Die Kritik, die jetzt folgt ist etwas besonderes. Erstens ist sie für den dramaphoben Fracuz gut geeignet, da sie einen Film aus einem komplett anderen Genre bedient. Zweitens handelt es sich nicht um einen einzelnen Film, sondern - und das ist ein Novum - um eine Serie.
Besagte Serie heißt "Sherlock" und wird von der BBC produziert. Die erste Staffel, um die es in dieser Kritik gehen wird, besteht aus 3 Folgen à 90 Minuten. Es lässt sich also problemlos ein ganzer DVD-Abend damit füllen. Eine zweite Staffel ist bereits in der Mache, wann sie ausgestrahlt wird ist aber noch nicht bekannt. Da die erste Staffel, die von der ARD ausgestrahlt wurde, aber sehr erfolgreich lief, kann man davon ausgehen, dass sie auch die zweite hier ausstrahlen wird.
Zur Serie selbst gibt es übrigens hier schon einen Thread, wo ihr eure Meinung äußern könnt.
In "Sherlock" geht es um den Detektiv Sherlock Holmes. Diese Figur wurde seinerzeit von Sir Arthur Conan Doyle erfunden und war ursprünglich vor ca. 100 bis 120 Jahren aktiv. Damals war die Polizeiarbeit aufgrund fehlender technischer Hilfsmittel noch schwieriger als heute. Sherlock Holmes stellte damals durch seine exakten Beobachtungen und seine darauf basierenden Schlussfolgerungen eine enorme Hilfe dar.
Mit "Sherlock" wird nun diese Kunstfigur ins Hier und Jetzt übertragen, also ins London vom 21. Jahrhundert, wo Mobiltelefone, Überwachungsgeräte und forensische Hilfsmittel gang und gäbe sind. Trotzdem ist natürlich ein Mann mit scharfem Verstand immer noch gefragt und äußerst hilfreich. An seiner Seite steht wie im Original auch sein Sidekick und Handlanger Dr. John Watson.
Die Geschichte, die wie bereits erwähnt in drei Episoden erzählt wird, hängt lose zusammen. Es ist so, dass in der ersten Folge beschrieben wird, wie sich Holmes und Watson begegnen. Des Weiteren gibt es in den beiden letzten Folgen immer wieder kleine Anmerkungen zu den vorangegangenen. Man wird zwar der Handlung der einzelnen Episoden problemlos folgen können, wenn man die erste oder einfach irgendeine Folge verpasst hat, trotzdem ist es natürlich am Klügsten, sich alle Folgen in der richtigen Reihenfolge anzuschauen.
Die Hauptdarsteller - Sherlock Holmes und Dr. John Watson - werden von Benedict Cumberbatch und Martin Freeman gespielt. Beide sind keine Unbekannten mehr, so hat Ersterer beispielsweise in "Abbitte" und Letzterer in "Per Anhalter durch die Galaxis" mitgespielt. Beide haben aber ihre größten Rollen wohl noch vor sich: sie werden bei den "Herr der Ringe"-Prequels "The Hobbit 1+2" mitspielen.
Mit an Bord ist noch Rupert Graves, der unter anderem in "V wie Vendetta" mitgespielt hat und hier die Rolle eines Inspektors mimt.
Der Rest des Casts ist nicht allzu bekannt, aber trotzdem qualitativ hochwertig.
Man nimmt jedem seine Rolle ab, sei es nun die nervige Vermieterin von Holmes, die ständig eine Anekdote auf den Lippen hat oder die psychopathischen und größenwahnsinnigen Mörder und Gegenspieler von Holmes.
Ein besonderes Lob ist aber noch an die beiden Hauptdarsteller zu richten, denn beide machen ihren Job ganz hervorragend. Der Eine als brillanter Beobachter und Kombinierer, der allerding einen Hang zur Arroganz hat und den Außenstehende oft nicht leiden können. Der Andere als stiller Helfer im Hintergrund, der oft als Sprachrohr zwischen Holmes und der normalen Welt fungiert. Beide spielen wirklich brillant auf.
Wie ich oben schon kurz erläutert habe, gibt es eine grobe Hintergrundhandlung, die in der ersten Folge beginnt und bis zur letzten anhält. Die ist allerdings recht banal und hat nichts mit Kriminalfällen zu tun.
