Kapitel 14 – Invasion der Hölle
In stummer Wanderung haben wir bald die Treppe erreicht. Es war tatsächlich kein weiter Weg. Gewunden, eng und voller Gefahr, abzustürzen, führt sie nach unten auf eine weitere in endloser Schwärze schwebende Ebene. Ohne zu zögern gehe ich voran. Gewisse Vorsicht lasse ich natürlich trotzdem walten.
Deutlich weniger schnell folgt die Armee. Endlich sind alle unten. Bis auf ein Skelett; es hängt sich wieder versteckt unter den Abgang. Ich sehe den Meister fragend an.
„Ich weiß nicht, ob wir die Treppe in die Stadt in einem Sitz erreichen – bevor wir komplett von vorne anfangen müssen, gehe ich lieber auf Nummer Sicher. Vielleicht ist es ja erneut für eine Überraschung gut?“
„Gibt Sinn...“
Gleichzeitig starren wir in die Ferne. Die Landschaft sieht exakt gleich aus wie die der Äußeren Steppe. Das Einzige, was die Ebene der Verzweiflung unterscheidet, ist eben jene Steppe, die etwas höher schwebt; aber ich vermute, dass wir innerhalb kürzester Zeit sie auch aus den Augen verlieren werden, wie es ja auch mit dieser tieferen Ebene der Fall war...sonst hätten wir ja von der Festung aus sehen können, wo jede tiefere schwebende Landmasse liegt. Mir kommt es vor, als wäre das diffuse Licht nur ums herum. Als ginge es...von uns aus?
Seelenleuchten, oder was?
...was nach deiner Auffassung nicht sein kann, da ich auch alleine keine Probleme hatte, zu sehen.
Schön, dass du die Absurdität selbst erkennst.
Irgendwelche Vorschläge, in welche Richtung wir gehen sollten?
Mein Vorschlag ist, eine Münze zu werfen.
„Also, Golem, ich denke nicht, dass in die Ferne zu blicken uns groß weiterbringt...“
Ich zucke mit den Schultern.
„Anders als zufällig können wir den Weg nicht legen.“
„Nach...rechts also. Am Rand entlang; vielleicht finden wir Izual einfach so. Sonst...müssten wir suchen; der Gedanke macht mir keinen Spaß.“
„Wenn die Ebene ähnliche Ausmaße hat wie die, welche ich für die Steppe vermute, könnten wir an einem Tag das ganze Gebiet absuchen.“
„Und wenn wir ständig von Dämonen aufgehalten werden?“
„Dann würde es natürlich länger dauern, sofern wir nicht etwas effizienter werden in der Bekämpfung.“
„Ach? Wir werden ja sehen, wie effizient ich sein kann...“
Kurz darauf treffen wir auf ersten Widerstand. Eine Gruppe von grünhäutigen Balrogs kommt auf uns zugeschritten.
Giftfürsten. Geringes Problem; die Skelette sind immun, und wenn der Meister sich treffen lässt, ist er ohnehin tot.
Zynisch, aber nur zu wahr. Ich gehe recht in der Annahme, dass wir uns dennoch vor Inferno in Acht nehmen müssen?
Du gehst.
Jetzt wäre Stein wieder nützlich...wobei, ein Treffer von diesen Schwertern und ich würde wieder zersplittern. Schlicht und einfach keine gute Idee.
Feuer ist und bleibt die logischste Alternative – wenn der Meister sich natürlich nicht gleich dazu in der Lage fühlt, meine ursprüngliche Form zu erschaffen.
Von der er Nichts weiß. Und er würde es auch nicht tun, weil ich sonst wahrscheinlich nicht mal einen Hauch von Kontrolle über dich hätte.
Die Konversation erstirbt, da die Gegner da sind. Sie halten sich nicht mit Geplänkel auf, und wir tun das auch nicht; die Skelette stürmen gegen eine Wand aus Feuer vor, was sie nicht im Geringsten beeindruckt, und nachdem die erste Salve vorbei ist, laufe ich ebenfalls los.
