Kapitel 74 – Heißes Blut in kaltem Regen
Die Brücke liegt vor uns. Links und rechts davon liegen die Wassermassen eines gut zwanzig Meter breiten Flusses; der westliche Wasserspiegel ist allerdings deutlich höher als der östliche...
Keine Brücke also, sondern ein Damm. Wertarbeit, was? Steht schon ewig, das Ding. Die Tempel sind neuer, da haben sie auch ganze Arbeit geleistet, muss man schon sagen. Wobei es jammerschade ist, dass sie diese Energie nicht für sinnvolle Tätigkeiten verwendet haben...sie hätten ganz Unter-Kurast damit zu einem blühenden Stadtviertel machen können, stattdessen wurden die Sakralbauten zu Ehren von nicht existenten Göttern unter irrsinnigem Aufwand in einen reißenden Strom gesetzt...
Denn in der Mitte des Flusses, auf beiden Seiten des Damms, steht jeweils ein Tempel, Säulenhallen auf beständigen Steinfundamenten, in der Mitte ein beschatteter Altar, der wohl, wie die anderen bereit entweihten, mit der richtigen Formel Zugang zu einem tiefer gelegenen Komplex an Räumen freigeben wird.
„Sollen wir die Tempel säubern?“
Der Meister wendet seinen Blick nach links und rechts, dann bewegt er den Kopf schneller in diese Richtungen.
„Nein. Wir laufen ohnehin schon Gefahr, verfolgt zu werden; wenn wir hier inne halten, erreichen die Zakarumiten aus den anderen Stadtteilen uns sicher. Wir stoßen so schnell als möglich ins Herz Travincals vor, reinigen seine Verderbtheit mit Hilfe von Khalims Auge und Hirn, und sind hier fertig, bevor irgendwer uns dazwischenfunken kann.“
„Da Eile ohnehin geboten ist...klar. Marschieren wir ein!“
„Eine ironische Situation, diese Prozession aus Skeletten über eine Brücke, wo bisher nur Priester in prächtigen Gewändern und verblendete Gläubige liefen...“
Niemand von uns hat Lust, dem Zweiten darauf etwas zu entgegnen. In Stille und zügig schreiten wir auf den von vielen Schritten abgeschliffenen Pflastersteinen voran, auf den hohen, prächtig behauenen Torbogen in der drohend aufragenden Mauer des Tempelbezirks zu.
Gerade flankieren uns die säulengetragenen Dächer der Tempel, da nehme ich am Rand meines Blickfelds eine Bewegung wahr...
!
Ich brauche den wortlosen Ruf nach sofortigem Handeln des Zweiten gar nicht, um mich in Bewegung zu setzen. Im Schritt halte ich inne, stoße mich ab, um blitzschnell herumzufahren, springe mit diesem Schwung ab und reiße den Meister von den Beinen, unsanft auf ihm landend – seine Rüstung wird von meinen Dornen strapaziert, aber hält zum Glück.
Bis auf meinem Rücken eine schwere Last landet. Der Meister keucht, als ihm die Luft aus den Lungen und ein spitzer Stachel in die Haut gedrückt wird – meine Hände fahren gerade noch rechtzeitig zu Boden, um mich abzufangen und schlimmeres zu verhindern – und um mich herum ertönen weitere Aufschläge, dazu das grausige Geräusch splitternder Knochen.
Meine Hände sind nun in der richtigen Position, ich stoße mich hoch, das sich bewegende Ding auf meinem Rücken abschüttelnd. Die Schwerter fahren heraus, ich drehe mich um, um zu sehen, dass mein Gegner ebenfalls wieder steht.
...ein Wüstenjäger? Ein blauer Wüstenjäger? Hier?
Mephisto hat sich wirklich keine neuen Monster einfallen lassen, was? Er hat aus anderen Grundtieren die gleichen Mutanten erzeugt...oh, aber sehr ironisch wieder. Das war mal ein Tempelwächter – ein heiliger Affe. Scheint, als würden sie immer noch über die Tempel wachen, aber in der Form wohl etwas effektiver als früher...
