wären vorbei.

Du wirst nie komplett Herr deines Schicksals sein. Schon allein deswegen, weil du bist, was du bist. Ein seelenloser Diener.

...dann will ich wenigstens ein guter Diener sein. Der Knochenschild ist ziemlich dreckig geworden, als er in den Schlamm gefallen ist...nebenbei verträgt er noch ein paar kosmetische Änderungen.
Die Menschenschädel lassen sich nicht von ihrem Sockel lösen – Endugu hat sie durch irgendeine Art von Magie an den Wächterschild geschmolzen. Na kommt schon...

Lass das!

Was? Ich soll diese grauenvollen, ekelhaften, makabren Trophäen des grausamen Massenmordes hängen lassen?

Ich denke nicht, dass sie nur Dekoration sind. Der Hexendoktor scheint mir nicht von der Art zu sein, den praktischen Nutzen der Ästhetik unterzuordnen, immerhin wird das Ding dadurch viel schwerer. Sicher ist der Schild nun verzaubert.

Selbst, wenn das stimmt, was außer schwarzer Magie könnte...

Der Meister nutzt auch „schwarze Magie“.

Also schön. Soll er entscheiden.
Mit abgerissenen Blättern putze ich um die Schädelbasen herum. Aber egal, wie ich wische, das blanke Weiß des Knochens kommt nicht zum Vorschein.

Etwas sehr regelmäßig für Dreck, die Farbe...

Dieses Bronze soll jetzt die Hauptfarbe des Schildes sein? Herrlich. Das würde wenigstens beweisen, dass hier tatsächlich mehr als guter Kleber am Werk war. Ich gebe auf, säubere, so gut ich kann, und lege ihn dann vorsichtig zum Rest der Ausrüstung.


Wo bleibt sie denn nur...

Ruhe.

Es ist schon eine Stunde, zehn Minuten und eine ganze halbe mehr her, dass sie...

Ruhe!
...
…nun steh schon auf.


Oh. Beim Hören muss ich wohl noch ein wenig üben...
Das Summen kommt näher. Ich warte schon so bereit, wie ich nur sein kann mit einer Hand und der halben Brust fehlend, auf die Quelle, als sie endlich ins Sichtfeld kommt; überraschend schnelle Moskitos.

Die Größe finde ich ja bedenklicher.

Ach, daran sind wir ja mittlerweile gewohnt...

Das sind Sauger. Lass sie nicht heran.

Das sollte jetzt weniger ein Problem sein. Auch in diesem Zustand.
Die Schädeldecke eines Menschenkopfes zerquetscht ein Rieseninsekt. Jeweils eines der übrigen beiden schwirrt an jeder Seite von mir vorbei. Da ich nicht mehr allzu gut zu Fuß bin, bleibe ich einfach stehen; schnelles Umdrehen ist keine gute Idee, wenn ich das Gleichgewicht verliere und auf dem Meister lande.
Na, kommt schon...

Lass dir Zeit.

Keine Sorge...jetzt. Jetzt!
Meine Arme schießen nach hinten. Der rechte mit dem Schild trifft wie erwartet sein Ziel. Aber...was ist mit dem linken?

Deine Hand fehlt!

Hoppla...blitzschnell schießt der verfehlte Angreifer nach unten auf den hilflos daliegenden Meister zu, der immer noch tief und fest schläft.
Nur Zentimeter neben seinem Gesicht lande ich auf einem Knie – oh, wie hatte ich gebetet, die Distanz nicht zu verschätzen – und ein ausgefahrener Saugrüssel trifft nur dazwischengeschobenen Knochen. Normale Moskitos haben aber keine derart messerscharfen Schneiden daran, oder?

Was denkst du denn?

Tja, ich habe eben noch keine normalen gesehen, nur deine Erinnerungsbilder, nicht wahr? Mein schartiger Armstumpf durchbohrt das Insekt. Schleim tropft auf den Schild. Rinnt in Augenhöhlen...
Schnell ziehe ich ihn weg. Gut, dass wir das Ding haben, sonst hätte der Meister ein böses Erwachen gehabt.

Tja, und wie stehen die Wetten, dass der giftig ist?

Schlecht für den, der dagegen steht.
Ich setze mich wieder hin.


Da liegt er und schläft, der wichtigste Mensch in meinem Leben. Es wird wirklich höchste Zeit, dass wir uns einmal länger unterhalten...ob er erwacht, bevor Nat zurückkehrt?
Wenn sie überhaupt zurückkehrt.

Hör auf!

Na schön. Ihr wird Nichts passieren, sie ist derart erfahren und abgebrüht...

Eben. Je nervöser du hier wirst, desto blöder wirst du dich fühlen, sobald sie unversehrt zurückkehrt, mit einem uralten Opferdolch und einer milz im Gepäck!

Haha, dass du ausgerechnet in so einer Situation zu scherzen anfängst...
...es sind zwei Stunden vergangen, genau jetzt! Wir wecken ihn auf, wir müssen nach ihr suchen!

Du lässt dir verdammt noch mal Zeit! Er braucht die Ruhe, sie meinte die Zeitangabe sicher nicht exakt!

Plötzlich schießt der Meister nach oben. Ich weiß jetzt, wie sich ein Herzinfarkt anfühlen muss.

„Tees! Du bleibst hier und...“

Verwirrt fährt sein Kopf hin und her, dann greift er sich umso langsamer an die Brust.

„Ich...verdammt, habe ich tatsächlich geschlafen?“

Wieder etwas beruhigt knie ich mich neben ihn.

„Genau zwei Stunden, Meister. Ich habe aufgepasst.“

Sein Stirnrunzeln trifft die Insektenkadaver.

„Ich sehs...hmpf. Das fühlt sich wirklich weitaus besser an...kannst du diese Bandagen zerschneiden?“

Meine fehlende Hand hebt sich.

„Etwas Hilfe vorher? Da ist Schrott im Weg.“

Er erlaubt sich ein Gähnen.

„Dann schaff mir doch mal Rohmaterial her, ohne tu ich mir etwas schwer mit dem Reparieren. Wenn ich deine Substanz noch weiter ausdünne, zerbröselst du noch vom Anhusten.“

Hm...

„Haben wir nicht noch ein paar Gegenstände im Würfel herumliegen?“

Wenn er sie nicht herausgetan hat, während du nicht zugesehen hast...

Danke, ich kann mich auch selbst erinnern.
Sein Arm ist schon bis zu den Schultern in dem seltsamen Artefakt verschwunden. Ein Grinsen später hält er einen Säbel in der Hand.

So, wie er den hält, sollte er nie versuchen, damit zuzuschlagen, das übersteigt sein Geschick bei Weitem.

„Na also, gut, dass ich noch keine Zeit gehabt hatte, den zu verkaufen...“

Ich erlaube mir, etwas Scherz in meine Stimme zu legen.

„An wen denn, an Hratli? Da sind wir besser bedient, das Zeug, war wir finden, selbst zu benutzen.“

„Heh. Ja. Halt still.“

Kalt schmilzt das Metall über meinem ruinierten Handgelenk. Nachdem die Hälfte verschwunden ist, hebt er den Rest an meine Brust, den Stab weiter über der sich neu formenden Hand schweben lassend. Gleichzeitig spüre ich, wie sich diverse Dellen an Stellen von selbst ausbügeln, die er eigentlich nicht sehen kann.

„So, jetzt aber. Bitte.“

Ich lege seinen Oberkörper frei. Und die Wunden an seinem Unterleib...
Narben.
Vorsichtig lässt er seine Fingerspitzen darüber wandern.

„Hm, noch ein wenig empfindlich...aber das hält mich nicht auf. Wir müssen sofort los. Zwei Stunden, hast du gesagt? Genau zwei Stunden? Sie muss irgendetwas mit meinem Kopf angestellt haben, diese Hexe! Sonst wäre ich doch nie freiwillig eingeschlafen...oder jetzt müde. Wer weiß, was ihr passiert ist, dass sie noch nicht zurück ist.“

„Ich könnte nicht mehr zustimmen, Meister.“

„Ist ja auch nicht so, als ob du eine Wahl hättest, hm? Hilf mir in die Rüstung.“

Sein abrupt trockener Tonfall erinnert mich erneut daran, dass zwischen uns Vieles nicht mehr in Ordnung ist...bald ist er in blaues Leder gekleidet, hat seinen Gürtel festgeschnallt, die Waffen daran gehängt...fehlt nur noch eines.

