Kapitel 30 – Solo für Zwei
Das blaue Glühen des Stadtportals schwindet, als Deckard den Zauber aufhebt, wie ich ihn bat. Spart den Eisenwölfen das Bewachen, und tagsüber ist die Gefahr ohnehin viel größer als Nachts. Die Dämonenseelen, die ja alle einmal menschlich waren, scheinen sich unbewusst dem normalen Zyklus unterzuordnen, und darum ist es in der Dunkelheit immer so still. Wir sind also definitiv auf uns gestellt, ich, der Zweite, drei Wächter, drei normale Skelette und drei Magier, einer Gift, zwei Feuer.
Na denn...
Tja...wie abgemacht. Die Stimme für dich.
„Aah, sehr gut. Nun denn, Magier, Skelette, Wächter, wenn ich ab sofort 'Skelette' sage, meine ich alle von euch, du, du und du – deute auf sie, du Idiot! - ihr seid die 'Normalen', damit das geklärt ist. Test: Normale, einen Schritt nach vorne.“
Kein Skelett bewegt sich.
„Na los!“
Komisch, mir sind sie doch problemlos durch das Portal gefolgt...he, warte mal. Versuch meine Stimme.
„Was soll das bringen? Einen Schritt nach vorne, Normale!“
Nichts geschieht.
Na siehst du.
Wenn sie nicht auf dich hören, haben sie auch nicht auf die Typendeklaration gehört...
„Dann halt so! Magier, einen Schritt nach vorne!“
Sie gehen.
Das ist doch...
Musst du wohl mit der Stimme vorlieb nehmen, die wie die des Meisters klingt. Scheinbar sind sie da etwas eigen.
„Verdammt. Wenigstens kann ich es für eine Weile genießen, überhaupt Kontrolle über das zu haben, was dieser Körper von sich gibt.“
Heißt das, du führst jetzt alle unsere Selbstgespräche laut?
„Da kannst du den hübschen Gürtel darauf verwetten.“
Na lecker, dann weiß also bald der ganze Dschungel, dass wir hier sind. Als wäre mir nicht schon mulmig genug, weil wir hier alleine durch die Wildnis stapfen müssen...
„Pah, als ob wir die Menschen brauchen würden. Nur mit dem Meister sind wir immer gut ausgekommen, und abgesehen von den Sprengungen scheint er nur dafür gut zu sein, gerettet werden zu müssen.“
Und der Fluch?
Darauf erhalte ich keine Antwort. Na schön, dann bleib still. Ich gehe jetzt los.
„Und ihr folgt mir. Normale, direkt hinter mir, Wächter, ihr zwei deckt die Flanken, du bleibst bei den Magiern und schützt sie gut, und jeder Magier folgt einem Normalen.“
Ähm...
„Ach, halt deine Gedanken im Zaum!“
Damit wiederholt er die Bezeichnungszuweisung, und die Formation steht. Wir an der Spitze, die normalen Skelette schützend, die drei Wächter formen ein Dreieck um die Kette aus Magiern. Der größte Schwachpunkt ist wohl unser Rücken, mit nur einem Wächter, aber da wurden wir bisher noch nie angegriffen.
Der Weg bis zu dem Punkt, den ich gestern bei meiner Wanderung erreicht habe, ist ereignislos, aber anstrengend; die Skelette benehmen sich weitaus weniger logisch, als das beim Meister der Fall war, wie wir zu unserem Leidwesen feststellen müssen, und so muss der Zweite ständig neue Befehle ausgeben, die vormals selbstverständlich schienen: Haltet euch vom Wasser fern, geht um Hindernisse herum, statt stur zu versuchen, die Formation zu halten, behindert euch bei Engpässen nicht gegenseitig...damit hatten wir noch nie Probleme, auch nicht, als der Meister noch nicht wusste, dass er Gedankenkontrolle anwenden kann, aber er wird das wohl schon die ganze Zeit unbewusst getan haben.
