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Ich denke, also bin ich [Fortsetzungsroman]

TwinYawgmoth

Champion des Hains, Storywriter of the Years
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14 März 2006
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:hy: FAS,
da sich Orion schon länger nicht mehr per PM gemeldet hat (Wink mit dem Zaunpfahl :D ), ergreife ich die Veröffentlichungs - Initiative, und poste einfach mal drauflos...

Sein einem halben Jahr schreibe ich schon an einer von mir genannten "Story", natürlich mit D2 - Hintergrund; die Idee kam mir so spontan, schreiben tat ich immer schon gerne, also, warum nicht einfach loslegen.

Aus dem ersten Kapitel von damals sind mittlerweile fast 60 geworden, ich habe bereits auf der D2Library veröffentlichen dürfen (wer Storys lieber downloadet, klickt also einfach hier), und kann nicht mehr einfach nur "Story" dazu sagen, es ist wirklich schon ein Roman geworden.

Dieser ist natürlich noch nicht fertig; denn welcher Roman hat nur etwa 100 Seiten? Darum wird weiter geschrieben. Und damit ihr was davon habt, kommt jede Woche Samstags ein neuer Teil raus, damit es sich mit der Library angleicht, heute (21.08.2006) gleich 8 von ihnen auf einmal, danach eben immer Samstags.

Ich möchte an dieser Stelle Jenen danken, die mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben, als dieses Projekt entstand:

Meiner Mutter, die es als erste gegengelesen hat.
Librarian, dessen Wissen über die Hintergrundgeschichte von Diablo mich vor einem kapitalen Fehler bewahrt hat, und der sie auch für mich veröffentlicht.
BarbThinker, der nicht müde wird, Verbesserungsvorschläge einzubringen.
Meinen Lesern, die fast nur Lob von sich hören lassen, und mein Ego über alle Maßen aufblasen.


Hier kommen Links hin zu den einzelnen Abschnitten, die ich einfach in den Thread poste.

Kapitel 1 findet sich gleich in diesem Post.
Kapitel 2 - 8 (21.08.2006)
Kapitel 9 - 12 (26.08.2006)
Kapitel 13 (02.09.2006)
Kapitel 14 - 15 (03.09.2006)
Kapitel 16 - 19 (09.09.2006)
Kapitel 20 - 22 (16.09.2006)
Kapitel 23 - 27 (24.09.2006)
Kapitel 28 - 30 (30.09.2006)
Kapitel 31 - 33 (07.10.2006)
Kapitel 34 - 35 (15.10.2006)
Kapitel 36 - 37 (22.10.2006)
Kapitel 38 - 40 (28.10.2006)
Kapitel 41 - 45 (05.11.2006)
Kapitel 46 - 47 (11.11.2006)
Kapitel 48 - 49 (18.11.2006)
Kapitel 50 - 53 /25.11.2006)
Kapitel 54 - 55 (02.12.2006)
Kapitel 56 - 57 (09.12.2006)
Kapitel 58 (16.12.2006)
Kapitel 59 (23.12.2006)
Kapitel 60 - 62 (24.12.2006)
Kapitel 63 (06.01.2007)
Kapitel 64 - 66 (14.01.2007)
Kapitel 68 (29.01.2007)
Kapitel 69 (03.02.2007)
Kapitel 70 [Finale] (10.02.2007)

Hier geht es weiter zu Teil 2

Der eigentliche Hintergrund dürfte euch bekannt sein: Ein Held beginnt aus bescheidenen Anfängen, von Lager der Jägerinnen aus die Wildnis zu durchstreifen, darauf bedacht, Diablo, den Herrn des Schreckens, vom Antlitz der Erde zu verbannen...

Langweilig? Oh, es wird ganz spannend...

wenn man den Blickwinkel ändert.

Yawgmoth proudly presents:






Ich denke, also bin ich​

von TwinYawgmoth aka Simon Salzl


Teil 1 – Tönerne Taufe


Kapitel 1: Geburt

Ein Bild erscheint.
Eine Gestalt, groß und schlank.
Zwei Säulen, darauf der Rest des Gebildes. Zwei Fortsätze, einer davon mit einem kurzem Stab, der andere mit einem rundem Gegenstand.
Verschiedene Teile, die an der Figur herabhängen und eindeutig nicht perfekt passen.
Langsame Bewegung wird bemerkt, ein Heben und Senken des mittleren Teiles und leichtes Zittern der Ausläufer.
Schwache Geräusche von allen Seiten. Leises Flüstern in der Umgebung, ähnliches, aber rauheres, von der Gestalt.

Verwirrung.

Fragen, die aufkommen, mehr Konzepte, Prinzipien, als artikulierte Worte.

Was ist das?
Warum geschieht das?
Wer denkt das gerade?


Eine Geräuschquelle ertönt.

„He, beweg dich gefälligst!“

Dich? Du? ICH? Sofort füllt sich die Leere mit Bedeutung. Worte, für die man vorher nicht einmal die Bezeichnung, geschweige denn von ihrer Existenz wusste, greifen die weite Leere an. Die Bedeutung der Worte, des, ja, des Gesagten, finden ihren Platz.
Vor mir steht ein Mensch.

Dieser Mensch, die Quelle des Geräusches, ist nach der bei dieser Rasse vorherrschenden Geschlechtertrennung dem männlichen angehörend...obwohl dies nicht üblich für jenes Geschlecht ist, trägt er seine Haare lang.
Immer mehr füllt sich mein Wortwissen. Einzelne Bezeichnungen zu kennen, ist nichts Neues mehr für mich.
Das Gesicht des Menschen ist bleich, wie die langen Haare auch - Grau oder Weiß, das sind die Farben, die es beschreiben. Eine hohe Haarlinie sorgt für eine markante Stirn, eingefallene Wangen haben hohe Knochen.
Eine leicht gekrümmte Nase dominiert sein Aussehen, stolz erhebt sie sich in die Luft.
In seiner linken Hand hält er einen Knochenstab, in seiner rechten einen Schild.
Die Teile, die ihm nicht ganz passen, sind Ausrüstungsgegenstände. Ein Helm, eine Rüstung, Lederstiefel, Handschuhe.

Und die ultimative, die wichtigste neue Feststellung kristallisiert sich heraus als die Grundmaxime meines neuen
..........
Lebens?


Das ist mein Meister.
 
Kapitel 2: Bekanntmachungen

Ich kenne nun die Sprache (eine Sprache?) und weiß, dass ich bin, aber nicht, warum ich bin und wer ich bin.
Die Verwirrung bleibt. Ich beschließe, meinen Fokus vom Meister abzuwenden und die Umgebung zu betrachten. Hinter ihm stehen zwei dünnere Ausgaben der Spezies Mensch; die jüngst erworbenen Kenntnisse in meinem – was ist es? Die mir bekannte Definition für das Zentrum der Gedanken ist Gehirn, ist es eines? – sagen mir, dass es Skelette sind, Überreste toter Menschen.
Ich wundere mich, warum sie hier sind. Aber ich habe schließlich keine Ahnung von den Vorlieben der Spezies Mensch; vielleicht gefällt es ihnen, sich mit den Knochen Anderer zu umgeben.
Apropos Spezies; welcher Spezies gehöre ich an? Bin ich ein Mensch?
Ich beschließe, es herauszufinden. Die ursprüngliche Anweisung des Meister ist mir immer noch absolut bewusst; dem Meister muss schließlich per Definition gehorcht werden. Bis jetzt sind ungefähr zweieinhalb Sekunden vergangen. Ich wundere mich kurz über mein Zeitgefühl; was ist Zeit eigentlich? Aber weiter. Ich solle mich also bewegen. Nur habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie das funktioniert. Der Meister bewegt sich.
Die Skelette auch.

Was?

Diese Frage muss hintenangestellt werden, der Meister wird ungeduldig. Ich wundere mich wieder, woher ich seine Gefühle weiß; aber das ist zweitrangig.
Wenn ich ähnlich aufgebaut bin wie der Meister, was zu vermuten ist, schließlich ist seine Augenhöhe nur etwas höher als meine (vorausgesetzt, ich habe Augen), dann kann ich meinen Körper betrachten, wenn ich meinen Kopf nach Vorne neige.
Mir fällt ein, dass ich damit zwei Dinge gleichzeitig erledige: ich sehe mich selbst und, viel wichtiger, gehorche dem Meister.
Etwas versucht die ganze Zeit, meinen Kopf, oder was auch immer an der selben Stelle wie meine optischen Einrichtungen ist, nach unten zu ziehen. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich mich schon die ganze Zeit dagegen
wehre. Offensichtlich ist das Ziehen meines Kopfes nach unten das Resultat einer Bewegung, und ich habe es durch eine Gegenbewegung verhindert.
Stolz, dass ich bereits weiß, wie man sich bewegt, erfüllt mich.
Ich gebe die Gegenbewegung auf und lasse meinen Kopf nach unten sinken.

Der Meister vor mir saugt scharf Luft ein.

Mir wird bewusst, das dies Atmung ist, im selben Moment, dass dies das Zeichen einer Erwartung ist und dass ich nicht atme.
Es ist noch sicherer, dass ich kein Mensch bin, als ich meinen Körper sehe: er besteht aus Ton, aus Erde und hat dieselbe Farbe wie der Boden, auf dem ich stehe.

Das ist mir egal; offensichtlich gibt es hier (wo ist hier?) nicht nur Menschen, sondern auch Skelette und...

Was bin ich?

Der Meister wird mir helfen. Ich sehe ihn wieder an. Bewegung ist einfach, wenn man weiß, wie es geht.

Ein breites Grinsen ziert sein Gesicht.

„Es hat geklappt! Ich habe einen Golem erschaffen! Ich bin der Größte! Ich habs immer gewusst!“

Ich bin also ein Golem, und er ist nicht nur mein Meister, sondern auch mein Erschaffer.











Kapitel 3: Meister

Der Meister starrt mich an.

„War das Alles? Du wirst doch wohl nicht denken, dass du Irgendwie meine Befehle missachten könntest? Ich bin dein Meister! Du musst mir gehorchen!“

Das ist mir klar...aber warum klingt er so unsicher?
Überhaupt...wie soll ich ihm sagen, dass ich es weiß? Ich versuche, meine Lippen zu bewegen wie er es tut, wenn Worte aus seinem Mund dringen.
Nichts geschieht.
Der Meister runzelt die Stirn.

„Was machst du denn da, du Idiot? Du Tonhirn hast doch wohl gar nicht den Geist, dich mit mir zu unterhalten! Du bist ja auch nicht zum Labern hier, sondern zum Kämpfen! Alles, was du machst, ist auf meine Fragen mit Ja oder Nein zu antworten!“

Was? Wie denn? Ich kann doch nicht reden...offenbar bin ich nicht so klug wie der Meister, wenn er das schon behauptet.
Aber warum kann ich dann darüber nachdenken? In derselben Sprache, die er auch benutzt?
Warum denkt er nicht genauer darüber nach, was er sagt, wenn er doch klüger ist als ich?

Was denke ich denn da? Der Meister ist oberste Instanz für mich; ich kann ihn doch wohl nicht in Frage stellen!
Der Meister scheint ungeduldig.

„Wirst du jetzt wohl endlich antworten? Soll ich meinen Skeletten sagen, dass sie dich zerhäckseln sollen? Ich kann sehr schnell wütend werden! Hast du mich verstanden?“

Und wieder klingt seine Stimme unsicher und schrill...woher weiß ich, dass er unsicher ist? Woher weiß ich, was ich weiß?

Wieder bewege ich meine Lippen, ohne dass ein Ton von ihnen kommt.