„Das ist also unser niemals aufgebender Wächter, hm?“

Ich trete neben ihm, mit auf den Schild starrend.

„Ja. Ich wusste nicht, ob ich die Schädel entfernen sollte...er ist geputzt, die Farbe ist jetzt natürlich.“

„Entfernen? Bist du wahnsinnig? Das sieht so doch viel besser aus!“

Was ich sagte.

Ja, ja, du bist hervorragend und so.
Er packt den Griff. Runzelt kurz die Stirn. Tippt mit dem Stab daran. Der Griff wird kleiner, und damit passt seine Hand perfekt. Ein Grinsen überzieht sein Gesicht.

„Damit nenne ich dich die Wand der Augenlosen. Deine Unbeugsamkeit hat meinen Diener geschützt, und jetzt wird sie mir zu Diensten sein wie vorher ihm. Nichts wird durch dich dringen, das mir schaden könnte.“

Achtlos wirft er die Pelta Lunata in den Würfel. Kurz überlege ich, ob ich ihn darum bitten soll, aber irgendwie ist mir dieses Modell zu...klein.
Im Takt zu einer unhörbaren Melodie erschafft der Meister neue Skelette.

„Los jetzt. Wo ist sie hingelaufen?“

Somit führe ich erneut an. Eilig. Wieder keine Zeit, zu reden. Wenn sie nur Spuren hinterlassen würde...

Gut, dass es hier nicht allzu viele Wege gibt, hm?

Schon sehr praktisch. Wir folgen dem Flusslauf. Bald sehen wir durchaus Spuren – eine Vielzahl an Dämonenleichen. Unsere Assassine ist überaus gründlich.
Fünf Minuten Wegs...zehn Minuten...wie lange wird sie für diese Kämpfe gebraucht haben? Sicher holen wir auf. Aber wie schnell? Unsere Armee bewegt sich garantiert nicht so schnell wie sie mit ihrem wahnsinnigem Geschwindigkeitszauber.

„Säulen...“

Oh, ich sollte weniger auf den Boden und das Blut darauf achten.

„Stimmt. Und offenbar ist sie in diesen engen Waldweg eingebogen.“

Kurz stehen wir nebeneinander und blicken auf eine Kurve, die uns bald die weitere Strecke im Dunkel verbirgt. Der Meister reibt sich das Kinn.

„Gefällt mir überhaupt nicht. Aber was sollen wir tun? Rein da.“

„Sicher treffen wir wieder nur eine Menge Leichen, und sie putzt sich gerade die Fingernägel mit dem Gidbinn.“

Er sieht mich nur schief an, und ich beeile mich, vorzulaufen.
Hinterhalt Hinterhalt Hinterhalt...

Denk nicht, dass das Alles in dir schreit. Ich tu das nicht. Ich bin nur natürlich vorsichtig.

Hmja...

Außerdem ist sie schon in einen gelaufen.

Ich teile diese Beobachtung – nicht wirklich schwer anhand der vielen toten Schinder auf einem Fleck – dem Meister mit, was mir nur ein Nicken bringt. Die Feststellung, dass sie das offenbar nicht gestört hat, weil weiter den engen Pfad entlang mehr Leichen liegen, spare ich mir.
Licht am Ende des Tunnels! Ich trete aus der Dschungelallee...

Oha.

...wenn sie das auch erwartet hat, ist sie gut.
Mehrere primitive Hütten, zu klein, als dass sie für Menschen geeignet wären, sind aus Ästen und Blättern links und rechts von uns aufgestellt. Überall zwischen ihnen stehen Pfähle herum, dünne Holzspeere, auf denen halb verfaulte Köpfe gespießt sind.

„Whoa.“

Skelette stellen sich vor uns in einer Phalanx auf.

„Ein ganzes Dämonendorf...“

Unsere Blicke treffen sich. Der des Meisters verhärtet sich, ich nicke zur Bestätigung, dass ich es ihm gerne gleichtun würde.

„Brennen wir es nieder.“

„Metaphorisch gesprochen, Meister?“

„Wenn es nicht so feucht wäre...dahinter ist doch wohl ein großer Platz, oder? Gehen wir durch die Hütte.“

Meine starken Fäuste zertrümmern Holz. Ohne großen Widerstand pflüge ich durch die Schinderbehausung. Davor steht ein Kochtopf, ich werfe ihn um...und wünschte, ich hätte es nicht getan, als ich sehe, was herausfällt. Gah...wenn Natalya sie nicht alle getötet hat, dann werde ich...

Oh scheiße.

Fast läuft der Meister in mich, als ich stehen bleibe. Die Szene vor mir hat mich wie eine Steinmauer aufgehalten.
Dutzende von Püppchendämonen stehen auf einer Art Dorfplatz versammelt, in dessen Mitte ein Podest errichtet wurde. Ein großer Haufen toter Schinder liegt etwas abseits, daneben stehen drei Schamanen und beleben stetig wieder. Aber auf dem Podest...
Eine nackte Menschenfrau ist an einen Pfahl gefesselt, ihr bleicher Körper von unzähligen Wunden übersäht. Vor ihr springt ein Schamane hin und her, die beiden türkisberockten Schinder, die ihn formen, gleichzeitig manisch kichernd, als sie immer wieder mit einem kurzen Dolch zustechen.

„Natalya?“

Der ungläubige Schrei des Meisters lässt alle Dämonen in dem, was sie gerade tun, innehalten und zu uns herumfahren, wenn sie das nicht ohnehin schon durch mein lautes Eindringen getan haben. Endugu ist der letzte, der sich bedächtig zu uns umdreht.

„Ihr seid spät, Totenbeschwörer! Ich wurde schon ungeduldig...aber keine Sorge, ihr seid ja doch noch rechtzeitig gekommen, um den Spaß hier nicht zu verpassen!“

Und ein hässliches Lachen aus einer Vielzahl zugenähter Münder erfüllt den Dschungel.
 
Hui, na, da hat sich das Warten ja wieder einmal gelohnt.
Das sagt uns, dass auch Assassinen nicht unverwundbar sind - bin schon sehr gespannt, wie es an der Stelle weitergeht! Leckere Kochrezepte? ;-)

Eine winzigkleine Korrektur:

Unsere Armee bewegt sich garantiert nicht so schnell wie sie mit ihrem wahnsinnigem Geschwindigkeitszauber.
--> n
 
Bitte überleb das Natalya bitte, bitte - zu Simon schau :) Ne mach was du denkst. Bin gespannt, wie es weiter geht. Sehr schönes Update

lg, Gandalf
 
Wenn sie es überlebt wird das mit der Identität von Tees zumindest interessant :D
 
Ich hätt mich wegwerfen können bei der Kampfszene mit der fehlenden Hand...
Aber echt aml interessant, wie das jetzt weitergeht
 
Blöde Cliffhanger. Wär auch ohne spannend genug :motz:

Ich hoffe sehr dass Nat das überlebt. Das wär doch viel zu schade um den Dialog, in dem sie ihm das alles erklären muss.
Das muss ganz schön bitter für den Meister sein, herauszufinden was er so alles nicht wusste :D
 
Nur die Ruhe. Ich hab mir fest vorgenommen, heute pünktlich zu sein, und das bin ich hiermit.

Freut mich, dass euch das letzte so gefallen hat und ihr so gespannt auf das heutige wart! Ich hoffe, diese Spannung auch während des Kapitels selbst hochhalten zu können - und dass euch das Ende nicht zu sehr ärgert...