Ich bewundere Mephistos Sinn für Humor dann ein ander Mal, ja? Die grotesk muskelbepackten Schultern des Monsters spannen sich, und die geballten Fäuste sausen zusammen auf meinen Kopf zu.
Schnell ducke ich mich unter ihnen weg, aber zur Überraschung meines Gegners nicht nach hinten, sondern nach vorne weg. Seine Oberarme landen auf meinen Schultern, mein breiter oberer Rücken fängt den Schlag gerne für mich ab, und ein Kopfstoß in seine Magengrube lässt ihn keuchend zurückweichen. Mit einem Unterhandschlag trenne ich seinen linken Arm an der Schulter ab, er versucht zu rennen, aber im Umdrehen stoße ich das andere Schwert in seinen Rücken. Kein Laut von keinem von ihnen? Das sind doch Affen?
Hast du diese Kiefermuskulatur gesehen? Mich würde es wundern, wenn sie überhaupt noch ordentlich schlucken können, geschweige denn Laute äußern.
Wenn man die übliche Lautstärke von Affen bedenkt, ist das wohl auch sehr ironisch. Arme Viecher...
Und, denkst du, man kann die noch retten?
Einen verletzten Menschen zu retten würde ich Alles tun. Für ein Tier, dem man so etwas angetan hat, ist der Tod die größte Gnade.
Interessante Unterscheidung, die du da hast. Aus welchem Grund denn?
Die komplexen moralischen Fragen stellen wir uns später, ja?
Mit verzerrter Miene ist der Meister wieder auf den Beinen und die einstigen Affen sind mit Verstärktem Schaden versorgt. Die Skelette, die noch übrig sind – eine gute Stückzahl – hacken gnadenlos auf sie ein, und es zeigt sich, dass abgesehen vom Überraschungsmoment nicht viel hinter diesem Angriff steckte. Sie haben auf den Dächern der Tempel gewartet, wollten den Meister schnell töten, das habe ich verhindert, und jetzt sind sie hilflos. Ich brauche mir nicht einmal mehr die Schwerter schmutzig zu machen, eine Sprengung und der Spuk ist vorbei. Die Armee füllt sich wieder, und ich entschuldige mich beim Meister.
„Ist gut, Golem, du bist mir immer noch lieber als so ein Ding, wenns auf mir landet. Vielleicht sollte ich die Stacheln auch einziehbar machen...?“
„Wären das nicht ein wenig viele Dinge, die ich gleichzeitig koordinieren müsste?“
„Würdest dich doch sicher daran gewöhnen...ach was. Das Tor ist frei, gehen wir weiter.“
Wir treten hindurch – und bleiben überwältigt stehen.
Prächtige Bauten erheben sich majestätisch in den Himmel, breite Steinpromenaden, flankiert von bronzenen Schalen, in denen flackernde Feuer brennen, durchziehen den Bezirk. Ein Podest aus drei Ebenen erhebt sich direkt vor uns, an den Ecke auf langen Stielen Fackeln, alle Straßen münden darin. Überall Säulenhallen, gedrungere Gebäude wechseln sich mit höheren ab, eine harmonische Linie ergebend, die dem Auge schmeichelt. Ornamente, Statuen, Fresken, Schnörkel, Altäre – eine Vielzahl an Stilen aus mehreren Epochen versammelt sich in Travincal, aber alles neu hinzugefügte wird überstrahlt vom riesigen Haupttempel Kurasts, der direkt vor uns liegt und schon von Weitem zu sehen war, dessen mehrere Flügel mit breiten Säulen, verzierten Torbögen und die Schwerkraft verhöhnenden Flachdächern fast die ganze Nordwand des vage quadratischen heiligen Bezirks einnehmen.
Hm, ein wenig heruntergekommen hier...
Das nennst du heruntergekommen?
Bah, viel hübsche Farbe, aber unter der Fassade bröckelt es. Die Priesterschaft hat schon zu meiner Zeit immer mehr an Macht verloren, der Prozess hat sich definitiv nicht umgekehrt. Diese Stadt ist ein Relikt, ein müder Abklatsch vergangener Glorie.