Der Meister schlägt sich an die Stirn.

„Oh Mann, natürlich! Muss man dir Alles sagen? Wenn du ja sagen willst, dann nickst du, wenn du nein sagen willst, schüttelst du den Kopf. Ist das so schwer?“

Mir wird bewusst, dass ich schon einmal genickt habe. Die Bedeutung des Wortes war mir immer klar; ich habe nur nicht darüber nachgedacht gehabt.
Andererseits...wie hätte ich selbst darauf kommen sollen? Der Meister denkt doch, dass ich nicht denken kann, und er muss doch Recht haben!
Jedenfalls schüttele ich den Kopf, weil sich die Stirn des Meisters wieder in besorgte Falten legt.

„Nein? Du willst mir nicht gehorchen...halt. Du meinst, dass das nicht so schwer ist!“

Ja. Nicken.

„Du verstehst mich also?“

Hoffnung in seiner Stimme. Was ist denn das für eine Emotion? Was ist eine Emotion? Ein Gefühlszustand. Gefühle kenne ich schon...aber Hoffnung? Die Erwartung der Verbesserung eines Zustandes. Seltsam, seltsam...
Oh. Ich muss dem Meister gehorchen! Nicken.

Ja! Natürlich verstehst du mich!“

Erleichterung. Starke Erleichterung. Warum? War er sich denn nicht sicher, dass ich ihm gehorchen würde?
Warum hat er mich dann erschaffen?
Es kommt mir in den Sinn, dass er wohl oft seine Handlungen nicht ganz zuende denkt. Genauso wie seine Anweisungen.

Eben. Das war mal wieder unglaublich kurzsichtig.

Was war das für ein Gedanke? Ich kann doch nicht die Kompetenz des Meisters in Frage stellen! Das wäre ketzerisch, falsch. Entgegen jeder Regel!

Aber der Meister redet weiter, diesmal aber zu sich.

„Ja, das wäre wohl auch ziemlich dämlich, wenn ausgerechnet der Teil des Zaubers Fehler hätte...ein Golem ohne Verstehen meiner Sprache...dann würdest du wohl nur dumm rumstehen und dich wundern, was?“

Und da habe ich die Antwort auf viele der Fragen, die mich schon mein ganzes Lebe...meine ganze Existenz lang gequält haben. Ich bin wissend erschaffen worden, also weiß ich.
Was hat der Zauber meiner Erschaffung noch beinhaltet? Ich bin mir sicher, dass Neugierde dazugehört.

„Dann wäre das also geklärt. Hör zu, red nicht dazwischen...hihi...und merk dir Alles. Ich möchte, dass du vor Allem immer in meiner Nähe bist; und wenn du hörst, dass Jemand schlecht über den General – das bin ich – oder über die Totenbeschwörer redet, dann zeigst du ihm, was es heißt, sich mit mir anzulegen! Soweit klar?“

Eigentlich nicht...was soll ich denn tun? Er kann ja wohl kaum von mir erwarten, dass ich etwas mache, was er mir nicht befohlen hat – er hat mir ausdrücklich gesagt, ich solle nur auf seinen Befehl hin handeln.
Jetzt will er, dass ich eigenständig etwas tue, von dem ich nicht weiß, wie ich es umsetzen soll...was kann er meinen? Ich schüttele den Kopf. Mir ist es nicht klar.

„Ich dachte, du verstehst mich? Du sollst halt dafür sorgen, dass sie still sind! Sag ihnen...halt, geht nicht...ach, zieh ihnen eins über und gut ist!“

Aha. Ich soll also Jeden schlagen, der ihn beleidigt. Aber wieder ist er so unsicher, so unsicher!

Ja, kann man denn so Jemand trauen?

Schon wieder so ein seltsamer Gedanke! Natürlich kann man dem Meister trauen...wer bin ich überhaupt, mit mir Selbst zu streiten? Ich bin ein Golem, ich bin der Diener des Meisters, ich werde ihm gehorchen. Trotz Unsicherheit...
Die Weisheit des Meisters darf man doch nicht in Frage stellen, sonst ist er ja kein Meister mehr!
Stattdessen analysiere ich, was er gesagt hat. Wenn er etwas dagegen hat, dass Leute schlecht über Totenbeschwörer reden, dann ist er vermutlich einer oder ist zumindest gut mit einem befreundet.
Freundschaft ... ein seltsames Konzept.
Aber was ist denn ein Totenbeschwörer?

Jemand, der Macht hat über die Toten, Skelette aus den Leichen toter Gegner beschwört, man glaubt, dass sie mit schwarzer Magie im Bunde sind, ihre Hilfsmittel sind...

Wie nach dem Brechen eines Dammes strömen die Informationen auf mich ein, die, wie die zum Verständnis der Sprache benötigten, irgendwo in meinem Kopf versteckt waren.
Alles wird klarer. Die Skelette sind also vom Meister wiedererweckt, der Stab hilft ihm dabei unter Kanalisierung von Energie, oft werden Totenbeschwörer von der Gesellschaft gemieden, weil man sie verdächtigt, dem Bösen nahe zu sein, auch die Golembeherrschung ist eine ihrer Fähigkeiten...

Schließlich nicke ich. Ich bin mit meinen Gedankengängen überaus zufrieden. Ich verstehe nun, was der Meister meint.

„Na endlich! Das ist natürlich nicht Alles, was zu tun ist...ich hab mir nicht die Mühe gemacht, dich zu erschaffen, nur, damit du für meinen guten Ruf sorgst, oh nein!
Ich brauche dich vor allem als mobile Mauer gegen Massen von Feinden. Mit einzelnen werden die Skelette schon fertig. Du musst die Viecher ablenken und von mir fernhalten. Ich bin hier der Wichtigste!
Bei deiner Aufgabe musst du vor allem vollkommen ohne Rücksicht auf dein eigenes Leben vorgehen, weil du immer an vorderster Front kämpfst. Was rede ich denn da! Du lebst doch gar nicht!“

Wieder eine Antwort auf eine meiner offenen Fragen, die mir auch mein versteckter Vorrat an Wissen nicht beantworten kann! Ich lebe nicht.

Interessant finde ich, wie sich die ganze Gestik des Meisters bei seinen Worten verändert. Er erscheint nicht mehr nervös; geradezu, als wäre er sich das erste Mal, seit ich ihn kenne, vollkommen sicher beim dem Thema, über das er redet. Knapp und präzise sind seine Bewegungen, als seine linke Hand zu einer Masse von Feinden (welcher Art auch immer) wird, und an seine rechte stößt, die sich vor seinen Körper gestellt hat – seine rechte Hand bin ich.

Das sollte Symbolkraft haben.

Sollte es das...was denke ich nur manchmal für einen Unsinn zusammen!

Egal, was für eine schwierige Persönlichkeit er ist, sein Handwerk versteht er wenigstens, das lässt ja hoffen.

Der Meister eine schwierige Persönlichkeit? Wie kann ich mir nur ein Urteil über ihn erlauben, wo ich ihn doch weder kenne, noch irgendwelche Vergleiche zu ziehen habe! Wer weiß, vielleicht sind alle Menschen mal unsicher, mal wissend, wie er...
wie komme ich auf so etwas?

Vielleicht hat es mit seiner herablassenden Art mir gegenüber zu tun?

Ich schiebe diese Gedanken weit von mir und beschließe, ihre Quelle zu finden und auszumerzen. Mein Gehorsam darf nicht in Frage gestellt werden, am wenigsten von mir selbst.
Interessant zu erfahren ist, dass der Meister Probleme mit irgendwelchen Feind – „Viechern“ hat.

Ich frage mich, wer etwas gegen meinen wundervollen Meister haben könnte.

Die insubordinante Stelle in meinen Gedanken vielleicht.


































Kapitel 4 – Totenbeschwörer

„Nun denn. Vor uns liegt eine große Aufgabe: Ich muss dafür sorgen, dass ein abtrünniges Mitglied der Jägerinnen das Zeitliche segnet. Damit kann ich mich vor ihnen beweisen. Sie treibt auf dem Friedhof ihr Unwesen und belebt die Toten aus den Gräbern wieder. Damit kenn ich mich wenigstens aus! Ich weiß nichts Genaueres, aber ich vermute, dass sich dort bereits eine beträchtliche Anzahl lebender Toter befindet. Mehr als ich habe,“ – er schaut zu den Skeletten, die schon eine ganze Weile unbeteiligt herumstehen – „aber das ist kein Problem, weil meine natürlich besser sind. Sie macht schwächere, weil sie nicht direkt unter ihrer Kontrolle stehen. Das ist anstrengend, kann ich dir sagen. Mehr als vier und dich gleichzeitig schaff ich nicht, und einen zweiten Golem kann ich mir sowieso abschminken – der Zauber war der einzige in meinem Buch und er wirkt nur auf dich. Sei glücklich.“

Ich habe das Gefühl, er hört sich gerne reden. Ich nicke.

„In Ordnung. Wir sind hier auf der sogenannten Kalten Ebene, und ich habe gerade festgestellt, dass ich mehr Muskeln in der Truppe brauche und dass ich mich bereit fühle, meinen eigenen Golem zu erschaffen. Ein harter Kampf war das gerade – du wirst festgestellt haben, dass ich nur zwei meiner vier Skelette hinter mir stehen habe. Die anderen wurden von den Gegnern zerstört, Untergebene Blutrabes. Aber das ist kein Problem – wo gehobelt wird, fallen schließlich Späne.“

Er tritt zur Seite und weist auf eine beachtliche Ansammlung toter menschlicher Körper, die in allem möglichen Stellungen hinter ihm verstreut liegen. Ich wundere mich kurz, was ein Blutrabe sein soll – ein Vogel? Dann fällt mir der menschliche Brauch ein, alles und jedem Namen zu geben, und komme zu dem Schluss, dass er die abtrünnige Jägerin meint.
Mittlerweile hat er seinen Stab auf eine der Leichen gerichtet, ein recht intaktes Exemplar, sieht man von einer eingedellten Kopfpartie ab. Er kneift die Augen zusammen – ein Zeichen von Konzentration, lasse ich mir sagen.
Die Leiche zuckt, das Fleisch fällt von ihr ab und die Knochen heben sich in die Luft. Dort werden sie weich, verformen sich etwas. Aus einem der Arme sprießt ein Krummschwert, gleich denen, die die beiden fertigen Skelette halten. Der andere wird dicker und formt schließlich ein kleines Schild. Drei gleiche Skelette stehen nun da, bloß, dass eines etwas größer ist – eins der alten. Diese haben außerdem Schrammen und Beulen. Das neue Skelett ist etwas kleiner als die vorherige Leiche. Natürlich muss die Masse der Waffen irgendwo herkommen, belehrt mich mein Gedankenzentrum.

Eine weitere Leiche wird zum Skelett. Nach der Prozedur ist der Meister schweißgebadet.

„Strengt schon an, das. Aber wenigstens musste ich hier nicht viel umstellen. siehst du das große Skelett? Das war mal eine Gargantua. Riesenviech, das. Aber ich kann nur menschenähnliche machen – mehr gibt der Zauber nicht her. Das war eine Arbeit, das Ganze umzuformen. Dafür ist der jetzt größer. Kein schlechter Tausch.“

Ich frage mich, wofür mich der Meister eigentlich braucht, bei den Kräften.




