Simon
 
Kapitel 44 – Zu spät

Schock hat mich fest im Griff. Völlig hilflos ist Natalya an den sie um einen Kopf überragenden Holzpfahl gebunden, die Hände hinter ihm zusammen fixiert, die Füße mit einer einfachen, aber effektiven Schlinge gefesselt. Grausam grinsend hängt über ihrem Haupt ein goldener seltsam geformter Schädel, verziert mit langen Federn, bemalt mit Asche und Blut. Ähnliche Bemalung hat sich kreuzende Linien auf ihrem Körper erzeugt, wilde Muster, deren Anordnung gewissen Regeln zu folgen scheint, die sich mir aber völlig entziehen. Links und Rechts von ihr schwelen Feuer über langsam brennender Holzkohle in zwei nicht zueinander passenden Metallbecken; daraus ragt jeweils ein Griff eines Metallinstruments. Und doch, mich und den fassungslosen Meister trifft der Blick zweier stolzer, ungebeugter Augen.

„Es tut mir unglaublich Leid, dass ihr in dieser Situation seid. Ich weiß, dass es schwer ist, aber vergesst mich! Schickt diese Dämonen ohne zu zögern in die Hölle!“

Natalyas Stimme reißt mich aus meiner Starre, und ich bereite mich auf einen harten Kampf vor. Wie kann sie so stark sein?

Sie ist eine großartige Frau. Aber du weißt doch bereits, was willensstarke Menschen in Extremsituationen vollbringen können.

„Das kommt noch früh genug! Was soll dieses Spektakel, ihr verfluchten Kreaturen?“

Der Gesichtsausdruck des Meisters...so etwas habe ich noch nie gesehen. Da ist purster Zorn, aber auch...unglaublicher Fokus.

Ein Mensch, den er liebt, ist in Lebensgefahr. Das ist gefährlich, sehr gefährlich. Für Endugu sowieso, aber fast mehr noch für ihn.

...ich verstehe nicht.

Du hast noch nicht gesehen, zu was verliebte Menschen fähig sind. Manchmal könnte man meinen, sie würden beim Anblick des Objektes ihrer Begierde komplett den Verstand verlieren – und wenn du es nicht verstehst, keine Sorge: Das tue ich auch nicht.

Liebe...hm.
Der Hexendoktor verbeugt sich.

„Schön, dass Ihr Euch dafür interessiert, was wir hier aufgebaut haben. Besonders, wenn man bedenkt, dass wir nur wenig Zeit dafür hatten. Ich finde, der erste Eindruck ist schon einmal gut gelungen!“

Ein Stab hebt sich in Richtung des Sprechers.

„Du hast drei Sekunden, mir eine klare Antwort zu geben, bevor ich dich zurück in die Hölle schicke.“

Plötzlich ist ein Dolch an Natalyas Kehle, die den Träger indigniert anblickt. Seine Stimme wird sehr weich.

„Na, na, na, nur keine Dummheiten, mein Freund. Immerhin habe ich hier im Moment die Oberhand.“

„Nur, so lange du ihn lässt, General! Warum beendest du es nicht jetzt und hier?“

Eine kleine Dämonenhand schlägt der Assassine an den Hals, und sie beginnt zu husten.

„Ruhe, Süße. Wo waren wir? Ach ja! Der Grund für all das hier. Eigentlich wäre es doch lustig, Euch raten zu lassen, was er sein könnte, oder? Oder? Aber denkt daran, für jede falsche Antwort muss es eine Strafe geben!“

Auf ungehörten Befehl hin klettert ein Schinder mühsam auf die Plattform und greift sich das im Kohlebecken hängende Instrument, ein glühend heißer Eisenstab. Den er wenige Zentimeter von Natalyas Bein entfernt hochhält.
Dem Meister rinnt eine Schweißperle über die Stirn.

Wir sollten uns nicht darauf einlassen! Wenn wir nach seinen Regeln spielen, können wir nur verlieren.

Was sollen wir denn dann tun? Versuchen wir Irgendetwas, tötet Endugu sofort Natalya!

Denkst du nicht, das wäre besser, als zuzusehen, wie sie da oben geröstet wird?

Aber...wir können sie doch nicht einfach sterben lassen!

Sie will es doch auch...natürlich ist das keine leichte Entscheidung! Du weißt, dass ich sie weniger nicht ausstehen kann als den Rest von euch, aber ich sehe keine Alternative.

Du willst nur über keine nachdenken!
Langsam fährt die Zunge des Meisters über seine Lippen.

„Du hast sie noch nicht getötet, weil es dir perverses Vergnügen bereitet, mich dadurch zu quälen, dass du sie leiden lässt.“

Der Schamane überlegt kurz.

„Ein Teil des Grundes. Sagt mir innerhalb von fünf Sekunden den zweiten Teil, und sie wird nicht bestraft.“

Oh, Himmel, sag jetzt nichts Falsches...sein Blick wird hektisch.

Es ist natürlich nicht nur für den Spaß, Endugu ist dafür zu berechnend. Worum geht es ihm also? Er ist ein Planer, ein Anführer...ein wenig wie der Meister, eigentlich...

Noch eine Sekunde...er lässt sich zu lange Zeit!

Das könnte es sein!

„Du willst etwas herausfinden, was beide Menschen betrifft. Wenn du nur etwas über die Individuen wissen wolltest, könntest du sie separat foltern.“

Der Kopf des Meisters fährt zu mir herum, als meine Stimme spricht.

Keine Zeit gehabt, dir das zu erklären.

Schon gut...wenn es stimmt.
Verächtlich langsam dreht sich der Schamane zu mir um.

„Ah, Golem, mein spezieller Freund. Ist schön zu sehen, dass du deine spitze Zunge nicht verloren hast. Und Recht hast du auch noch.
Zu blöd nur, dass ich dich nicht gefragt habe, hm?“

Ein Schrei erfüllt die Lichtung, als ein glühend heißer Stab nackte Haut berührt. Gerade noch kann der Meister sich daran hindern, loszurennen, was völliger Wahnsinn gewesen wäre. Sein Blick trifft mich – und Wut liegt darin. Aber...wenn ich Nichts gesagt hätte, wäre die Zeit verstrichen und das gleiche Resultat herausgekommen!

Versuch nicht, Logik auf seine Handlungen anzuwenden. Nicht in dieser Situation. Das wird einfach nicht funktionieren.

Und das nur...wegen der Liebe? Was für eine idiotische Emotion!

Ich könnte dir nicht mehr zustimmen.

„Bringt diesen Bastard endlich um!“

Natalya muss uns zwischen zusammengebissenen Zähnen zurufen, aber sie gibt nicht auf...der Meister zittert vor ohnmächtigem Zorn.

„Du willst also etwas wissen? Schön! Lass sie gehen, und du erfährst Alles.“

Ich kann es nicht besonders gut sehen, aber der untere der Schamanenschinder verzerrt seinen zugenähten Mund relativ sicher zu einem Grinsen.

„Gehen lassen? Warum? Ich habe doch etwas erfahren. Sehr einfach, die Methode, nicht? Ein derart bescheuertes Angebot kann doch nur von Jemand kommen, der mehr für diese hübsche Assassine hier empfindet als Freundschaft. Wisst Ihr nicht, dass Liebe zwischen Kollegen meist eine ziemlich blöde Idee ist?“

Das kann der Bastard laut sagen.

Wir sollen ihm zu dieser Erkenntnis gratulieren, wenn wir ihn mit seiner eigenen Wirbelsäule erwürgen.

Bis dahin...was machen wir denn? Diese Hilflosigkeit macht mich krank!

„Das habe ich auch schon gehört. Weswegen ich es bis jetzt auch vermieden habe. Oder worauf willst du hinaus?“

...und worauf will er hinaus? Warum scheint er eigentlich noch so verhältnismäßig ruhig? Er ist nervös, aber nicht im geringsten am Verzweifeln!

Du vergisst da etwas: Er weiß nicht, dass das „Tees“ ist, die an dem Pfahl hängt. Sein Plan ist, ihn hinzuhalten, bis sie aus ihrem Versteck kommt, in dem sie offensichtlich sein muss, und den Tag rettet.

Oh Scheiße.

Und das kannst du laut sagen.

Endugu legt sein Totem als Kopfersatz schief.

„Was versucht Ihr, mir damit zu sagen? Eine Erklärung wäre schön! Ansporn benötigt?“

Der kleine Dolch setzt an Natalyas Schulter an und wandert langsam nach unten, eine rote Linie hinterlassend.