Mein ausgesuchter Gegner will gerade wieder eine Flammenzunge loslassen, aber ich bin schneller. Mit voller Wucht ramme ich mein Schwert – endlich wieder ein normales, zweischneidiges Breitschwert – von unten durch sein Kinn. Die andere Waffe dringt in seine Brust ein, wo ich das Herz vermute, und er vergeht.
Eine Explosion streift mich. Ich wende den Blick in Richtung der Quelle.
Nur noch Dämonenleichen liegen auf dem Boden. Mein Opfer war am Rand der Formation; inmitten eines steten Stroms an Feuer muss ich wirklich nicht stehen...aber der ganze Rest ist jetzt schon erledigt?
Der Meister starrt seinen Stab an. Es ist der zweite der neuen.
„Ja...der verstärkt definitiv die Kadaverexplosion. Soweit ich das beurteilen kann nur den Radius, aber das ist mehr als genug.“
Er hält kurz inne, dann sprengt er eine zweite Leiche. Sein Atem beschleunigt sich.
„...macht die Sache aber doch etwas anstrengender. Sollte aber sehr nützlich sein!“
„Das freut mich.“
„Wenn das weiterhin so effizient vonstatten geht, könnten wir auch mit Gegenwehr die ganze Ebene absuchen...“
„Priorität hat die Treppe.“
Also gehen wir weiter. In respektvollem Abstand zum Ende unseres Bodens, aber nah genug, um bei jedem zufälligen Blick zur Seite in den Abgrund blicken zu können. Beunruhigt mich etwas. Aber das ist hier ja eigentlich völlig normal.
Irgendwann wird mir die Stille zu viel. Es ist, als stünde auf einmal etwas zwischen mir und dem Meister...und das will ich nicht. Also breche ich das Schweigen mit dem ersten, was mir einfällt.
„Was hältst du von diesem Ritter? Er macht mir am meisten Sorgen von allem hier unten, dem wir bisher begegnet sind...und nicht nur, weil er uns fast geschlagen hätte.“
„Zweimal. Ja. Und das war sicher nicht das letzte Mal, dass wir uns begegnen. Er ist gefährlich, weil er nachdenkt, das sparen sich die meisten hier unten. Und ich glaube nicht einmal, dass es ihm groß um Prestige geht. Das sagt er zwar ständig...aber er hat genug Einfluss, um wieder zu kommen. Um sich eine ganze Menge treuer Diener zu holen jedes Mal.“
„Den Einfluss hat er sich sicher auch nicht dadurch geholt, dass er nett zu Leuten war.“
„Ist er aber. Weil er weiß, dass ihm leere Drohgebärden Nichts bringen. Diablo ist vielleicht der Herr der Schreckens, aber ich denke, nach dem, was wir schon gesehen haben, wird er damit einfach Nichts ausrichten können. Oder spürst du etwas?“
Kurz horche ich in mich hinein.
„Nun...ich bin beunruhigt. Aber das bin ich eigentlich immer, wenn wir im Feindesland sind. Und so tief wie jetzt...halte ich für natürlich.“
Der Meister zieht die Augenbrauen zusammen.
„Ich weiß auch nicht. Es ist möglich, dass Diablo versucht, uns hier panische Angst einzujagen, wie Mephisto es mit dem Hass versucht hat. Der Punkt ist nur, es wirkt schlicht nicht. Was der Ritter macht, ist viel effizienter: Er zeigt uns, dass wir hier eigentlich auf verlorenem Posten stehen. Weil er wieder und wieder kommen kann, während wir nur eine Chance haben, weil er so viele Truppen ausheben kann, wie er gerade lustig ist und ich auf Leichen und Mana angewiesen sind. Ich will nicht sagen, dass mich das in große Panik versetzt; aber ganz ehrlich? Mulmig macht mich der Kerl schon.“
„Ich sage, er stellt sich größer und besser dar, als er ist. Wenn er gar so viel Einfluss hätte, würde er eine mächtigere Armee aufbieten, und mehr als Skelettritter. Sein Gerede ist eine Fassade, die uns verunsichern soll, die uns falschen Respekt vor ihm entwickeln lassen soll. Wenn er das nächste Mal einen seiner Tricks versucht, sollten wir ihn überraschen, vernichtend schlagen...und dann bekommt er von seinen ominösen 'Vorgesetzten' auch keine Unterstützung mehr, und das war es dann.“
Das bringt den Meister dazu, sich das Kinn zu reiben.