Kapitel 5 – Es wird ernst

„Der Friedhof liegt im Osten, hab ich mir sagen lassen. Geh mit zwei Skeletten voran, die anderen beiden bleiben bei mir. Ich denke, du weißt, wie man kämpft und tötet. Warum sag ich dir das eigentlich Alles? Du kannst doch sowieso nicht darüber nachdenken...“

Tatsächlich weiß ich, wie man kämpft und tötet – und darüber nachdenken tue ich trotzdem. Seltsam. Wahrscheinlich auch ein Teil des Zaubers, der mich erschaffen hat. Ich sehe den Meister an und erkenne sofort drei Stellen, an denen sein Körper verwundbar ist. Ich könnte seine Schädeldecke zertrümmern und sein Gehirn zerschmettern, sein Genick brechen und ... ich sehe meine unbewaffneten Tonfäuste an ... das Herz wäre etwas schwieriger. Verwundbar sind außerdem sämtliche Extremitäten und im Fall des Meisters der Lendenbereich. Nicht, dass ich dem Meister etwas tun würde; meine Aufgabe ist es ja, andere davon abzuhalten. Ich nicke enthusiastisch.

„War klar. Dann los!“

Ich gehe wie befohlen voran und achte das erste Mal auf die weitere Umgebung, auch wenn es nicht viel zu beachten gibt – die Landschaft ist flach, keine Hügel stören die Sicht. Kurzes, schlammiges Gewächs – Grass, wie mir einfällt – bedeckt den Boden. Kleine Grüppchen größerer Pflanzen – Bäume – stehen herum, aber alle sind blattlos und verschrumpelt, wie sie eigentlich nicht sein sollten. Irgendetwas hat diese Landschaft furchtbar verwüstet...
Die zwei neuen Skelette fallen neben mir in Gleichschritt. Ich frage mich, ob sie auch denken können wie ich, halte es aber für unwahrscheinlich. Immerhin waren die beiden frischen Exemplare nach ihrer Entstehung nicht im Mindesten verwirrt über ihre neue Existenz. Es wäre wohl auch etwas unpraktisch, jedem neuem Skelett wie mir erst eine Einweisung geben zu müssen, und der Meister hat es ja auch nicht getan.
Vor uns bewegt sich etwas. Nie erprobte, aber scharfe Kampfsinne übernehmen meine Gedanken. Ich ermesse der Störung eine potentielle Bedrohungsrate zu und versuche, nachdem ich zu dem Schluss gekommen bin, dass diese hoch ist, näheres darüber herauszufinden.
Ich beginne, auf die Schemen zuzurennen. Da schleicht sich ein rationeller Gedanke ein: will der Meister das überhaupt? Er hat mir bezüglich Feindkontakt noch keine Anweisungen gegeben. Ein weiterer Kampfgedanke: sind diese Gestalten vielleicht nur dazu gedacht, mich vom Meister abzulenken?
Ich komme zum Stillstand. Die Skelette laufen unbeirrt weiter und überholen mich.

„Was ist denn jetzt los? Auf, auf, beweg dich! Du siehst doch, dass da vorne Gegner rumgurken!“

Er soll sich nicht so aufregen und vielleicht nächstes Mal präzisere Anweisungen geben.

Ich erschrecke. Wie komme ich nur dazu, so etwas zu denken!
Nachdem ich festgestellt habe, dass ich eine Kampfpersönlichkeit habe, die sich fundamental von meiner sonst eher naiven, analytischen und neugierigen Natur unterscheidet, denke ich, dass das Zentrum der rebellischen Gedanken vielleicht auch eine andere Art Meiner zu denken darstellt.
Ich kann mich später darum kümmern, diese Gedanken auszumerzen. Der Meister wartet schon viel zu lange auf eine Reaktion von mir. Ich stürme los und lande mitten in einem Gefecht.

Kleine rote, bösartige Kreaturen, mindestens ein Dutzend, umschwärmen die Skelette. Verschiedene primitive Waffen sind in ihren Händen. Ihre Gesichter zieren Narben und Farbe. Ein Lendenschurz ist alles, womit sie bekleidet sind. Drei von ihnen liegen bereits tot am Boden. Vier weitere hängen an dem einen Skelett und ziehen es langsam zu Boden. Das andere wird sogar von sechs bedrängt. Obwohl die Skelette nur wenig mehr als einen gezielten Schlag brauchen, um einen der kleinen Dämonen zu töten, ist die Übermacht wohl doch zu groß. Und zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass eines der gerade durch Enthauptung getöteten Wesen wieder aufsteht, seinen Holzknüppel aufhebt und wieder auf die Mitte des Kampfes zurennt, derweil sich sein Kopf wieder auf den Schultern befestigt. Im Hintergrund steht ein Trio größerer Ausgaben dieser Biester, geschmückt mit überdimensionalen Hörnern und einen großen, glühenden Stab mit sich führend. Diese Stäbe erinnern mich an die des Meisters. Da übernimmt meine Kampfpersönlichkeit: Offensichtlich sind die dafür verantwortlich, dass die Toten nicht tot bleiben. Dieser Kampf ist nicht zu gewinnen, wenn sie nicht ausgeschaltet werden.
Außerdem ist das Glühen der Stäbe mehr als verdäch...
ein Feuerball entspringt der Spitze des Stabes dessen, der von den dreien in der Mitte steht. Er ist der größte von ihnen und ist von ihnen am meisten mit Schmuck in Form von allen möglichen Knochen und dem gelegentlichen glitzernden Stein behängt. Eins der Skelette, das sich gerade aufgebäumt hat, wird voll am Schädel getroffen, der sofort zerspringt und heißes Schrapnell in alle Richtungen verschießt. Der Körper fällt in sich zusammen und die Knochen lösen sich auf. Nur noch Staub ist vorhanden.
Ich begreife die Veränderungen, die der Zauber des Meisters an den Knochen vorgenommen hat. Wenn der Wiederbelebungszauber gebrochen ist, sind sie nicht mehr fähig, ihre Konsistenz zu bewahren.
Der Feuerwerfer kichert manisch und die kleinen Viecher heben ihre Arme kurz im Triumph, nur um sich sofort mit neuem Kampfesmut auf das verbleibende Skelett zu stürzen. Dieses hackt wild um sich und erwischt eines der Biester an der Schulter. Sein Arm fällt ab und es selber kreischend um. Einer der Wiederbeleber im Hintergrund grinst und beginnt, seinen Stab kreisen zu lassen. Der frische Leichnam beginnt sich zu erheben ... und zerfällt. Seine Gebeine heben sich in die Luft. Kurze Zeit später steht ein neues Skelett da.
Ich bemerke, dass der Meister am Schlachtfeld angekommen ist und gleich eingegriffen hat. Eines seiner Eskortenskelette, das große, kommt uns zu Hilfe. Zusammen beginnen die drei, die Flut der roten Monster zurückzudrängen. Aber schon kommen die ersten Feuerbälle geflogen und schlagen in sie ein.
Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Ich renne auf die Anführer zu, die feige hinter den Linien der Kämpfer stehen. Auf der anderen Seite steht der Meister, genauso weit vom Kampfgeschehen entfernt.
Ich denke mir meinen Teil und lasse eine meiner Tonfäuste gegen die Schläfe eines kleinen Teufels krachen, der sich mir in den Weg stellt. Ein Knirschen zeigt mir, dass ich über ungeahnte Kräfte verfüge. Sein zerschlagener Körper fliegt einige Meter, um dann in einem feuchten Haufen auf dem Boden zu landen. Der Weg ist frei zu den Zauberern. Der linke hat mich bemerkt. Sein Stab zuckt in meine Richtung – zu spät. Ich greife ihn mit beiden Händen, reiße ihn aus seinem Griff und schmettere das andere Ende gegen seine Kehle. Beide zerbrechen. Der große steht vor mir, mit versunkenem zahnigem Lächeln das Gemetzel vor ihm betrachtend. Ein weiteres Skelett ist gefallen. Ich hole mir seine Aufmerksamkeit mit einem Schlag in den Bauch, der zischend die Luft aus seinen Lungen entweichen lässt. Er klappt zusammen. Ich hebe meinen Fuß, um seinen Kopf zu zertreten – da springt mir eine rote Masse ins Gesicht und fängt an, mit einem kurzen Dolch wie wild meinen Rücken aufzureißen.
Es ist der dritte der drei Wiederbeleber, und er hat in einem Anflug von Heldenmut versucht, mich davon abzuhalten, seinen Anführer zu töten.
Schade für ihn, dass es mir überhaupt nichts ausmacht, dass er an mir herumsäbelt. Ich packe ihn, ziehe ihn von mir weg und zerreiße ihn in zwei tropfende Stücke, während sich die Wunde an meinem Rücken von selbst wieder mit dem Ton schließt, aus dem ich bestehe. Als ich wieder klar sehen kann, ragt auf einmal die glühende Spitze eines langen Stabes in mein Sichtfeld. Der stärkste der drei hat sich wieder aufgerichtet.

„Mächtiger Bischibosch dich töten!“

Schreit er mit einer Stimme die klingt, als würde er täglich mit Säure gurgeln. Ich bereite mich darauf vor, von einem Feuerball gefällt zu werden. Wenn ich ein Mensch wäre, hätte ich jetzt vermutlich Angst; so hoffe ich nur, dass ich dem Meister helfen konnte. Obwohl ... ein bisschen bedauere ich das baldige Ende meiner kurzen Existenz doch. Es gäbe noch viel herauszufinden über diese Welt ... über das Leben ...
Plötzlich gibt Bischibosch ein Gurgeln von sich. Aus seiner Brust ragt das Krummschwert eines Skelettes. Wo die Leiche des ersten Zauberers liegen sollte, sind nur ein paar Hautfetzen verstreut.
Dann ist mein Blick plötzlich durch einen roten Schleier getrübt – die Leiche meines Widersachers ist explodiert. Ich bin bedeckt von Blut und Knochensplittern.

Als ich mir die Augen freiwische, sehe ich das breite Grinsen des Meisters.

„Mann, das war knapp, was?“




















Kapitel 6: Erkenntnis

Nach dem Kampf beginnt der Meister, die Leichen der roten Teufel zu durchsuchen. Derweil reflektiere ich das Kampfgeschehen. Ich war dem Tod nahe gewesen – und jetzt, da ich wieder klar und mit meiner ruhigen Persönlichkeit denken kann, wird mir klar, dass es mir überhaupt nicht egal gewesen wäre, hätte Bischibosch mich mit seinem Stab erwischt. Diese Erkenntnis verwirrt mich – ich wurde schließlich geschaffen, um zu kämpfen, und zum Kampf gehört der Tod ja dazu. Der Meister selbst hat mir verraten, dass ich mich im Zweifelsfall opfern soll, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Sofort beginnen sich rebellische Gedanken in den Vordergrund zu drängen: ist der Meister nicht furchtbar egoistisch? Kümmern ihn meine Gefühle eigentlich?
Ich löse den Konflikt, indem ich mir einrede, dass es einfach nur ein Fehler war, dass ich überhaupt Gefühle besitze, dass der Zauberspruch, der mich erschuf, fehlgeschlagen ist. Ich – eine willenlose Kampfmaschine?

Der Gedanke stößt mich ab. Diese Existenz würde solche Ideen nicht aufkommen lassen – aber sie wäre wertlos. Wie ein Skelett wäre ich nur vom Willen des Meisters abhängig.

Nur: Es hat sich doch mehrfach bewiesen, dass dieser Wille des Meisters eventuell nicht ganz das ist, was er will! Zum Beispiel schon die Entscheidung, mich zu erschaffen: Er ist sich nicht sicher gewesen, ob er mir vertrauen kann - das kann er, aber er wusste es nicht, als er mich schuf, und er weiß es immer noch nicht! Das war nicht sehr vorausschauend.
Außerdem wird es doch oft so sein, dass ich Entscheidungen treffen muss, für die ich alleine zuständig bin - ich kann doch nicht auf seinen Befehl warten, ihn zu verteidigen, wenn ihn ein Monster angreift!