„Halt! Was soll das, du Monster? Ich habe einfach keine Ahnung, von was du redest! Sie ist überhaupt keine Kollegin von mir! Ich weiß nicht einmal, was sie hier macht!“

Für einen kurzen Augenblick hält er inne; dann beginnen die Schinder erneut unisono zu lachen. Fast fällt der Schamane auseinander. Von den anderen wiederbelebte aus dem Totenhaufen beginnen sofort, sich geradezu am Boden zu wälzen, nachdem sie ihre Lebensessenz zurückerhalten haben.

„Oh, das ist herrlich. Viel zu herrlich. Heute ist ein wunderschöner Tag, findet Ihr nicht? Ja, wirklich wunderschön. Dieses hübsche Mädchen hier, in das Ihr hoffnungslos verschossen seid, haben wir gerade erst aus einer schön geschnittenen schwarzen Rüstung geschält. Und das ist überraschend, Totenbeschwörer? Ha! Hahahahaha!“

Der angesprochene macht einen unwillkürlichen Schritt zurück.

„Das...das kann nicht sein! Ich war...mit ihr...während der Golem...“

Bedrückt trete ich näher heran und berühre ihn an der Schulter.

„Was?“

„Es stimmt, Meister. Tees ist Natalya. Es tut mir Leid.“

Sein Gesicht entgleist noch mehr.

„Du...du hast mich...auch hier angelogen...?“

Die Schinder beginnen zu klatschen, ein grausamer Rhythmus.

„Es ist meine Schuld, General! Ich habe ihn darum gebeten!“

Hilflos blickt er sie wieder an.

„Aber...warum...“

Das heiße Metall trifft eine wohlgeformte Hüfte.

„Ruhe! So unterhaltsam dies ist, wir wollen uns doch auch noch anderen Themen zuwenden, nicht? Zum Beispiel würde mich jetzt brennend interessieren, wer Ihr glaubtet, dass sie denn sei, wenn nicht Euere kleine Hure.“

„Du dreckiger, kleiner...“

Der Dolch bohrt sich zwischen Natalyas Finger – ein wenig zu nah an ihrer Hand. Sie zieht scharf Luft ein.

„Ausführlich, bitte.“

Kochend vor unterdrückter Wut beginnt der Meister, zu erzählen, wie er „Tees“ traf. Die immer mehr werdenden Schinder scheint dies köstlich zu amüsieren. Ich kann mich kaum noch still halten. Was soll das Alles? Unsere Freundin wird vor unseren Augen gefoltert, und wir können Nichts tun!

Die Schinder werden immer mehr...natürlich! Das ist es!

Was? Was ist was?

Schnapp nicht über, denk nach! Warum lässt er jetzt den Meister diese unwichtige Geschichte erzählen? Das ist doch reinste Zeitverschwendung – und warum, ist doch sonnenklar: Sieh dir den Haufen Dämonenleichen an, die Natalya getötet hat, bevor sie gefangengenommen wurde...er wird immer kleiner. Aber solange er noch da ist, wären ein paar Explosionen absolut verheerend! Endugu hat uns von Anfang an getäuscht – wir sind nicht zu spät gekommen, sondern zu früh.

Oh, verdammt, natürlich! Solange die Toten herumliegen, haben wir einen unglaublichen Vorteil...ganz abgesehen natürlich von der Tatsache, dass unsere Lieblingsassassine so oder so dem Tod geweiht ist...

Zur Hölle! Gerade deswegen sollten wir jetzt handeln, je länger sie da hängt, desto länger muss sie sich von diesem Wahnsinnigen aufschlitzen und verbrennen lassen!

Dann...dann müssen wir den Meister informieren! Aber wie?

Ich flüstere, weil ich die Stimme besser kontrollieren kann. Stups ihn vorsichtig an, und bete, dass er uns noch genug vertraut, um zuzuhören.

Oooh, das ist nicht gut...ich tue es. Der Zweite flüstert sofort, äußerst leise und natürlich ohne dabei eine Regung zu zeigen.

„Red weiter, Meister. Ich muss dir etwas sagen, aber er darf es nicht hören!“

Ganz kurz stockt sein Redefluss. Ich halte figurativ den Atem an...hat der Hexendoktor etwas bemerkt? Aber auch die nächsten Schinder täuschen gefesselte Aufmerksamkeit vor, und ich bemerke, wie teuflisch Endugu uns schon durchschaut hat; er weiß, dass der Meister sich gerne reden hört, auch in dieser Situation, und ein gutes Publikum immer zu schätzen weiß.
Da, eine zu lange Pause in der Erzählung, um normal zu sein...die nur auffällt, wenn man darauf achtet. Sofort springt der Zweite in die Bresche.

„Die Schamanen verkleinern den Leichenberg.“

Nach dem zweiten Wort redet der Meister schon weiter, aber er stolpert über einen Satz; seine Konzentration ist eindeutig auf uns gerichtet. Bald kommt wieder eine Pause. Es sind nur noch etwa zehn tote Schinder übrig, aber die Schamanen beschwören langsamer; auch sie haben offenbar nicht Mana für ewig zur Verfügung.

„...und bald sind überhaupt keine mehr zum Sprengen da!“

Die Augen des Meisters weiten sich – und um das zu verpassen, ist ein Publikum zu aufmerksam. Er redet weiter, als wäre Nichts geschehen...aber Endugu verpasst Natalya einen hässlichen Schnitt im Gesicht, der sie völlig überrascht aufschreien lässt. Die Rede verstummt.

„Was ist Euch denn gerade eingefallen, Totenbeschwörer, hm?“

Wieder rinnt eine Schweißperle die Stirn des Meisters herunter, und sein Gesicht wird bleicher, so bleich, wie ich mich fühle, aber nicht. Oh Himmel, wenn er merkt, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind...

„Mir ist nur soeben gekommen, wie lächerlich das Ganze hier überhaupt ist. Ist das eine Märchenstunde oder ein Verhör? Mein Angebot steht noch immer, ich sage dir Alles, was du wissen willst, aber dann lass sie jetzt frei!“

Ich blende Alles aus meiner Wahrnehmung aus außer dem Gesicht des unteren Schamanenschinders. Und da schießen dessen Augen kurz zum Leichenberg; seine winzigen Finger tippen einen seltsamen Rhythmus auf den Knöchel des Totemträgers über ihm, Alles so schnell, dass ich es fast verpasst hätte. Habe ich aber nicht. Wieder zögert Jemand zu lange, diesmal er; er überlegt, passt seinen Plan an, genauso, wie der Meister gerade improvisieren musste, wird auch Endugus nächste Aussage völlig spontan sein.

„Ah, wollen wir also die Karten auf den Tisch legen, Totenbeschwörer? Schön, schön, wir sind ja nicht zum Kaffeetrinken hier, hm? Also lassen wir die Nettigkeiten. Als mir dieses wunderbare Geschenk in die Hände gefallen ist, wusste ich sofort, dass ich damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: Erstens, wie du bereits korrekt herausgefunden hast, eine Menge Spaß haben, und zweitens, wie der Golem tatsächlich nicht richtig erraten hat, eine wichtige Frage klären: Wie um Alles in der Welt schaffst du es eigentlich, dem Einfluss des puren, konzentrierten Hasses meines Meisters in diesem Dschungel so gut zu widerstehen?“

Der Meister...lächelt. Böse.

„Das willst du wissen? Nun, mein Trick ist eigentlich ganz leicht, wenn man ihn kennt. Lass mich raten: Du willst den Einfluss Mephistos selbst abschütteln, um frei von seinen Befehlen dein eigenes Ding hier im Dschungel, fern von seiner physischen Präsenz, durchzuziehen?“

Unser Feind...sagt Nichts. Ihm streckt sich eine beringte Hand entgegen.

„Ich kann dir dabei helfen. Ich begebe mich freiwillig in deine Gefangenschaft, um dir Alles beizubringen, was du wissen musst, um Mephisto zu widerstehen. Im Gegenzug verlange ich nur, dass du diese Frau freilässt.“

„Nein!“

„Still, Weib!“

Eine Brandspur zieht sich über Natalyas Bauch, die nur noch zu Tränen fähig ist, als der Schinder unter ihr den Metallstab in den Magen schlägt. Endugu hüpft aufgeregt herum.