So sehr ich mich auch anstrenge – ich kann es nicht sehen. Die ganze Architektur hier ist schlicht atemberaubend, hätte ich welchen...der Meister scheint mir stumm zuzustimmen. Doch je mehr ich mich auf Details konzentriere, desto mehr fällt mir auf, dass die Fassade eben doch trügt – nicht aufgrund eines nicht haltbaren Vergleichs mit der Vergangenheit, sondern aufgrund dessen, was erst vor Kurzem hier geschah. Da rann noch vor wenigen Tagen ein karmesinener Strom aus einer Tür, der jetzt schwarz geronnen die grauen Steine befleckt. Dort ist ein Altar bespritzt, besudelt von ebensolcher Flüssigkeit...da hinten ist der Kopf einer Statue geschändet worden, das marmorne Gesicht zerkratzt, krude Botschaften in die stilisierte Brust eingeritzt. Die Dämonen haben dem Ort ihren Stempel aufgedrückt – an nur wenigen Stellen, ja. Aber an wichtigen Stellen. Travincals Heiligkeit ist dahin, die Berührung des Bösen an Schlüsselstellen ließen das ganze sakrale Gebäude einstürzen.
Und jetzt? Wir möchten hinein in die Höhle des Löwen...da kommt mir eines in den Sinn: Wir sind am Ziel. Viel weiter geht es für uns nicht...aber haben wir noch Chancen, unsere Mission zu erfüllen? Waren wir schneller als Diablo und Baal? Haben wir sie im tiefen Dschungel überholt, zwischen den Häusern der Stadt verloren? Oder sind sie schon längst mit ihrem Bruder vereint und warten auf uns, lachend, da wir uns bereitwillig in ihre Krallen begeben...
„Bald zeigt sich, ob unsere Eile umsonst war...“
Ich konnte meine Gedanken nicht mehr für mich behalten. Der Meister formt sein Gesicht in eine Maske grimmiger Entschlossenheit.
„So oder so – und wenn sie zu dritt auf uns warten – wir werden das Böse vernichten, mit all unserer Macht dafür sorgen, dass es vom Angesicht dieser Welt verbannt wird.“
„Ich stehe dir zur Seite, General – aber ich tue mir leicht. Du bist der, der für seine Überzeugung bluten wird.“
„Auch du hast schon geblutet, Golem. In diesen Kampf gehen wir gemeinsam, und nur gemeinsam gehen wir wieder heraus.“
„Dann sollten wir nicht länger Zeit mit Geplänkel verschwenden, oder?“
„Bist du auf unserer Seite, Zweiter?“
„Ich hatte nie eine andere Wahl, Meister.“
Wie enthusiastisch.
Was genau hast du von mir erwartet, Freudensprünge?
Vergiss es. Nahezu zeitgleich gehen der Meister und ich los, die Prachtstraße entlang, zwischen den ominös brennenden Flammenschalen...im Gleichschritt schlagen die Skelettfüße auf die Steine auf. Der Himmel hat sich bewölkt, und zwischen den Knochentritten höre ich immer wieder Taktbrüche durch erste Regentropfen.
„Travincal bereitet uns einen schönen Empfang, was?“
„Wenn es zu regnen beginnt, verlöschen die Flammen...sie beunruhigen mich.“
„Mich auch, Golem, aber nicht so sehr wie die Tatsache, dass allein wir hier für Geräusche verantwortlich sind.“
Stimmt. Es ist still – viel zu still. Aber wir haben auf der erhöhten Straße perfekten Überblick über das ganze Areal – es ist komplett ausgestorben. Immer dräuender scheint der große Tempel aufzuragen...versammelt sich die komplette Opposition dort?
Wir betreten das Podest genau in der Mitte Travincals. Es ist ebenfalls quadratisch, mit einer Seitenlänge von etwa fünf Metern, die davon abfallenden Stufen sind einen Meter breit und einen halben hoch, drei an der Zahl. Von der Mitte aus sehe ich die unterste nicht mehr. Die Fackeln an den Ecken zischen.