In der Tat, ich bezweifle, dass die Formel meiner Erschaffung fehlerhaft war. Ich denke, sie hat genauso funktioniert, wie sie sollte: Ich bin unabhängig, frei, eventuelle eigene Entscheidungen zu treffen.

Und diese meine Unabhängigkeit ist es, die der Meister braucht, die mich von den Skeletten unterscheidet. Ich kann autark handeln, um ihn zu beschützen – und diese Freiheit meiner, zu denken und zu handeln, diese Freiheit, ein sinnloses Leben zu verachten und mein eigenes Leben als sinnvoll für mich selbst zu sehen, ist auch die Freiheit, den Meister in Frage zu stellen. Er mag mir befehlen können, was er will, und ich werde seinen Befehlen immer gehorchen, komme was wolle – aber meine Gedanken sind meine eigenen. Wenn ich nicht damit einverstanden bin, dass der Meister mich wie einen Gegenstand behandelt, dann ist das nicht nur völlig in Ordnung, sondern auch begrüßenswert, denn nur durch das Infragestellen seiner Autorität kann ich mir meine eigene Unabhängigkeit immer wieder beweisen, diese Unabhängigkeit, die er und ich so brauchen und die mein ganzes Wesen ausmacht.

Und mit dieser Erkenntnis spüre ich, wie ich meine rebellische Persönlichkeit akzeptiere und wie sie endlich ein Teil von mir wird, nicht länger darauf angewiesen, meine Gedanken subtil zu beeinflussen.




















Kapitel 7: Konfrontation

Mir wird bewusst, dass meine Denkprozesse mich schon ein kleines Weilchen untätig herumstehen haben lassen.
Ich bemerke sogar, dass ich meine Mundwinkel zu einem Lächeln verzogen habe. Es ist seltsam, aber ich scheine menschenähnlicher zu werden. Verständnis, Kommunikation, Bewegung, Unabhängigkeit, und nun Gesichtsausdrücke?
Vielleicht werde ich auch bald in der Lage sein zu sprechen.
Mir fällt ein weiterer Begriff für die Liste meiner Entwicklung ein: Emotionen. Hoffnung.
Sehr interessant.

Der Meister hat meine Gegenwart nicht vermisst, auch wenn ich mich etwas schuldig fühle. Was wäre geschehen, wenn einer der roten Teufel doch noch gelebt und sich auf den Meister gestürzt hätte?
Den Skeletten ist nicht zu trauen. Ich sollte mir wichtige Gedankengänge lieber aufheben, bis der Meister schläft.

Er selbst ist damit beschäftigt, seine Skelette herumzukommandieren. Er hat ihnen befohlen, die Leichen nach brauchbaren Gegenständen zu durchsuchen, und ein kleiner grausiger Berg stapelt sich bereits in der Ebene.
Ich bin mir sicher, dass sie stänken, könnte ich nur riechen.
Eigentlich bin ich froh, dass ich es nicht kann.
Ich gehe langsam auf den Meister zu und stelle mich schräg hinter ihn.

„Aha!“

Ein Skelett hat ihm gerade einen kleinen Metallring hingehalten.

„Wo hast du den her?“

Das Skelett zeigt auf die Leiche von Bischibosch.

„Das hab ich gehofft. Bei einem Zauberer und hohem Tier wie ihm ist das bestimmt kein wertloser Krimskrams. Sonst noch irgendjemand was?“

Keiner meldet sich. Dann hebt sich eine Knochenhand mit einem Gürtel, der darumgeschlungen ist.

„Lass sehen. Hm. Ich hab noch keinen, aber der ist halt furchtbar dreckig ... GOLEM!“

Ich tippe ihm auf die Schulter. Er fährt zusammen.

„Bist du wahnsinnig, mich so zu erschrecken! Was machst du dahinten überhaupt! Warum machst du dich nicht nützlich? Jetzt nimm das Ding endlich und mach es nicht noch schmutziger!“

Wenn ich jetzt sprechen könnte, würde ich ihm mal was erzählen. Er hat keinen Grund, sich aufzuregen. Er hat mir nicht gesagt, was ich tun soll, nachdem er mich vor Bischibosch gerettet hat. Dafür bin ich ihm dankbar, aber er braucht nicht so zu schreien, und ich merke, dass ich es hasse, angeschrieen zu werden.
Ich beschließe, meine neu entdeckte Freiheit etwas spielen zu lassen.

Meine Mundwinkel verziehen sich indigniert nach unten und ich verschränke die Arme.

Wie komme ich jetzt auf so etwas! Eine derart rebellische Haltung gegenüber dem Meister einzunehmen grenzt doch wohl an Gotteslästerung, ganz abgesehen davon ist es sicher unklug, er kann mich doch sicher mit einem Gedanken auslöschen!
Ich beruhige meine zaghaften Gedanken. Geistige Freiheit nützt gar nichts, es ist die körperliche, auf die es ankommt. Selbstverständlich bin ich wie ein Sklave für den Meister, und ich bin soweit mit meiner Rolle nicht allzu unzufrieden – ich wurde geschaffen, um zu dienen. Aber ich will und werde mich nicht ungerecht behandeln lassen, nicht einmal vom Meister persönlich.

Dem Meister sinkt der Unterkiefer herab. Er tritt einen Schritt zurück.

Plötzlich erkenne ich es – er hat Angst vor mir! Er denkt, dass ich jetzt gegen ihn aufgebehren werde. Er hebt langsam eine Hand und öffnet seinen Mund.

„J – Jetzt pass mal gut auf. Ich bin hier der Boss. Hast du mich verstanden? Ich will, dass du meine Befehle befolgst und nicht rumzickst. Du sollst gefälligst machen, was ich dir sage. HAST DU MICH VERSTANDEN?“

Seine Stimme ist außerordentlich schrill geworden und den letzten Teil brüllt er.

„Wenn du dich nicht benimmst, werde ich den Skeletten sagen, dass sie dich in Stücke hacken sollen. Kleine Stücke! Hast du mich verstanden!“

Ich nicke, aber ich runzle die Stirn dabei. Braucht er denn dafür die Skelette? Es müssen doch seine Gedanken sein, die meine erdige Form zusammenhalten. Kann er das nicht einfach aufgeben und mich zu einem Klumpen Blumenerde reduzieren? Kann er das etwa gar nicht?
Ich bewege meine Arme keinen Millimeter.

Der Meister scheint den Tränen nahe.

„Du bist mein Geschöpf! Du musst mir gehorchen! Ich habe dich erschaffen! Warum weigerst du dich? Was ist los?“

Sei ein bisschen höflicher, und die Sache ist aus der Welt geschafft, will ich ihm sagen. Ich kann es nicht. Ich warte.

„BITTE! Gehorch mir wieder! Du bist mein erster Golem! Ich darf bei dir nichts falsch machen! Ich kann nicht scheitern! Du musst es verstehen! Du kannst es! BITTE!“

Er schluchzt jetzt tätsächlich. Tränen fließen über sein Gesicht. Mir wird erst jetzt bewusst, wie jung er nach menschlichen Maßstäben eigentlich aussieht. Er ist höchstens vor sechzehn Jahren geboren worden.
Ich beginne zu verstehen. Natürlich bin ich sein erster Golem, natürlich muss ich ihm gehorchen. Täte ich es nicht, wäre er bei jedem weiterem seiner Golems unsicher, ob es wirklich die Diener sind, die sie sein sollen. Vielleicht wäre sein Ruf als Totenbeschwörer ruiniert. Vielleicht er selbst auch – wer weiß, welche Konsequenzen ein Scheitern hätte. Totenbeschwörer lassen sich meist mit schwarzer Magie ein, sagt meine Erinnerung. Mein Meister als Versager – ein Opfer von Dämonen? Schlimmer, ein Diener des Bösen hier auf Erden? Diener des Herrn des Schreckens persönlich?
Wer?
Meine Erinnerung versagt. Ich weiß, dass da etwas ist, aber ich kann meinen Finger nicht darauf legen.
Unwichtig. Der Meister hat recht. Ich kann es verstehen. Ich habe es verstanden.
Ich nicke ihm zu und nehme den Gürtel.

Aber soweit es mich betrifft, ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen – und der letzte Gedanke noch nicht gedacht.























Kapitel 8 – Verachtung

Der Meister strafft sich.

„Na endlich. Ich will nicht, dass das noch einmal vorkommt. Ich glaube, wir brauchen jetzt eine Pause – offensichtlich bist du von den ganzen Aufregungen heute so verwirrt, dass du noch nicht einmal weißt, wem du hier Respekt zu zollen hast. Morgen bin ich nicht so nachsichtig. Hmpf.“

Er wirbelt herum und zieht etwas aus seiner Tasche. Ein Buch, zerfleddert und schmutzig. Offensichtlich braucht er es oft. Er zieht eine der losen Seiten heraus und murmelt ein paar Worte, die ich nicht verstehe. Plötzlich erscheint ein blauer Punkt vor ihm in der Luft. Dieser erweitert sich zu einem Ring aus indigofarbenem Feuer. Die Luft im Inneren flimmert.
Eine seltsame Szene ist darin zu sehen. Eine Frau, behängt mit einem Köcher und einem großen Bogen, sieht den Meister mit gelangweiltem Blick direkt an. Dahinter erheben sich einige Zelte in den grauen Himmel – derselbe, unter dem auch wir stehen. Der Meister tritt vor das Bild, steckt einen Fuß in den Ring und – tritt hindurch.
Auf einmal ist er Teil der Zeremonie. Jemand geht dicht an mir vorbei. Ich schaue in die entsprechende Richtung – es ist nur ein Skelett. Es folgt dem Meister. Ein zweites. Ein drittes. Bevor das letzte hindurchgeht, folge auch ich.
Ich stehe hinter dem Meister und der Dame, die miteinander reden. Das letzte Skelett tritt durch den Ring.
Das war anscheinend eine besondere Art von Magie – wir sind durch ein Portal and einen anderen Ort gelangt. Faszinierend. Ich drehe mich zu dem Gebilde um und betrachte es genauer. Ein Oval, etwas größer als der Meister, und doppelt so breit an der dicksten Stelle. Es schwebt in der Luft. Der Rand pulsiert.
Es sieht eigentlich ziemlich gefährlich aus. Die blauen Flämmchen, mit denen das Bild in der Mitte umrahmt ist – der Schauplatz des Kampfes, übersäht von roten Leichen (ich sehe Bischiboschs Körper in der Ferne – nur dieser ist orange) – sind kalt, aber hätte ich es wissen können? Ich hatte keinen Gedanken an eine eventuelle Gefahr verschwendet. Warum vertraute ich dem Meister, obwohl ich böse auf ihn war? Bin ich zu naiv, oder ist es mir eingegeben, dem Meister immer zu vertrauen, egal, ob es anders vernünftiger wäre, überstürztes Handeln geprägt vom Zauberspruch, der mich erschuf? Ich kann schneller und effizienter denken als der Meister, soviel ist klar. Er ist nicht besonders anpassungsfähig. Ich treffe Entscheidungen nach gründlicher Überlegung und trotzdem innerhalb von Sekunden. Der Meister ist genauso schnell, denkt aber oft überhaupt nicht nach.
Ich möchte nicht wegen einer falschen Entscheidung von ihm in Schwierigkeiten geraten. Ich muss höllisch aufpassen in Zukunft.