„Gar nicht mal ein so schlechter Gedanke. Hast du auch eine Idee, wie wir das mit dem Vernichten am besten hinbekommen sollen?“
„Seine ominösen 'Quellen' sind da, glaube ich, der Schlüssel. Durch sie weiß er, welche Schwachpunkte wir haben, und er versteht es sehr gut, die Finger in diese Wunden zu legen. Aber er verlässt sich viel zu sehr auf seine Überlegenheit – wie gesagt – und seine Pläne scheitern immer an der kleinsten Sache, die er nicht bedacht hat. Wir müssen ihn überraschen, das ist der Schlüssel.“
Der Meister trommelt seine Finger aufeinander.
„Ich bin überzeugt. Die Stäbe sind ein guter Anfang, aber ich brauche etwas, von dem er überhaupt keine Ahnung hat. Wie...“
Er sieht mich schief an, und ich beende den Satz für ihn.
„...einen neuen Golemtyp.“
„Genau...“
Er kommt ins Grübeln, und ich lasse ihn. Das senkt jetzt natürlich wieder Stille über uns, aber wenigstens haben wir jetzt einen konkreten Grund, ruhig zu sein.
Und bald darauf stoßen wir auch auf Gründe, wieder das Reden zu beginnen.
„Eine Masse Dämonen, schräg vor uns. Sie haben uns noch nicht gesehen.“
Ich deute in die entsprechende Richtung. Der Meister strengt sich sichtlich an, kann sie aber definitiv nicht ausmachen.
„Können wir sie umgehen?“
„Sicher, aber das würde uns weit vom Rand wegführen.“
Er schüttelt den Kopf.
„Wir gehen mitten hindurch. Was sind es für Gegner?“
Der Zweite springt ein.
„Fleischschleimer und Korpulente. Relativ ekelhafte Kombination. Die ersteren können kleine Biester erschaffen...welchen wir auch schon begegnet sind...und zweitere schlucken mit Vorliebe Leichen, um sie dann als tödliche Projektile wieder auszuspucken.“
„Ja igitt. Andererseits, was mache ich denn anderes...wir sind welchen schon begegnet?“
„Ihr wart wegen ihnen mehrere Wochen außer Gefecht gesetzt.“
„Die? Das gefällt mir überhaupt nicht!“
Ich reibe eine Faust in der anderen Hand.
„Damals haben sie uns überrascht. Aber seitdem haben wir Schinder getroffen, und Puppen. Die waren weit schlimmer.“
Er wirft einen Blick zu den für ihn nicht sichtbaren Gegnern, dann sieht er mich wieder an.
„Recht hast du. Also voran.“
Bald darauf sind wir nahe genug, damit er sie auch sehen kann.
„Himmel, das sind die wohl hässlichsten Monster, die ich je gesehen habe, und das sagt eine ganze Menge.“
Da muss ich ihm fast zustimmen, wenngleich die Verdrehten nahe herankommen. Aber die Fleischschleimer im Besonderen...wenn sie auf zwei Beinen gehen würden, wären sie wahrscheinlich in etwa menschengroß. Aber sie gehen auf vieren, jedoch mit so verdrehter Anatomie, dass ihre Knie der Hinterbeine oben zeigen wie bei Spinnenbeinen. Ihr Torso ist extrem kurz, mit einem Schwanz, der sich nach oben windet wie der eines Skorpions, jedoch ohne Stachel. Dafür sind die Krallen an ihren extrem langen Fingern und Zehen umso spitzer, ähnlich der Ohren, die über einen grotesk verzerrten Gesicht aus dem nackten Schädel wachsen.
Fast schon irrelevant sind die fast völlig normal wirkenden weiblichen Brüste, die sie besitzen.
