Das Küchenfenster knirscht und es rieselt Staub hernieder, als es einen Spalt weit aufgeht. Es hält inne, dann schiebt sich ein Stück Holz durch den kleinen Spalt, und ganz langsam drückt es Jemand auf, ohne dabei große Geräusche zu erzeugen. Niemand bemerkt etwas - die Küche wird selten benutzt, noch seltener gelüftet, schon gar nicht in diesem Eck, und Alle sind damit beschäftigt, dem aktuellen Spektakel im Schankraum zuzusehen. Auf das der Eindringling natürlich auch gewartet hat.
Das Fenster ist offen, und eine dunkle Gestalt schwingt sich hinein. Missfallen tut sich auf ihrem Gesicht auf, als sie den Staubhaufen sieht; schnell und effizient wird er beseitigt, das Fenster geschlossen. Einer genaueren Überprüfung hält es nicht stand, zerrissene Spinnweben kann man schlecht ersetzen, aber schon bald werden sie wieder gewachsen sein, und so, wie das Fenster aussieht, wird ihm wohl Niemand jemals eine solche Überprüfung zukommen lassen. Außer, der Eindringling lässt sich erwischen. Er huscht zur Theke, vor der sich ein grobschlächtiger, lauter und dreckiger Kerl in schwarzer Rüstung mit einem Menschen im Wettsaufen duelliert. Der Wirt sitzt neben ihnen und feuert sie an, immer wieder für Nachschub aus dem Keller sorgend; das ist perfekt! Besser könnte es gar nicht kommen...
Unter der Theke stehen, wie vermutet, die Spezialmischungen des Wirts, und das tun sie nicht mehr lange. Niemand bemerkt, wie die Kerze von einer Ecke des Tresens verschwindet.
Die Barbaren kommen gerade schwer beladen aus dem Keller. Der richtige Augenblick ist...jetzt. Hinter ihren massigen Torsos ist die schlanke Gestalt des Eindringlings für Niemand zu bemerken außer für die Träger selbst, und die sind zu beschäftigt, um sich umzusehen. Der Keller ist schnell erreicht. Unten tut sich ein Meer aus Spirituosen auf, welches den Eindringling gerade überhaupt nicht interessiert und es auch nie hätte. Schnell öffnet er die Flaschen mit den Spezialmixturen, schnüffelt an ihnen, bis er die richtige gefunden hat - er zieht sie schnell von seiner Nase weg - und tränkt mit der Flüssigkeit darin vorsichtig einen alten Lappen, der in der Ecke liegt. Sein Dolch trennt Streifen davon ab, und er stopft sie in die Öffnungen mittelgroßer Fässer, sodass noch ein Stück davon heraushängt.
Die Barbaren kommen wieder, ihre Schritte sind auf der Treppe zu hören. Jetzt schnell! Der Korken verdeckt, locker hinein gedrückt, den Großteil der Tücherstücke, und die Gestalt huscht in Deckung.
Wie geplant packen die Träger eines seiner präparierten Fässer und wuchten es nach oben. Schade, dass er nicht mehr Zeit für Vorbereitungen hatte, die dort oben müssen saufen wie die Löcher, aber so muss er immerhin nicht stundenlang warten.
Die Fässer landen, bereit, für die Trinkenden geöffnet zu werden, hinter der Theke. Die Barbaren stehen bereit, mehr davon zu holen, was es etwas schwerer macht, sich an ihnen vorbeizuschleichen, aber es ist nicht unmöglich. Der Eindringling landet bei den Fässern, und er weiß, dass jetzt Alles sehr schnell gehen muss.
Ein Fass fällt rumpelnd um und poltert über den Boden rollend auf das Regal voller Schnaps hinter dem Tresen zu. Niemand kann rechtzeitig reagieren, bevor es dagegen prallt...das Regal wankt...es hält!
Und fällt. Das war nicht das Fass - die gleiche Hand, die das Fass losrollte, stieß es um, und nun zerbricht Holz in Splittern und Flaschen in Scherben, alle springen in Deckung, als kostbares Rauschmaterial durch die Gegend fliegt. Ein See aus verschiedenen Alkoholika fließt um die Ecke, verteilt sich über den Boden...
Aller Augen blicken auf den Auslöser des Chaos', das erste Fass, als der Eindringling, trocken geblieben weil hinter dem Regal, als Einziger, auf es steigt.
Es ist Simon, eine Kerze hochhaltend, die, die er sich vorher geschnappt hatte. Ihr flackernder Schein lässt seine Augen aufleuchten, als er mit einem Grinsen den Rest der Taverne überblickt.
"Genug Spaß gehabt, ihr Faulenzer, jetzt wird es ernst!"
Der Kerl in schwarzer Rüstung findet als Erstes seine Stimme wieder.
"Was fälldir ein? Ich wa grade am gewinn! Der grose Yawgmosch wird dich..."
Simons Blick wird eiskalt.
"WAS wird WER?"
Eine vormals ganze Flasche fliegt durch die Luft und trifft den martialisch Gekleideten am Kopf. Alkohol ergießt sich über ihn. Simon wartet gar nicht lange.
"Von allen Dummheiten und Unverschämtheiten, die mir je...aber halt, eigentlich ist das ziemlich lustig."
Er grinst, als er vom Fass steigt, und Yawgmoth kommt immer näher auf ihn zu...
"Stop, Dicker."
Simon gestikuliert mit seiner Kerze.
"Dir ist das vielleicht nicht aufgefallen in deinem Erbsenhirn, aber der ganze Boden ist hochprozentig, und du, mein spezieller Freund, hast die höchste Konzentration davon außen UND innen. Und dir ist hoffentlich bewusst, dass in meiner Hand offenes Feuer ruht, ja? Und dass das hier kein Lappen ist...es ist eine Zündschnur."
Sein Widersacher bleibt stehen, und überall weiten sich Augen.
Der Wirt springt auf.
"Nein, nein! Ich bin mir sicher...ganz sicher!, dass sich das auch zivilisiert regeln lässt, ja? Ein Faustkampf vor der Tür?"
"Schweig."
Simons ausgestreckte Hand lässt den Wirt zusammenfahren, aber der junge Mann beachtet ihn nicht weiter...genausowenig wie Yawgmoth...nein, seine Augen landen - auf Yngvar.
"Du hast etwas, das ich will, alter Mann."
Yngvar lächelt spöttisch zurück.
"Welches wäre?"
Wieder ignoriert Simon einen der Anwesenden und wendet sich sofort einem Anderen zu.
"CALIS!"
Der Dieb zuckt zusammen und blickt gehetzt in alle Richtungen. Simon lächelt grausam.
"Du weißt, was ich will. Bring es mir, oder ihr Alle brennt."
"Ich...ich verstehe nicht..."
"DER STEIN, CALIS!"
Simon senkt die Kerze bis ganz nahe an den leicht entflammbaren Lappen.
"Der Stein oder euere Haut! Deine Entscheidung!"