Da ertönt plötzlich ein Gong. Klar und dunkel erfüllt der tiefe Ton den ganzen Tempelbezirk. Die Armee bleibt stehen. Für bessere Übersicht nimmt der Meister den Helm ab und blickt um sich; der Schweiß in seinen Haaren mischt sich mit Himmelswasser, das immer heftiger zu fallen beginnt. Die Skelette nehmen ohne ein Wort eine Verteidigungsformation an, Wächter vor Kriegern, ein Dreieck aus Magiern um den Meister. Ich nehme die vierte Ecke ein, um die Raute inmitten des Quadrats zu vervollständigen. Langsam wandert mein Kopf von Seite zu Seite...
„Da hinten...“
„Da hinten!“
„Und da vorne. Können wir uns auf...von überall einigen?“
Der Meister und ich fahren herum. Auch auf der südlichen Prachtstraße sind langsam näherkommende Gestalten aufgetaucht, eine strenge Prozession in Zweierreihen aus verdrehten Menschen, die im Gleichschritt heranmarschieren wie die Skelette zuvor. Ich konzentriere mich auf die Gesichter...ja, es sind die schwarzhäutigen Fanatiker, die wir in Ober-Kurast betäubt zurückließen. Keine Verletzungen sind an ihnen zu sehen. Gegenüber kommt eine gleich aufgestellte Truppe näher, links von uns sind es blauhäutige Zakarumiten, rechts die rot gefärbten Gläubigen. Bewegungslos erwarten die Skelette sie, der Meister bedeutet mir durch Gesten, mich Rücken an Rücken mit ihm zu stellen. Ich überwache die Fanatiker auf der Nordseite und die Gläubigen, er die anderen beiden Richtungen.
Wieder ertönt der Gong, und zwei Meter vor den Skeletten bleiben die Zweierreihen stehen. Der Ton verklingt völlig, und erst nach zwei Sekunden langsam dahinfließender Stille treten alle einen Schritt zur Seite, eine Gasse in der Mitte eröffnend. Durch diese wird jeweils ein einzelner Priester sichtbar, ein lila gekleideter Küster für die Gläubigen und ein gelb berobter...
Hierofant.
...für die Fanatiker. Ich spüre, wie der Meister sich fester gegen meinen Rücken drückt; ich drücke zurück. Um die Hände der Magier beginnen, die roten und grünen Kugeln zu leuchten.
„Ungläubige.“
Welcher der Priester spricht? Die Stimme scheint von überall und nirgendwo her zu kommen...ich sehe, wie die Münder der beiden sich bewegen, die ich sehen kann, aber gleichzeitig erfüllt ein düsterer Gesang die Luft, sich mit dem Geräusch des Wolkenbruchs vermischend, der mittlerweile herabprasselt, es aber nicht schafft, die Fackeln zu löschen. Auf- und abschwellend untermalt er die feste, dunkle Stimme des einzelnen Sprechers, welche angenehm klingen würde, wären ihre Worte nicht so falsch.
„Ihr habt diesen heiligen Ort mit euerer verfluchten Gegenwart entweiht, habt es gewagt, die Schergen schwarzer Magie in das Sanktuarium des Lichts zu bringen. Jeder Gläubige Zakarums, jeder Nachfolger Herolds, wird seine Pflicht erkennen, diesen Makel zu entfernen. Das Böse ist schon lange an diesem Ort tätig; heute habt ihr die Chance, es zu beseitigen. Zerstört das Übel und...“
Plötzlich verliert die Stimme jeden Anflug von Menschlichkeit, gibt in den letzten Worten, gekreischt voller Hass, ihre wahre Natur preis, aber die verblendeten, verwandelten Menschen um uns herum bemerken dies nicht.
„...tötet sie!“
„Mephisto...“
Der Gesang erreicht ein Crescendo – und bricht ab. Das Zischen der Fackeln schwillt in der Lautstärke an...
Das sind nicht die Fackeln...