Die Korpulenten dagegen sind genau das: fett. Sie haben kurze Beinen und lange Arme, die sie zum Schlurfen benutzen, schieben einen gewaltigen Leib damit vor sich her, und einen mindestens einen halben Meter langen Rachen, mit einem Kopf, der nur aus Schlund besteht. Bis auf zwei von Haut überwachsenen Kugeln, die Augen sein könnten – und einer ganzen Menge Tentakel, die aus dem Schlund herauswachsen.
Ich lasse mein Schwert herausschießen.
„Zeit für den Kammerjäger.“
Sie bemerken uns. Unter Kreischen alarmieren sie sich gegenseitig, dann beginnt der erste Fleischschleimer zu würgen, dehnt seine Kiefer in unmöglich scheinender Weise und speit einen kleinen, feuchten Wurm auf den Boden: Eine Fleischbestie, wie sie den Meister fast getötet hätte, als wir gerade in Kurast ankamen, winziges Gesicht, zwei Arme und ein blasser Körper, der auf dem Boden dahinschleicht.
Schneller aber, als man erwarten würde. Unter ekelhaften Geräuschen werden mehr von ihnen erzeugt, und eine kleine Armee schlittert auf uns zu.
Die Skelette, eine ähnlich große Armee, zerquetschen sie und rücken auf die...Mutter...dinge...vor. Ich gleich hinterher.
Da drehen sich zwei von den Schleimern um und spucken ihre Brut direkt vor die Füße von Korpulenten; diese bemerken das, beschnüffeln die Bestien...und tun Nichts.
Bis eine der Schleimer ihrem Spross eine Kralle in den Kopf stößt. Sofort stürzt sich der Leichenfresser darauf, seine Mundtentakel packen den kleinen Kadaver, zerreißen ihn in einer Blutwolke und lassen die Stücke in dem gewaltigen Schlund verschlingen, Alles unter lautem Schlürfen.
Kurz passiert Nichts. Dann, plötzlich, zieht sich der überlange Hals zusammen...und schießt vor, daraus dringt ein Projektil, das zur Hälfte aus Schleim besteht, rot gefärbt, und darin...Knochensplitter, und...
Es trifft ein Skelett am Kopf, das sofort in Staub aufgelöst wird. Oooha, doch nicht nur ekelhaft, auch gefährlich.
Der nächste stürzt sich auf ein ihm dargebrachtes Opfer...und es explodiert vor seinem Schlund, die Tentakel abreißend. Das Monster heult.
Ich bin da und versuche, den dicken Hals abzutrennen...was mir misslingt. Es ist, als würde ich extrem zähes Leder mit einer normalen Schere schneiden wollen. Er wehrt sich, schlägt wild um sich; ich werde zurückgestoßen.
Da blüht oranges Licht über ihm auf, ich stürze mich wieder vor und gehe mit ihm um, als wäre er eine Schnecke unter einer Gartenschere; das Resultat ist entsprechend. Bin ich froh, aus Metall zu bestehen und nicht Blutgolem zu sein.
Zwei Fleischschleimer stürzen sich auf mich, die meine kurze Ablenkung ausnutzen wollten. Auch sie sind sehr schnell, mehr, als man das von so deformierten Gestalten erwarten würde; aber sie müssen genausoschnell feststellen, dass ich für sie schlicht unverwundbar bin...und zurückverwunde.
Schnell sind sie ausgeschaltet. Eine spuckt vor dem Tod noch ein abscheuliches Würmchen aus, das ich zertrete.
Explosionen ertönen ständig während der Schlacht. Mehr feuchte Geräusche dazu, die ich eigentlich nicht zuordnen möchte. Und...
Ich liege auf dem Boden. Meine Welt ist ein Gongschlag. Was...
Da...hat uns wohl ein Spucker erwischt...
Beim Versuch, aufzustehen, begegne ich einem gewissen Hindernis: mein rechter Arm ist komplett ab. Meine ganze Schulter ist völlig zerstört, das Metall verbogen, der Einschlag war gewaltig.
Veritable Artillerie.
Das...kriegen wir schon hin. Die gefährliche Schwärze ist schon wieder in den Rand meines Gesichtsfeldes eingedrungen, aber ich bekämpfe sie. Mit dem Wissen um meine Verletzung stehe ich auf...