„Unglaublich! Man müsste ständig ein Auge auf sie haben, aber das können wir nicht, weil wir vorangehen müssen!“
Ich fühle mit dir in diesem Fall. Soll ich versuchen, rückwärts zu gehen?
„Ich lache später. Klopft euch mit der Hand auf den Schädel, wenn etwas passiert, zum Beispiel ein Angriff, oder wenn ihr aus irgendeinem Grund die Formation eine Minute lang nicht einnehmen könnt!“
Na, hoffentlich kapieren sie das.
Wir sind in unbekanntem Territorium angekommen. Die Lichtung, auf der ich die Dornendrescher erledigte, öffnete sich zu einer ehemaligen Straße, in bekanntem Muster zweigeteilt durch einen Kanal. Gelegentlich teil sich der Kanal selbst und erzeugt so eine Insel; eine Straßenseite ist oft mit Bäumen völlig zugewachsen, und darum müssen wir oft über Brücken diese Inseln betreten und die Seite wechseln, weil die Knochendiener nie durch das Dickicht kommen würden. Eine dieser Brücken bricht zusammen, als wir im Gleichschritt darüber marschieren; es dauert zehn Minuten, bis wir alle Skelette geborgen haben, das schlammige Wasser kann unsere Befehle nicht leiten, und jedes Gerippe müssen wir einzeln aus dem Dreck ziehen und ans Ufer werfen. Danach gehe ich erst einmal voraus, und der Zweite gibt Anweisung, nicht synchron zu laufen; was das bringen soll, weiß ich nicht, aber es klingt wichtig.
Wieder endet der Weg auf einer Seite des Kanals, und die letzte Brücke liegt Minuten zurück. Verdammt! Und auf der Insel, von der uns der zwei Meter breite und einen tiefe, dennoch unpassierbare Kanal trennt...
„He, was haben wir denn da?“
Ein pechschwarzer Dornendrescher klopft einem normal holzfarbenen auf die Schulter, der sich zu uns umdreht, es folgen seine vier anderen Mitmonster. Der Anführer hebt eine Keule in unsere Richtung.
„Was bist du denn für einer? Haben sie sich eine Beschwörereinheit für uns einfallen lassen?“
Diese Dornen sind nützlicher, als ich dachte. Solange wir immer alle umbringen, die wir sehen, kommen sie wohl nie darauf, dass ich kein Dornendrescher bin – was zumindest so lange hilft, da mich keiner von ihnen vernichten will, um sich zu beweisen, wie stark er doch ist. Willst du da antworten?
„Wie du ja weißt, sind unsere Herren da sehr kreativ. Ich bin gerade zurück von einer Art Testlauf in der Nähe der belagerten Stadt, die Resultate waren äußerst zufriedenstellend. Mein Auftrag ist nun, sich in Travincal zu melden, doch der Dschungel verändert sich zu schnell. Kannst du mir helfen, den Weg zu finden?“
Und du glaubst, das kauft er dir ab?
Ist einen Versuch wert, oder?
Der Held stutzt, dann tritt er näher, den Kopf schief legend. Seine knarrende Stimme ist skeptisch.
„Unsere Herren? Ich diene nur einem Herrn, du etwa nicht?“
Oh-oh...
Nur die Ruhe, da ist noch etwas zu retten. Du weißt ja, Frechheit siegt. Halt, weißt du nicht.
„Ich wurde vom Herrn des Schreckens und dem Herrn der Zerstörung erschaffen, um sicher zu gehen, dass Furcht in die Herzen derer eindringt, die es wagen sollten, den Höllenbrüdern zu folgen. Hilfst du mir, hilfst du ihnen!“
Jetzt knirschen alle Drescher gleichzeitig. Ist das...Lachen? Der Ebenholzheld schüttelt seinen Baumarm in meine Richtung.