„Du denkst also, du hast mich durchschaut, hm? Kannst in mir lesen wie in einem schwarzen Buch? Du glaubst, es ist Macht, die mich motiviert?“

Er hebt den Dolch...und sticht ihn seiner Gefangenen in den Oberarm. Zieht ihn heraus, Blut fließt. Und erneut. Und erneut. Meine Hände ballen sich so fest zu Fäusten, dass ich Dellen in meinen Handflächen erzeuge.
Das Gesicht des Meisters verliert jede Regung. Der Schamane tanzt weiter um die gefesselte Assassine herum, immer öfter zustechend, immer mehr Blut aus nicht allzu tiefen, aber vielen Wunden vergießend.

„Falsch gedacht! Falsch gedacht! Ich bin völlig glücklich mit meiner Position! Aber neugierig, sind wir das nicht Alle? Ich will wissen, was deine Grenze ist, Totenbeschwörer! Zeig mir, wie weit ich gehen kann, bevor dein Hass auf mich die Oberhand gewinnt über die seltsame Kontrolle, die du bisher darüber hattest! Was würdest du sagen, wenn ich ihr ein Auge ausbrenne? Wenn ich teuflische Symbole in ihr Gesicht schnitze? Wenn ich sie langsam und genüsslich häute, bevor ich sie töte? Würdest du noch dabei zusehen, wenn meine Untertanen ihr Fleisch kochen und verzehren?“

Weiß glühender Hass steigt in mir auf, schon fast an die Reinheit des Gefühles erinnernd, das ich beim Zweiten gespürt hatte, als er mir sein Innerstes offenbarte. Mein Schwert fährt aus, und mit jedem Stich, der meine Freundin trifft, dröhnt ein immer lauteres Pochen in mir wieder wie der Herzschlag einer aus dem Winterschlaf erwachenden Bestie.
Schwer atmet der Mensch neben mir, und ich kann richtig sehen, wie er die Kontrolle zu verlieren beginnt. Spreng den Leichenberg, Meister! Schick diese Kreaturen zur Hölle, bevor Endugu Natalya noch mehr antun kann!
Da hält der Schamane inne. Gepeinigt hängt sein Opfer in den Seilen. Der kleine Dolch hebt sich.

„Na, Nekromant? Ist es schon so weit, dass du bereit bist, mich mit bloßen Händen zu ermorden, mein Dorf niederzubrennen, jeden meiner Untertanen einzeln zu zerquetschen? Willst du dich schon auf meinen Meister stürzen, ihn leiden lassen, stundenlang? Gib deinem Hass nach! Lass es geschehen! Ich will dich brechen sehen!“

Töte...ihn...

Ich...will...ihn...

Äußerst unangenehme Bilder füllen meinen Kopf, als der Zweite mir graphisch zeigt, was er jetzt gerne mit Endugu anstellen würde. Dessen eigene Beschreibung beginnt nicht einmal annähernd, die Grausamkeiten erahnen zu lassen, die dem Zweiten vorschweben.
Ich schrecke zurück, und mein Hass mit mir. So weit...so weit darf ich nie gehen.
Und in diesem Moment der Klarheit...bin ich fähig nachzudenken. Der Leichenberg ist immer noch nicht abgebaut. Eine Sprengung jetzt wäre immer noch verheerend für die Dämonenarmee vor uns. Warum stachelt Endugu den Meister jetzt an? Er hätte ihn doch sicher noch ein paar Minuten länger mit Belanglosigkeiten ablenken können...
...es sei denn, er ist darauf gekommen, was ich dem Meister zugeflüstert habe. Dann hätte er gewusst, dass die Hinhaltetaktik vergebens wäre, weil nach nur kurzer Zeit ihm Leichen um die Ohren geflogen wären, Natalya hin oder her. Der Meister ist vielleicht verliebt, aber nicht dumm.
Aber warum hat er dann so improvisiert, dass er ihn dazu treibt, anzugreifen? Den Hass aufsteigen zu lassen? Das ist doch...
Und da trifft mich die Erkenntnis. Was mache ich denn gerade? Ich denke nach – was ich nicht getan habe, als der Hass noch in mir aufstieg. Aber das kann nicht Alles sein, blinde Wut ist nie so blind, dass Endugu wirklich erwarten kann, dass der Meister komplett vergisst, dass er die toten Schinder sprengen kann. Es muss etwas Anderes sein...zumal der Meister ja immer noch nicht dem Hass nachgegeben hat. Es ist wirklich bewundernswert, wie er widerstehen kann, während dieser Wahnsinnige diese Dinge mit Natalya anstellt.
...wobei der Hexendoktor das doch eigentlich wissen sollte, oder? Er hat uns immerhin schon lange genug beobachtet, wie es den Anschein hat. Er hat selbst zugegeben, überrascht zu sein von der Fähigkeit des Meisters, den Hass zurückzuhalten...
Natürlich! Ja! Er baut darauf, dass der Meister sich unter Kontrolle hat, und so konzentriert versucht, nicht in ungezügelte Wut auszubrechen, dass er dabei völlig übersieht, dass die Leichen gleich verschwunden sind! Eine teuflische Zwickmühle...wenn wir jetzt angreifen, dem Hass nachgeben, gewinnt er, weil wir nicht klar denken können in diesem Zustand...und wenn wir warten, verlieren wir jede Chance, zu gewinnen. Allein dass lässt meinen Zorn auf diesen Mistkerl schon wieder wachsen...er spielt mit uns, will uns...nein. Nein! Er gewinnt nicht!

„Meister, er versucht immer noch, uns hinzuhalten! Der Leichenberg ist gleich verschwunden, wir müssen jetzt handeln! Nicht, weil wir dem Hass nachgeben, sondern weil es vernünftig ist!“

Die wutverzerrte Grimasse wird vom Gesicht meines Erschaffers gefegt und sein starrer Blick löst sich von Natalyas Qualen, zu den Schinderleichen schießend, als der Zweite meine Erkenntnis herausbrüllt.

Gut gedacht. Wirklich, gut gedacht, das muss ich zugeben. Fast hätte er mich gehabt.

Die vorher noch entgegenkommend, jetzt verlangend ausgestreckte Hand des Meisters ballt sich zu einer Faust. Mit der anderen greift er an seinen Gürtel. Endugus Gesicht wird zu einer Grimasse. Wieder hebt der obere Schinder den Dolch.

„Du verdammter Blechschädel! Ich werde deinen Meister vor deinen Augen bei lebendigem Leibe rösten! Und sei dir bewusst, dass du für ihren Tod verantwortlich bist!“

„He, Schrumpfhirn, du wolltest doch noch wissen, wie ich dem Hass widerstehen kann.“

Der Dolch hält kurz vor der Kehle der Assassine inne.

„Ja? Ja? Ich glaube nicht, dass du das noch wirst, wenn ich sie jetzt töte! Aber erzähl es mir nur!“

Weil es ihm vielleicht doch noch Zeit gibt, die letzten Leichen vernichten zu lassen...nur noch zwei liegen tot am Boden! Meister, handle!