Die schwerbewaffnete Frau spottet derweil über den Meister.

„Du hast doch gemeint, das Blutrabe noch heute fällt, oder? Hast geprahlt damit, wie leicht deine Skelette mit den Dämonen fertig werden. Hast gesagt, im Zweifelsfall erwürgst du sie alleine, wenn deine Diener versagen, nur damit sie kein Böses mehr verbreiten kann. Welch wahrhaft edle Gesinnung! Du willst doch nur, dass wir dich bewundern, willst, dass wir dir vertrauen! Du bist wie all die anderen, heuchlerisch, egoistisch, und UNFÄHIG!“

„Das ist überhaupt nicht wahr! Ich kann doch nicht ahnen, wie viel Widerstand mir diese dämlichen kleinen Viecher entgegensetzen! Sie sind einfach überall, es ist als würden sie von der Erde selbst erzeugt werden! Was denkst du, was ich für Probleme hatte? Weißt du eigentlich, wie schwierig es war, einen Golem zu erzeugen? Weißt du, wie lang es gedauert hat? Blutrabe ist Morgen an der Reihe, daran besteht überhaupt kein Zweifel! Nicht mit dieser neuen Unterstützung! Meine Kräfte sind unvergleichlich!“

Er deutet auf mich. Ich fühle mich geschmeichelt.

„Du Versager hast niemals eine Chance gegen Blutrabe. Ihre Pfeile werden dich durchbohren, bevor deine dreckigen Skelette auch nur in Sichtweite des Friedhofs kommen! Und wenn nicht, dann wirst du kriechend zu uns zurückkommen und dir wünschen, du hättest nie unsere Verachtung verdient, du Sklave dunkler Künste.“

Der Meister lässt die Schultern hängen und sieht einfach nur elend aus. Ob er das gemeint hat, als er mir zu Anfang gesagt hat, ich solle die Leute zum Schweigen bringen, die schlechtes über Totenbeschwörer sagen? Ich denke, der Frau „eins überzuziehen“, wäre eine dumme Idee – von dem Streit angelockt, haben sich weitere der Kriegerinnen in einem Halbkreis vor dem Meister aufgestellt. Sie alle sehen ihn voll Verachtung an. Im Hintergrund steht ein Mann – der einzige außer dem Meister – in blauer Kleidung und schüttelt den Kopf.
Der Meister geht resigniert zu einem kleinen Zelt, das eindeutig das schäbigste des Lagers ist, auch wenn es nur noch wenige weitere gibt. Eine Palisadenmauer umzäunt ein kleines Areal.

Ich folge ihm ins Innere und denke mir, dass er so eine Behandlung nicht verdient hat.
 
So, jetzt oben noch alles in Forencode übertragen :mad: ...und hier freihalten, wer weiß, wie lang es wird.

Viel Spass beim Lesen!

Yawgmoth


EDIT: Äh, ja, fertig...noch was: Hier darf gerne gepostet werden, ich werde den Text NIE in drei Posts quetschen können, also verlinke ich lieber, das schafft auch ein wenig Struktur.
 
Der Stil ist vor allem in den ersten beiden Kapiteln sehr ansprechend es dauert schon so einen Moment bis man begreift von was überhaupt die Rede ist :) Mir gefällt vor allem die Idee hinter der Story, das ist mal was anderes! :top:
warte schon auf Sonntag :p

/// Edit dann warte ich halt nur auf Samstag :p
 
Danke!

Warte doch lieber nur bis Samstag ;) - dann kommen Kapitel 9 - 12!

Yawgmoth
 
Moin,

gute Geschichte! Gerade zum Schlussteil hab ich angefangen, mich auf die Fortsetzung zu freuen. Hoffentlich kommt sie bald! Gibs schon nen offiziellen Release?^^
Mir gefällt dein Schreibstil, der mir schon in der Taverne positiv aufgefallen ist.

ABER! Ja das große "aber" :p

Dieser Mensch, die Quelle des Geräusches, ist männlich, hat weiße, lange Haare,
Diese Aufzählung find ich, passt nicht zum Resttext. Deine Art zu beschreiben verfliegt hier und es ist, so denk ich zumindest, eine Art Profilierung. Gefällt mir nicht. Erinnert mich so an nen Steckbrief "Männlich, weiße, lange Haare, 1,80, Surfertyp" wenn du verstehst :)

Die Stirn ist hoch, die Nase lang und leicht gekrümmt.
Kurz danach das gleiche. Ist mir zwar nicht ganz so aufgefallen oder evtl. nur dadurch, dass es kurz danach kam.

Ich würd diese äußeren Erscheinungsmerkmale vielleicht mehr umschreiben. Du hast da einige Merkmale, die wichtig sind zum Vorstellen der Person bzw. zum Charakterisieren, in einen kleinen Satz gepackt ohne mehr damit zu machen. Wer die Einleitung gelesen hat bzw. die Geschichte weiterlesen wird, den wird es meiner Meinung nach wundern.

Dieser Mensch, die Quelle des Geräusches, besitzt eine Statur, die einem Mann entspricht. Von seinem Kopf hängt glänzendes, dünnes Haar und man könnte sich streiten, ob sie grau oder weiß sind
Also mehr ist mir jetzt auch nicht eingefallen, aber sollte nur eine kleine Anregung sein :)

MfG.

Herzog
 
Herzog, dass es hier etwas "hakt", kann daran liegen, dass ich den Teil nachträglich eingefügt habe - denn der General war ursprünglich überhaupt nicht beschrieben, was meinen Probelesern sauer aufstieß.

Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen, und bei Gelegenheit verändern, Danke für die konstruktive Kritik und das Lob!

Ein "offizielles Release" außer dem Kapitel jeden Samstag wird es nicht geben - wie auch, die Story ist ja längst nicht fertig. Ich bin bei Kapitel 59.

Yawgmoth
 
:hy:

Wo kann ich denn den Vorgänger zum Fortsetzungsroman finden/lesen?
 
Vorgänger :eek: ?

Der ist doch keine Fortsetzung - er WIRD fortgesetzt ;) ...kleines Missverständnis?

Alles liebe zum Geburtstag, Mokatar!

Yawgmoth
 
Achso, der erste Teil ist also mit drin?

Ja, hast recht, etwas verwirrt ich war^^

Btw.: In der Taverne hat sich was getan o_O
 
Herzog schrieb:
Achso, der erste Teil ist also mit drin?

Äh, das IST der erste Teil - der erste Akt, danach gliedern sich die Teile ;) .

Ja, hast recht, etwas verwirrt ich war^^

Ach, das passiert mir auch andauernd ;) ...

Btw.: In der Taverne hat sich was getan o_O

Ich habs gesehen, offensichtlich :D !

Yawgmoth


EDIT: Nach deiner Bemängelung von oben habe ich jetzt die Beschreibung des Generals etwas verändert:

Dieser Mensch, die Quelle des Geräusches, ist nach der bei dieser Rasse vorherrschenden Geschlechtertrennung dem männlichen angehörend...obwohl dies nicht üblich für jenes Geschlecht ist, trägt er seine Haare lang.
Immer mehr füllt sich mein Wortwissen. Einzelne Bezeichnungen zu kennen, ist nichts Neues mehr für mich.
Das Gesicht des Menschen ist bleich, wie die langen Haare auch - Grau oder Weiß, das sind die Farben, die es beschreiben. Eine hohe Haarlinie sorgt für eine markante Stirn, eingefallene Wangen haben hohe Knochen.
Eine leicht gekrümmte Nase dominiert sein Aussehen, stolz erhebt sie sich in die Luft.

Sollte eigentlich auch deinen nicht - Steckbrief - Wünschen genügen, oder :D ?

EDIT²: @VB: Danke! Samstags gehts weiter, nicht vergessen - Kapitel 9 - 12.
 
:top:

Gefällt mir doch sehr gut.
Warte gespannt auf die Fortsetzungen.
Interessante Perspektive die du da beschreibst!


Weiter so



MfG


vb
 
Joar gefällt mir. Mal was anderes. Musste auch mal ab und zu lächeln. Bin gespannt auf die Fortsetzung. Ein Kapitel in der Woche ist aber bissl wenig, kannst net sieben machen? Scherz. Wie wärs mit 2.
 
barbMa schrieb:
Joar gefällt mir. Mal was anderes. Musste auch mal ab und zu lächeln. Bin gespannt auf die Fortsetzung. Ein Kapitel in der Woche ist aber bissl wenig, kannst net sieben machen? Scherz. Wie wärs mit 2.

Wie ich das verstanden habe werden die nächsten wochen ja immer mehrere Kapitel veröffentlicht, und ab dann nur noch 1 pro Woche :)

und danke @
TwinYawgmoth
 
barbMa schrieb:
Joar gefällt mir. Mal was anderes. Musste auch mal ab und zu lächeln. Bin gespannt auf die Fortsetzung. Ein Kapitel in der Woche ist aber bissl wenig, kannst net sieben machen? Scherz. Wie wärs mit 2.

Es werden Sinnabschnitte veröffentlicht, die in etwa gleich lang sind - jeweils so 4 - 6 Word - Seiten.
Es sind, nach meinem Plan, Kapitel 9 - 12, 13, 14 - 15, 16 - 19, 20 - 22, 23 - 27, 28 - 30, 31 - 33. Weiter habe ich noch nicht geplant, heute werde ich Kapitel 60 schreiben.

Ich habe nur deshalb so viel auf einmal veröffentlicht (wollte eigentlich 1 - 5, 6 - 8 machen), weil ich es mit der Veröffentlichung auf Librarians Seite angleichen wollte. Jetzt geht es mit Abschnitten ungefähr der Länge von Kapitel 6 - 8 weiter.

@Mokatar: Bitte :D , gerne doch.

Seht immer ein kategorisches "Danke für Lob, Danke auch für Kritik" unter meinen Posts...

Yawgmoth
 
Also deine Story(oder Roman ^^) gefällt mir auch sehr gut.
Freue mich schon auf die nächsten Kapiteln.
Habe sie auch gleich in meine Sig gegeben. :D
 
Can_Michi schrieb:
Also deine Story(oder Roman ^^) gefällt mir auch sehr gut.
Freue mich schon auf die nächsten Kapiteln.
Habe sie auch gleich in meine Sig gegeben. :D

Oh, das ist nett!

Meine Uhr sagt mir, dass es Samstag ist!

Aaaachtung:

Yawgmoth
 
Kapitel 9 – Alltag

Der nächste Morgen graut. Der Meister hat die Nacht geschlafen, wie es Menschen so tun – ich war wach, weil ich ein Golem bin. Ich habe mich im Lager umgesehen. Die Palisade, die es umgibt, ist in einem desolaten Zustand und müsste dringend repariert werden. Es hat geregnet, und viele Zelte sind undicht – aber keins so undicht wie das des Meisters. Den Großteil der Nacht habe ich damit verbracht, eine Decke über ihn zu halten. Wahrscheinlich war er am trockensten von allen hier. Am schlimmsten hat es die drei Kriegerinnen erwischt, die Wache hielten. Ich frage mich, ob das gesund sein kann. Ich hätte ihnen vielleicht helfen können, aber schließlich kann ich nicht sprechen – außerdem haben sie mich weggescheucht, sobald ich in ihre Nähe kam. Sie haben sich die ganze Zeit, als ich in ihrer Nähe war, darüber beschwert, dass es nicht mehr von ihnen gibt, um Wache zu halten. Es sind anscheinend noch nicht einmal genug der Jägerinnen übrig, um eine Wachablösung bereit zu stellen. Der Grund? Andariel.
Dieser Name ist öfter gefallen, von den Frauen verflucht. Was es wohl zu bedeuten hat? Welches Unheil ist über diese kleine Gemeinschaft aus Kriegerinnen geraten?

