Könnte es sein, dass unser Problem ein rein sprachliches ist?
Ich meine: Heranwachsen ist ein fließender Prozess, da sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Man ist nicht 18 Jahre lang unverändert ein Kind und nach Abschluss dieser Jahre sofort komplett erwachsen, sondern man wächst, lernt, reift allmählich vor und nach Ablauf dieser 18 Jahre.
Dabei hat aber Brutzel schon Recht, wenn er sagt "halb erwachsen gibt es nicht". Tatsächlich wird im Alltag höchst selten gesagt, jemand sei erwachsener als jemand anders, sondern eher, jemand ist erwachsen und jemand ist es nicht, und fertig. Das heißt, obwohl es ein fließender Prozess ist, wird zumeist nur zwischen "ja" und "nein" unterschieden. Helmut Schmidt ist erwachsen, Klein Fritzchen nicht.
Etwas anders ist es beim ansonsten ähnlichen Wort "reif": das wird schon deutlich eher zur Abstufung genommen. Auch ein Erwachsener erscheint einem da zwanzig Jahre später deutlich reifer als vorher, obwohl er auch vor zwanzig Jahren bereits unzweifelhaft ein Erwachsener gewesen ist.
Was allerdings Reife ausmacht, ist ein weites Feld. Wir haben bereits Erfahrungen, Schlussfolgerungen, geistige und organisatorische Selbstständigkeit.
Was letztendlich dazugehört, hat man schon so einigermaßen im Gefühl, wenigstens bei den wichtigsten Punkten wird man einigermaßen übereinstimmen. Welcher Punkt allerdings besonders wichtig ist und welcher eher nicht, wird letztendlich nicht zu klären sein, ist wahrscheinlich von niemandem so genau definiert und wird auch im Zuge dieser Diskussion nicht geklärt und definiert werden. Ist halt ein sehr umfassender Begriff für eine Menge von Werten, die nicht direkt messbar sind und deswegen werden verschiedene Menschen die Grenze zwischen erwachsen und nicht erwachsen immer ein bisschen woanders sehen, oder auch anstelle einer Grenze eine Grauzone (Scherzfrage: wo fängt die Grauzone an wo hört sie auf
) und so weiter. Wenn man nicht einfach nur aufs Geburtsdatum sieht, dann ist die Frage numerisch nicht beantwortbar, sondern eher mit gesundem Menschenverstand, Bauchgefühl, Menschenkenntnis und solchen Dingen.
Ich würde also sagen, die Frage "wann ist man erwachsen" ist selbst zu ungenau, um genau beantwortet werden zu können, ähnlich wie die natürlich noch viel ungenauere Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Ein Zeichen von Reife könnte es also sein, die Ungenauigkeit des Begriffs hinzunehmen und nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag auf eine genaue Antwort zu warten.