Ein eisiger Wind fegt über das Podest, bricht von allen vier Seiten über uns herein, als die Priester die während der Rede langsam erhobenen Arme ruckartig fallen lassen und Eisspitzen vom Himmel fallen, wie an Dächern wachsende Zapfen, nur drei Meter lang, die nicht zerspringen, sondern auf dem Boden in Kältewolken zerplatzen...und jedes Skelett, das sie treffen, schockgefrieren. Kurz vor den Fanatikern beginnen die Gläubigen loszustürmen, hacken auf die eiskalten Knochen ein und lassen sie mühelos und ohne Gegenwehr zu Staub zerfallen. Eine Kakophonie aus Klirren und Krachen erfüllt das Steinpodest, und innerhalb von Sekunden stehen wir ohne Armee da, von den Magiern abgesehen.
Da soll mich doch...sie beherrschen Blizzard?
Die Eisspitzen hören auf zu regnen. Rinnsale vom Regen sind zu Eis erstarrt. Der Gesang beginnt wieder, ein atonales Falsetto aus den Kehlen der vier Priester. Und in wenigen Sekunden erreichen uns die Nahkämpfer...
„Golem, gib mir eine Leiche, nur eine Leiche, und das ist schnell vorbei!“
„Ich gebe mir alle Mühe, General!“
„Tu das, aber gib eines nicht – auf. Ich verspreche dir, es auch nicht zu tun!“
Oranger Lichtschein beginnt hinter mir.
„Jetzt...dreh dich um!“
„Nein, General, die auf dieser Seite sind...“
Doch schon hat er mit der Bewegung begonnen, und ich muss mitziehen. Immer noch sind unsere Rücken aneinandergepresst, während wir um hundertachtzig Grad rotieren, und ich stehe den frisch verfluchten Angreifern auf seiner Seite gegenüber, aber, wie ich ihm nicht mehr rechtzeitig sagen konnte, die Gläubigen sind...
„...näher!“
„Scheiße!“
Tatsächlich sind diese so früh losgelaufen, dass die Kältedornen noch zwischen sie fuhren – aber das beeindruckte sie nicht im Geringsten...schon höre ich, wie eine Stangenwaffe auf einen Knochenschild trifft. Nein!
„Duck dich!“
Der Meister muss auf mich hören, sonst...ich fahre herum, meinen Arm im Bogen schwingend, und ja, er hat seinen Kopf nach unten befördert, so stoße ich einen der rothäutigen Angreifer auf seiner Seite weg, bevor er mit seiner Keule den Todesstoß setzen kann.
Tritt nach hinten!
Beinarbeit! Ich tue, wie geheißen, und spüre, wie meine Sohle aufgeweichte Haut zerteilt. Heißes Blut fließt zusammen mit kaltem Regen herunter, und ebenso eiskalt wird mir klar, dass wir keinen Gedanken daran verschwendet haben, wie wir die Angreifer aufhalten können, ohne sie zu töten...
Wenn du noch einen Gedanken in diese Richtung denkst reiße ich dir den Metallarsch auf, egal wie, ich finde einen Weg! Bring! Diese Bastarde! Um!
Ich...habe keine Wahl...
Da siehst du, wie mir es schon die ganze Zeit geht!
Es...es hilft Nichts! Wir werden überrannt! Ich bin nur noch mit dem Blocken von Schlägen beschäftigt, die auf den Meister gezielt sind, immer wieder kann ich nach hinten ausholen, aber nie gezielt, wie auch, ich muss ihn beschützen – zusammen schaffen wir gerade so, zu verhindern, dass er eine Bardikenklinge in die Stirn bekommt, aber er liegt schon am Boden, gegen meine Schienbeine gepresst, das schränkt meine Beweglichkeit ein, und Schläge prasseln von hinten auf mich ein, bald werde ich...nein!
„Achtung, ich mache einen Ausfall!“
Er fällt nicht um, bereit, als ich mich umdrehe, die Schwerter durch die Luft zischen lasse, in Fleisch zischen lasse, so viel Schaden wie möglich in kürzester Zeit anrichten möchte – aber die Gegner sind defensiv, vorsichtig, sie haben Zeit, weichen zurück, und ich kann mein Ziel nicht köpfen, er bekommt nur die Kehle aufgeschlitzt...und diese Wunde heilt sofort wieder.
Wir müssen die Priester ausschalten!