„Wer nicht Mephisto dient, kann seinen Weg selbst suchen! Um genau zu sein, geh zurück nach Kurast und lass deine wertlose Seele zurück in die Hölle fahren! Mit so einem Gesocks wie dir geben wir uns gar nicht ab.“
„So ist das also. Darüber werden sie gar nicht erfreut sein...“
Das Knirschen geht weiter, mit – vermutlich verächtlichem – Knarren untermischt. Ich drehe mich um, in diesem Moment Gedankenbilder für unser Vorgehen in nächster Zeit erhaltend; der Plan gefällt mir durchaus. Die Feuermagier landen in meinen Fäusten, welche ihre Wirbelsäulen umklammern. Die Gerippe hochhebend, wende ich mich wieder dem Helden zu.
„...und ich ebensowenig. In diesem Sinne, fahrt selbst zur Hölle! Feuer!“
Offenbar reicht dies als Aufforderung, denn sogleich beginnen die Magier, ihre Glühblitze abzuschießen. Nach dem ersten Schuss weiß ich, wie die Bolzen fliegen, und ziele meine Flammenwerfer so, dass sie genau das treffen, was wir beide wollen. Damit, dass wir auch Fernkämpfer dabei haben – die Kugeln um die blanken Hände der Magier sind natürlich nur dann entflammt, wenn wir sie brauchen – hat er wohl nicht gerechnet. Und so ist er lange genug überrascht, dass sich die roten Schüsse ideal mit den gleichfarbigen Punkten seines Kopfes vereinen, die seine Augen darstellen, was ihm eine schöne Flammenkorona beschert.
„Aaah! Zersplittert diesen kleinen Bastard zu Asche!“
Eilig ziehen den Verletzten zwei Untergebene aus der Schusslinie, und eine Aura von ähnlichem Gelb wie meine Dornen, aber aus nur einem Ring von Strahlen bestehend, leuchtet unter den Füßen aller Gegner auf.
„Macht ist das, macht aber solange Nichts, wie sie uns nicht damit schlagen. Wenn sie das tun, wird es unangenehm, damit können sie eine ganze Menge Schaden anrichten.“
Dann tun wir doch so, als ob uns diese Tatsache wirklich Angst machen würde. Was hältst du von diesem Plan?
„In Ordnung. Ihr haltet sie an der Wasserlinie möglichst lange auf, Magier, feuert weiter, der Giftkerl auch! Wächter, links und rechts, falls sie Verstärkung bekommen sollten, müsst ihr bereit sein. Und du, wate durchs Wasser, geduckt, so dass dich Keiner sieht, und erledige den schwarzen Anführer.“
Hoffentlich ist er auch wirklich blind. Ich laufe vom Wasser weg, in scheinbarer Panik einen Baum erklimmend. Hinter mir ertönen die ersten Kampfgeräusche.
„Sie sind also an der Wasserlinie. Bekommst du den Sprung hin?“
Sogar ohne mich umzudrehen. Von dem höchsten Ast, der mich trägt, katapultiere ich mich weg, einen halben Salto schlagen und so Kopf voran nach unten fallend. Dass der kleine Beschwörer auch kämpfen kann – und dann auf dieser Art – haben die Dämonen wohl nicht bedacht, wie sie generell nicht die klügsten sind, und so kommt der Blick nach oben von meinem auserkorenem Ziel viel zu spät. Mein Schwert zerteilt seinen Schädel ohne Probleme, und ich lande in Flammen. Sofort stürze ich mich auf den nächsten, der gerade von zwei Skeletten bedrängt wird, deren Angriffe er aber locker mit seiner Keule blocken kann. Ich durchbohre sein Bein, das lenkt ihn ab, und eine Chitinklinge dringt in seine Brust ein. Stolpernd will er mir folgen, aber ich bin zu schnell, rolle mich schon weg, da er so geschwächt ein leichtes Spiel für meine Helfer sein sollte. Der nächste findet eine Lücke in der Deckung eines Wächters, und mit nur einem Schlag ist der Schildträger Staub. Verdammt! Aus der Wolke platze ich, mich direkt zwischen seine Arme stürzend, ständig mögliche Vorgehensweisen vom Zweiten in rasender Geschwindigkeit eingegeben bekommend, sobald ich mich für eine entschieden habe, werden die anderen verworfen und ein neuer Plan für die nächsten Sekunden geschmiedet. Dieser bestand darin, die Zone der größten Gefahr, in Schlagreichweite seiner Keulen, zu durchqueren, bevor er sich auf mich einstellen konnte, nun, wo ich ihm fast auf den Füßen stehe, kann er Nichts tun; die schweren Waffen sind zu ungelenkig. Er versucht, mich zu packen, drischt mich gegen seine Vorderseite, aber stellt fest, dass meine Dornen doppelt wirken – vor Schmerzen knarrend zuckt er zurück, und ungehindert reiße ich seine Brust auf, ein Giftblitz fliegt in diesem Moment über meinen Kopf hinweg, trifft ihn direkt ins Dämonenherz, und er vergeht.