Die Anführerin der Jägerinnen, die den Meister gestern beschimpft hat (ihr Name ist, denke ich, Kaschya, soviel habe ich erfahren) tritt in den Eingang des Zeltes. Ich sehe auf und trete näher, um zu fragen, was sie will.
IDIOT! Ich kann doch nicht reden. Ein untragbarer Zustand.

„Guten Morgen, du Held! Zeit, zu beweisen, wie gut du wirklich bist!“

Der Meister schreckt aus seinem unruhigen Schlaf auf. Er öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, aber Kaschya ist schon wieder gegangen. Sie hat mich keines Blickes gewürdigt.
Kopfschüttelnd rafft sich der Meister auf.

„Die bringt mich noch mal ins Grab. Hey, Golem, du bist ja schon wach. Bring mir mal meine Sachen, ich muss erst noch wachwerden.“

Gehorsam lege ich eine Stoffrüstung, einen kleinen Helm, den Schild, schäbige Stiefel, Lederhandschuhe und den Stab mit dem kleinen Tierschädel an der Spitze vor seine Füße. Er wäscht sein Gesicht.
Bald ist er fertig mit Anziehen und streckt sich.

„Zeit zu sterben, Kamerad. Der Ernst des Lebens beginnt. Hast du den Gürtel noch?“

Ich hebe den Gürtel – ein Metallgeflecht mit vier Schnallen – von dem Holzblock auf, der der einzige Einrichtungsgegenstand neben der Strohmatte ist, auf der der Meister geschlafen hat. Dort lagen auch seine anderen Ausrüstungsteile, achtlos hingeworfen. Der Meister starrt leer auf das Kleidungsstück.

„Mann, ist der dreckig! Mach ihn sauber, und dann gehen wir...so eine Zeitverschwendung, das Ding wird wohl so ein Müll sein...“

Ich schüttele den Kopf und zeige auf den Ring, der seit gestern an seinem Finger sitzt.

„Ach ja! Das müssen wir ja auch noch klären. Nichts als Arbeit.“

Er zieht wieder ein Buch aus der Tasche. Es ist nicht dasselbe wie das erste, das, wie ich glaube, blau war – dieses ist braun.
Er schlägt es auf. Es ist nur ein Umschlag, ohne Seiten.

„Verdammt, das wird wieder teuer.“

Er geht mürrisch aus dem Zelt, ich folge. Wo wohl die Skelette sind? Seit ich ihn verlassen habe, damit er „in Ruhe einschlafen kann, also raus hier!“ habe ich sie nicht mehr gesehen. Seltsam.
Er geht zu einem großen Zelt im Süden des Lagers, nahe dem Ausgang – eine Brücke, noch immer bewacht von den selben zwei Jägerinnen, die sehr müde aussehen. Vor dem Zelt steht eine Frau in einem lila Gewand.

„Guten Morgen, General. Kaschya hat dich gestern wohl ganz schön heruntergeputzt, was?“

„Kann man wohl sagen. Ich weiß gar nicht, was sie hat. Man kann kaum erwarten, dass ich euch an einem einzigen Tag sämtliche Dämonen einschließlich Diablo höchstpersönlich vom Hals schaffe, oder nicht?
Außerdem – besteht überhaupt ein Zweifel, dass ich es mit meinen Kräften mit Leichtigkeit schaffe?“

Diablo. Unwillkürlich erschauere ich. Der Herr des Schreckens. Will sich der Meister etwa mit ihm anlegen? Das wäre sicher ... nicht empfehlenswert. Was mir meine eingeprägte Erinnerung über ihn zu sagen hat, ist nicht gerade erbaulich.

„Wir sind eine misstrauische Gemeinschaft. Niemand kann von dir das Unmögliche verlangen, trotzdem wollen wir Resultate sehen. Seit einer Woche nutzt – soll ich sagen, missbrauchst? – du unsere Gastfreundschaft. Alles was du vorzuweisen hast, sind gefallene Gefallene, und das schaffen wir auch selbst.“

„Hast du die Höhle vergessen? Die habe ich ohne Probleme gesäubert!“

„Oh ja, die fürchterliche Höhle des Bösen. Sicher eine Leistung – aber nichts Außergewöhnliches in den Augen der Meisten. Ich denke schon, dass es dich prädestiniert, bei uns zu bleiben und Versuche zu unternehmen, uns zu helfen. Leider ist es Kaschya, die du überzeugen musst – und sie ist die misstrauischste unter uns, besonders gegenüber Jemand wie dir als Totenbeschwörer. Es mögen nur Vorurteile sein, die sie treiben, aber diese sind sehr tief verankert. Wenn es nach mir ginge, würdest du ein besseres Zelt bekommen, aber ich bin hier nur geistlicher Beistand, zu sagen hat einzig Kaschya etwas. Und um sie zu überzeugen, musst du Blutrabe töten, da führt kein Weg daran vorbei.“

„Ich danke dir für dein Vertrauen, Akara. Übrigens – ich brauch ein paar Schriftrollen.“

Interessant, dass nicht alle hier auf Konfrontation eingestellt sind. Sobald wir erst diese Blutrabe besiegt haben – wie ich erfahren habe, ist sie eine abtrünnige Jägerin, die für den Großteil der unmittelbaren Probleme verantwortlich ist – wird der Meister Anerkennung finden. Dabei werde ich ihm helfen. Und schließlich versteht er sein Handwerk – es kann also nur einen Erfolg geben.
Oder?
Akara ist in ihrem Zelt verschwunden, wahrscheinlich, um die Schriftrollen zu holen, die der Meister braucht. Sie kommt mit einer Menge von ihnen unter dem Arm wieder heraus.

„Wieviel jeweils?“

„Wieviel kostet eine?“

Akara schaut missmutig.

„Wahrscheinlich wirst du alles gegen Blutrabe brauchen, was du kriegen kannst. 100 – 80.“

„Komm schon. 80 – 60.“

Sie seufzt.

„90 – 70, letztes Angebot.“

„Nun gut. Vier Portal, sieben Identifikation.“

„Also 850 Goldstücke bar auf die Hand.“

„Moment.“

Der Meister geht zu einer verschlossenen Schatztruhe in der Mitte des Lager und zieht ein kleines Säckchen heraus, nachdem er mit einem Schlüssel aufgesperrt hat, den er in seiner Tasche hatte. Er zählt acht große und fünf mittlere Münzen ab und legt das beinahe leere Säckchen zurück.

„Hoffen wir, dass ein paar von den Monstern Geld dabei haben, sonst seh ich schwarz.“

Nachdem er die Schriftrollen erstanden hat, verteilt er sie auf die beiden Bücher. In das blaue Buch kommen vier aufgerollte „Portal“ – Rollen, in das braune sechs „Identifikation“ – Rollen. Eine behält er, steckt die Bücher weg, und zieht den Ring aus.
Er ließt einen obskuren Text in einer mir nicht bekannten Sprache auf der Schriftrolle laut vor. Sie fängt an zu glühen. Er legt den Ring auf das Pergament. Es hört auf zu leuchten. Darauf stehen lesbare Buchstaben:

Minimal erhöhte Sichtweite
Minimal erhöhter Obergrenze bei Waffenschaden

Der Meister seufzt und schüttelt den Kopf. Er zerknüllt die Schriftrolle.

„Gibt es das auch, ich find nur Müll. Vielleicht braucht ihn ja Charsi.“

Charsi ist eine muskulöse Frau, die im Norden des Lagers eine Schmiede betreibt. Sie ist freundlich und direkt, aber sie braucht den Ring nicht besonders. Es ist ein magischer Ring, und auf dem Papier standen die Eigenschaften, die er dem Träger verleiht. Der Meister verkauft ihn ihr für 250 Goldstücke.

„Danke, Charsi, du bist ein Schatz. Irgendwann find ich etwas, was du unbedingt brauchst, und du wirst dich darum reißen.“

„Hm, da wüsst ich was – aber das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt. Ich helf doch gerne. Pass auf dich auf, du Held.“

Der Meister lächelt sie an und wendet sich zum Gehen.

„Also dann, wir können aufbrechen. Blutrabe soll sich in Acht nehmen, wir werden ihr zeigen, wo der Hammer hängt.“

Er geht auf eine Steinplatte zu, die im Boden versenkt ist und mit einem Symbol aus konzentrischen Kreisen graviert ist. Ich halte ihn zurück und halte ihm den Gürtel vor die Nase. Ich hatte keine Zeit zum Reinigen.

„Oh. Ja. Das hätte ich ja fast vergessen.“

Er wird rot und nimmt ihn. Als er mich kurz nicht ansieht, schüttele ich den Kopf. Jetzt muss ich auch noch Kindermädchen spielen. Und jetzt scheint ihn der Zustand auch nicht zu stören...

„Meine Güte, das ist vielleicht ein schweres Ding, das kann ich ja nie im Leben tragen. Wie hat das kleine Viech den bloß hochgebracht?“

Jetzt wo er es sagt – ich erinnere mich an Bischibosch. Der Gürtel gehörte ihm.

„Schmeiß ihn in die Schatztruhe, und dann komm. Es wird Zeit.“













Kapitel 10 – Ignoranz

Die Steinplatte ist ebenfalls ein magisches Artefakt – ein Wegpunkt, wie ihn der Meister nennt. Anscheinend sind diese Wegpunkte überall auf dem Land verteilt, und sofern man genau weiß, wo sich einer befindet, kann man mit einer Zauberformel, die man dort eingraviert findet, dorthin reisen. Portale sind dagegen immer an einen bestimmten Ort gebunden. So ein Wegpunkt ist praktisch, denn die Jägerinnen lassen ein Portal ungern über Nacht offen, denn auch Dämonen können es benutzen. Also müssen wir diesmal einen längeren Weg auf uns nehmen – aber da der Meister bereits ein bisschen herumgeforscht hat, bevor er mich erschaffen hat, weiß er nun ziemlich genau, wo der Friedhof liegt. Die Wegbeschreibung der Jägerinnen war mehr als lückenhaft, sie nehmen wohl an, dass man einfach wissen muss, wo ihre antike Kultstätte liegt. Aber wir werden sie schon finden, auch ohne einheimischen Führer.

Jetzt sind wir am Lager der roten Teufel. Der Weg war ereignislos, der Meister hat gestern ganze Arbeit geleistet, wie es scheint...hier bleibt er ein wenig erstaunt stehen; von unserem Kampf ist nichts mehr zu sehen, Blut, Leichen und Waffen der Gefallenen, wie Akara sie nennt, sind sämtlichst verschwunden.

„Wo sind die denn alle hin? War doch alles voll hier ... sind wir auch richtig?“

Ich nicke. Mein Gedächtnis zeigt mir, dass jeder Grashalm genau derselbe ist wie gestern.

„Ich weiß ja nicht, welche Regeln in dem Fall für Dämonen gelten – vielleicht hatte ich ja Recht mit dem Gedanken, dass die Erde selbst die Viecher erzeugt ...“

Er erschauert.

„Woraus soll ich denn jetzt die Skelette machen? Ohne die hab ich doch keine Chance!“

Ich deute zuerst auf mich und dann auf Bischiboschs Leiche, die als einzige noch am Boden liegt, zerfetzt, wie sie ist.