Um als Letztes, was ich bemerke, einen weiteren gewaltigen Einschlag auf der Brust zu spüren.
Nach einer Nanosekunde Unendlichkeit stehe ich wieder vor dem Meister. Ich kann mir, wie üblich, einen Moment unglaublicher Erleichterung nicht abgewöhnen.
Um mich herum liegen verkohlte Skelette...von Giftfürsten. Hö?
Der Meister grinst mich an.
„Verwirrt? Du merkst nicht, wie viel Zeit vergeht, wenn du weg bist, oder...?“
Ich schüttele den Kopf.
„Puh. Hatte mir da Sorgen gemacht. Die Sache war gerade nur, dass schlicht kein Material für dich da war, weil die Dinger eben keine Schwerter benutzen. Statt zurückzulaufen und eine Waffe von den Giftfürsten zu holen, habe ich beschlossen, weiter vorzudringen und auf die nächste Gruppe zu hoffen. Ging gut. Die haben der Armee quasi Nichts entgegenzusetzen.“
„Das hätte aber ziemlich schief gehen können...“
Er zuckt mit den Schultern.
„Tut mir Leid, aber ich war bereit, das Risiko einzugehen, und es hat geklappt. Ich hab im Würfel noch Platz gefunden für weitere zwei Schwerter, daran hätte ich gleich denken sollen, aber hinterher ist man immer klüger. Wenn du das nächste Mal zerlegt wirst, ist Ersatz da...ändert aber Nichts daran, dass dein Metallkörper ein Auslaufmodell ist, so Leid es mir tut.“
Ich winke ab.
„Ist ja nicht so, als ob ich etwas dafür könnte. Wenn wir das nächste Mal in der Festung sind, überlegen wir uns was...“
„Können wir durchaus sehr bald tun.“
Er deutet zur Seite. Ich hebe die Augenbrauen. Hinter einem mächtigen Torbogen, der einfach so am Rand der Ebene steht, führt die Treppe nach unten.
„Welch Glücksfall.“
„Feiern wir das...mit einer Pause. Ich werde ein Stadtportal riskieren, damit wir wenigstens für eine Stunde mal saubere Luft atmen können, so steril sie auch ist.“
Damit öffnet er das blaue Loch in der Luft und die Armee zieht hindurch.
Tyrael ist gleich zur Stelle.
„Ihr seid früh zurück, General.“
„Wir machen gute Fortschritte, Tyrael. Der Abgang zur Stadt der Verdammten ist gefunden.“
„Izual?“
„Der nicht.“
„Ich wäre Euch wirklich sehr verbunden, wenn Ihr...“
„Wir suchen und...erlösen ihn, keine Sorge. Brechen auch gleich wieder auf. Aber ich will mich kurz hinsetzen, in Ruhe etwas essen und überlegen, was wir aus dem Golem machen.“
„Der Steinkörper war also nicht erfolgreich.“
„Nicht wirklich. Ich überlege mir etwas. Über Brot und Käse und einem Schluck Milch.“
„Das Portal...“
„Eine Stunde, Tyrael; so lange sollte es doch möglich sein, es offen zu halten, oder?“
Ich melde mich.
„Unbedingt ausruhen muss ich mich ja nicht. Genieß dein Essen. Ich halte Wache.“
Der Meister sieht mich kurz an, dann nickt er.
„Machen wir das so. Danke, Golem. Ich komme dann und wir überlegen uns eine Alternative zum Metall.“
Tyrael starrt ihm nach, als er davonstürmt. Dann spricht er mich an, ohne zu mir zu sehen.
„Ich erwarte, dass du beim kleinsten Anzeichen von Gefahr das Portal schließt, Golem. Benutze dies. Falls dein Meister Materialien benötigt, muss ich ihn enttäuschen. Ich werde eine Weile unabkömmlich sein.“
Tyrael hält mir herrisch einen glatten Stab hin, den ich nach kurzem Zögern schnell nehme; dann ist er verschwunden.
Ich glaube, der Meister hat ihn ziemlich verärgert.
Da...könntest du Recht haben.