„Das tust du...nicht!“
Die Stimme des Anführers, gepaart mich einem Knirschen, verrät mir, dass das Attentäterskelett keinen Erfolg hatte. Alles muss man selber machen...
„Alle Magier! Feuer auf den Schwarzen!“
Oder so. Als das Zischen der Blitze ertönt, schallt ein gellender Schrei durch den Dschungel, und gerade, als ich einem Schlag ausweiche, dessen Wucht sogar die Steine unter der dünnen Erdschicht splittert, verlöscht die Aura unter den Füßen meines nächsten Gegners.
Dann dauert es nicht mehr lange.
Es sind nur noch vier Nahkampfskelette übrig, wie mir eine kurze Bilanz verrät; das ist einerseits gut, da ich nicht mehr verloren habe, als ich während des Kampfes mitbekommen habe, aber natürlich sehr schlecht, da ich sie nicht ersetzen kann. Wenigstens die äußerst wertvollen Magier sind noch da. Aber allzu lange sollten wir ja nicht mehr allein sein müssen; wie lange hat Natalya den Meister nun schon abgelenkt? Es sind...eine Stunde und vierunddreißig Minuten vergangen. Wahnsinn. Die Frau ist gut.
„Eine ganz neue Neuigkeit. Wie ich schon sagte, ich glaube, sie hat eine ganz bestimmte Taktik gefahren. Wenn es gut läuft, haben wir noch weitaus länger Ruhe. Das allerdings hängt mehr vom Meister ab als von ihr.“
Ich verstehe nicht...
„War mir klar. Giftmagier, hinter mich, Feuermagier links und rechts von mir! Normale, direkt nach mir, Wächter Nachhut!“
Warum die Schwächsten so weit nach vorne?
„Der Stärkste ist vorne. Ich will nicht riskieren, dass sie weiter hinten stehen und als erste fallen, jetzt, wo die Nahkämpfer zu wenige sind, um sie gut zu schützen.“
Ah, na gut, das gibt Sinn.
Es bleibt eine Weile ruhig, dann greifen Fetische an – jedoch ohne Schamanenunterstützung. Das bedeutet, sie stellen kein Problem dar – in diesem Moment ist es wirklich von Vorteil, keine verwundbaren Menschen dabei zu haben. Die Fernkämpfer können wir nicht alle erledigen, da sie zu fliehen versuchen, sobald ihre Messerträger aufgerieben sind; da sie uns aber allerhöchstens durch konzentriertes Feuer schaden können und dazu ohne Führung nicht in der Lage sind, mache ich mir gar keine Gedanken.
„Ausnahmsweise Recht so, auch, wenn du nicht weißt, dass das so ist. Sie können sich nämlich, was du eigentlich hättest bedenken sollen, nicht einer anderen Gruppe anschließen und von der Führung dieses Schamanen profitieren; ein Monsterführer hat immer eine feste Gefolgschaft, der Rest gehorcht nicht.“
Und was ist mit denen aus der Gefolgschaft, die trotzdem nicht gehorchen, wie der Drescher vorhin?