Die sind ganz da hinten, viel zu weit weg, wie denn? Schon muss ich wieder herumfahren, der Meister ist aufgestanden, unter dem Schutz eines Magiers, der sich geopfert hat, der zweite zerfällt schon, nur noch der Giftmagier steht. Das Jade-Tan-Do schießt vor, trifft einen Gegner, der zuckt zurück, seinen Arm haltend, sinkt auf die Knie, lächelt, als seine Wunde sich wieder schließt, steht auf...und sinkt wieder zusammen, würgend. Bis er wieder aufsteht...
„Das Gift macht ihnen zu schaffen!“
„Wenn du es schaffst, mehrere von ihnen gleichzeitig zu...“
Da schüttelt der Getroffene den Effekt des Dolchs komplett ab, völlig genesen. Verdammt!
Es hält einfach nicht lange genug!
Wir müssen...
„Meister, ihr müsst für eine Weile alleine die Stellung halten! Schützt den letzten Magier, ich kenne eine Technik, die Euch helfen könnte!“
Ein schneller Hieb hinterlässt eine tiefe Wunde im Kinn des Menschen. Er kann nicht antworten – sag es, schnell!
„Ihr müsst eine Knochenrüstung um Euch erzeugen, aus dem Skelett, das noch bleibt! Habt Ihr das Kapitel im Buch schon gelesen?“
„Das schien...nicht sehr...nützlich...“
„Es muss nur wenige Sekunden halten, bis wir...nein!“
Schützend hat der Meister seine Hand hochgehalten, als eine Keule auf sein Gesicht zugesaust kam...das Gesicht hat sie verfehlt, aber mit einem grausigen Knirschen zersplittern die Knochen seiner Finger. Das Jade-Tan-Do fliegt davon, und während seines ersten Schocks schlitzt eine Klinge seinen Bauch auf. Er bricht zusammen, den Schildarm über die tiefe Wunde gepresst, aber das Blut fließt frei aus ihm, sich mit dem Regen vermischend...Himmel, das kann doch nicht...
„Golem...rette...mein Leben...durch deines...“
Die Schwärze stürzt über mir zusammen. Der Zweite und ich teilen uns einen abrupt abbrechenden Schrei der Wut und Verzweiflung...
...ein Bild entsteht. Es ist fast das gleiche wie das, das ich vor einer Ewigkeit der Dunkelheit sah, bloß...intensiver. Durch...Schmerzen! Oh Himmel, die Pein, die meinen Körper durchzieht, sie ist...
Dieser geniale Bastard! Jammer nicht, stich zu!
Ein völlig verwirrtes Gesicht ist vor meinem, von einem Fanatiker, der das Gleichgewicht verloren hat, weil er einen halben Schritt zurück getan hat, obwohl er gerade seine Waffe gehoben hatte, und ich folge meinem Instinkt und der lauten Stimme in mir, die Waffe an der Hand ausfahrend, die nur weh tut und nicht von unglaublichen Schmerzen gelähmt ist...
Und drei Knochenkrallen bohren sich in und zwischen überrascht aufgerissene Augen. Was zum...oh nein.
Oh ja.
Ich bin ein Blutgolem.
Lebenssaft fließt durch die Kanäle meines Arms, und die klaffende Wunde an meinem Bauch heilt, zeitgleich mit der verbundenen des Meisters. Die Finger der anderen Hand entkrümmen sich aus ihrem zerstörten Zustand, und...der Kerl, dessen Gehirn ich gerade durchbohrt habe, versucht, die grausamen Waffen in seinem Kopf zu entfernen. Er ist nicht tot, war es nur fast, und die Heiler halten ihn am Leben, während ich ihn töte. Immer mehr Blut fließt, und ich spüre, wie die Schläge erneut beginnen, auf mich, auf den Meister, aber auch wir heilen...
Mit einem Hieb meiner gesunden Hand trenne ich den Kopf meiner Quelle ab. Endlich stirbt er...und explodiert mir ins Gesicht, weil ich wieder kleiner bin, zu meiner alten, untersetzten Statur zurückgekehrt – der Meister konnte sich logischerweise keine Gedanken über eine Verbesserung machen, als er mich gerade in Verzweiflung erschuf.