Ich starre in die Ebene der Verzweiflung hinaus. Extrem trostloser Anblick. Hoffentlich stolpern keine Dämonen über das blaue Oval, das den Weg in die Festung weist...sonst müsste ich diesen Stab benutzen, und wir eine ganze Strecke erneut zurücklegen.
Wo wir gerade dabei sind, wie benutzt man den überhaupt? Ich drehe ihn vor und zurück, aber erkenne keine Bedienelemente...
Als ob die Stäbe des Meisters Knöpfe hätten. Denk doch mal ein wenig nach.
Die haben wenigstens Fähnchen...und Totenköpfe...aber das hier?
Ein Grunzen ertönt. Oh-oh...das kam nicht von hier drinnen.
Ich trete durch das Portal. Sehe mich schnell um.
Hinter ihm stehen zwei Giftfürsten, die mich verwundert anblicken, ihr für mich unverständliche Konversation unterbrochen.
Jetzt oder nie!
Dein Teil.
Sofort stürzt der Zweite sich vor, unsere jetzt nach unten gekurvte Schwerter hochreißend, springt hoch und lässt sie wie Scheren zusammenschnellen.
Der Kopf des einen Fürsten trennt sich von seinem Hals. Der Zweite landet rollend, die Schwerter über Kreuz erhoben.
Unser anderer Gegner ist zu weit weg, um diese Vorsicht zu rechtfertigen. Er zögert, während der Zweite langsam aufsteht...dann hebt er den Kopf in den Nacken und lässt ein gewaltiges Heulen los.
Sofort landet ein Schwert in seiner Kehle.
War das schnell genug?
Wir können natürlich hoffen. Aber ich würde darauf nicht bauen.
Nervös blicke ich in alle Richtungen. Hinter und unter uns liegt die Stadt der Verdammten...wenn darin Jemand den Schrei gehört hat...
Noch rührt sich Nichts in der Ebene. Die Höllenwinde blasen mir heißen Staub gegen den Rücken. Ich drehe mich in Windrichtung und blicke auf das niedrigere Plateau hinunter. Hat sich etwas in der Dunkelheit bewegt? Alle meine verfügbaren Sinne sind aufs Äußerste gespannt.
Nach fünf Minuten bin ich bereit, mich etwas zu entspannen. Himmel, das war zu knapp. Und wenn er stattdessen beschlossen hätte, uns anzugreifen...
Da!
Am Horizont ist eine Gruppe sich bewegender Gestalten aufgetaucht. Nein!
Du findest besser schnell heraus, wie dieser Stab funktioniert.
Zur Hölle mit dir, Tyrael, da hättest du jetzt wirklich ein wenig mehr Worte an mich verschwenden können...ich wedle mit ihm in der Luft herum, schüttle ihn, aber das Portal bleibt offen, artig auf Jemanden wartend, der es durchschreiten möchte.
Funktionier, verdammt!
Möchtest du nicht lieber von drinnen experimentieren?
Und riskieren, dass welche mich von hinten überraschen, weil ich nur zu einer Seite herausschauen kann? Wenn es plötzlich zugeht, dann sind wir zwar hier gestrandet, aber das macht ja Nichts.
Die Gegner rücken näher. Es ist eine volle Armee von Giftfürsten, die in Reih und Glied marschieren; ich kann über dem Staub, den sie aufwirbeln, nicht ausmachen, wie viele es genau sind...zu viele auf jeden Fall. Und sie sind recht schnell unterwegs; wer auch immer vom Schrei des einen erreicht wurde, hat nicht lange gefackelt.
Sprich die Formel!
„KoKoMal!“
Es wirkt nicht! Was soll ich mit dem Ding tun?
Ich wurde gesehen. Ein Befehl wird durch die Ebene gebrüllt, und die ersten Fürsten beginnen, zu laufen. Schnell drehe ich mich um; von hinten kommt kein Angriff...schwacher Trost...ich klopfe gegen den Stab. Warum...willst...du...nicht...
Vergiss den Stab, verteidige!
„Angriff! Wer auch immer, schließt das Portal! Wir werden angegriffen!“
Kurz nachdem ich nach hinten gerufen habe, sind die ersten nur wenige Meter von mir entfernt...wie soll ich gegen diese Masse ankommen? Wenn sie in die Festung einfallen...
