Ein Wahlprogramm gewinnt nicht sonderlich an Glaubwürdigkeit, wenn man sich Koalitionen mit Parteien offen lässt, die inhaltlich konträr zur eigenen Linie stehen.
Ein Wahlprogramm gewinnt auch nicht sonderlich an Glaubwürdigkeit, wenn man sich keinerlei Optionen offenhält. Wie will man überhaupt etwas durchsetzen, wenn man nicht beteiligt ist? Klar, Schwarz-Gelb könnte möglich sein. Was aber wenn nicht. Die Grünen wollen nicht und die FDP will nicht mit SPD und Grünen. Man muss ja auch nicht Mehrheitsbeschaffer spielen. Man kann ja klar sagen, wir machen mit, wenn dieser Forderungenkatalog umgesetzt wird. Da kann man dann auch mal als FDP auf neue Atomkraftwerke verzichten. Klar kann man weniger umsetzen und muss Kompromisse schließen. Aber ansonsten steht man da und meckert rum, in der Hoffnung damit 4 Jahre später Erfolg zu haben. Die LINKE ist hierbei in einer angenehmen Position. Mit ihr will keiner, also versprechen die das Blaue vom Himmel. Und die haben Erfolg damit. Wenn das das Ziel von FDP und Grünen ist, na dann Hurra. Fängt ja schon an: "Steuern runter" brüllt sich immer gut.
Und jetzt mal ehrlich: Welche Partei steht schon völlig konträr zu einer anderen. Höchstens vielleicht LINKE und FDP. Bei dem Rest lässt sich doch reden. Das der FDP als enorm wirtschaftsnaher Partei der Mindestlohn nicht schmeckt, ist verständlich. Dann kann man damit in Verhandlungen mit SPD und Grünen gehen, als Kompromiss kommt irgendwas raus, was die verschmerzen können (3 Euro Mindestlohn für Friseure
) und gut ist. Oder es kommt nichts raus und die Ampel scheitert.
Oder halt als Grüne starke Forderungen an CDU und FDP stellen (Umweltschutz wollen ja eh alle, also kann man noch andere Sachen fordern)
Abgesehen davon, dass man sich als kleine Partei mit einer eindeutigen Koalitionsaussage zum Schoßhündchen der großen Partei macht. Ihr wollt doch unbedingt, dann könnt ihr doch auch ein bisschen einknicken.
Natürlich muss eine Partei ihr Profil erhalten. Aber das über Koalitionsaussagen zu machen, halte ich für schädlich.
Fraktionszwang ist nirgendwo als Regel niedergeschrieben, jeder Abgeordnete ist allein seinem Gewissen unterworfen. Dass es sich in der politischen Realität häufig anders verhält, ist doch nur logisch. Ins Parlament kommt man nicht durch die Lotterie, sondern durch Parteibasis und Wähler, die man repräsentiert. Ohne eine gewisse Linientreue wird das nichts.
Oder du hast deine Wähler, so wie Ströbele in Berlin. Er ist alles andere als linientreu, aber er gewinnt sein Direktmandat. Und genau darum geht's doch. Der Wähler entscheidet, ob ein Kandidat sich gut geschlagen hat und die eigene Postion am ehesten vertreten hat. Leider ist das deutsche Wahlsystem für sowas nur bedingt geeignet. Im amerikanischen muss der Senator oder der Abgeordnete seine Wählet überzeugen, da spielt die Parteizugehörigkeit nicht die dominante Rolle. Das heißt nicht, dass ich das amerikanische System für besser halte, ganz und gar nicht. Ich finde gut, dass auch kleinere Parteien Vertreter entsenden können. Aber das der Abgeordnete um seine Wähler kämpfen muss und sich vor ihnen rechtfertigen muss, dass ist gut. Allerdings hat man in den USA dann enorm teure Wahlkämpfe, was nicht-reiche Bewerber benachteiligt. Es gibt dort auch genug Schwächen.
Insgesamt bevorzuge ich schon das deutsche System, auch wenn man sich die Erststimme fast sparen könnte, da die Direktkandidaten sich oft auch dem Fraktionszwang unterwerfen (Ausnahmen gibt es natürlich, aber eher wenige).
Leider habe ich keine Idee, wie ein Wahlsystem sein müsste, damit sich der Abgeordnete seinen Wählern verpflichtet fühlt und trotzdem auch kleiner Parteien und ärmere Bewerber fair vertreten sein können
Nunja, perfekte Demokratie wird wohl wie perfekter Kommunismus oder perfekte Anarchie eine Utopie bleiben. Zumindest kann man mit mangelhafter Demokratie noch ganz gut hinkommen
edit:
Wäre eigentlich mal geil, wenn ein Abgeordneter seine Karriere opfert (ok, eben deshalb wird es nie passieren) und gegen die eigene Parteispitze Strafanzeige wegen § 106 Abs. 1 Nr.1 a Strafgesetzbuch stellt.
Ob der sogenannte "Fraktionszwang" in der rechtlichen Bewertung letzlich unter die Vorschrift fällt, ist gar nicht mal so wichtig, allein der Vorgang der Strafanzeige durch einen Abgeordneten würde sicher wachrütteln und eine interessante Mediendiskussion über Demokratie(defizite) anstoßen.
Das Problem wird eher sein, dass keiner klipp und klar sagt, wenn du nicht zustimmst, dann verlierst du einen guten Listenplatz. Aber jeder weiß, dass es so ist. Und wenn man's trotzdem macht, dann wird man eben wegen irgendwelchen erfunden Gründen unten auf die Liste gesetzt. Oder ein anderer Bewerber ist "besser geeignet" für deinen Wahlkreis. So offen wirst du bestimmt nicht genötigt werden.
Und potentielle Minister eigenen sich gut, um Erststimmen zu sammeln. Den Typen auf dem Plakat kennt man dann und den wählt man eher, als irgendjemanden. Naja, und dann werden sie Minister, weil's reicht und ein Direktmandat kann man ja schlecht einfach weggeben. Außerdem, falls es nicht klappt mit dem regieren, will man ja trotzdem irgendwas zu tun haben. Und schon wird die Gewaltenteilung unterlaufen. Wie gesagt, alles andere als perfekt, unsere Demokratie ... aber die Gewaltenteilung sollte wirklich besser umgesetzt werden.