Ganz kurz haben wir einen Moment Ruhe, bevor die um das Epizentrum gefällten Gegner sich wieder aufrichten...durch die lange Reichweite ihrer Waffen war keiner genug an mir und meinem Opfer, um zu sterben. Ach, kann gar Nichts gut laufen heute?
Wir leben noch, oder? Wer von uns beiden war jetzt der Berufsoptimist?
„Meister, die Rüstung! Schnell! Wir kümmern uns um die Heiler!“
„Ich versuche es...komm zu mir!“
Der Magier lebt noch! Es gibt doch noch so etwas wie die Gnade des Himmels! Der Meister umarmt ihn...konzentriert sich...und die Knochen zerfließen, die weiße Flüssigkeit rinnt über den Meister, dieser hustet, sein gerade noch bedecktes Gesicht wird wieder frei, und nach kurzer Verwirrung, während der sich seine Gelenke noch von behindernder Knochenmasse befreien müssen, sind dünne Platten an schützender Substanz über seinen Rüstungsteile angebracht.
Ich renne los. Die ungewohnten Muskeln, die plötzlich beweglicheren Gelenke und meine falsche Statur lassen mich fast stolpern, aber schnell presse ich mir mit bewusster Anstrengung Erinnerungsbilder in den Kopf, der Zweite übernimmt stellenweise die Kontrolle, und wir laufen problemlos. Die hinteren Reihen der Angreifer stehen noch ohne Probleme, nur an wenigen sind wir vorbeigekommen, bevor sie aufstanden...verschwindet! Ich erhalte einen schweren Keulenschlag an die Schulter, eine Bardike trennt fast mein linkes Bein ab, aber hektisch schießen die Doppelkrallen um sich, trinken Blut von meinen Gegnern, von diesen unerschöpflichen Quellen des Lebens, ich stoße ihnen Ellenbogen ins Gesicht, wenn sie sich mir in den Weg stellen, der Zweite zwingt mich, ihre menschlichen Reflexe auszunutzen, indem ich auf die Augen ziele...da bringen sie mich zum Halt. Schmerzen kommen und gehen, unglaubliche Pein wechselt mit kurzzeitiger Erlösung, als ich heftige Wunden sofort wieder heile, mir geht es wohl nicht anders als ihnen, aber ich bin einer, sie sind viele. Verzweifelt schlage ich um mich, nur irgendwie die Schläge auf mich und den Meister negierend, wohl wissend, dass ich so nicht gewinnen kann, denn ich muss auch seine Verletzungen heilen. Irgendwann wird ihn ein Schlag einfach köpfen, trotz des zusätzlichen Schutzes durch die Rüstung – wird sie überhaupt helfen können, wenn ja, wie lange? - und dann war es das.
Nicht...aufgeben...lass mich es versuchen...
Dann gebe ich doch auf...aber schön! Mach! Rette den Meister, egal, wie!
Und damit erhält er freie Hand. Sofort löst er meine Kralle aus einer Gegnerkehle, nimmt es in Kauf, dass wir für einen kurzen Moment sehr verwundbar sind, und zerbricht die Stange einer Waffe mit einem schnellen Handkantenhieb, den ich in Fleischform für nie möglich gehalten hätte. Sofort packt er das abgetrennte Ende mit den unregelmäßigen Holzsplittern daran und rammt es durch den Bauch eines Fanatikers. Dieser gurgelt, wird schlaff, beginnt sich wieder zu regen, wird schlaff...während der Zweite seinen Körper hochstemmt auf dem frischen Pfahl und ihn als grausige Keule benutzt, vor der seine Genossen unwillkürlich zurückweichen, er muss sie nicht einmal treffen, um uns ein kleines Fenster zu eröffnen. Das ist doch...
Es wird noch viel grausamer, also verkriech dich besser in irgendeiner dunklen Ecke, hm?