„Das war keine Heldengruppe, nicht wahr?“
Schamanen sind also zwingend Helden?
„...verdammt, du hast tatsächlich einen Punkt. Das heißt aber, du hast dich geirrt, und wir sollten uns trotzdem Gedanken über die Blasrohrschützen machen.“
Ich mache mir eher Gedanken darüber, woher du das Alles weißt. Aber ich weiß schon, dass ich mir die alleine machen kann.
Der Boden wird weicher, habe ich den Eindruck. Und die Vegetation zeigt stellenweise Veränderungen in ihrer Eintönigkeit. Die immer gleichen Bäume sind nun ab und zu mit anderen, niedrigeren und verkrümmteren Exemplaren durchsetzt, manchmal lässt sogar ein weidenähnliches Gewächs die Äste tief über das immmer schlammigere Wasser hängen. Und die Sonne von heute Morgen beginnt, hier äußerst beunruhigend Wirkung zu zeigen: Nebelschwaden ziehen auf, die immer dichter werden, je weiter unserer Truppe vordringt. Bald sehe ich gerade fünf Meter weit, und die Feuchtigkeit beschlägt auf meinen Augenlinsen...wobei der gleichzeitig aufkommende Nieselregen sie gleich wieder wegspült. Ich glaube, auch das wäre für die Menschen eine äußerst unangenehme Situation.
Platsch.
Na toll.
„Alle halt!“
Ich drehe mich um, und tatsächlich fehlt ein normales Skelett. Der Baum, den ich gerade umgangen bin, steht nahe am Ufer, und offenbar hat der Chitinerne beschlossen, dem Hindernis auf der falschen Seite auszuweichen. Gut, dass das Wasser hier so langsam fließt wie selten zuvor; alles scheint träge abzulaufen hier, der Nebel dämpft sogar die wenigen Geräusche, die wir verursachen...ich trete ans Ufer, mich unter den hängenden Blättern hindurchdurckend. Müssen wir da jetzt wirklich hineintauchen?
„Hilft wohl Nichts. Wobei ich es auch gerne vermeiden würde. He, normales Skelett im Wasser! Komm heraus, wenn du mich hörst!“
Nichts geschieht. Na super. Dann also...
„Warte!“
Verwirrt filtere ich die Sinneseindrücke. Augen aus, Ohren auf: das Wasser plätschert leise dahin, der Regen trommelt unregelmäßig...weg damit, weg mit den periodischen Tropfen, was bleibt?
Mehr Plätschern. Aha! Augen an, und da sehe ich die kleinen Wellen, die unser verlorener Diener schlägt. Schon dringt seine Skeletthand an die Oberfläche...
...da war vorher aber weniger Fleisch daran.
„Verdammt. Magier, Halbkreis! Feuert auf Alles, was aus dem Wasser kommt! Wächter, stellt euch neben mir auf, Normaler, halte dich zurück!“
Feuerblitze schlagen in die Hand ein und verkohlen das verfaulte Fleisch daran, aber jetzt kommt der Rest des Körpers zum Vorschein, und dahinter noch einer, zwei, drei Zombies kommen aus dem Kanal auf uns zu. Schlick und Schlamm kleben mit verrotteten Pflanzenteilen an zerfetzter Haut in ähnlichem Zustand, blau angelaufen, wo der Knochen darunter nicht durchscheint, die Bäuche grotesk gebläht, gefüllt mit den Gasen der Verwesung ertrunkener Kadaver. Das Feuer zischt und brutzelt, flackernde Flammen vergehen nach Sekundenbruchteilen, die Feuchtigkeit siegt über die Hitze. Das Gift scheint überhaupt keinen Effekt zu zeigen, was kümmert verätztes Fleisch einen Untoten, dem ohnehin die Hälfte davon schon fehlt? Aber kommt nur heran aus dem Nebel, ich bin bereit.