„Oh! Anscheinend kann unser „mächtiger Bischibosch“ es sich abschminken, als kleiner Schmerz im Hintern wieder aufzustehen! Wie passend, dass Mister Ärgernis jetzt für mich kämpfen soll ... hehehe.“

Er hat nicht beachtet, dass ich ja auch zum Kämpfen da bin. Das finde ich sehr ... dumm von ihm. Es ist ja nicht so, als wären die Skelette seine einzige Chance, zu überleben. Ich bin stärker als sie! Warum übersieht er mich?

Derweil ist Bischiboschs Leiche verschwunden und ein neues Skelett steht vor dem gemein grinsenden Totenbeschwörer.

„Kaschya sagt, dass Blutrabe die toten Jägerinnen als Zombies wiederbelebt. Jetzt wollen wir mal sehen, wer sich darauf besser versteht.“

Er marschiert los, das Skelett neben ihm. Ich folge und fühle mich mies, weil er mich ignoriert. Ich bin doch mehr als ein lebloser Klumpen Erde, auch wenn ich so aussehe! Ein denkendes, fühlendes Wesen, wie er selbst!
Könnte ich doch nur sprechen und ihn auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machen! So bleibt mir nur, ihn durch Taten zu überzeugen. Heute Morgen hat er sich bei mir bedankt. Es war wohl eher instinktiv, aber ich kann zuversichtlich sein – irgendwann wird er erkennen, was er wirklich für eine Kreatur erschaffen hat!

Eine ganze Weile später ragt das Tor des Friedhofs vor uns auf. Geschmiedetes Eisen, in Form uralter Schrifzeichen verschnörkelt, beginnt langsam zu rosten. Einer der Torflügel hängt nur noch an einer Angel.
Der Meister tritt ihn ein und setzt seinen Fuß auf das weiträumige Gelände des Friedhofs.
Ich bin erschüttert, wie wenig dem Meister dieses uralte Zeugnis herausragender Schmiedekunst bedeutet. Es ist .... schön. Seltsam, dass ich zu einer derartigen Empfindung fähig bin. Ich finde jede Sekunde mehr über mich heraus.

Ein Pfeil bohrt sich neben dem Meister in die zyklopische Mauer, mindestens um die Hälfte seiner Länge. Und das, obwohl er dabei das Skelett sauber aufgespießt hat.
Sofort beginnt meine Kampfpersönlichkeit zu arbeiten. Ohne nachzudenken, schiebe ich den Meister zur Seite und stelle mich vor ihn.
Ein weiterer Pfeil bleibt in meiner weichen Substanz stecken.
Warum habe ich das eben getan? War es nicht einfach DUMM, mich der Gefahr auszusetzen? Ist der Meister meinen Tod wert? Warum kann ich nicht einfach nachdenken, bevor ich so lebenswichtige Entscheidungen treffe?
Vor uns bricht die Einzäunung zusammen, die den eigentlichen Friedhof umgibt. Horden wankender Untoter quellen hervor, die Szenerie ummalt vom grausamen Lachen der nicht mehr menschlichen Blutrabe.












Kapitel 11 – Blutrabe

Die Untoten sind wirklich zahlreich, wie der Meister bereits vermutet hat. Mindestens ein Dutzend von ihnen kommt auf uns zugewankt, wobei eine Gruppe von Skelettkriegern, die aussehen wie unsere, bis auf den Schmutz und die oft fehlenden Knochenteile, schneller ist als einige wandelnde Leichen, verfaulte Zombies, die langsam heranschlurfen.

Ich renne auf die Skelette zu. Diesmal habe ich es mir gut überlegt: ich muss in Bewegung bleiben, weil sonst zu viele Pfeile mich treffen, und das könnte mich auf die Dauer behindern. Das erste Skelett packe ich um die Wirbelsäule und drücke zu, während sein Schwert (es ist aus Metall und furchtbar rostig – die Skelette des Meisters haben blitzblanke Säbel aus der gleichen Substanz wie ihre Knochen) auf meinen Kopf zufällt.

Ein Knirschen, und sein Brustkorb sinkt nach hinten weg, während die Beine aufrecht stehen bleiben. Doch der Brustkorb hebt sich wieder – hat Blutrabe etwa auch die Möglichkeit, ihre Truppen wiederzubeleben? Dann hätten wir wenig Chancen, diesen Kampf zu gewinnen...
Gerade will ich das Skelett wieder in der Mitte zerbrechen, diesmal hoffentlich endgültig, als mir auffällt, dass sein Arm sich verlängert. Ein Stiel wächst heraus, eine Kette aus dem Stiel, eine Kugel aus der Kette, Zacken aus der Kugel.
Ich grinse und lasse los. Der Meister hat, sobald das Skelett seine Belebung verloren hat, ein neues erschaffen – diesmal sogar mit einem Morgenstern. Ergibt Sinn – Knochen zerstört man leichter mit roher Gewalt, nicht mit scharfer Klinge. Ich und das neue Skelett beginnen, die Flut der Untoten zurückzudrängen. Mir ist bewusst, dass ich mich beeilen muss – wenn die Gruppe aus Zombies eintrifft, wird der Kampf sehr viel härter werden. Muskeln, wenn auch verfaulte, werden viel zu ihrer Stärke beitragen, und halbfestes Fleisch wird schnelles Töten behindern. Ein weiteres gegnerisches Skelett fällt, sein Kopf abgerissen. Knochen zerbröseln unter einen Schwung des Morgenstern. Ich schwinge meine Arme links und rechts, um einen Gegner um– und einen anderen in zwei weitere zu werfen. Ich überlasse die gefallenen Körper den Skeletten. Der Meister hat inzwischen seine volle Truppe erweckt, was ihn wieder keuchen lässt, als er zu sprechen beginnt.

„Lass die Skelette da liegen, Golem! Stürz dich mit drei von meinen sofort gegen die Zombies! Du mit dem Morgenstern, ich will, das vor mir nur noch Staub liegt!“

Endlich präzise Befehle, und sinnvoll dazu. Angriff ist die beste Verteidigung gegen einen Gegner, der nicht auf den Gedanken einer Verteidigungsposition kommen kann. Die Zombies sind viel zu blöd, um organisierten Widerstand gegen unseren Ansturm aufzubringen. Tote Körper werden noch toter. Ein Skelett wird von einem Pfeil durchbohrt. Ein Zombie nach dem anderen endet in meiner tödlichen Umarmung. Neue Skelette nehmen den Platz von alten ein. Der Meister drängt keuchend zur Eile.

„Beeilt euch, und schafft mir Blutrabe vom Hals! Ihre Pfeile sind zu stark. Und mir geht langsam die Kraft für neue Skels aus!“

Ich renne den nächsten Zombie einfach über den Haufen. Ihre ausgedünnte Linie ist durchbrochen, und ich sehe Blutrabe das erste Mal vor mir stehen.
Ein Helm verhüllt ihr Gesicht, weiß, darauf ein roter Vogel. Ebensolche Augen blitzen darunter hervor. Ein Bogen, der so groß ist, wie sie selbst, ist in ihren Händen unablässig in Bewegung. Skelett um neu beschworenes Skelett fällt unter einem Regen von Pfeilen. Ihre Bewegungen sind kaum zu erkennen. Mit dämonischer Kraft ausgestattet, ist die ehemals stärkste Kriegerin der Schwesternschaft nahezu unbezwingbar geworden.
Ich werde es dennoch versuchen müssen. Die Distanz zwischen uns schrumpft.
Ihr Blick richtet sich auf mich. Unheilvoll glühen ihre Augen in innerem Feuer.
Inneres Feuer? Ihr nächster Pfeil, der sich bereits auf der Sehne befindet, beginnt zu brennen. Ein Lachen, wie es bösartiger nicht sein könnte, folgt der brennenden Spur, die genau zwischen meine Augen gerichtet ist.

Es zahlt sich aus, das meine Gedanken in derart schnellen Bahnen ablaufen. Der Pfeil ist kaum abgefeuert, schon beginne ich Angst zu haben, um meine Existenz, um mein ... Leben ... , so wie es jedem ginge, der ein tödliches Geschoss auf sich zufliegen sieht. Bei Vielen kommt rationelles Denken viel zu spät: Hätte ich nicht lieber ausweichen sollen, statt zu verzweifeln? Mein erster rationeller Gedanke setzt bereits ein, als der Pfeil erst die Hälfte seines Weges zurückgelegt hat. Reflexe retten mich vor dem Feuerpfeil. Ich bin mir sicher, dass ich ohne die instinktive Beherrschung meines Körpers, die die Kampfpersönlichkeit mit sich bringt, die mich in einer extrem kurzen Zeitspanne zur perfekten Tötungsmaschine gemacht haben, trotzdem einen Pfeil zwischen meinen Augen gehabt hätte. Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich in diesem Bewusstseinszustand handle, ohne zu denken.

Blutrabe hat sich dem nächsten Ziel zugewandt. Ich wage es, zu hoffen, sie unvorbereitet zu treffen...
Nein. Aus den Augenwinkel hat sie gesehen, wie nahe ich ihr schon bin. Sie fährt ohne überrascht zu wirken herum (wahrscheinlich denkt sie genausoschnell wie ich) und zielt mit ihrem neuen Pfeil auf mich. Seine Spitzte beginnt zu brennen.
Zu spät! Meine Hand schließt sich um die glühend heiße Pfeilspitze – das Holz ist unberührt von den Flammen, aber wer versteht schon die Magie – und erstickt das Feuer. Ich spüre die Hitze, und auch wenn sie mir nicht direkt schadet – der Ton meiner Hand wird innerhalb von Augenblicken steinhart gebacken.
Ich grinse. Einen Faustschlag dieser Hand wird Blutrabe nicht überstehen. Ich hole aus.
Nur um weit daneben zu schlagen. Die Jägerin hat ihren Bogen auf den Boden gelegt und sich dafür blitzschnell geduckt. Ich beginne die Balance zu verlieren – meine starre Steinhand ist viel schwerer als gewohnt – da fährt Blutrabe zwischen meine Beine und hebelt mich aus. Ihre dämonischen Kräfte wirbeln mich durch die Luft. Weit entfernt lande ich auf meiner gebrannten linken Hand. Ein Knirschen verrät mir, dass mein Arm nun ohne Hand auskommen muss. Ich stehe auf, während die Überreste von meinem Armstumpf herabbröseln.
Blutrabes Bein bohrt sich durch meine Brust. Der Schock reißt mich aus meinen kühlen Kalkulationen. Nackte Angst breitet sich aus. Wie soll ich dieses Monster aufhalten, geschweige denn besiegen?
Ruhig. Ganz ruhig. Ich bin aus geformter Erde. Warum sollte ich sie nicht formen können, wie ich will?
Ich will, dass meine Substanz um das Loch, das der Fuß der Feindin gerissen hat, feucht und klebrig wird.
Schon reißt Blutrabe mit aller Gewalt ihren Fuß zurück. War ich schnell genug? Wirkt mein Willen überhaupt?