„Tja, es ist eigentlich ganz einfach. Was du brauchst, ist Fokus. Fokus auf ein Ziel, wie beispielsweise dich. Und wenn du den hast, fallen dir auf einmal vielleicht sogar Dinge ein, die du bisher völlig vergessen hattest.“

Unwissentlich verwendet der Meister nun Endugus Taktik gegen ihn selbst, als er schon auf seinem vorletzten Wort den Angriff startet...und ein kleiner Feuerblitz sich von seiner ausgestreckten Faust löst. Kurz bin ich auch überrascht, aber dann setzt mein Gedächtnis ein: Der Ring, den Duriel uns hinterlassen hat – er hat ihn nie abgelegt, aber auch noch nie benutzt! Jetzt aber fliegt das kleine Geschoß perfekt gezielt über die kleinen Schinderköpfe hinweg...und trifft einen kreischenden Schamanen, dem es den Dolch aus der Hand fegt, bevor dieser eine bleiche Kehle öffnen kann. Klappernd fällt er vor Natalyas Füße.
Die Explosion der letzten Leiche wirft die darum gruppierten Schamanen auseinander, während gleichzeitig die Skelette nach vorne stürmen und neue Leichen erzeugen. Ich ignoriere sie komplett und stürme durch ein Meer aus für mich völlig harmlosen Messer- und Blasrohrdämonen, hektisch auf meine gefesselte Freundin zurennend...denn wenngleich die Schockwelle der Explosion nahe war, sind beide türkisberockten Schamanenschinder neben ihr auf den Beinen geblieben, ihren Körper als Polster benutzend. Weitere Donnerschläge erklingen hinter mir, aber kein Schinder um den ehemaligen Leichenberg herum ist gestorben...ein Desaster. Wir waren zu langsam. Unter meinen Beinen zerbröseln Dämonen noch und nöcher, die kleinen Püppchen sterben in Scharen, aber sie gruppieren sich um meine Schienbeine, klammern sich fest, behindern mich...ich werde wieder nicht rechtzeitig sein.
Endugu sieht mich direkt an.

„Golem, Golem...da wirst du wohl doch nicht verhindern können, was du gleich in bester Lage zu Gesicht bekommen wirst. Genieße den Anblick!“

Er wendet sich der hilflosen, aus unzähligen Wunden blutenden Assassine zu. Innerhalb von Sekunden wird sie ein Feuerstrahl verschlingen...und ich...komme...nicht...zu...ihr...
Ich weiß nicht, wer meine Stimme kontrolliert, als der Zweite und ich gemeinsam unkontrolliert aufschreien.
Da schießt Natalyas Kopf hoch, den sie in geschlagener Ergebenheit gesenkt hatte – und ein blutiges Lächeln ziert ihre Lippen.

„Überraschung, du Arschloch.“

Und über ihren Kopf zischt das Inferno ins Leere, als etwas den unteren Schinder umwirft. Unsanft landet er vor ihren Füßen...die frei sind. Zwischen ihnen klemmt der Dolch, den der Hexendoktor gerade hat fallen lassen.

„Lass nie ein scharfes Instrument in Zehenreichweite einer Person liegen, die ihre Hauptarbeit mit den Beinen macht!“

Und die Klinge dringt noch einen Zentimeter tief in das Holz der Plattform, nachdem sie Endugus Kopf aufgespießt hat. Ich zucke nach vorne...er war doch...
Nichts passiert. Das kann doch nicht bedeuten...
Der zweite Schinder mit türkisem Rock steht oben auf dem Totempfahl, den Schädel dort lockernd und abreißend. Am Boden liegt achtlos zurückgelassen der Schamanentotemschädel.

Er war...der Obere? Zum Glück ist er gerade zu sehr mit diesem Ding beschäftigt, um seinen Kollegen zu sprengen! Verdammt, wir müssen diesen Bastard kriegen und ihn zahlen lassen!

Den schweren Schädel halb jonglierend, halb tragend, brüllt der Schinderheld mich an.

„Sei verflucht, Golem! Das bedeutet Nichts! Dein Meister wird elendiglich in diesem Dschungel verrecken! Komm nur zu mir, unter die Erde, und suche nach den Überresten des edlen Khalim! Dort wirst du Nichts als Qual und endlose Pein finden!“

Er weiß, was wir suchen?

Du weißt, wie lange er uns beobachtet hat.

Wir sind unter dem Totempfahl angekommen und während ich Natalya freischneide, starre ich nach oben, meinem Feind direkt in die zugenähten Augen.

„Ich bin bereits bei dir, Endugu! Dein eigenes Ende wartet genau hier!“

„Ach so? Tut es das, hm? Dann jage mir nach und lass diese Frau im Stich! Deine Entscheidung, nicht wahr? Man sieht sich, denk an mich in deinen Alpträumen!“

Er springt hinunter, den Schädel mitnehmend. Hinterher!

Er darf nicht entkommen!

„Golem! Du weißt nicht, wie dankbar ich dir bin. Lass dieses kleine Monster nicht entkommen...oh, das ist schlecht.“

Ich fahre herum. Alle Schinder, ausnahmslos, haben sich uns zugewendet und beginnen, auf die Plattform zu strömen.

Das meinte er...wenn du ihm folgst, töten sie Natalya. Verdammt. Verdammt! Zur Hölle mit ihm!

Aber...mein Hass schwillt auf, und ich unterdrücke ihn, mühsam...nicht jetzt.
Wie ein zorniger Gott kommt der Meister näher, konstante Kataklysmen vor sich herschiebend, die Püppchen wie zerbrochenes Spielzeug in alle Richtungen schleudernd. Mein Schwert ist ein tödlicher Wächter gegen die Flut an von hinten panisch fliehenden, hier vorne fanatisch angreifenden Feinden. Immer wieder schießt der Dolch nach vorne, einen Gegner aufspießend, der durch meine Barrikade drang. Von diesen sind es nicht sehr viele, denn obwohl gleißende Wut in mir kocht, dass das Individuum, das für all das Leid, das wir im Dschungel ertragen mussten, direkt verantwortlich ist, erneut davon gekommen ist, habe ich ein klares Ziel vor Augen: Den Schutz Natalyas. Und ich versage darin nicht.
Alles eine Frage von Fokus.
 
Hallo,

war schön zu lesen das update. Freut mich, dass sie (noch) lebt :) Absolut genial beschrieben. Hat mir ausgesprochen gut gefallen.

lg, Gandalf
 
Samstag Abend in Deutschland - gebannte Blicke auf den Bildschirm, und ich rede hier nicht vom Fernsehbildschirm.

Meine Hochachtung, das war ja wirklich spannend ohne Ende - und es geht noch weiter. Zum einen wird der weitere Kampf gegen Endugu sicher höchst interessant, zum anderen stellt sich die Frage, wer die Verantwortung für die Tees/Natalya-Story übernehmen wird, und wie. Wie wird der Meister von nun an mit dem Golem umgehen? Wird er ihn bestrafen? Werden sie dem Hass des Dschungels weiterhin widerstehen können und kluge Entscheidungen für die Zukunft Sanktuarios treffen?

Dies und mehr erfahren sie in den nächsten Folgen, immer samstags, nur hier in diesem Thread!
;)
 
Jop, schön zu lesen, super spannend. Auf sowas banales wie Tippfehler achtet da eh keiner mehr ;)

Freu mich schon auf die Entscheidung unter der Erde :D
 
Schön, dass es euch so gut gefallen hat. Da bin ich mal gespannt, was ihr zum nächsten Update sagt ;).

Damit gleich eine traurige Nachricht...Ende des Monats stehen Prüfungen an, und es wäre...unschön, die nicht zu bestehen. Das heißt, es ist Lernzeit, und ich sollte mir nicht wirklich leisten, weiterzuschreiben. Wie ihr gleich sehen werdet, ist es ein guter Zeitpunkt, eine kurze Pause einzulegen, was mir zwar nicht gefällt, womöglich mehr als euch, aber hilft eben Nichts.

Wie lange die Pause genau sein wird, kann ich leider auch nicht sagen. Hoffentlich nicht zu lange.

Derweil, genießt dieses Endkapitel in gleich mehrfacher Hinsicht.

Simon
 
Kapitel 45 – Das Ende der Geheimnisse

Fast wäre sie gefallen, aber der Meister ist rechtzeitig da und hält Natalya in einer vorsichtigen, aber festen Umarmung aufrecht. Eine Weile stehen die beiden Menschen regungslos da, nur ein paar Tränen fließen über die Wangen des Totenbeschwörers.

„Ich hatte solche Sorge um dich...“

In einer seltsamen Umkehrung ihrer Rollen hebt die Assassine eine leicht zitternde, blutbefleckte Hand und streicht mit ihrem Rücken die Feuchte aus seinem Gesicht.

„Ruhig...ich lebe ja noch...und das nur dank dir, mein Held...“

Betonung auf „noch“.