Denn obwohl die Schläge auf uns kurz aufgehört haben, der Meister erleidet mehr und mehr Wunden, und ich spüre sie mit, der Zweite sicher auch, aber außer stoischer Entschlossenheit spüre ich Nichts von ihm. Woher nimmt er diese Kraft? Da rammt er meine Krallen genau in das Herz des Fanatikers, gleichzeitig entfernt er den Pfahl und stößt mit diesem weiter auf Gegner ein, und ohne das ständig wieder geheilte Blutpaket von unserer Hand zu entfernen, dringt er durch die kleine Lücke in der Formation der Feinde, und der Weg dahinter ist frei zu dem Hierofanten dieser Himmelsrichtung!
Zügig läuft er auf diesen zu, unsere Bürde mitschleppend, immer wieder über Versuche, uns aufzuhalten, springend, zur Seite ausweichend...offensichtlich kommen sich die Gegner auf dem engen Weg in die Quere. Da sehe ich, wie der Heiler seine Hände senkt...ein Blitz auf uns zuschießt...wir können nicht mehr ausweichen!
Verzweifelt hält der Zweite den Körper des Fanatikers zwischen uns und unser heranzuckendes Ende...und der Blitz verpufft harmlos an diesem, statt ihn und uns mit zu grillen. Was...
Er ist immun! Die rothäutigen sind gegen Kälte immun, und die schwarzhäutigen gegen Blitze!
Das ist...
Ein sehr willkommener Zufall!
Ein Geschenk des Himmels!
Der Zweite wirft unseren Schild ab, holt aus und lässt seine nunmehr freie Hand auf den Hierofanten zusausen...
...um in leere Luft zu stoßen, als dieser sich wegteleportiert. Nein!
Mein Kopf schießt herum – da ist er, der Zweite hat genau aufgepasst, wo die verräterische blaue Wolke auftaucht! Der Gegner ist noch leicht desorientiert, auf dem Platz zwischen zwei Prachtpromenaden...und sieht uns nicht...am wenigsten, wie mein Arm sich hebt, zum wichtigsten Wurf aller Zeiten ausholt, und vorschießt, um den Waffenschaft wie einen Speer mit vielen unregelmäßigen Holzspitzen direkt auf sein Ziel zuzuschleudern...
Die Kehle des Hierofanten wird glatt durchbohrt, und er wird zu Boden geschleudert, sofort tot. Ja! Ja! Du hast es geschafft!
Ich kann werfen.
Sofort entsteht ein Skelett aus dem Leichnam, der dort unten viel zu weit entfernt ist vom Kampf, um sinnvoll gesprengt zu werden. Ich spüre, wie der Meister weiter unter Schlägen zu leiden hat...schon viel zu lange haben wir keinen Gegner mehr ausgesaugt...
Der Fanatiker, dem wir den Tod des Heilers zu verdanken haben, beginnt gerade wieder aufzustehen.
Der Zweite durchbohrt ihn mit beiden Händen, die Bardikenklinge ignorierend, die uns die Seite temporär aufschlitzt – als würde ein glühender Draht an mir herabgezogen werden – und die frischen Wunden des Meisters heilen, während der viel Geschundene unter uns endgültig entseelt wird, da kein Heiler ihn sieht und ihm helfen kann. Da explodiert er, und der Raum um mich herum wird frei, sodass ich den Meister sehen kann, der sich gerade aus einer Masse von Gegnern schleppt, die kurz aufgehört haben, ihn zu töten zu versuchen, um sich dem frischen Skelett zu widmen; gerade lange genug hat dieses sie abgelenkt, damit er sich freischaufeln konnte aus der Masse von Kämpfern...so nah konnten sie ihre langen Waffen nicht gut einsetzen! Deswegen ist er noch am Leben...keine weit ausgeholten Schläge, nur kurze Stöße mit Keulenköpfen und Klingen, die kann meine Absaugung rechtzeitig heilen!
Ihr Fanatismus ist ihr Untergang – Jeder will ihn töten, will seinem Gott dienen, und so stehen sie sich perfekt gegenseitig im Weg.
Aber jetzt ist er...
...bewaffnet.
Er umklammert das Jade-Tan-Do. Der Kampf gegen die unzähligen Gegner scheint plötzlich irgendwie gewinnbar...aber wir dürfen keine Sekunde zögern...sofort stürzt sich der Zweite wieder in den grausamen Hexenkessel, um unsere neuen Verletzungen zu heilen...