Ja. Meine Widersacherin war nicht auf Widerstand gefasst. Ein Knacken zeigt, dass sie ihr Bein viel zu schnell herausziehen wollte und dabei vom klebrigen Ton gehindert wurde. Eine Verstauchung? Vielleicht sogar ein Sehnenriss?
Hoffentlich schmerzhaft.
Hm. Keine Zeit für persönliche Gedanken. Zeit, ihre Ablenkung zu nutzen. Schmerz, Überraschung und verlorenes Gleichgewicht sind Faktoren, die mir immer noch zum Sieg verhelfen können, trotz eines Loches in der Brust. Ein Schubs meiner „gesunden“ Hand lässt Blutrabe zu Boden fallen. Ich stürze mich auf sie – sie rollt sich unter mir weg. Wieder lande ich hart, wenn auch nicht ganz so schlimm wie vorher.
Das Weib ist zu schnell. Ich muss ihrem folgenden Schlag ausweichen, denn so wie ich sie bisher erlebt habe, ist sie schon wieder auf den Beinen. Bin ich schnell genug, um von ihr wegzurollen? Nein. Also, auf sie zu.
An der Stelle, wo sie sein sollte, ist Niemand. Ich schaue auf. Sie hat ihren Bogen geschnappt und ist schon fast auf der anderen Seite des Friedhofes angelangt. Ein Baum versperrt mir halb die Sicht auf sie, an seinen Zweigen hängen tote Jägerinnen.
Mist! Ich hätte sie fast gehabt. Alles von vorne. Aber immerhin ist sie verletzt, wenn es ihr auch nicht besonders viel auszumachen scheint, und sie war ein Weilchen abgelenkt.
Lang genug, dass der Meister mit Hilfe seiner Skelette sämtliche Untoten zu Leichen degradieren konnte. Volle vier Skelette stehen da, ausnahmslos mit Schilden, und in allen Schilden stecken mindestens drei Pfeile. Der Meister scheint dem Zusammenbruch nahe, so erschöpft ist er.
Da zieht er mit zitternden Händen ein Fläschchen mit einer blauen Flüssigkeit hervor, das an seinem Hosenbund hing. Ohne zu zögern stürzt er den Inhalt hinunter, wobei er etwas davon verschüttet. Sofort atmet er leichter, und der Schweiß auf seiner Stirn verschwindet.
Magie eben.
Ich humpele hinter Blutrabe her. Der kaputte Arm stört mich, und ich bin mir die ganze Zeit bewusst, dass mit meiner Brust etwas nicht stimmt. Es ist kein Schmerz, mehr generelles Unbehagen, und es nervt.
Ich trete hinter den Baum. Die abtrünnige Jägerin steht vor einem Grab und murmelt etwas. Der Deckel beginnt sich zu heben. Und auf mich wanken drei Zombies und ein Skelettkrieger zu.
Mit Entsetzen begreife ich, was Blutrabe hier tut. Sie wird uns immer davonrennen und neue Diener aus ihren Gräbern heben. Dieser Kampf ist tatsächlich nicht zu gewinnen.
Ich renne auf die Reihe der Untoten zu. Ich muss Blutrabe erreichen, während sie abgelenkt ist. Kann ich vier Gegner gleichzeitig in einer kurzen Zeitspanne erledigen?
Das Skelett. Ich reiße ihm den Kopf ab. Die Grabplatte hebt sich.
Ein Zombie. Ich trete ihn, er fällt um. Fast ist das Grab offen, da senkt sich der Deckel wieder. Ja!
Der zweite Zombie. Ich werde ihn einfach umhauen. Ich schlage zu – nichts passiert. Mein Arm ist ohne Hand zu kurz. Das Grab öffnet sich. Der erste Zombie steht wieder auf. Drei Gegner gegen mich. Blutrabe kichert dämonisch.
Ein Skelett hebt sich aus dem Grab. Ein Zombie zieht an meinem Kopf. Einer an dem gesunden Arm. Das Unbehagen breitet sich aus. Ich muss bald aufgeben....
Das Skelett stößt Blutrabe sein Schwert in den Hals.
Aus ihrer Leiche dringt eine glühende menschliche Form, die über dem toten Körper schwebt, zuckt, wie in furchtbaren Qualen. Blitze schießen in alle Richtungen über den Friedhof, wo sie von ihr beschworene Untote treffen, fallen diese einfach um. Ich bin wieder frei und sinke fast zu Boden vor Erschöpfung.

„Na, was hab ich dir gesagt? Meine Skelette sind besser als ihre, oder?“




Kapitel 12 – Erkenne dich selbst

Ich fasse zusammen: der Meister hat also gesehen, dass Blutrabe gerade dabei war, aus einer Leiche einen neuen Untoten zu machen. Kurz bevor er von ihrem Zauberspruch belebt wurde, hat er ein eigenes Skelett daraus beschworen. Ganz offensichtlich besitzt er einen beeindruckenden Sinn für den richtigen Zeitpunkt. Blutrabe hat keinen Verdacht geschöpft, bis es zu spät war. Ich bin gerade dabei, das Loch in meiner Brust zu stopfen. Als ich darauf deutete, hat mir der Meister einen weisen Rat gegeben.

„Keine Ahnung, was man dagegen tun könnte. Probier irgendwas aus. In dem Buch steht, du kannst dich selbst regenerieren, aber frag mich nicht, wie.“

Also habe ich angefangen, mit meiner einen Hand Erde vom Boden aufzuheben und damit die Lücke zu füllen. Es hat wirklich funktioniert, wenn auch langsam – nur ein kleiner Teil des Tons bleibt an mir kleben.
Aber ich kann ja, wie ich während dem Kampf herausgefunden habe, meine Struktur verändern. Ich will, dass die Erde um die Wunde herum zu fließen beginnt.
Tatsächlich – das Loch schließt sich von selbst. Ton tropft herab. Hastig will ich, dass er wieder fest wird.
Es funktioniert! Fantastisch. Zeit, mehr zu erforschen, während der Meister sich auf einen Grabstein legt und schwer atmend die Augen schließt. Ich kann ihm seine makabere Position nicht verdenken – auch wenn es aussieht, als ob ich und die Skelette allein alles täten, wären wir doch ohne seine aktive Unterstützung aufgeschmissen. Ich weiß zwar immer, was ich zu tun habe, aber wie ich es mir bereits gedacht habe, haben die Skelette keinen Funken Verstand. Unterbewusst habe ich mitbekommen, wie der Meister während des Kampfes die ganze Zeit dabei war, Befehle zu brüllen. Außerdem ist es sicher nicht einfach, die ganze Zeit vor Gegnern davonzurennen, darauf wartend, dass deine Diener hoffentlich den Feind ausschalten, bevor deine Ausdauer ihre Grenzen findet. Mir ist es lieber, selber zu kämpfen. Ich denke, der General hat sogar einen der Zombies selbst getötet – wo sollte er sonst die Wunde an seinem Arm herhaben? Sein Name ist passend: der Oberbefehlshaber, der der wichtigste Mann der Armee ist, ohne den alles zusammenbricht.
Es wird Zeit, meine Hand zu regenerieren. Es wird sicher nicht leicht. Die Reste des festgebackenen Tons an meinem Armstumpf sollen weich werden. Der Arm länger. Fünf Finger. Nein, kürzer...perfekt. Doch recht leicht.
Meine linke Hand sieht jetzt aus wie meine rechte, aber so wie ich das sehe, ist mein Arm jetzt etwas dünner. Auch um den Bauch herum habe ich an Masse verloren. Aber es fehlt längst nicht so viel, wie eigentlich fehlen sollte. Da! Gerade als ich hinsehe, wird mein Arm etwas dicker. Ich regeneriere meine Masse automatisch nach!
Das ist eine bemerkenswerte Fähigkeit. Wie funktioniert sie?
Die einfachste Erklärung wäre die unbefriedigendste. Magie. Ich habe viele Beispiele für Magie gesehen, aber kann mit Dingen, die man nicht erklären kann, wenig anfangen. Oder...
Ich sehe nach unten. Meine Füße sind bis zu den Knieen im Boden eingesunken. Nun, jetzt kann ich wenigstens verstehen, wo der Ton herkam. Wieder ein Sieg.
Ich steige aus den Mulden und beginne, weiter zu experimentieren. Ich will auch eine Stichwaffe wie die Skelette. Manchmal sind bloße Fäuste einfach furchtbar unpraktisch. Meine rechte Hand beginnt, sich zu einem Schwert umzuformen. Dieses braucht mehr Material. Ich beginne im Kreis zu gehen, damit ich nicht einsinke. Es wäre bescheuert, mitten im Kampf vom Erdboden verschluckt zu werden, also: in Bewegung bleiben.
Das Schwert ist zu voller Länge gewachsen. Ich spüre sein Gewicht kaum, bin aber unbalanciert. Ich übe etwas mit einem totem Baum. Ich will ihn mit einem Schlag durchtrennen – und kaum hat die Schneide den Baum berührt, beginne ich am ganzen Leib zu zittern. Wenn das Schwert nicht mit meinem Körper verbunden wäre, wäre es mir sicher aus der Hand gefallen. So zerbröselt es einfach, nachdem mir fast der Arm abgefallen wäre.
Ich schüttle den Kopf. Ein Schwert, das nur wie ein Schwert aussieht, ist keines. Aber ich werde nicht aufgeben – schließlich braucht der Meister mich gerade nicht.

„Na, das war nicht berauschend, was?“

Jetzt bin ich an der Reihe, zusammenzuzucken. Der Meister steht hinter mir. Ich habe mich schon wieder zu sehr auf eine Sache konzentriert. Nicht gut, gar nicht gut.

„So wie ich das sehe, wäre ein Schwert ganz vernünftig. Die Erfahrung aus dem Kampf zeigt, dass wir das brauchen. Pass auf.“

Er hebt seinen Stab. Mein Arm beginnt zu pulsieren. Die Erde um mich herum bröselt. Steine schieben sich heraus und schmelzen ohne Hitze. Sie fließen meinen Arm herauf und bilden eine zweischneidige, kurze Klinge, die etwa halb so lang ist wie mein Arm. Ich finde sie wunderschön. Und tödlich. Ein Gefühl der Macht überkommt mich – mit dieser Waffe kann Nichts mich aufhalten!
Gleichzeitig erfüllt mich eine tiefe Zufriedenheit, die irgendwie außerhalb meines jetzigen Bewusstseins ihren Ursprung zu haben scheint. Seltsam.

„Prima! Dass das funktioniert, hätte ich gar nicht gedacht – haben wir ein Glück, was? Wenn du noch mehr Ideen zur Verbesserung deiner selbst hast, zeigs mir. Ich habe volle Kontrolle über deine Entwicklung. Dieses Buch ist Gold wert!“

Von welchem Buch er wohl immer redet? Es wird in Zukunft sicher nützlich sein. Jetzt muss ich erstmal üben, das Schwert zu beherrschen.
 
Sehr nett, ich finde die Geschichte steigert sich ungemein.


Und wieder eine Woche warten :P


vllt bastel ich mir mal nen necro :P


MfG


vb
 
VB82 schrieb:
Sehr nett, ich finde die Geschichte steigert sich ungemein.

Klar, ich will ja einen Spannungsbogen. Und mal im Ernst: Ich werde immer besser. Immerhin ist das mein Erstling, ich musste erst zu meinem Stil finden; die ersten Kapitel lassen mir manchmal die Haare zu Berge stehen, wenn ich genau wüsste, was mich daran oft stört, würd ichs verbessern, aber es wird eben einfach so eine Stilfrage sein...

Es ist übrigens auch nicht ganz einfach, jeden Kampf neu und interessant zu gestalten, ich habe das bis jetzt geschafft (bis Gefängnis), und habe auch für den Showdown gegen Andy bereits meine Idee voll ausgearbeitet. Ich hoffe, das letztlich bis Akt 5 (irgendwann...) durchhalten zu können. Mal sehen.


Und wieder eine Woche warten :P

Würde ich alles auf einmal veröffentlichen, müsstest du noch länger warten, weil me = faul :p .

vllt bastel ich mir mal nen necro :P


MfG


vb

Hoffentlich verskillst du den nicht so, wie es der General bei sich macht :D - es gehören KEINE zwei Punkte auf den Golem, egal, ob der anfangs stärker ist als die Skelette (was er btw nur in der Story ist)...

Yawgmoth
 
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