Ja, aber bei den ganzen Leichen hier...
Während die beiden weiter leise flüstern – sie kann gar nicht mehr lauter reden, glaube ich – laufe ich schnell das Schlachtfeld ab. Überall liegen zerbrochene Puppen verstreut, ein paar Skelette gehen herum und töten noch nicht vernichtete mit effizienten Hieben. Am interessantesten sind aber die Schamanen...
Tatsächlich finde ich gleich zwei Heiltränke, mit denen ich zurückkehre. Zwei Wächter und ein Magier haben derweil die Decke aufgespannt, auf ihr liegt Natalya wie in einer Hängematte. Der Meister hält ihre Hand.
Wortlos öffne ich eines der Fläschchen. Der Magier, der das Kopfende der Decke in den Knochenhänden hat, hebt es etwas, und dankbar trinkt die Verletzte vorsichtig ein paar Schlucke, bald greift sie selbst nach der Flasche, die zweite ist auch noch nötig – dann nickt sie dem Meister zu, er zurück, und als sich die Wächter langsam hinknien, steht sie grazil auf. Der Meister hängt ihr den Stoff um.

„Tut mir Leid, dass ich die schöne Decke ganz schmutzig mache.“

Er lacht etwas schwächlich.

„Kein Problem...wirklich nicht...“

Sie säubert sich etwas, was dank des strömenden Regens recht effizient geht.

„Meine normale Kleidung ist hinüber, die haben sie mir abgeschnitten...aber die Rüstung sollte in einem der Häuser sein, hoffe ich zumindest.“

Der Meister nickt, während er ihr den Rücken abreibt.

„Dann sucht mal. Und denkt an mein Versprechen, wenn eine Hütte leer ist, dann brennt sie nieder, vernichtet dieses ganze verfluchte Dorf, und danach stapeln wir die Leichen auf und verbrennen auch diese.“

„Zu gerne.“

Ich lasse die beiden allein und mache mich mit den Skeletten auf, die halbwegs selbstständig – er wird immer besser darin, kompliziertere Befehlsfolgen automatisch ablaufen zu lassen – die kruden Holzbehausungen durchsuchen, nach Misserfolg umwerfen und mit magischem Feuer beschießen. Innen ist das Material teils noch trocken genug für ein knisterndes Feuerchen, aber so richtig flammt keine ab – verdammter Regen...
Tatsächlich, zum Glück, finden wir Natalyas Ausrüstung recht bald. Ich bringe sie ihr zurück, während die Knochendiener schon beginnen, Schinderleichen zu stapeln. Der Meister hat sein Hemd gespendet, und die Decke umgürtet der Assassine Hüften. Sie dankt mir herzlich.
Als sie sich in schwarzes Metall kleidet, wischt sich der Meister nasse Haare aus der Stirn.

„Nun, jetzt, wo wir so sicher sind, wie wir im Dschungel nur sein können...würde ich mich über ein paar Erklärungen freuen, was diese ganze ‚Du bist Tees’-Sache angeht.“

Sie hält inne, bevor sie sich den Helm aufsetzt, und grinst schief.

„Selbstverständlich war das nur ein Trick, um herauszufinden, ob du mir treu bleiben würdest, wenn noch eine andere starke Frau in deinem Leben auftaucht.“

„...was?“

Ein Finger landet in seinem Bauch.

„Nur ein Scherz, mein Lieber. Ich bin keine eifersüchtige Frau. Die Sache würde ich dir gerne erklären, aber ich glaube fast, das kann dein Golem besser und mit mehr Details...“

Ähm...

Da hat sie Recht. Immerhin weißt du genauso viel wie sie von diesem Plan.

Aber...ihre Motivation ist mir immer noch ziemlich schleierhaft...
Der Meister wirft mir einen finsteren Blick zu.

„Ja...stimmt eigentlich. Warst du es nicht, der einen halben Tag mit ‚Tees’ im Dschungel allein war? Hat denn Irgendetwas, das du mir erzählt hast, seit wir in Kurast angekommen sind, gestimmt?“

Autsch...
Sie legt ihm eine Hand auf die Schulter.

„Sei nicht zu hart zu deinem Golem. Ich glaube, du könntest keinen treueren Diener haben als ihn. Ja, wir haben dich gemeinsam getäuscht, aber hauptsächlich war es meine Idee - und ich muss mich auch bei dir, Golem, aufs tiefste entschuldigen, dass ich dich in diesen Konflikt gebracht habe...
Aber das könnt ihr später bereden.“

Sie seufzt.

“Ich muss euch nämlich erzählen, wie ich überhaupt gefangen genommen werden konnte.“

„Warum sollte das wichtig...“

Ein Finger auf seinen Lippen bringt ihn zum Schweigen.

„Schhhh. Gleich verstehst du es, und es wird dir nicht gefallen.
Der Kampf lief hervorragend. Meine Rüstung hat mich nicht im Stich gelassen, die Blasrohrschützen waren geblendet, ein Großteil der Schamanen ausgeschaltet. Endugu konnte nicht viel tun, und gleich würden meine Klauen in ihm landen.
Dann kam die Ablenkung, zum unpassendst möglichen Zeitpunkt – wie immer eben. Ich bekam neue Anweisungen...die Viz-Jaq'taar haben dafür ein sehr effizientes System entwickelt: Direkte Gedankenübertragung. Eine laute, herrische Stimme im Kopf hilft aber nicht besonders bei der Konzentration. Ich vermasselte meinen Schlag, bekam einen Feuerstrahl ab, stolperte und mein Helm wurde mir vom Kopf gerissen. Danach wurde es unschön.“

Der Meister verzieht mitleidig das Gesicht.

„So was Blödes...aber was waren denn das für Anweisungen? Wer zur Hölle sind die...Wiestschaktar?“

Sie legt ihm eine Hand in den Nacken.

„Mein Orden – die Assassinen. Über meine Zugehörigkeit habe ich dich nicht angelogen als Tees. Was die Anweisungen betrifft...die sind der Grund dafür, dass dir diese Information nicht gefallen wird. Siehst du, ich muss gehen.“

„Wie...“

„Es gefällt mir auch nicht, General. Ich würde nur zu gerne mehr Zeit mit dir verbringen, aber der Befehl war eindeutig: Ich muss so schnell als mir nur irgend möglich zu meinem nächsten Ziel aufbrechen, wieder die Diplomatin spielen, in einem ganz anderen Teil Sanktuarios.“

Er packt sie um die Taille.

„Du kannst nicht einfach gehen!“

„Ich will nicht, mein Held...aber ich muss. Meine Pflicht ruft mich von dir fort.“

“Scheiß auf deine Pflicht! Ich will dich nicht verlieren, so kurz, nachdem ich dich wirklich kennen gelernt habe!“

Sie küsst ihn, was ihn nicht dazu bringt, sie loszulassen. Als sie sich wieder von ihm löst, steht eine Träne in ihrem Gesicht.

„Ich weiß. Darum bitte ich dich, mir zu verzeihen. Dafür, dass ich den Golem dazu gebracht habe, dich zu täuschen, dafür, dass ich dich getäuscht habe...und hierfür auch.“

Erneut treffen sich ihre Lippen.

„Ich hoffe inständig, dass wir uns wieder sehen...“

Seine Hände lösen sich von ihrer Seite. Ihre hält immer noch seinen Nacken...
Sanft lässt sie ihn zu Boden gleiten. Ich trete geschockt einen Schritt vor. Traurig blickt sie mich an.

„Tja, Golem, bei dir wird das nicht funktionieren. Keine Sorge, was ihn angeht...zwei Stunden Schlaf, wie gerade eben auch.“

Meine Gedanken können im Moment keine klare Form fassen.

Ich...weiß auch nicht so recht, was ich denken soll. Wirklich...voller Überraschungen, diese Frau.

„Was...was hat das Alles zu bedeuten?“

Seufzend setzt sie ihren Helm auf und wird halb transparent.

„Wie ich sagte, Golem...ich muss gehen, kein Weg führt daran vorbei. Die Ältesten haben diese Macht über mich, ihnen zu widersprechen wäre...närrisch. Ich glaube nicht, dass er es verstanden hätte...mir tut es weh genug, ihn zurücklassen zu müssen, ich will mir gar nicht seinen Schmerz vorstellen. Wobei ich es kann. Immerhin habe ich in solchen Dingen tatsächlich mehr Erfahrung als er.“

„Und darum musst du ihn gleich in Tiefschlaf versetzen?“

Ihre Stimme wird eisig.