Doch jede der drei Folgen bietet natürlich eine viel relevantere Handlung. In jeder Folge untersuchen Holmes und Watson andere Fälle, in der ersten geht es um eine Reihe von Selbstmorden, die nach dem exakt gleichen Muster begangen werden. In der zweiten Folge werden mehrere Opfer ermordet, nachdem sie durch chinesische Schriftzeichen gewarnt wurden. Und in der letzte Folge muss Holmes eine Reihe von Fällen lösen um Unschuldige vor dem Tod zu retten.
Alle Fälle sind sehr spannend und wendungsreich. Sie beginnen immer recht harmlos und entwickeln sich dann rasend schnell. Oft hat man als Zuschauer am Anfang keine Ahnung, was gerade passiert und was dies zu bedeuten hat. Die Fälle werden nach und nach dann immer verzwickter und gipfeln oft in dramatischen Showdowns zwischen Holmes und/oder Watson und dem Bösewicht.
Man kann also sagen, dass die Serie, zumindest was die Fälle angeht, voll ins Schwarze trifft. Sie sind spannend und sehr komplex und halten den Zuschauer stets in Atem.
Zusammen mit den großartigen Schauspielern wird "Sherlock" dadurch also zu einem sehr mitreißenden und authentischen Erlebnis.
Doch nicht nur Schauspieler und Story bzw. Fälle sind gut gelungen, sondern auch die Inszenierung.
Die Serie ist sehr stylish umgesetzt, die Schitte sind schnell und unterstreichen somit die schnellen Gedankengänge von Holmes. Normalerweise bin ich diesen schnellen Schnitten gegenüber eher kritisch gestimmt, hier passt es aber sehr gut ins Bild, zumal auch nicht übertrieben wird. Das ganze findet auf einer angemessenen Ebene statt.
Und es gibt auch sonst einige Mittel, die zur Atmosphäre beitragen. Beispielsweise werden SMS-Nachrichten als Text eingeblendet, sodass der Zuschauer sie lesen kann. Dies steigert eben die Atmosphäre, da der Charakter sie nicht mehr laut vorlesen muss, was eigentlich nie in einen Film passt.
Auch Splitscreens und Kamerafahrten kommen zum Einsatz um die Fälle so dramatisch wie möglich zu inszenieren.
Man kann also getrost festhalten: Am Drehbuch, den Darstellern und der Umsetzung kann man ebenso wenig herummeckern wie an der Story. Alles passt perfekt zusammen und unterhält den Zuschauer prächtig, sodass die Zeit wie im Flug vergeht.
Klingt stark nach 10 Punkten, oder nicht? Immerhin schwärme ich gerade, als wäre ich ein kleines Mädchen (was ihr ja nicht beurteilen könnt
), das ein Pony geschenkt bekommen hat.
Leider gibt es auch hier einen Kritikpunkt, den ich anbringen muss. Und zwar ist es tatsächlich so gewesen, dass ich trotz der brillanten Inszenierung und der wunderbaren Fälle bei allen drei Folgen am Ende ein wenig enttäuscht war.
Es wird zwar immer der Fall gelöst, aber die letzte Konsequenz fehlt mir. Teilweise finde ich, dass die Geschichten da nicht zu Ende gedacht wurden. Ich will nicht zu viel verraten, aber es wird euch eventuell auch so gehen und dann werdet ihr wissen was ich meine.
Aber abgesehen davon ist "Sherlock" wirklich eine wunderbare Serie, die wirklich fantastisch unterhält. Die Schauspieler glänzen
wie das Messer von Haftbefehl, die Fälle sind spannend und furios inszeniert. Eine besondere Erwähnung haben auch die Dialoge verdient, die vor Ironie und Wortwitz sprühen.
Die Serie ist so gut geworden, dass sie im Prinzip nicht nur für Krimi- oder Sherlock Holmes-Freunde geeignet ist, sondern fast für alle. Einzig Menschen, die der Thematik absolut nicht das Geringste abgewinnen können, sollten es sich zweimal überlegen. Allen anderen empfehle ich, sich "Sherlock" anzuschauen.
Die Serie ist auf ARD zwar schon vorbei, wird aber am 11., 18. und 25. September auf einsfestival wiederholt (jeweils 20.15). Falls ihr das nicht empfangt, könnt ihr die DVD ja außerdem in der Videothek eures Vertrauens ausleihen.
9/10