„Golem!“
Die Skelette strömen aus dem Portal. Oh Himmel!
„General, schließ das Portal! Dem halten wir nicht stand!“
„Ich denke...“
Ein Schwertstreich trifft die stumpfe Rückseite meiner Waffe, und ich setze als Konter nach.
„Geh kein Risiko ein, für mich auf keinen Fall! Wenn einer durchdringt...ich kann nicht alle Richtungen abschotten!“
Denn schon rennen sie an unseren Flanken vorbei. Die Skelette haben schnell das Portal umgeben, aber es ist offensichtlich, dass es einfach zu viele Gegner sind. Wenn wir sie in ordentlicher Formation angreifen könnten, wäre es möglich, große Teile ihrer Armee wegzusprengen, aber...es sind schon zwei der unseren gefallen, wir werden hier einfach überrannt, und die Dämonen sind schon zu aufgeteilt. Und was schimmert da in der Luft? Bewegt sich überall hin?
„Golem...ich weiß nicht, wie!“
Ich lasse den Zweiten übernehmen, der sich unter zwei Flammenzungen durchduckt und Achillessehnen durchtrennt.
„Deckard kann es doch!“
„Der schläft...verdammt, ich laufe! Halt durch!“
Und das wird kurz dauern...Zeit, die wir nicht haben...der letzte Wächter fällt unter dem Angriff von drei Gegnern, und ein Magier wird, trotz aller augenscheinlichen Feuerimmunität, von kontinuierlichen Infernos so aufgeheizt, dass der Knochen schlicht schmilzt, bevor er zu Staub zerspringt.
Da schießt ein Inferno auf uns zu, und der Zweite ist gerade ausgewichen...nein!
Reflexartig reiße ich meine linke Hand hoch, die Kontrolle instinktiv übernehmend...um mit Entsetzen festzustellen, dass ich darin ja immer noch den Stab hielt. Die Hand schmilzt komplett weg, und der Stab fängt Feuer. In Panik versuche ich ihn hinzuwerfen, aber meine zerstörten Finger haben sich um ihn gelegt...da zertrümmert ein Hieb meine Knie, und ich falle hin. Das heißt, sie können eindringen...und alle Skelette sind zerstört...
Ein Heulen erfüllt die Luft. Sie triumphieren...
Nein. Nein, tun sie nicht!
Wa...
Das Portal ist verschwunden. Ich starre auf die Überreste des einfachen Stabes in meiner kaputten Hand.
Die Lösung war...ihn zu zerstören?
„Sei verflucht, Tyrael!“
„Seltsam. Das pflege ich auch oft zu sagen.“
Diese Stimme...von der Sprechweise her so ähnlich zu der des Erzengels, aber es ist nicht seine...sie ist viel dunkler...
„Zerstört den Golem nicht, er interessiert mich. Bringt ihn her.“
Ungeschlachte Hände packen meine Schultern und ziehen mich hoch. Ich wäre mehr beunruhigt, wenn ich wüsste, dass mir etwas passieren könnte. Ein wenig mulmig wird mir aber doch, als ich sehe, vor wen ich getragen werde.
Es ist ein Dämon von etwa der Größe der Giftfürsten, aber wo diese größtenteils nackt sind, trägt er goldene Rüstung, an Beinen, Schultern und Armen; die tiefblaue Brust jedoch ist frei. Sein mächtiges Schwert würde wahrscheinlich glänzen, wenn es hier eine definitive Lichtquelle gäbe. Gewaltige ledrige Flügel in seiner Hauptfarbe erstrecken sich hinter seinem Rücken. Zwei gewaltige Hauer wachsen aus seinem Mund, und drei lange Hörner krönen den haarlosen Kopf. Sein Gesicht ist gestreckt, ohne erkennbare Nase, und es sieht nicht so aus, als könnte er jemals voll zubeißen.
Wenn der Meister jetzt hier wäre, wäre die Suche, die wir gefürchtet hatten, gleich völlig ausgefallen.
Ja...ich denke, es ist recht klar, wer vor uns steht.
Izual.