„Zerschlagt ihnen die Schädel, Wächter! Normaler, lauf nach links, dreißig Schritte, und komm sofort zurück, wenn du noch mehr von ihnen kommen siehst! Magier, zielt auf die Bäuche!“
Warum das? Die Köpfe trocknen eher...egal, Effekt hat beides nicht! Meine Klinge schießt vor, das noch verbliebene Auge des ersten, dessen Hand verbrannt ist, wie eine überreife Traube in alle Richtungen verspritzend, als sie in den Schädel eindringt, der gerade auf der richtigen Schlaghöhe ist. Ich spüre, wie ich alles an meiner Metalloberfläche spüre, wie das weichgefaulte Gehirn sich teilt...ohne, dass es einen nennenswerten Effekt hätte. Die – von uns – unbeschädigte Hand des Kadavers packt meinen Arm, der in ihm steckt, und drückt mit gewaltiger Kraft zu; die Dornen scheinen ihn überhaupt nicht zu stören. Sie: Unter den Überresten der Kleidung und dem noch verbliebenen dreckigen Strähnen langer Haare offenbart sich das ehemalige Geschlecht meiner Gegnerin.
„Ich hoffe, das stört dich nicht.“
Sollte es? Bevor mein Handgelenk unter dem Druck nachgibt – und die Gefahr besteht tatsächlich! - verpasse ich dem Schädel der wandelnden Wasserleiche eine Ohrfeige, die ihn zur Seite fegt, was sich nachteilig auf die Knochenintegrität auswirkt, zumal ja mein Schwert noch immer mitten in dem Kadaverkopf steckt. Stöhnend aus strauchelnden Stimmbändern fällt sie mir zu Füßen.
Und die nächsten kommen. Feuchtes Knirschen, Knacken, Krachen dringt wie durch Watte gepolstert durch den Nebel verborgen an meine Ohren, als die Wächter ihre Arbeit tun, aber ich kann, darf mich nicht darum kümmern, als ich selbst dazu beitrage. Hier erweist sich meine Faust als nützlich, das Schwert ist den Zombies egal, der Knüppel hat Macht über die Untoten! Eine weise Entscheidung, das normale Skelett auf Kundschaft zu schicken. Es hätte Nichts ausrichten können.
„Natürlich war das weise. Und es hat wohl keine weiteren Gegner gefunden. Normaler, komm zurück! Decke meine linke Seite!“
Die Schwertseite. Jetzt wird es ernst, als zwei Gegner nebeneinander auf mich zugewankt kommen, weil ich ein paar Schritte zurückgewichen bin, auf halbwegs festen Grund.
„Jetzt hab dich nicht so, es sind nur hirnlose Ertrunkene Kadaver! Pack dir einfach einen und wirf ihn auf den anderen!“
Derweil schlägt er mich, und ich will nicht wissen, wie viel verborgene Kraft in diesen so unfähig scheinenden Muskeln stecken. Nein, ich muss meinen größten Vorteil ausnutzen: Die Schnelligkeit.
„Und ich dachte schon, du wolltest Intelligenz sagen. Dann hätte ich wohl gelacht.“
Ja, die auch. Mit einem Hechtsprung werfe ich mich auf die beiden zu, und bevor sie reagieren können, habe ich sie schon umgeworfen. Jetzt hoch, und...ich rutsche weg. Der Boden ist zu schlammig! Mühsam versuche ich, den ungelenken Metallkörper aufrecht zu stemmen, und stelle fest, dass mein Manöver völlig vergeblich war: Die fetten, aufgeblähten Zombies sind ähnlich schnell auf den Beinen wie ich. Verdammt!