„Glaub mir, ich würde ihn auch lieber an seinem Bett festbinden. Was wirst du nun tun? Willst du mich auch aufhalten?“

Sie...kann doch nicht einfach gehen? Wir können sie nicht einfach gehen lassen?

Ich denke wirklich nicht, dass sie eine Wahl hat – und wir auch nicht. Oder meinst du, wir können sie aufhalten? Es tut mir doch auch Leid, ich habe selten einen Menschen so respektieren können wie sie, aber ich sehe keine Möglichkeit.

Ich...auch nicht.

„Nein, Natalya. Es hat keinen Sinn. Aber...du wirst mir fehlen. Uns fehlen.“

„Oh, Golem.“

Zwangsweise unbeholfen umarmt sie meinen stählernen Körper.

„Ich habe nicht viel Zeit, aber diese paar Worte lasse ich mir nicht nehmen. Als ich dich kennen gelernt habe, diese wenigen Tage zuvor, hätte ich nicht gedacht, für ein scheinbar so simples Konstrukt wie dich Freundschaft empfinden zu können, aber das ist definitiv daraus geworden. Wir waren gute Partner, im Kampf wie in friedlicheren Plänen, und erneut...ich kann dir nicht sagen, wie Leid es mir tut, dass ich dich benutzt habe, um meinen Auftrag hier nicht zu gefährden.“

Was...soll ich darauf...denn sagen...

Lass mich.

„Wir tun alle nur, was nötig ist. Aber, wenn man fragen darf...was war dein Auftrag denn jetzt? Das große Geheimnis, das du schützen wolltest?“

Sie drückt sich auf Armlänge weg, die Hände noch auf meinen Schultern.

„Das Geheimnis, weswegen ich immer wieder im Dschungel war, statt ständig Ormus zu beobachten? Mein wahrer Grund des Hierseins? Das kann ich dir sagen: Es gibt kein solches Geheimnis.“

Was?

“Was?“


„Keine Sorge, diesmal lüge ich dich nicht an. Du willst wissen, weswegen ich im Dschungel war und Monster getötet habe, statt ständig meine Augen auf dem alten Mann zu lassen? Weil ich schon früh erkannte, dass Ormus garantiert keine Gefahr darstellt, und mir die ganze Fassade aufrecht zu erhalten schnell auf die Nerven ging. Ich bin im Herzen eine Kämpferin, keine Diplomatin...also habe ich meine Kampfmontur angelegt und habe heimlich und aus völlig freien Stücken die Stadtwachen auf meine Art unterstützt. Das war nicht Teil meines Auftrags – das war reine...Entspannung.“

Das kann doch nicht...

„Aber...warum dann das Getue darum herum? Die Geheimniskrämerei? Wir haben uns stundenlang den Kopf zerbrochen, was deine Hintergedanken sein könnten!“

„Genau darum geht es doch, Golem!“

Entschuldigend hebt sie eine Hand.

„Je mehr ihr darüber nachgedacht habt, was ich tatsächlich im Schilde führen könntet, desto geringer euere Chancen, die Wahrheit tatsächlich herauszufinden – weil es keine gute Erklärung gab. Die Lösung wäre gewesen, nicht nachzudenken, aber darauf seid ihr nicht gekommen...weil ich so tat, als wäre es viel komplizierter, als es ist.“

Das...

Das...ist...

„Gut gespielt, Natalya. Wirklich gut gespielt. Dass du diesen Anfänger öfter herein legst, war zu erwarten, aber dass du auch mich hinters Licht führst, hätte ich nicht gedacht.“

„Ein Kompliment von dir, Zweiter? Das ist einmal viel wert. Wie kommt ihr eigentlich so zurecht miteinander?“

„Ganz gut – nicht zuletzt dank dir.“

„Und wer hat das jetzt gesagt?“

Ich halte inne.

„Kommt es darauf an?“

Sie schnaubt ein kurzes Lachen.

„Nicht wirklich, würde ich sagen...na ja, wenn das geklärt ist...es wird Zeit für mich. Bitte folgt mir nicht, bitte sorgt dafür, dass er nichts Dummes tut, wenn er aufwacht. Er muss genauso seine Pflicht erfüllen wie ich meine, und dafür ist es am besten, wenn er mich erst einmal vergisst, so schwer das auch sein wird – das weiß ich mit ziemlicher Sicherheit. Es wird auch schwer, ihn zu vergessen. Regelt euere Konflikte...es hat weh getan, euch beide streiten zu sehen. Wenn ihr euch nicht gegenseitig vertrauen könnt, habt ihr keine Chance gegen das Böse. Du kannst ruhig die ganze Schuld für diese Misere auf mich schieben...so unwahr wäre das ja nicht.“

„Ich...möchte dein Andenken nicht beflecken...“

„He!“

Ihre Hand gibt mir einen leichten Klaps.

„Ist doch nicht so, als ob das zwingend das letzte Mal ist, dass ihr mich seht...es wäre nur besser so...“

Und da hat sie nicht ganz Unrecht.

Sie holt eine Stadtportalsrolle aus dem Folianten des Meisters, während ich in traurigen Gedanken still den Kopf hängen lasse. Bevor sie es öffnet, hält sie noch einmal inne.

„Wenn...wenn ihr euere Aufgabe erfüllt habt...sobald das Böse besiegt wurde...und wenn er dann bereit ist...dann sag ihm Folgendes: Mein Auftrag führt mich in den hohen Norden, als Abgesandte zu den Barbaren. Es liegt an dir, den richtigen Zeitpunkt abzuschätzen, wann er es erfahren soll...“

Ich dachte, es wäre besser, wenn...?

Logischerweise, ja. Aber die Liebe verstehst du immer noch nicht...so wenig wie ich.

Ihre Stimme bricht, und heiser öffnet sie das Stadtportal. Der Zweite ruft ihr noch hinterher.

„Halt! Was ist mit deinem Ring?“

Kurz zögert sie.

„Ein Abschiedsgeschenk. Rauft euch zusammen, meine Helden...rettet unsere Welt, und verschwendet nicht zu viel Zeit damit, mir hinterherzutrauern. Wenn das Schicksal es will, treffen wir uns erneut im Eis des Nordens.“

Damit ist sie verschwunden. Die Stadtwache ist sehr verwundert, aber da der Eisenwolf mich ebenfalls gesehen hat und kennt, denke ich nicht, dass sie ein allzu großes Problem haben sollte, ihre Präsenz zu erklären. Abgesehen davon, dass sie sehr gut ist bei so was.

Zu schade...

Das...wäre schlimmer, wenn wir nicht wüssten, dass wir sie wieder sehen werden.

Du ewiger Optimist. Wahrscheinlich hat sie uns darüber auch angelogen. Dieser Abschied ist endgültig.

Du hättest es doch auch gerne, wenn es anders wäre, oder?

...ja.

Hinter uns leuchtet der Dschungel auf, als die Skelette, unbeeindruckt von unserem schmerzlichen Gespräch, ihre Arbeit vollenden und den Schinderscheiterhaufen entzünden. Das Licht der Flammen spiegelt sich wider auf dem Dolch, der Natalya solche Pein bereitete und doch ihre Rettung war.

Das...das ist doch kein Metall.

Ich bücke mich und hebe ihn auf. Nein? Stimmt...aber was sonst?

Feuerstein.

Was!

Ohne Zweifel. Endugu hat uns gleich in zweifacher Hinsicht die Lösung für unser Hassproblem gezeigt. Fokus...und dieser Dolch.
Der Gidbinn.
 
Naja, dass die Prüfungen vor der Story kommen sollte ja jedem klar sein - viel Glück dabei.

Story ist auch irgendwie traurig aber war ja zu erwarten wenn man sich ans Spiel hält. Dafür ist ja nun mit dem Gidbinn wieder Platz für den Sölli den Akara versprochen hat oder wie war das?
 
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