„Ja...wie ich schon sagte. Intelligenz und so. Gut, dass das kein Problem ist, wie ich sehe.“
Warum...da schlägt ein Feuerblitz in den Rücken des linken Kadavers ein, noch einer, noch einer – beide Magier haben sich eingeschossen. Sie sind offenbar trocken genug, denn das Fleisch versengt, und an der Seite der allerdings völlig unbeeindruckten Wasserleiche tut sich ein Loch auf, das den Blick auf versagte Organe freigibt...
Aber nur kurz, denn plötzlich weitet sich ein Feuergeschoß aus, und in einer kleinen Verpuffung fliegt der Zombie auseinander, den zweiten umwerfend. Das ist doch...gut, egal, ich überlege nicht lange und laufe erst einmal auf den Gefallenen zu, dem ich mit voller Wucht in den Rücken trete, bevor er wieder aufsteht. Ein befriedigendes Schnappen begleitet das ekelerregende Geräusch, als sich die Gase durch den Druck diverse Wege aus der jetzt wirklichen Leiche bahnen.
„Und, immer noch verwundert, was gerade passiert ist?“
Die...Gase? Explosiv?
„He, nur ungefähr fünf Hinweise, und schon kommst du langsam darauf. Jetzt hilf den Wächtern!“
Beide sind noch in Ordnung, wie ich sehe, aber einer hat Probleme. Sein Schild hält wieder einen Schlag auf, aber dieses Mal war er gerade dabei, selbst zuzuschlagen, und die Wucht wirft ihn um. Der Giftmagier feuert sinnlos auf den Gegner ein, der gleich den Wächter zertrümmern wird...wenn ich es nicht verhindere.
Plötzlich ein wildes Klopfen in meinem Schädel. Was zur Hölle...ich greife mir an die Schläfen, mehr überrascht als verletzt, tatsächlich tut es nicht weh, aber...
Ich drehe mich um. Hinter mir steht ein Magier, der so schnell mit seiner kleinen Faust auf mich einprügelt, wie er es nur irgendwie kann.
„Hör auf!“
Aber der Diener ignoriert den Befehl.
Moment, natürlich! Das Rückrufsignal des Meisters!
„Herrlich, das heißt wohl, er hat es äußerst eilig, uns zu helfen...bei Diablos Horn, jetzt reicht es aber!“
Langsam beginnt der Arm des Magiers zu splittern, als meine Dornen ihre Wirkung tun. Die Aura gibt ihm den geringen Schaden erhöht zurück, und bald...bricht seine Hand ab. Der Stumpf wedelt weiterhin wie wahnsinnig durch die Luft.
Mein Rücken dellt sich ein, als ein Aufprall wie ein Hammerschlag darin landet. Ich stolpere, mit den Armen durch die Luft rudernd, den Magier fast umwerfend...
„Der Kadaver!“
Verdammt. Warum jetzt diese Ablenkung? Meine Faust umschließt das Rückgrat des Magiers, der nicht still halten will, und ich nutze den rutschigen Boden für eine schnelle Pirouette.
Schädel trifft auf Schädel, als mein Chitinknüppel dem nachsetzenden Zombie mit Nachdruck mitteilt, dass ich sein Verhalten missbillige. Der des Magiers ist schwächer, und ich halte nur noch Staub in den Händen, der aber wenigstens nicht mehr zuschlägt. Ich setze nach, und auch dieser Gegner gibt Ruhe.
„Sammeln!“
Ein Wächter, ein normales Skelett und zwei Magier unterschiedlicher Typen. Verdammt!
„Gut, dass wir jetzt in die Stadt zurückkehren, nicht wahr?“
Ach ja, da war was. Wobei wir natürlich nun zusehen müssen, dass Natalya aka Tees vor dem Meister hier ankommt...aber erst einmal...
Oh.
Oh, Scheiße.
„Nein, das glaube ich jetzt nicht.“
Doch.
Wir haben überhaupt nicht daran gedacht, eine Stadtportalsrolle mitzunehmen.